Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 390/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 46/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 53/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Patientin, die an einer pulmonalen Hypertonie erkrankt war und mit Ilomedin inhalativ behandelt wurde, konnte bei Verschlechterung ihres Gesundheitszustands im Jahr 2001 zur Stabilisierung zusätzlich Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use verordnet werden. Soweit eine andere Medikation ein Jahr später zur Verfügung stand, konnte die Kombinationstherapie mit Sildenafil fortgesetzt werden, wenn eine Umstellung aus medizinischen Gründen unzumutbar war. Soweit ein Versorgungsanspruch besteht, ist ein Arzneikostenregress ausgeschlossen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu 10) zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Arzneikostenregressen gegen die Beigeladene zu 10) für die 16 Quartale III/01 – II/05 im Behandlungsfall der bei der Klägerin versicherten Patientin U. W. wegen der Verordnung des Wirkstoffs Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use.
Die Beigeladene zu 10) ist ein Universitätsklinikum in der Form einer GmbH. Sie betreibt die medizinische Klinik II in A-Stadt, die wiederum eine Ambulanz für pulmonale Hypertonie betreibt. In den streitbefangenen Quartalen wurde in der Ambulanz für die am 03.09.1934 geborene und bei der Klägerin versicherte Patientin U. W. das Medikament Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use verordnet. Die Klägerin stellte beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkasse in Hessen verschiedene Anträge auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses, die der Prüfungsausschuss mit verschiedenen Bescheiden jeweils ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die einzelnen Daten der Anträge, der Verordnungen, der Kosten der Verordnungen, die Daten der Bescheide des Prüfungsausschusses und die Daten der Widerspruchsschreiben ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
Antrag v./Eingang am Verordnung v. Betrag in EUR Prüfungsausschuss Bescheid. v. Widerspruch v.
III/01 20.09.2002/23.09.2002 05.09.2001 2.276,84 17.02.2003 10.03.2003
IV/01 13.11.2001 890,62
I/02 03.03.2003/12.03.2003 07.01.2002 1.802,32 05.06.2003 16.06.2003
II/02 10.04.2002 19.06.2002 1.501,93 450,58
III/02 26.07.2002 1.501,03
IV/02 16.09.2003/29.09.2003 01.10.2002 1.802,31 28.11.2003 09.12.2003
I/03 01.12.2003/22.12.2003 11.01.2003 1.333,30 12.08.2005 08.09.2005 II/03 09.04.2003 1.599,96
III/03 24.06.2004/29.06.2004 10.07.2003 1.599,96
IV/03 08.10.2003 1.599,96
I/04 16.11.2003/22.12.2004 19.01.2004 1.263,36
II/04 20.05.2005/30.05.2005 07.04.2004 1.383,36
III/04 06.07.2004 806,96
IV/04 07.10.2004 1.383,36
I/05 16.11.2005/02.12.2005 24.01.2005 28.02.2005 1.152,50 952,84 05.04.2006 16.05.2006
II/05 09.04.2005 1.633,44
Zur Begründung ihrer Anträge führte die Klägerin aus, die Poliklinik der Beigeladenen zu 10 habe Viagra außerhalb der zugelassenen Indikationen verordnet. Viagra sei als selektiver Hemmstoff der Phosphodiesterase vom Typ 5 bisher ausschließlich zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen. Derzeit lägen laut aktueller Aussage des Herstellers noch keine Daten aus großen placebokontrollierten Studien zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie vor. Ein Einsatz von Viagra bei dieser Indikation könne auch außerhalb klinischer Studien von der Firma Pfizer nicht empfohlen werden. Zudem werde an eine Erweiterung der Zulassung für Viagra in Kombination mit Ilomedin zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zurzeit nicht gedacht. Mit der staatlichen Zulassung eines Arzneimittels sei davon auszugehen, dass Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Arzneimittelverordnungen seien damit in Sinne des Krankenversicherungsrechts erfüllt. Nach § 29 Abs. 3 AMG müsse bei einer Indikationserweiterung eine neue Zulassung beantragt werden. Das BSG habe in seinem Urteil vom 19.03.2003 den Einsatz von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation (Off-Label-Use) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung an bestimmte Kriterien gebunden. Sie beantrage die Festsetzung eines sonstigen Schadens und melde ihren Schadensersatzanspruch an.
Die Beigeladene zu 10) erklärte zu den Anträgen der Klägerin, sie verordne Viagra in der Indikation pulmonale arterielle Hypertonie und chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie unter bestimmten Voraussetzungen, seit dem Jahre 2000 eine Publikation auf eine sehr deutliche Besserung im Einzelfall hingewiesen habe und sie eine signifikante akute Wirkung bei Katheteruntersuchung direkt habe nachweisen können. Sie sehe in der klinischen Praxis sehr gute Erfolge und eine geringe Rate an Nebenwirkungen. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten sei eine Therapie mit Viagra vorteilhaft gegenüber den zugelassenen Alternativen und den in Deutschland nicht zugelassenen Alternativen (Flolan, Treprostimil). Es gebe mittlerweile eine beträchtliche Anzahl von Studien, die eine Wirksamkeit von Viagra bei pulmonaler Hypertonie nahelegten. Zuletzt sein auch eine randomisierte kontrollierte Studie publiziert worden, welche die Wirkung von Viagra bei schwerer pulmonaler Hypertonie belege. Auch die Ergebnisse einer weltweiten randomisierten Studie in der Indikation PAH (SUPER-1) seien positiv und erstmals von Dr. Ghofrani auf dem ACCP-Kongress in Seattle am 27.10.2004 der Öffentlichkeit präsentiert worden. Sildenafil habe seine Orphan Drug Indikation von der EMEA in der Indikation pulmonaler Hypertonie erhalten und es sei im Jahre 2004 ein Zulassungsantrag gestellt worden. Es bestehe ein breiter Konsens auf Expertenseite bezüglich der Wirksamkeit von Sildenafil bei pulmonaler Hypertonie, der auch in einer gemeinsamen Stellungnahme des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Pulmonale Hypertonie zum Ausdruck komme. Die Task Force "Pulmonary Hypertension" der European Society of Cardiology (ESC) habe die Therapie mit Sildenafil bei pulmonal arterieller Hypertonie mit dem Evidenzgrad A und dem Empfehlungsgrad I versehen, also der bestmöglichen Bewertung. Die Voraussetzungen nach der BSG-Rechtsprechung für eine Verordnung im sogenannten Off-Label-Use würden vorliegen.
Bei der Patientin liege eine Ausnahmeindikation vor und zwar die Behandlung einer lebensbedrohlichen schweren pulmonalen Hypertonie mit drohender Rechtsherzdekompensation. Die Patientin sei mit inhalativem Ilomedin erfolgreich behandelt worden, lange bevor die Zulassung für diese Therapie vorgelegen habe. Dadurch habe sie erst die Zulassung erlebt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sei es allerdings zu einer erneuten Verschlechterung gekommen, weshalb zusätzlich Viagra verordnet worden sei. Darunter habe sich die Patientin erneut stabilisiert und sei nicht verstorben, wie man sonst hätte erwarten müssen.
Ihr Zentrum habe sich in den vergangenen Jahren zu einer der größten Zentren für pulmonale Hypertonie weltweit entwickelt. Sie würden von Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet aufgesucht werden und erhielten auch wiederholt Nachfragen aus dem Ausland. Sie stehe in wissenschaftlichem Austausch mit allen maßgeblichen nationalen und internationalen Gremien auf diesem Gebiet. Dies verdeutlichten verschiedene Funktionen. Die pulmonale Hypertonie könne aus verschiedenen zugrunde liegenden Erkrankungen resultieren. In jedem Fall sei sie mit einer deutlichen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität verbunden. Die Inzidenz dieser Erkrankungen sei insgesamt sehr niedrig. Man rechne für die primäre pulmonale Hypertonie etwa 0,2 – 0,3 Patienten/100.000 Einwohner/Jahr und für die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie nochmals die gleiche Zahl. Diese beiden Formeln zusammengenommen machten über die Hälfte aller therapiebedürftigen Fälle einer schweren pulmonalen Hypertonie aus. Somit komme zu einer Inzidenz höchstens 1,2/100.000/Jahr. Gehe man von einer mittleren Lebenserwartung unter 3 Jahren aus, so liege die maximal zu schätzende Prävalenz bei 3,6/100.000 Einwohnern. Damit sei das Kriterium für eine "Orphan Disease", also einer sehr seltenen Krankheit, erfüllt. Sie nutzten das gesamte Spektrum der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei diesen teilweise sehr komplexen lebensbedrohlichen Erkrankungen, um die Lebensqualität und die Lebenserwartung dieser Patienten zu verbessern oder zumindest den Zustand zu stabilisieren, was sie im Einzelnen ausführte. Zusätzlich nähmen sie an internationalen kontrollierten Studien teil. Diese Studien würden nicht zu Lasten der Krankenkasse abgewickelt werden. Sie unterlägen der Kontrolle durch den Regierungspräsidenten. Eine Therapie mit Prostacyclin führe sie seit 1998 nicht mehr durch, weil sie in keinem Falle damit das Leben des betreffenden Patienten habe retten können und weil sie mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet sei, sie in Deutschland in keiner Indikation zugelassen sei, keine ausreichende Erfahrung in Deutschland bestehe, diese Therapie außerordentlich teuer sei und mit der Dauerinfusion von Ilomedin eine kostengünstigere Alternative bei gleicher Wirkungsweise bestehe. Seit Mai 2002 sei in Deutschland Bosentan zugelassen. Seit dieser Zeit stellten sie alle Patienten darauf ein, sofern keine Kontraindikation vorliege. Bis dahin habe es in Deutschland keine zugelassene Therapie der pulmonalen Hypertonie gegeben, wenn man von der Zulassung von Molsidomin einmal absehe, welches nach internationaler Expertenmeinung zu den unwirksamen Medikamenten zähle und nie in einer akzeptablen Studie auf seine Wirksamkeit getestet worden sei. Es habe sich gezeigt, dass die Inhalation von Prostacyclin und seinem stabilen Analogon Ilomedin in der Lage sei, selektiv auf die Lunge zu wirken und dadurch weniger Risiken, weniger Nebenwirkungen und weniger Kosten zu verursachen. Zusätzlich hätten sie bei Rechtsherzkatheteruntersuchungen herausgefunden, dass die Gabe von Viagra zu einer weiteren Verbesserung der Lungendurchblutung dieser Patienten führe. Dies sei gleichzeitig von andern Autoren publiziert worden. Bis Mai 2002 hätten sie solche Patienten, die kritisch MZ. gewesen seien und als nächste Therapieoption nur noch die lebenslange Dauerinfusion mit Ilomedin oder Prostacyclin zur Verfügung gestanden habe, auf Sildenafil eingestellt. Seit Mai 2002 stellten sie solche Patienten, welche die Indikation erfüllten, auf Tracleer (Bosentan) ein. Die Therapieumstellung von einer sehr erfolgreichen Therapie auf Bosentan sei risikoreich und sollte niemals gegen den Willen des Patienten erzwungen werden. Es sei im Einzelfall nicht vorhersehbar, ob Bosentan ebenso gut wirke wie die bisherige Therapie und ob sie verträglich sei. Bei der Therapie mit Viagra handele es sich mit Jahrestherapiekosten von ca. 12.000 EUR um eine vergleichsweise preiswerte Therapie. Im Vergleich beliefen sich die Kosten für Tracleer auf 45.000 EUR pro Jahr, für inhalatives Ilomedin auf 30.000 EUR bis 60.000 EUR, für intravenöses Ilomedin rund 90.000 EUR bis 180.000 EUR und für intravenöses Prostacyclin auf 150.000 EUR bis 1,5 Mio EUR. Die Kosten für eine Lungentransplantation seien schwierig zu kalkulieren. Nach US-amerikanischen Angaben lägen die akuten Kosten bei 165.000 $ und 17.000 $ pro Monat in den ersten 6 Monaten, danach sänken die laufenden Kosten auf 5.500 $ pro Monat. Es blieben somit laufende Kosten von ca. 66.000 $ pro Jahr nach erfolgter Lungentransplantation einzukalkulieren. Als Ärzte könnten sie es ethisch nicht verantworten, dem Patienten eine Therapie vorzuenthalten, die bei einer lebensbedrohlichen Krankheit im Einzelfall nachweisbar akut und chronisch wirksam sei.
Die Patientin habe die Diagnose Primäre pulmonale Hypertonie im NYHA Stadium III, sie werde mit inhalativem Ilomedin seit Oktober 1997 therapiert und mit Sildenafil seit Januar 2001. Bei einer Neueinstellung würde diese Patientin heute von ihr auf Tracleer eingestellt werden (zugelassene Therapie). Die Patientin fühle sich unter der bisherigen Therapie mit inhalativem Ilomedin plus Viagra aber wohl und die hämodynamischen Ergebnisse seien zufriedenstellend. Sie stehe einer Therapieumstellung skeptisch gegenüber. Insgesamt sähe sie nicht die Indikation zu einer Umstellung der Therapie auf Tracleer.
Der Prüfungsausschuss verwies in seiner Begründung auf die kurzfristig vorgelegten Arbeiten aus dem europäischen Ausland, welche die Wirksamkeit belegten. Es sei auch mit berücksichtigt worden, dass auch aus dem Blickwinkel eines wirtschaftlichen Therapieverhaltens keine Beanstandungsgründe vorlägen. Es handele sich um eine pulmonale Hypertonie. In diesen Fällen sei der Einsatz von Viagra nicht zu beanstanden.
Die Klägerin begründete ihre Widersprüche mit weitgehender Wiederholung ihrer Antragsbegründung. Ergänzend führte sie aus, laut Punkt 12 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung seien Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung unzulässig. Dies gelte auch für Erprobungen nach der Zulassung eines Arzneimittels. Die Stellungnahme der Beigeladenen zu 10) lasse vermuten, dass das Arzneimittel im Rahmen einer Studie verabreicht werde. Durch wissenschaftliche Untersuchungen sei ein positives Nutzen-Risikoverhältnis für den Patienten durch zusätzliche Gabe von Viagra nicht ausreichend belegt und es handele sich um einen sog. individuellen Heilversuch, dessen Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung das geltende Recht verbiete. Es liege kein austherapierter Einzelfall vor, sondern es bestünden weitere Therapieoptionen. Zur Therapie der pulmonalen Hypertonie stehe das bereits bei der Versicherten eingesetzte inhalative Iloprost zur Verfügung. Eine weitere Therapieoption stelle Bosentan dar. Bei der Therapie ihrer Versicherten handele es sich um eine reine Erprobung. Der Hersteller weise selbst darauf hin, dass die Anwendung mit anderen Arzneimitteln nicht in kontrollierten klinischen Studien untersucht worden sei. Deshalb empfehle er nicht die gleichzeitige Gabe von Sildenafil zusammen mit diesen Arzneimitteln.
Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und wies die Widersprüche mit Beschluss vom 28.03.2007 (ausgefertigt am 16.08. und der Klägerin am 17.08. zugestellt) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, ausweislich der Literatur und einer Auskunft des Bundesamtes für Arzneimittelzulassung und Medizinprodukte habe Viagra zum Zeitpunkt der Verordnung für die Diagnose der pulmonalen Hypertonie keine Zulassung gehabt. Es handele sich deshalb um einen Off-Label-Use. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe in einem Grundsatzurteil (vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R -) klargestellt, dass der Ausschluss eines Off-Label-Gebrauchs von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausnahmslos gelte. Vielmehr sei die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet in Betracht zu ziehen, wenn es
1. um eine Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehe,
2. keine andere Therapie verfügbar sei,
3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne. Davon könne ausgegangen werden, wenn entweder
a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt sei und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht seien und eine klinisch relevante Wirksamkeit Respektive einen klinischen relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten oder
b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht seien, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässig, wirtschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestehe.
Bei der pulmonalen Hypertonie handele es sich um eine Erkrankung, die unbehandelt zum Tode führe. In der letzten Lebensphase der jeweiligen Patienten stelle sie eine gewaltige Belastung dar, weil sie selbst bei minimaler körperlicher Bewegung eine massive Luftnot und damit das fortwährende Gefühl des Erstickens erleben müssten, welches die Lebensqualität dieser Menschen außerordentlich beeinträchtige. In den Jahren 2001 und 2002 habe es sich durchaus um Off-Label-Use-Verordnungen gehandelt. Zu diesem Zeitpunkt habe es jedoch keine zugelassenen therapeutischen Alternativen gegeben, allerdings eine Fülle von begründeten Ergebnissen, die zu dem Punkt geführt hätten, der dann auch zu einem späteren Zeitpunkt eine bessere Erkenntnissituation ergeben habe und letztendlich auch die Zulassung durch die FDA und EMEA zwingend nach sich gezogen habe. Anhand der vorliegenden Literatur und unter Berücksichtigung der pathophysiologischen Gegebenheiten sei daher ein Regress für den Wirkstoff Sildenafil bei dieser Diagnose zu verneinen. Zwar sei es richtig, dass die Verordnung von Sildenafil in den Jahren 2001 und 2002 noch nicht aus gesicherten Erkenntnissen beruht habe, danach habe sich aber das wissenschaftliche Erkenntnismaterial erheblich gefestigt und spätestens mit der Zulassung von Sildenafil durch die FDA und EMEA werde die Handlungsweise der Beigeladenen zu 10) gerechtfertigt. Obwohl sich aus einer Recherche der KBV vom 02.11.2004 noch keine gesicherten Empfehlungen für Sildenafil zur Behandlung von pulmonaler Hypertonie ergeben hätten, sei schon ca. ein halbes Jahr nach Erhebung dieser Daten in Amerika die Zulassung durch FDA erteilt worden und auch die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA sei am 04.11.2005 unter dem Namen Revatio erfolgt. Revatio habe den sogenannten "Orphan-drug"-Status erhalten. Zwar hätte ab Mai 2002 die Alternative Bosentan oder Iloprost zur Verfügung gestanden, da für diese Arzneimittel ab diesem Zeitpunkt schon eine Zulassung vorgelegen habe, jedoch lägen die Therapiekosten für Bosentan und bei Iloprost ungleich höher. Außerdem hätten die Ärzte glaubhaft angegeben, dass sie Viagra bzw. den Wirkstoff Sildenafil nur in medizinisch begründeten Fällen einsetzten, bei denen eine alternative Therapie nicht möglich bzw. nicht ausreichend sei. Ebenso wenig hätte in diesen Fällen eine Erprobung von Arzneimitteln auf Kosten der Versicherungsträger stattgefunden. Da es bis Mai 2002 keine Alternativen gegeben habe und die danach vorhandenen Alternativen zudem um ein mehrfaches teurer gewesen wären, die Erkrankung "pulmonale Hypertonie" als schwerwiegend und lebensbedrohlich angesehen werde und es sich um eine seltene Erkrankung handele, seien in den vorliegenden Einzelfällen nach kritischer und sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts die Voraussetzungen des "Off-Label-Use" gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.09.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, der Anspruch auf Versorgung mit Fertigarzneimitteln setzt deren arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit voraus. Zutreffend gehe der Beklagte deshalb von einem sogenannten Off-Label-Use aus. Entgegen der Ansicht des Beklagten hätten aber Therapiealternativen zur Verfügung gestanden. Das Medikament Ilomedin mit dem Wirkstoff Iloprost sei in Deutschland zur intravenösen Verabreichung zugelassen und habe in Neuseeland seit 2001 eine Indikationserweiterung für die intravenöse Behandlung der primären und sekundären pulmonalen Hypertonie erhalten. In Deutschland sei dann im Mai 2002 die Zulassung von Tracleer (Wirkstoff Bosentan) für die Therapie der pulmonalen Hypertonie erfolgt. Seit 2003 stehe mit Ventavis ein inhalatives Iloprost-Präparat auf dem deutschen Markt zur Verfügung. Auch sei Flolan (Wirkstoff Epoprostenol) seit 1995 in den USA sowie einigen europäischen Ländern zugelassen. Eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg sei seinerzeit nicht gegeben gewesen. Es hätten weder publizierte Daten einer Phase-III-Studie noch andere wissenschaftliche Publikationen bestanden, die zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über Qualität, Wirksamkeit und Überlegenheit der Viagra-Gabe zuließen. Entsprechend habe sich auch der Hersteller geäußert. Daten einer klinischen Phase-III-Studie seien erst im November 2005 veröffentlicht worden. Die Zulassung von Revatio mit dem Wirkstoff Sildenafil sei erst im Oktober 2005 erfolgt. Die Kostenrechnung, wie sie der Beklagte vorgenommen habe, sei unzulässig und begründe keinen Leistungsanspruch. Maßgeblich komme es auf die Voraussetzungen für die Verordnung an. Berücksichtige man, dass Viagra mit dem Wirkstoff Iloprost angewandt worden sei, so erhalte man neben den Kosten für Viagra die zusätzliche Summe von über 170.000 EUR. Zur Kombinationstherapie von Viagra mit dem Wirkstoff Iloprost werde in der Fachinformation von Revatio gewarnt. Auch seien bis zum heutigen Zeitpunkt keine Veröffentlichungen von Phase-III-Studien für den Einsatz der Kombination Ilomedin und Viagra bekannt. Es habe sich nur um eine Erprobung gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 28.03.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend verweist er auf eine Stellungnahme des Arzneimittelherstellers von Viagra vom 13.10.2004 gegenüber der Beigeladenen zu 1) nebst anliegender wissenschaftlicher Veröffentlichungen, wonach u. a. wegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzen fünf Jahre ein Phase-III-Programm durchgeführt worden und beabsichtigt sei, in Kürze einen Zulassungsantrag zu stellen und ein internationales Expertengremium Sildenafil in die Behandlungsempfehlungen der pulmonalen Hypertonie aufgenommen habe. Der Hersteller habe die Studie vorgelegt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 10) haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 07.09.2007 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 9) in der mündlichen Verhandlung tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und hierauf hingewiesen worden waren.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 28,03.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.
Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in dem angefochten Beschluss verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Ergänzend ist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az.: 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25 = NZS 2006, 84 = GesR 2006, 72 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 = USK 2005-50) zu verweisen. Danach ist es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des § 5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei muss allerdings die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen (hier zitiert nach juris, Rdnr. 65).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Bei der pulmonalen Hypertonie, an der die Patientin U. W. erkrankt ist, handelt es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt drei Jahre. Zu Beginn des hier strittigen Behandlungszeitraums bestand auch keine Behandlungsalternative, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass im Jahr 2001 nur die Möglichkeit zur Gabe von Ilomedin, entweder intravenös oder inhalativ bestand. Die Patientin bekam zunächst Ilomedin inhalativ. Diese Medikation ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und wird insbesondere von der Klägerin auch nicht beanstandet. Die Patientin hatte sich zunächst stabilisiert, ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich dann aber im Jahr 2001. Sie brauchte eine Therapieerweiterung. Als Alternative kam intravenöse Gabe von Ilomedin in Betracht. Diese Medikation geht aber mit vielen weiteren Problemen einher. Alternativ konnte zusätzlich, eben als Kombination, Sildenafil eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit bestand auch aus heutiger medizinischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt nicht, wie der die Klägerin in der Folgezeit behandelnde Art Dr. R. in der mündlichen Verhandlung für die Beigeladene zu 10) im Einzelnen erläutert hat. Bosentan war damals noch nicht erhältlich. Erst ein Jahr später gab es dann Bosentan. Eine Umstellung war der Patientin dann aber aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar, da sie dies auch nicht wünschte. Die Patientin hatte sich unter der Gabe von inhalativem Ilomedin in der Kombination mit Sildenafil so gut stabilisiert, dass eine Änderung der Therapie medizinisch nicht zu rechtfertigen war. Die Patientin ist im streitbefangenen Zeitraum nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt worden. Die Behandlung erfolgte auch nicht im Rahmen einer klinischen Studie. Von daher hatte die Patientin einen Anspruch auf Versorgung mit Sildenafil gegenüber der Klägerin. Soweit aber ein Versorgungsanspruch besteht, ist ein Arzneikostenregress ausgeschlossen. Die Therapie war auch im Ergebnis erfolgreich, da die Patientin weiterhin bis heute überlebt hat, wenn es hierauf auch rechtlich nicht ankommt. Gleichfalls kam es nicht darauf an, dass die übrigen Krankenkassen in ca. 14 weiteren Behandlungsfällen, wie der Beklagte und die Beigeladene zu 10) in der mündlichen Verhandlung erläuterten, bei ähnlicher Krankheitslage und gleicher Medikation die Kosten übernommen haben.
Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu 10) zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Arzneikostenregressen gegen die Beigeladene zu 10) für die 16 Quartale III/01 – II/05 im Behandlungsfall der bei der Klägerin versicherten Patientin U. W. wegen der Verordnung des Wirkstoffs Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use.
Die Beigeladene zu 10) ist ein Universitätsklinikum in der Form einer GmbH. Sie betreibt die medizinische Klinik II in A-Stadt, die wiederum eine Ambulanz für pulmonale Hypertonie betreibt. In den streitbefangenen Quartalen wurde in der Ambulanz für die am 03.09.1934 geborene und bei der Klägerin versicherte Patientin U. W. das Medikament Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use verordnet. Die Klägerin stellte beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkasse in Hessen verschiedene Anträge auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses, die der Prüfungsausschuss mit verschiedenen Bescheiden jeweils ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die einzelnen Daten der Anträge, der Verordnungen, der Kosten der Verordnungen, die Daten der Bescheide des Prüfungsausschusses und die Daten der Widerspruchsschreiben ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
Antrag v./Eingang am Verordnung v. Betrag in EUR Prüfungsausschuss Bescheid. v. Widerspruch v.
III/01 20.09.2002/23.09.2002 05.09.2001 2.276,84 17.02.2003 10.03.2003
IV/01 13.11.2001 890,62
I/02 03.03.2003/12.03.2003 07.01.2002 1.802,32 05.06.2003 16.06.2003
II/02 10.04.2002 19.06.2002 1.501,93 450,58
III/02 26.07.2002 1.501,03
IV/02 16.09.2003/29.09.2003 01.10.2002 1.802,31 28.11.2003 09.12.2003
I/03 01.12.2003/22.12.2003 11.01.2003 1.333,30 12.08.2005 08.09.2005 II/03 09.04.2003 1.599,96
III/03 24.06.2004/29.06.2004 10.07.2003 1.599,96
IV/03 08.10.2003 1.599,96
I/04 16.11.2003/22.12.2004 19.01.2004 1.263,36
II/04 20.05.2005/30.05.2005 07.04.2004 1.383,36
III/04 06.07.2004 806,96
IV/04 07.10.2004 1.383,36
I/05 16.11.2005/02.12.2005 24.01.2005 28.02.2005 1.152,50 952,84 05.04.2006 16.05.2006
II/05 09.04.2005 1.633,44
Zur Begründung ihrer Anträge führte die Klägerin aus, die Poliklinik der Beigeladenen zu 10 habe Viagra außerhalb der zugelassenen Indikationen verordnet. Viagra sei als selektiver Hemmstoff der Phosphodiesterase vom Typ 5 bisher ausschließlich zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen. Derzeit lägen laut aktueller Aussage des Herstellers noch keine Daten aus großen placebokontrollierten Studien zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie vor. Ein Einsatz von Viagra bei dieser Indikation könne auch außerhalb klinischer Studien von der Firma Pfizer nicht empfohlen werden. Zudem werde an eine Erweiterung der Zulassung für Viagra in Kombination mit Ilomedin zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zurzeit nicht gedacht. Mit der staatlichen Zulassung eines Arzneimittels sei davon auszugehen, dass Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Arzneimittelverordnungen seien damit in Sinne des Krankenversicherungsrechts erfüllt. Nach § 29 Abs. 3 AMG müsse bei einer Indikationserweiterung eine neue Zulassung beantragt werden. Das BSG habe in seinem Urteil vom 19.03.2003 den Einsatz von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation (Off-Label-Use) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung an bestimmte Kriterien gebunden. Sie beantrage die Festsetzung eines sonstigen Schadens und melde ihren Schadensersatzanspruch an.
Die Beigeladene zu 10) erklärte zu den Anträgen der Klägerin, sie verordne Viagra in der Indikation pulmonale arterielle Hypertonie und chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie unter bestimmten Voraussetzungen, seit dem Jahre 2000 eine Publikation auf eine sehr deutliche Besserung im Einzelfall hingewiesen habe und sie eine signifikante akute Wirkung bei Katheteruntersuchung direkt habe nachweisen können. Sie sehe in der klinischen Praxis sehr gute Erfolge und eine geringe Rate an Nebenwirkungen. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten sei eine Therapie mit Viagra vorteilhaft gegenüber den zugelassenen Alternativen und den in Deutschland nicht zugelassenen Alternativen (Flolan, Treprostimil). Es gebe mittlerweile eine beträchtliche Anzahl von Studien, die eine Wirksamkeit von Viagra bei pulmonaler Hypertonie nahelegten. Zuletzt sein auch eine randomisierte kontrollierte Studie publiziert worden, welche die Wirkung von Viagra bei schwerer pulmonaler Hypertonie belege. Auch die Ergebnisse einer weltweiten randomisierten Studie in der Indikation PAH (SUPER-1) seien positiv und erstmals von Dr. Ghofrani auf dem ACCP-Kongress in Seattle am 27.10.2004 der Öffentlichkeit präsentiert worden. Sildenafil habe seine Orphan Drug Indikation von der EMEA in der Indikation pulmonaler Hypertonie erhalten und es sei im Jahre 2004 ein Zulassungsantrag gestellt worden. Es bestehe ein breiter Konsens auf Expertenseite bezüglich der Wirksamkeit von Sildenafil bei pulmonaler Hypertonie, der auch in einer gemeinsamen Stellungnahme des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Pulmonale Hypertonie zum Ausdruck komme. Die Task Force "Pulmonary Hypertension" der European Society of Cardiology (ESC) habe die Therapie mit Sildenafil bei pulmonal arterieller Hypertonie mit dem Evidenzgrad A und dem Empfehlungsgrad I versehen, also der bestmöglichen Bewertung. Die Voraussetzungen nach der BSG-Rechtsprechung für eine Verordnung im sogenannten Off-Label-Use würden vorliegen.
Bei der Patientin liege eine Ausnahmeindikation vor und zwar die Behandlung einer lebensbedrohlichen schweren pulmonalen Hypertonie mit drohender Rechtsherzdekompensation. Die Patientin sei mit inhalativem Ilomedin erfolgreich behandelt worden, lange bevor die Zulassung für diese Therapie vorgelegen habe. Dadurch habe sie erst die Zulassung erlebt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sei es allerdings zu einer erneuten Verschlechterung gekommen, weshalb zusätzlich Viagra verordnet worden sei. Darunter habe sich die Patientin erneut stabilisiert und sei nicht verstorben, wie man sonst hätte erwarten müssen.
Ihr Zentrum habe sich in den vergangenen Jahren zu einer der größten Zentren für pulmonale Hypertonie weltweit entwickelt. Sie würden von Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet aufgesucht werden und erhielten auch wiederholt Nachfragen aus dem Ausland. Sie stehe in wissenschaftlichem Austausch mit allen maßgeblichen nationalen und internationalen Gremien auf diesem Gebiet. Dies verdeutlichten verschiedene Funktionen. Die pulmonale Hypertonie könne aus verschiedenen zugrunde liegenden Erkrankungen resultieren. In jedem Fall sei sie mit einer deutlichen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität verbunden. Die Inzidenz dieser Erkrankungen sei insgesamt sehr niedrig. Man rechne für die primäre pulmonale Hypertonie etwa 0,2 – 0,3 Patienten/100.000 Einwohner/Jahr und für die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie nochmals die gleiche Zahl. Diese beiden Formeln zusammengenommen machten über die Hälfte aller therapiebedürftigen Fälle einer schweren pulmonalen Hypertonie aus. Somit komme zu einer Inzidenz höchstens 1,2/100.000/Jahr. Gehe man von einer mittleren Lebenserwartung unter 3 Jahren aus, so liege die maximal zu schätzende Prävalenz bei 3,6/100.000 Einwohnern. Damit sei das Kriterium für eine "Orphan Disease", also einer sehr seltenen Krankheit, erfüllt. Sie nutzten das gesamte Spektrum der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei diesen teilweise sehr komplexen lebensbedrohlichen Erkrankungen, um die Lebensqualität und die Lebenserwartung dieser Patienten zu verbessern oder zumindest den Zustand zu stabilisieren, was sie im Einzelnen ausführte. Zusätzlich nähmen sie an internationalen kontrollierten Studien teil. Diese Studien würden nicht zu Lasten der Krankenkasse abgewickelt werden. Sie unterlägen der Kontrolle durch den Regierungspräsidenten. Eine Therapie mit Prostacyclin führe sie seit 1998 nicht mehr durch, weil sie in keinem Falle damit das Leben des betreffenden Patienten habe retten können und weil sie mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet sei, sie in Deutschland in keiner Indikation zugelassen sei, keine ausreichende Erfahrung in Deutschland bestehe, diese Therapie außerordentlich teuer sei und mit der Dauerinfusion von Ilomedin eine kostengünstigere Alternative bei gleicher Wirkungsweise bestehe. Seit Mai 2002 sei in Deutschland Bosentan zugelassen. Seit dieser Zeit stellten sie alle Patienten darauf ein, sofern keine Kontraindikation vorliege. Bis dahin habe es in Deutschland keine zugelassene Therapie der pulmonalen Hypertonie gegeben, wenn man von der Zulassung von Molsidomin einmal absehe, welches nach internationaler Expertenmeinung zu den unwirksamen Medikamenten zähle und nie in einer akzeptablen Studie auf seine Wirksamkeit getestet worden sei. Es habe sich gezeigt, dass die Inhalation von Prostacyclin und seinem stabilen Analogon Ilomedin in der Lage sei, selektiv auf die Lunge zu wirken und dadurch weniger Risiken, weniger Nebenwirkungen und weniger Kosten zu verursachen. Zusätzlich hätten sie bei Rechtsherzkatheteruntersuchungen herausgefunden, dass die Gabe von Viagra zu einer weiteren Verbesserung der Lungendurchblutung dieser Patienten führe. Dies sei gleichzeitig von andern Autoren publiziert worden. Bis Mai 2002 hätten sie solche Patienten, die kritisch MZ. gewesen seien und als nächste Therapieoption nur noch die lebenslange Dauerinfusion mit Ilomedin oder Prostacyclin zur Verfügung gestanden habe, auf Sildenafil eingestellt. Seit Mai 2002 stellten sie solche Patienten, welche die Indikation erfüllten, auf Tracleer (Bosentan) ein. Die Therapieumstellung von einer sehr erfolgreichen Therapie auf Bosentan sei risikoreich und sollte niemals gegen den Willen des Patienten erzwungen werden. Es sei im Einzelfall nicht vorhersehbar, ob Bosentan ebenso gut wirke wie die bisherige Therapie und ob sie verträglich sei. Bei der Therapie mit Viagra handele es sich mit Jahrestherapiekosten von ca. 12.000 EUR um eine vergleichsweise preiswerte Therapie. Im Vergleich beliefen sich die Kosten für Tracleer auf 45.000 EUR pro Jahr, für inhalatives Ilomedin auf 30.000 EUR bis 60.000 EUR, für intravenöses Ilomedin rund 90.000 EUR bis 180.000 EUR und für intravenöses Prostacyclin auf 150.000 EUR bis 1,5 Mio EUR. Die Kosten für eine Lungentransplantation seien schwierig zu kalkulieren. Nach US-amerikanischen Angaben lägen die akuten Kosten bei 165.000 $ und 17.000 $ pro Monat in den ersten 6 Monaten, danach sänken die laufenden Kosten auf 5.500 $ pro Monat. Es blieben somit laufende Kosten von ca. 66.000 $ pro Jahr nach erfolgter Lungentransplantation einzukalkulieren. Als Ärzte könnten sie es ethisch nicht verantworten, dem Patienten eine Therapie vorzuenthalten, die bei einer lebensbedrohlichen Krankheit im Einzelfall nachweisbar akut und chronisch wirksam sei.
Die Patientin habe die Diagnose Primäre pulmonale Hypertonie im NYHA Stadium III, sie werde mit inhalativem Ilomedin seit Oktober 1997 therapiert und mit Sildenafil seit Januar 2001. Bei einer Neueinstellung würde diese Patientin heute von ihr auf Tracleer eingestellt werden (zugelassene Therapie). Die Patientin fühle sich unter der bisherigen Therapie mit inhalativem Ilomedin plus Viagra aber wohl und die hämodynamischen Ergebnisse seien zufriedenstellend. Sie stehe einer Therapieumstellung skeptisch gegenüber. Insgesamt sähe sie nicht die Indikation zu einer Umstellung der Therapie auf Tracleer.
Der Prüfungsausschuss verwies in seiner Begründung auf die kurzfristig vorgelegten Arbeiten aus dem europäischen Ausland, welche die Wirksamkeit belegten. Es sei auch mit berücksichtigt worden, dass auch aus dem Blickwinkel eines wirtschaftlichen Therapieverhaltens keine Beanstandungsgründe vorlägen. Es handele sich um eine pulmonale Hypertonie. In diesen Fällen sei der Einsatz von Viagra nicht zu beanstanden.
Die Klägerin begründete ihre Widersprüche mit weitgehender Wiederholung ihrer Antragsbegründung. Ergänzend führte sie aus, laut Punkt 12 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung seien Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung unzulässig. Dies gelte auch für Erprobungen nach der Zulassung eines Arzneimittels. Die Stellungnahme der Beigeladenen zu 10) lasse vermuten, dass das Arzneimittel im Rahmen einer Studie verabreicht werde. Durch wissenschaftliche Untersuchungen sei ein positives Nutzen-Risikoverhältnis für den Patienten durch zusätzliche Gabe von Viagra nicht ausreichend belegt und es handele sich um einen sog. individuellen Heilversuch, dessen Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung das geltende Recht verbiete. Es liege kein austherapierter Einzelfall vor, sondern es bestünden weitere Therapieoptionen. Zur Therapie der pulmonalen Hypertonie stehe das bereits bei der Versicherten eingesetzte inhalative Iloprost zur Verfügung. Eine weitere Therapieoption stelle Bosentan dar. Bei der Therapie ihrer Versicherten handele es sich um eine reine Erprobung. Der Hersteller weise selbst darauf hin, dass die Anwendung mit anderen Arzneimitteln nicht in kontrollierten klinischen Studien untersucht worden sei. Deshalb empfehle er nicht die gleichzeitige Gabe von Sildenafil zusammen mit diesen Arzneimitteln.
Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und wies die Widersprüche mit Beschluss vom 28.03.2007 (ausgefertigt am 16.08. und der Klägerin am 17.08. zugestellt) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, ausweislich der Literatur und einer Auskunft des Bundesamtes für Arzneimittelzulassung und Medizinprodukte habe Viagra zum Zeitpunkt der Verordnung für die Diagnose der pulmonalen Hypertonie keine Zulassung gehabt. Es handele sich deshalb um einen Off-Label-Use. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe in einem Grundsatzurteil (vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R -) klargestellt, dass der Ausschluss eines Off-Label-Gebrauchs von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausnahmslos gelte. Vielmehr sei die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet in Betracht zu ziehen, wenn es
1. um eine Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehe,
2. keine andere Therapie verfügbar sei,
3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne. Davon könne ausgegangen werden, wenn entweder
a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt sei und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht seien und eine klinisch relevante Wirksamkeit Respektive einen klinischen relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten oder
b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht seien, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässig, wirtschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestehe.
Bei der pulmonalen Hypertonie handele es sich um eine Erkrankung, die unbehandelt zum Tode führe. In der letzten Lebensphase der jeweiligen Patienten stelle sie eine gewaltige Belastung dar, weil sie selbst bei minimaler körperlicher Bewegung eine massive Luftnot und damit das fortwährende Gefühl des Erstickens erleben müssten, welches die Lebensqualität dieser Menschen außerordentlich beeinträchtige. In den Jahren 2001 und 2002 habe es sich durchaus um Off-Label-Use-Verordnungen gehandelt. Zu diesem Zeitpunkt habe es jedoch keine zugelassenen therapeutischen Alternativen gegeben, allerdings eine Fülle von begründeten Ergebnissen, die zu dem Punkt geführt hätten, der dann auch zu einem späteren Zeitpunkt eine bessere Erkenntnissituation ergeben habe und letztendlich auch die Zulassung durch die FDA und EMEA zwingend nach sich gezogen habe. Anhand der vorliegenden Literatur und unter Berücksichtigung der pathophysiologischen Gegebenheiten sei daher ein Regress für den Wirkstoff Sildenafil bei dieser Diagnose zu verneinen. Zwar sei es richtig, dass die Verordnung von Sildenafil in den Jahren 2001 und 2002 noch nicht aus gesicherten Erkenntnissen beruht habe, danach habe sich aber das wissenschaftliche Erkenntnismaterial erheblich gefestigt und spätestens mit der Zulassung von Sildenafil durch die FDA und EMEA werde die Handlungsweise der Beigeladenen zu 10) gerechtfertigt. Obwohl sich aus einer Recherche der KBV vom 02.11.2004 noch keine gesicherten Empfehlungen für Sildenafil zur Behandlung von pulmonaler Hypertonie ergeben hätten, sei schon ca. ein halbes Jahr nach Erhebung dieser Daten in Amerika die Zulassung durch FDA erteilt worden und auch die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA sei am 04.11.2005 unter dem Namen Revatio erfolgt. Revatio habe den sogenannten "Orphan-drug"-Status erhalten. Zwar hätte ab Mai 2002 die Alternative Bosentan oder Iloprost zur Verfügung gestanden, da für diese Arzneimittel ab diesem Zeitpunkt schon eine Zulassung vorgelegen habe, jedoch lägen die Therapiekosten für Bosentan und bei Iloprost ungleich höher. Außerdem hätten die Ärzte glaubhaft angegeben, dass sie Viagra bzw. den Wirkstoff Sildenafil nur in medizinisch begründeten Fällen einsetzten, bei denen eine alternative Therapie nicht möglich bzw. nicht ausreichend sei. Ebenso wenig hätte in diesen Fällen eine Erprobung von Arzneimitteln auf Kosten der Versicherungsträger stattgefunden. Da es bis Mai 2002 keine Alternativen gegeben habe und die danach vorhandenen Alternativen zudem um ein mehrfaches teurer gewesen wären, die Erkrankung "pulmonale Hypertonie" als schwerwiegend und lebensbedrohlich angesehen werde und es sich um eine seltene Erkrankung handele, seien in den vorliegenden Einzelfällen nach kritischer und sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts die Voraussetzungen des "Off-Label-Use" gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.09.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, der Anspruch auf Versorgung mit Fertigarzneimitteln setzt deren arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit voraus. Zutreffend gehe der Beklagte deshalb von einem sogenannten Off-Label-Use aus. Entgegen der Ansicht des Beklagten hätten aber Therapiealternativen zur Verfügung gestanden. Das Medikament Ilomedin mit dem Wirkstoff Iloprost sei in Deutschland zur intravenösen Verabreichung zugelassen und habe in Neuseeland seit 2001 eine Indikationserweiterung für die intravenöse Behandlung der primären und sekundären pulmonalen Hypertonie erhalten. In Deutschland sei dann im Mai 2002 die Zulassung von Tracleer (Wirkstoff Bosentan) für die Therapie der pulmonalen Hypertonie erfolgt. Seit 2003 stehe mit Ventavis ein inhalatives Iloprost-Präparat auf dem deutschen Markt zur Verfügung. Auch sei Flolan (Wirkstoff Epoprostenol) seit 1995 in den USA sowie einigen europäischen Ländern zugelassen. Eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg sei seinerzeit nicht gegeben gewesen. Es hätten weder publizierte Daten einer Phase-III-Studie noch andere wissenschaftliche Publikationen bestanden, die zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über Qualität, Wirksamkeit und Überlegenheit der Viagra-Gabe zuließen. Entsprechend habe sich auch der Hersteller geäußert. Daten einer klinischen Phase-III-Studie seien erst im November 2005 veröffentlicht worden. Die Zulassung von Revatio mit dem Wirkstoff Sildenafil sei erst im Oktober 2005 erfolgt. Die Kostenrechnung, wie sie der Beklagte vorgenommen habe, sei unzulässig und begründe keinen Leistungsanspruch. Maßgeblich komme es auf die Voraussetzungen für die Verordnung an. Berücksichtige man, dass Viagra mit dem Wirkstoff Iloprost angewandt worden sei, so erhalte man neben den Kosten für Viagra die zusätzliche Summe von über 170.000 EUR. Zur Kombinationstherapie von Viagra mit dem Wirkstoff Iloprost werde in der Fachinformation von Revatio gewarnt. Auch seien bis zum heutigen Zeitpunkt keine Veröffentlichungen von Phase-III-Studien für den Einsatz der Kombination Ilomedin und Viagra bekannt. Es habe sich nur um eine Erprobung gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 28.03.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend verweist er auf eine Stellungnahme des Arzneimittelherstellers von Viagra vom 13.10.2004 gegenüber der Beigeladenen zu 1) nebst anliegender wissenschaftlicher Veröffentlichungen, wonach u. a. wegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzen fünf Jahre ein Phase-III-Programm durchgeführt worden und beabsichtigt sei, in Kürze einen Zulassungsantrag zu stellen und ein internationales Expertengremium Sildenafil in die Behandlungsempfehlungen der pulmonalen Hypertonie aufgenommen habe. Der Hersteller habe die Studie vorgelegt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 10) haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 07.09.2007 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 9) in der mündlichen Verhandlung tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und hierauf hingewiesen worden waren.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 28,03.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.
Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in dem angefochten Beschluss verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Ergänzend ist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az.: 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25 = NZS 2006, 84 = GesR 2006, 72 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 = USK 2005-50) zu verweisen. Danach ist es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des § 5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei muss allerdings die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen (hier zitiert nach juris, Rdnr. 65).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Bei der pulmonalen Hypertonie, an der die Patientin U. W. erkrankt ist, handelt es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt drei Jahre. Zu Beginn des hier strittigen Behandlungszeitraums bestand auch keine Behandlungsalternative, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass im Jahr 2001 nur die Möglichkeit zur Gabe von Ilomedin, entweder intravenös oder inhalativ bestand. Die Patientin bekam zunächst Ilomedin inhalativ. Diese Medikation ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und wird insbesondere von der Klägerin auch nicht beanstandet. Die Patientin hatte sich zunächst stabilisiert, ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich dann aber im Jahr 2001. Sie brauchte eine Therapieerweiterung. Als Alternative kam intravenöse Gabe von Ilomedin in Betracht. Diese Medikation geht aber mit vielen weiteren Problemen einher. Alternativ konnte zusätzlich, eben als Kombination, Sildenafil eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit bestand auch aus heutiger medizinischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt nicht, wie der die Klägerin in der Folgezeit behandelnde Art Dr. R. in der mündlichen Verhandlung für die Beigeladene zu 10) im Einzelnen erläutert hat. Bosentan war damals noch nicht erhältlich. Erst ein Jahr später gab es dann Bosentan. Eine Umstellung war der Patientin dann aber aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar, da sie dies auch nicht wünschte. Die Patientin hatte sich unter der Gabe von inhalativem Ilomedin in der Kombination mit Sildenafil so gut stabilisiert, dass eine Änderung der Therapie medizinisch nicht zu rechtfertigen war. Die Patientin ist im streitbefangenen Zeitraum nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt worden. Die Behandlung erfolgte auch nicht im Rahmen einer klinischen Studie. Von daher hatte die Patientin einen Anspruch auf Versorgung mit Sildenafil gegenüber der Klägerin. Soweit aber ein Versorgungsanspruch besteht, ist ein Arzneikostenregress ausgeschlossen. Die Therapie war auch im Ergebnis erfolgreich, da die Patientin weiterhin bis heute überlebt hat, wenn es hierauf auch rechtlich nicht ankommt. Gleichfalls kam es nicht darauf an, dass die übrigen Krankenkassen in ca. 14 weiteren Behandlungsfällen, wie der Beklagte und die Beigeladene zu 10) in der mündlichen Verhandlung erläuterten, bei ähnlicher Krankheitslage und gleicher Medikation die Kosten übernommen haben.
Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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