Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 46/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3559/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007.
Die 1948 geborene Klägerin hat den Beruf einer Hohlglasfeinschleiferin erlernt und bis zur Familienpause im Jahr 1968 ausgeübt. Danach war sie ab 1972 als Kommissioniererin, Verkäuferin, Kassiererin und zuletzt von März bis November 2002 als Küchenhilfe beschäftigt.
Vom 1. Dezember 2002 bis zum 3. September 2005 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld unterbrochen durch Zeiten des Krankengeldbezugs vom 24. Juli 2003 bis zum 13. Dezember 2004 und vom 28. Juni 2005 bis zum 19. Juli 2005. In der Zeit vom 4. September 2005 bis zum 31. März 2008 war die Klägerin nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Auf ihren Antrag vom 20. November 2007 erhält die Klägerin von der Beklagten sei dem 1. April 2008 A.ersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 8. Januar 2008).
Am 26. Februar 2003 beantragte sie Erwerbsminderungsrente.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2003 ab, nachdem Dr. H. im Gutachten vom 9. April 2003 zu dem Ergebnis gelangt war, die Klägerin könne wegen einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelsäule mit endgradiger Funktionsminderung und Hinweis auf einen Nervenwurzelreiz im Bereich des rechten Beins und wegen eines hyperkinetischen Herzsyndroms noch körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig mit Einschränkungen verrichten.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auf ein Gutachten von Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vom 5. August 2003, wonach bei seit 17. Juni 2003 bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund chronisch progredienter Wirbelsäulenveränderungen mit anhA.enden Funktionseinschränkungen die Erwerbsfähigkeit der Klägerin als erheblich gefährdet anzusehen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 8. Januar 2004 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG).
Das SG befragte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Der Orthopäde Dr. Sch. teilte in der Auskunft vom 5. April 2004 mit, er habe die Klägerin zuletzt am 10. April 2003 wegen einer Ischialgie rechts bzw. links bei NPP L 5/S 1 behandelt. Sie sei nach seinen Feststellungen noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.
Der Allgemeinarzt Dr. O. führte unter dem 24. April 2004 aus, die Klägerin könne wegen Lumboischialgie bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall bei L 5/ S 1 (1993 durch CT) und Protrusionen bei L 4 bis S 1 ( MRT von Dr. Palmbach von 20. Mai 2003) nicht mehr leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. teilte in der Auskunft vom 25. Juli 2004 mit, er habe die Klägerin nur einmal am 13. Mai 2003 untersucht. Es hätten sich Hinweise auf eine akute Wurzelschädigung S 1 gefunden. Kernspintomographisch habe sich eine Enge des lumbalen Spinalkanals ohne morphologischen Hinweis auf eine höhergradige Wurzelkompression oder einen Bandscheibenvorfall gezeigt.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. A. das fachorthopädische Gutachten vom 3. Januar 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. Januar 2005. Er stellte die Diagnosen:
Endgradige aktivierte Osteochondrose L 5 / S 1 mit Pseudospondylolisthesis und ausgeprägter Spondylarthrose dieses Segments nach inzwischen nicht mehr nachweisbarem Bandscheibenvorfall L 5/ S 1 rechts 1993
Residuelle S 1-Schädigung rechts nach Bandscheibenvorfall L 5/S 1 rechts 1993
Angedeutetes Nearthros zwischen Beckenkamm und weit ausladendem Querfortsatz L 5 rechts
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule
Degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette rechts mehr als links
Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Akkord und Schichtarbeit und ohne Arbeiten im Freien oder in Kälte oder Nässe ausüben. Aufgrund der Schmerzen sei mit einer verminderten Konzentrationsfähigkeit zu rechnen. Aus orthopädischer Sicht, welche der bildgebenden Diagnostik als objektivem Parameter großes Gewicht beimesse, sei eine Arbeitstätigkeit von mehr als 6 Stunden mit den genannten Einschränkungen mit der bildgebenden Diagnostik ebenso zu vereinbaren wie eine Gehstrecke von mehr als 500 Metern und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Wegen der Diskrepanz zwischen dem durchaus glaubhaft vorgetragenen aktuellen Leistungsniveau der Klägerin und insbesondere der bildgebenden Diagnostik habe er der Klägerin angeraten, sich einem Schmerztherapeuten vorzustellen.
Die Beklagte führte daraufhin für die Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Federseeklinik in Bad Buchau vom 28. Juni bis 19. Juli 2005 durch. Im Entlassungsbericht vom 8. August 2005 werden als Diagnosen Lumboischialgie rechts nach älterem Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts 1993 und Osteochondrose L5/S1 und Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1 bei konstitutionell engem Spinalkanal ohne Nervenwurzelkompression aufgeführt und folgendes Leistungsbild der Klägerin festgestellt: leichte Arbeiten vollschichtig, dabei überwiegende KörperhA.ung im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen., keine Hebe- und Tragebelastungen, keine Arbeiten in WirbelsäulenzwangshA.ung und einseitig die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten.
Ergänzend teilte Dr. H. auf Anfrage des SG am 26. September 2005 mit, es seien keine speziellen Untersuchungen durchgeführt worden, die eine objektive Einschätzung der Wegefähigkeit mit Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel oder des eigenen PKW belegen könnten. Ein Belastungs-EKG habe nicht durchgeführt werden können, da sich die Klägerin zu Beginn der Untersuchung nicht in der Lage gezeigt habe, 60 Umdrehungen pro Minute zu treten. Die subjektive Einschätzung der Klägerin dominiere das gesamte Krankheitsbild, sodass eine weitere Diagnostik erforderlich sei, um den SachverhA. zu klären.
Dr. M. berichtete unter dem 15. Dezember 2005 von der einmaligen Vorstellung der Klägerin im Schmerzzentrum Göppingen am 12. Dezember 2005 (Leitender Arzt Dr. M.-Sch.). Es bestünden ein chronisches Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium 3, eine chronische Lumboischialgie mit S1 Radikulopathie, ein myofasciales Triggersyndrom, eine Dysbalance der körperaufrichtenden Muskulatur und ein Bandscheibenvorfall im Fach L5/S1. Momentan sei die Klägerin nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten Um ein solches Leistungsvermögen wieder zu erlangen, sei eine adäquate orthopädisch -schmerztherapeutische und auch verhA.enstherapeutische Behandlung für die Dauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr erforderlich.
Das SG holte bei Privatdozent Dr. H. das fachpsychiatrische Gutachten vom 18. April 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung am 16. Februar 2006 und einer VerhA.ensbeobachtung während des stationären AufenthA.s anlässlich der neurologischen Begutachtung am 30. März 2006 als Diagnose eine leichte depressive Episode (F 32.0 ICD-10) fest und führte aus, auffallend sei auch bei der neurologischen Untersuchung die Diskrepanz zwischen organ-morphologischem Befund und subjektiver Beschwerdesymptomatik. Die depressive Symptomatik schränke die Leistungsfähigkeit bei Tätigkeiten unter Zeitdruck und daraus resultierendem Stress ein. In zeitlicher Hinsicht sei das Leistungsvermögen der Klägerin auf zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich reduziert. Bei Rückenschmerzen, insbesondere mit chronifiziertem Verlauf, einhergehend mit depressiver Verarbeitung handele es sich um ein sehr komplexes pathogenetisches Wirkgefüge. Ein mehr als 6-stündiges Leistungsvermögen werde auch nicht durch eine schmerztherapeutische Behandlung innerhalb von 6 Monaten erreicht. Diese Leistungseinschränkungen bestünden seit ungefähr 1997.
In dem ebenfalls im Auftrag des SG erstatteten neurologischen Gutachten vom 12. April 2006 führte Prof. Dr. Sch. aus, die Klägerin habe bei der klinisch-neurologischen Untersuchung am 30. März 2003 hochgradige Paresen des rechten Beines sowie der Hüftstreckung und -beugung beidseits demonstriert. Die ausführlichen elektrophysiologischen Untersuchungen hätten keine Hinweise für eine zentrale oder periphere Schädigung der motorischen oder sensiblen Bahnen ergeben. Auch elektroencephalographisch ergäben sich keine Hinweise für eine zentral-nervöse Ursache der Schmerzen und Paresen. Eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf neurologischem Fachgebiet bestehe nicht.
Die Beklagte trat der Beurteilung von Dr. M. und PD Dr. H. mit ärztlichen Stellungnahmen des Chirurgen Dr. S. vom 31. Mai 2006 und des Sozialmediziners Dr. F. vom 8. Juni 2006 entgegen.
Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hob das SG den Bescheid vom 15. April 2003 und der GestA. des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2007 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Versicherungsfall sei im Dezember 2005 eingetreten. Zuvor habe Dr. A. noch eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der Klägerin innerhalb eines halben Jahres für möglich erachtet. Dies stehe einer Rentengewährung entgegen, denn die Erwerbsminderung müsse auf nicht absehbare Zeit vorliegen, also länger als sechs Monate andauern. Erst Dr. M. habe einen längeren Zeitraum für erforderlich gehA.en. Mit dem Versicherungsfall im Dezember 2005 sei Rente ab Beginn des siebten Monats, also ab Juli 2006 zu leisten. Versehentlich sei jedoch - obwohl zunächst richtig berechnet - schon der 1. Juni 2005 tenoriert worden. Bei der Dauer der Zeitrente habe das Gericht entsprechend den Ausführungen von Dr. M. berücksichtigt, dass innerhalb eines Jahres eine Besserung erreicht werden könne.
Gegen das ihr am 7. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, die Berufung sei schon wegen der fehlerhaften Tenorierung geboten. Darüber hinaus sei die Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahmen von Dr. S. und Dr. F. der Auffassung, dass die Klägerin auch in der Zeit von Dezember 2005 bis Juni 2007 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte die gesamten außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das Datum des Rentenbeginns berichtigt wird auf den 1. Juli 2006.
Sie hat ausgeführt, die Behandlung durch Dr. M. habe bisher keine Besserung ergeben. Sie hat den Bescheid des Landratsamts Göppingen vom 20. Juli 2006 vorgelegt, wonach bei ihr seit dem 24. September 2003 ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliege.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. Dr. W. das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten unter besonderer Berücksichtigung algesiologischer Aspekte vom 18. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. März 2007 erstattet und PD Dr. H. eine nervenfachärztliche gutachterliche Stellungnahme vom 25. April 2007 abgegeben. Hierzu hat die Beklagte die ärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 13. September 2007 vorgelegt.
Prof. Dr. Dr. W. hat auf der Grundlage einer eingehenden ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12. Dezember 2006 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, die in nicht unbeträchtlichem Ausmaß bewußtseinsnah ausgestA.et werde, eine Restsymptomatik nach Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts ohne wesentliche neurologische Defizite und einen Rentenwunsch diagnostiziert. Der neurologische Befund zeige mit Ausnahme eines nicht auslösbaren Achillessehnenreflexes keinen pathologischen Befund. Allerdings hätten sich bei der Untersuchung ausgeprägte Inkonsistenzen gezeigt, auch was die schmerzbedingten Einschränkungen angehe. In psychopathologischer Hinsicht imponiere ein ausgeprägter sekundärer Krankheitsgewinn bei einem die Klägerin in nahezu allen Dingen entlastenden Ehemann. Eine schwerwiegende depressive Störung sei nicht zu erkennen, eher die Symptome einer sogenannten "Verbitterungsstörung" darüber, dass man ihr nicht glaube, dass sie immer schwer gearbeitet habe und nach 43 Beitragsjahren nicht mehr könne. Das Gefühl, im Leben genügend gearbeitet zu haben und jetzt eben nicht mehr zu können, habe inzwischen zu einem erheblichen Rückzug von nahezu allen körperlichen Aktivitäten geführt, ohne dass - in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Vorgutachten von PD Dr. H. - eine schwerergradige depressive Episode zu erkennen sei. Die dort beschriebene "leichte depressive Episode" sehe er diagnostisch im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung. Die entscheidende Frage sei, ob die Klägerin in der Lage wäre, bei zumutbarer Willensanspannung diese Situation in wesentlichem Umfang zu überwinden, oder ob die Symptomatik inzwischen so weit chronifiziert und verfestigt sei, dass ihr ein die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auch quantitativ einschränkender Krankheitswert zukomme. Angesichts der zahlreichen Inkonsistenzen bei Exploration, Beobachtung und klinischem Befund und der geringen Therapieintensität, die Hinweise auf einen nur wenig ausgeprägten Leidensdruck gäben, möge ein Krankheitswert zwar gegeben sein, er könne dies jedoch nicht hinreichend sichern. Im Ergebnis könne er sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin nicht in der Lage wäre, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit verschiedenen qualitativen Einschränkung vollschichtig zu verrichten. Er könne auch nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Erwägungen PD Dr. H. eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin annehme, nachdem dieser ebenfalls eine Diskrepanz zwischen dem organmorphologischen Befund und der subjektiven Beschwerdesymptomatik einschließlich einer geringen therapeutischen Dichte und auch einen nur leichtgradigen Charakter der psychiatrischen Störung beschrieben habe.
Hierzu hat PD Dr. H. in der vom Senat eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 25. April 2007 ausgeführt, er hA.e an der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin fest. Sei, wie im Falle der Klägerin eine organische Ursache der Beschwerdesymptomatik ausgeschlossen, müsse aus psychiatrischer Sicht am ehestens eine anhA.ende depressive Entwicklung diskutiert werden. Das depressive Syndrom sei bei der Klägerin sicherlich durch somatoforme Beschwerden, insbesondere Schmerzen, überlagert und gehe mit einer psychischen Fehlverarbeitung einher. Dabei komme es, bewusst oder unbewusst, auch zu Verdeutlichungstendenzen. Der Chronifizierungs- und Verdeutlichungsprozess habe zu einer anhA.enden depressiven Störung i.S. einer Dysthymia (ICD 10 F 34.1) geführt, weshalb die Klägerin nur noch zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich tätig sein könne. Die dysthyme Störung bestehe seit ca. 3 Jahren.
Die Beklagte hat unter Vorlage der Ärztlichen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. die Auffassung vertreten, dass eine Dysthymia definitionsgemäß eine leichtgradige psychische Störung sei, die es in der Regel zulasse, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch eine quantitative Leistungsminderung nicht begründen könne.
Die Klägerin hat noch vorgetragen, dass sie im April 2007 an einer akuten Lumboischialgie erkrankt sei und hat einen Befundbericht von Dr. T. über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule am 15. Mai 2007 vorgelegt. Eine weitergehende Behandlung durch den Hausarzt Dr. O. habe aber aus finanziellen Gründen nicht stattgefunden, obwohl sie weiterhin schmerzbehaftet sei.
Eine Anfrage des Senats hat Dr. O. bis zum 22. April 2008 nicht beantwortet.
Zur weiteren Darstellung des SachverhA.s wird Bezug genommen auf die VerwA.ungsakten der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließunggründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet. Das Urteil des SG, mit welchem der Klägerin ausweislich des Urteilstenors eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2007 zugesprochen wurde, während in den Entscheidungsgründen der Leistungsfall erst auf Dezember 2005 festgesetzt und der Rentenbeginn auf den 1. Juli 2006 gelegt wurde, konnte keinen Bestand haben, denn die Beklagte hat nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme im Berufungsverfahren die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung durch den angefochtenen Bescheid vom 15. April 2003 in der GestA. des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 insgesamt zu Recht abgelehnt.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich im streitbefangenen Zeitraum, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen.
Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des im VerwA.ungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 9. April 2003, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. A. vom 3./13. Januar 2005 und des Psychiaters PD Dr. H. vom 18. April 2006 mit neurologischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. Sch. vom 12. April 2006 und des im Berufungsverfahren erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W. vom 18. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. März 2007 und der weiteren gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 25. April 2007.
Auf dem orthopädischen Fachgebiet stehen im Vordergrund Veränderungen im Segment L5/S1 mit degenerativem Wirbelgleiten und damit verbundener Instabilität sowie ausgeprägter Arthrose der kleinen Wirbelgelenke. Daneben finden sich degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule und der Schultergelenke. Die Veränderungen am lumbosakralen Übergang verursachen nach den Feststellungen von Dr. A. nachvollziehbar Schmerzen und reduzieren die körperliche Belastbarkeit der Klägerin erheblich. Allerdings führen die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule nicht zu neurologischen Ausfallerscheinungen. Schon Dr. A. konnte die von der Klägerin geschilderte radikuläre Symptomatik nicht auf die radiologisch nachweisbare Spinalkanalstenose zurückführen, sondern nahm an, dass die Beschwerden als Residuen einer Nervenschädigung durch den 1993 durch ein CT nachgewiesenen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 angesehen werden könnten, wobei der Bandscheibenvorfall im Jahr 2005 nicht mehr nachweisbar war. Auch Prof. Dr. Sch. fand anlässlich der Begutachtung der Klägerin am 30. März 2006 nach ausführlichen elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen keine Hinweise für eine zentrale oder periphere Schädigung der motorischen und sensiblen Bahnen. Die von der Klägerin geschilderten strumpfförmigen Sensibilitätsstörungen waren nicht auf eine Wurzelkompression zurückführbar. Für die von ihr bei Prof. Dr. Sch. demonstrierten Paresen und Schmerzen konnte keine neurologische Ursache gefunden werden.
Die mit Schmerzen verbundenen degenerativen Veränderungen insbesondere der Lendenwirbelsäule verringern die Belastbarkeit der Wirbelsäule dergestA., dass der Klägerin keine körperlich belastenden Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 Kilo, in ZwangshA.ungen und mit häufigem Bücken und Drehen des Rumpfes mehr zugemutet werden konnten. Auch Schicht- und Akkordarbeiten sowie Arbeiten im Freien oder bei Kälte und Nässe schieden aus. Möglich waren aber aus orthopädisch-neurologischer Sicht noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen. Aus dem Blickwinkel der auf diesen beiden ärztlichen Fachgebieten objektivierten Befunde konnte die Klägerin solche Tätigkeiten auch noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten und auch den Weg zur Arbeit zurücklegen, wie der Senat den beiden Gutachten von Dr. A. und Prof. Dr. Sch. entnimmt.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung verbunden mit einer depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymia nach F34.1 ICD-10, d.h. einer chronisch depressiven Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhA.end genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Während für Prof. Dr. Dr. W. die somatoforme Schmerzstörung gegenüber der depressiven Verstimmung im Vordergrund steht, prägt nach PD Dr. H. vorrangig die Dysthymia das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin. Letztlich kann dies dahingestellt bleiben, denn unabhängig davon hat die Klägerin trotz der bei beiden Ärzten dargebotenen, durch körperliche Befunde nicht erklärbaren, erheblichen subjektiven Beschwerdesymptomatik keine entsprechende therapeutische Hilfe angenommen und durchgeführt. Vielmehr hat sie die von Dr. M.-Sch. bzw. Dr. M. verordneten Medikamente nach kurzer Zeit wieder abgesetzt und das Tens-Gerät zur Bekämpfung der Schmerzen nicht eingesetzt. Sonstige aktivierende Maßnahmen führte die Klägerin ebenfalls nicht durch. Dies hat Prof. Dr. W. in der sorgfältig erhobenen Anamnese herausgearbeitet. Auch PD Dr. H. bezeichnet es als auffällig, dass trotz der S.en subjektiven Einschränkung durch die geschilderten Schmerzen nur relativ wenig medikamentöse Maßnahmen erfolgten und Schmerzmittel nur bei Bedarf eingenommen wurden. Prof. Dr. W. hat aus dieser Tatsache überzeugend nicht nur einen geringen Leidensdruck in Bezug auf die geltend gemachten Schmerzen bzw. die depressive Verstimmung abgeleitet, sondern auch plausibel gelegt, dass aus der Inaktivität der Klägerin für diese ein ausgeprägter sekundärer Krankheitsgewinn resultiert, da der Ehemann die Klägerin in nahezu allen Dingen im Alltag entlastet. Somit überzeugt auch die Schlussfolgerung, dass die Klägerin die somatoforme Schmerzstörung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß bewußtseinsnah ausgestA.et und daher bei zumutbarer Willenanstrengung auch in der Lage gewesen wäre, unter Inanspruchnahme entsprechender therapeutischer Hilfe, im streitgefangenen Zeitraum sechs Stunden täglich und mehr leichte körperliche Arbeiten mit den bereits genannten Einschränkungen durchzuführen.
Der bei im wesentlichen übereinstimmenden Befunden abweichenden Leistungsbeurteilung von PD Dr. H., wonach die Klägerin nur noch zwischen drei und sechs Stunden täglich tätig hätte sein können, schließt sich der Senat nicht an. Unabhängig davon, dass er im Gutachten vom 18. April 2006 eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens bereits seit ungefähr 1997 annahm, während er in der Stellungnahme vom 25. April 2007 die die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus seiner Sicht einschränkende dysthyme Entwicklung erst als seit dem Jahr 2003 nachweisbar ansieht, setzt er sich mit dem von Prof. Dr. Dr. W. angesprochenen geringen Leidensdruck angesichts der fehlenden therapeutischen Maßnahmen und der bewußtseinsnahen AusgestA.ung des Schmerzgeschehens nicht auseinander, wenngleich auch er bewusste und unbewusste Verdeutlichungstendenzen bei der Klägerin nicht in Abrede stellt. Zu Recht weist der beratende Arzt der Beklagen Dr. G. auch darauf hin, dass eine Dysthymia, die nach der Darstellung von PD Dr. H. das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin bestimmt, in ihren Auswirkungen definitionsgemäß geringer ist als eine leichte depressive Episode und als solche eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermag.
Nach alledem kann das Vorliegen einer Erwerbsminderung bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht festgestellt werden. Die Tatsache, dass bei der Klägerin seit dem 24. September 2003 ein GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB IX festgestellt ist, weshalb sie auch seit dem 1. April 2008 A.ersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht, ändert an dieser Feststellung nichts, denn das Vorliegen von Schwerbehinderung ist mit dem Vorliegen einer Erwerbsminderung i.S.d. § 43 SGB VI nicht gleichzusetzen.
Auf die Berufung der Beklagten musste daher das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007.
Die 1948 geborene Klägerin hat den Beruf einer Hohlglasfeinschleiferin erlernt und bis zur Familienpause im Jahr 1968 ausgeübt. Danach war sie ab 1972 als Kommissioniererin, Verkäuferin, Kassiererin und zuletzt von März bis November 2002 als Küchenhilfe beschäftigt.
Vom 1. Dezember 2002 bis zum 3. September 2005 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld unterbrochen durch Zeiten des Krankengeldbezugs vom 24. Juli 2003 bis zum 13. Dezember 2004 und vom 28. Juni 2005 bis zum 19. Juli 2005. In der Zeit vom 4. September 2005 bis zum 31. März 2008 war die Klägerin nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Auf ihren Antrag vom 20. November 2007 erhält die Klägerin von der Beklagten sei dem 1. April 2008 A.ersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 8. Januar 2008).
Am 26. Februar 2003 beantragte sie Erwerbsminderungsrente.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2003 ab, nachdem Dr. H. im Gutachten vom 9. April 2003 zu dem Ergebnis gelangt war, die Klägerin könne wegen einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelsäule mit endgradiger Funktionsminderung und Hinweis auf einen Nervenwurzelreiz im Bereich des rechten Beins und wegen eines hyperkinetischen Herzsyndroms noch körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig mit Einschränkungen verrichten.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auf ein Gutachten von Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vom 5. August 2003, wonach bei seit 17. Juni 2003 bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund chronisch progredienter Wirbelsäulenveränderungen mit anhA.enden Funktionseinschränkungen die Erwerbsfähigkeit der Klägerin als erheblich gefährdet anzusehen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 8. Januar 2004 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG).
Das SG befragte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Der Orthopäde Dr. Sch. teilte in der Auskunft vom 5. April 2004 mit, er habe die Klägerin zuletzt am 10. April 2003 wegen einer Ischialgie rechts bzw. links bei NPP L 5/S 1 behandelt. Sie sei nach seinen Feststellungen noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.
Der Allgemeinarzt Dr. O. führte unter dem 24. April 2004 aus, die Klägerin könne wegen Lumboischialgie bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall bei L 5/ S 1 (1993 durch CT) und Protrusionen bei L 4 bis S 1 ( MRT von Dr. Palmbach von 20. Mai 2003) nicht mehr leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. teilte in der Auskunft vom 25. Juli 2004 mit, er habe die Klägerin nur einmal am 13. Mai 2003 untersucht. Es hätten sich Hinweise auf eine akute Wurzelschädigung S 1 gefunden. Kernspintomographisch habe sich eine Enge des lumbalen Spinalkanals ohne morphologischen Hinweis auf eine höhergradige Wurzelkompression oder einen Bandscheibenvorfall gezeigt.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. A. das fachorthopädische Gutachten vom 3. Januar 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. Januar 2005. Er stellte die Diagnosen:
Endgradige aktivierte Osteochondrose L 5 / S 1 mit Pseudospondylolisthesis und ausgeprägter Spondylarthrose dieses Segments nach inzwischen nicht mehr nachweisbarem Bandscheibenvorfall L 5/ S 1 rechts 1993
Residuelle S 1-Schädigung rechts nach Bandscheibenvorfall L 5/S 1 rechts 1993
Angedeutetes Nearthros zwischen Beckenkamm und weit ausladendem Querfortsatz L 5 rechts
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule
Degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette rechts mehr als links
Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Akkord und Schichtarbeit und ohne Arbeiten im Freien oder in Kälte oder Nässe ausüben. Aufgrund der Schmerzen sei mit einer verminderten Konzentrationsfähigkeit zu rechnen. Aus orthopädischer Sicht, welche der bildgebenden Diagnostik als objektivem Parameter großes Gewicht beimesse, sei eine Arbeitstätigkeit von mehr als 6 Stunden mit den genannten Einschränkungen mit der bildgebenden Diagnostik ebenso zu vereinbaren wie eine Gehstrecke von mehr als 500 Metern und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Wegen der Diskrepanz zwischen dem durchaus glaubhaft vorgetragenen aktuellen Leistungsniveau der Klägerin und insbesondere der bildgebenden Diagnostik habe er der Klägerin angeraten, sich einem Schmerztherapeuten vorzustellen.
Die Beklagte führte daraufhin für die Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Federseeklinik in Bad Buchau vom 28. Juni bis 19. Juli 2005 durch. Im Entlassungsbericht vom 8. August 2005 werden als Diagnosen Lumboischialgie rechts nach älterem Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts 1993 und Osteochondrose L5/S1 und Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1 bei konstitutionell engem Spinalkanal ohne Nervenwurzelkompression aufgeführt und folgendes Leistungsbild der Klägerin festgestellt: leichte Arbeiten vollschichtig, dabei überwiegende KörperhA.ung im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen., keine Hebe- und Tragebelastungen, keine Arbeiten in WirbelsäulenzwangshA.ung und einseitig die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten.
Ergänzend teilte Dr. H. auf Anfrage des SG am 26. September 2005 mit, es seien keine speziellen Untersuchungen durchgeführt worden, die eine objektive Einschätzung der Wegefähigkeit mit Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel oder des eigenen PKW belegen könnten. Ein Belastungs-EKG habe nicht durchgeführt werden können, da sich die Klägerin zu Beginn der Untersuchung nicht in der Lage gezeigt habe, 60 Umdrehungen pro Minute zu treten. Die subjektive Einschätzung der Klägerin dominiere das gesamte Krankheitsbild, sodass eine weitere Diagnostik erforderlich sei, um den SachverhA. zu klären.
Dr. M. berichtete unter dem 15. Dezember 2005 von der einmaligen Vorstellung der Klägerin im Schmerzzentrum Göppingen am 12. Dezember 2005 (Leitender Arzt Dr. M.-Sch.). Es bestünden ein chronisches Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium 3, eine chronische Lumboischialgie mit S1 Radikulopathie, ein myofasciales Triggersyndrom, eine Dysbalance der körperaufrichtenden Muskulatur und ein Bandscheibenvorfall im Fach L5/S1. Momentan sei die Klägerin nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten Um ein solches Leistungsvermögen wieder zu erlangen, sei eine adäquate orthopädisch -schmerztherapeutische und auch verhA.enstherapeutische Behandlung für die Dauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr erforderlich.
Das SG holte bei Privatdozent Dr. H. das fachpsychiatrische Gutachten vom 18. April 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung am 16. Februar 2006 und einer VerhA.ensbeobachtung während des stationären AufenthA.s anlässlich der neurologischen Begutachtung am 30. März 2006 als Diagnose eine leichte depressive Episode (F 32.0 ICD-10) fest und führte aus, auffallend sei auch bei der neurologischen Untersuchung die Diskrepanz zwischen organ-morphologischem Befund und subjektiver Beschwerdesymptomatik. Die depressive Symptomatik schränke die Leistungsfähigkeit bei Tätigkeiten unter Zeitdruck und daraus resultierendem Stress ein. In zeitlicher Hinsicht sei das Leistungsvermögen der Klägerin auf zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich reduziert. Bei Rückenschmerzen, insbesondere mit chronifiziertem Verlauf, einhergehend mit depressiver Verarbeitung handele es sich um ein sehr komplexes pathogenetisches Wirkgefüge. Ein mehr als 6-stündiges Leistungsvermögen werde auch nicht durch eine schmerztherapeutische Behandlung innerhalb von 6 Monaten erreicht. Diese Leistungseinschränkungen bestünden seit ungefähr 1997.
In dem ebenfalls im Auftrag des SG erstatteten neurologischen Gutachten vom 12. April 2006 führte Prof. Dr. Sch. aus, die Klägerin habe bei der klinisch-neurologischen Untersuchung am 30. März 2003 hochgradige Paresen des rechten Beines sowie der Hüftstreckung und -beugung beidseits demonstriert. Die ausführlichen elektrophysiologischen Untersuchungen hätten keine Hinweise für eine zentrale oder periphere Schädigung der motorischen oder sensiblen Bahnen ergeben. Auch elektroencephalographisch ergäben sich keine Hinweise für eine zentral-nervöse Ursache der Schmerzen und Paresen. Eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf neurologischem Fachgebiet bestehe nicht.
Die Beklagte trat der Beurteilung von Dr. M. und PD Dr. H. mit ärztlichen Stellungnahmen des Chirurgen Dr. S. vom 31. Mai 2006 und des Sozialmediziners Dr. F. vom 8. Juni 2006 entgegen.
Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hob das SG den Bescheid vom 15. April 2003 und der GestA. des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2007 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Versicherungsfall sei im Dezember 2005 eingetreten. Zuvor habe Dr. A. noch eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der Klägerin innerhalb eines halben Jahres für möglich erachtet. Dies stehe einer Rentengewährung entgegen, denn die Erwerbsminderung müsse auf nicht absehbare Zeit vorliegen, also länger als sechs Monate andauern. Erst Dr. M. habe einen längeren Zeitraum für erforderlich gehA.en. Mit dem Versicherungsfall im Dezember 2005 sei Rente ab Beginn des siebten Monats, also ab Juli 2006 zu leisten. Versehentlich sei jedoch - obwohl zunächst richtig berechnet - schon der 1. Juni 2005 tenoriert worden. Bei der Dauer der Zeitrente habe das Gericht entsprechend den Ausführungen von Dr. M. berücksichtigt, dass innerhalb eines Jahres eine Besserung erreicht werden könne.
Gegen das ihr am 7. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, die Berufung sei schon wegen der fehlerhaften Tenorierung geboten. Darüber hinaus sei die Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahmen von Dr. S. und Dr. F. der Auffassung, dass die Klägerin auch in der Zeit von Dezember 2005 bis Juni 2007 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte die gesamten außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das Datum des Rentenbeginns berichtigt wird auf den 1. Juli 2006.
Sie hat ausgeführt, die Behandlung durch Dr. M. habe bisher keine Besserung ergeben. Sie hat den Bescheid des Landratsamts Göppingen vom 20. Juli 2006 vorgelegt, wonach bei ihr seit dem 24. September 2003 ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliege.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. Dr. W. das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten unter besonderer Berücksichtigung algesiologischer Aspekte vom 18. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. März 2007 erstattet und PD Dr. H. eine nervenfachärztliche gutachterliche Stellungnahme vom 25. April 2007 abgegeben. Hierzu hat die Beklagte die ärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 13. September 2007 vorgelegt.
Prof. Dr. Dr. W. hat auf der Grundlage einer eingehenden ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12. Dezember 2006 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, die in nicht unbeträchtlichem Ausmaß bewußtseinsnah ausgestA.et werde, eine Restsymptomatik nach Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts ohne wesentliche neurologische Defizite und einen Rentenwunsch diagnostiziert. Der neurologische Befund zeige mit Ausnahme eines nicht auslösbaren Achillessehnenreflexes keinen pathologischen Befund. Allerdings hätten sich bei der Untersuchung ausgeprägte Inkonsistenzen gezeigt, auch was die schmerzbedingten Einschränkungen angehe. In psychopathologischer Hinsicht imponiere ein ausgeprägter sekundärer Krankheitsgewinn bei einem die Klägerin in nahezu allen Dingen entlastenden Ehemann. Eine schwerwiegende depressive Störung sei nicht zu erkennen, eher die Symptome einer sogenannten "Verbitterungsstörung" darüber, dass man ihr nicht glaube, dass sie immer schwer gearbeitet habe und nach 43 Beitragsjahren nicht mehr könne. Das Gefühl, im Leben genügend gearbeitet zu haben und jetzt eben nicht mehr zu können, habe inzwischen zu einem erheblichen Rückzug von nahezu allen körperlichen Aktivitäten geführt, ohne dass - in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Vorgutachten von PD Dr. H. - eine schwerergradige depressive Episode zu erkennen sei. Die dort beschriebene "leichte depressive Episode" sehe er diagnostisch im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung. Die entscheidende Frage sei, ob die Klägerin in der Lage wäre, bei zumutbarer Willensanspannung diese Situation in wesentlichem Umfang zu überwinden, oder ob die Symptomatik inzwischen so weit chronifiziert und verfestigt sei, dass ihr ein die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auch quantitativ einschränkender Krankheitswert zukomme. Angesichts der zahlreichen Inkonsistenzen bei Exploration, Beobachtung und klinischem Befund und der geringen Therapieintensität, die Hinweise auf einen nur wenig ausgeprägten Leidensdruck gäben, möge ein Krankheitswert zwar gegeben sein, er könne dies jedoch nicht hinreichend sichern. Im Ergebnis könne er sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin nicht in der Lage wäre, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit verschiedenen qualitativen Einschränkung vollschichtig zu verrichten. Er könne auch nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Erwägungen PD Dr. H. eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin annehme, nachdem dieser ebenfalls eine Diskrepanz zwischen dem organmorphologischen Befund und der subjektiven Beschwerdesymptomatik einschließlich einer geringen therapeutischen Dichte und auch einen nur leichtgradigen Charakter der psychiatrischen Störung beschrieben habe.
Hierzu hat PD Dr. H. in der vom Senat eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 25. April 2007 ausgeführt, er hA.e an der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin fest. Sei, wie im Falle der Klägerin eine organische Ursache der Beschwerdesymptomatik ausgeschlossen, müsse aus psychiatrischer Sicht am ehestens eine anhA.ende depressive Entwicklung diskutiert werden. Das depressive Syndrom sei bei der Klägerin sicherlich durch somatoforme Beschwerden, insbesondere Schmerzen, überlagert und gehe mit einer psychischen Fehlverarbeitung einher. Dabei komme es, bewusst oder unbewusst, auch zu Verdeutlichungstendenzen. Der Chronifizierungs- und Verdeutlichungsprozess habe zu einer anhA.enden depressiven Störung i.S. einer Dysthymia (ICD 10 F 34.1) geführt, weshalb die Klägerin nur noch zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich tätig sein könne. Die dysthyme Störung bestehe seit ca. 3 Jahren.
Die Beklagte hat unter Vorlage der Ärztlichen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. die Auffassung vertreten, dass eine Dysthymia definitionsgemäß eine leichtgradige psychische Störung sei, die es in der Regel zulasse, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch eine quantitative Leistungsminderung nicht begründen könne.
Die Klägerin hat noch vorgetragen, dass sie im April 2007 an einer akuten Lumboischialgie erkrankt sei und hat einen Befundbericht von Dr. T. über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule am 15. Mai 2007 vorgelegt. Eine weitergehende Behandlung durch den Hausarzt Dr. O. habe aber aus finanziellen Gründen nicht stattgefunden, obwohl sie weiterhin schmerzbehaftet sei.
Eine Anfrage des Senats hat Dr. O. bis zum 22. April 2008 nicht beantwortet.
Zur weiteren Darstellung des SachverhA.s wird Bezug genommen auf die VerwA.ungsakten der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließunggründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet. Das Urteil des SG, mit welchem der Klägerin ausweislich des Urteilstenors eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2007 zugesprochen wurde, während in den Entscheidungsgründen der Leistungsfall erst auf Dezember 2005 festgesetzt und der Rentenbeginn auf den 1. Juli 2006 gelegt wurde, konnte keinen Bestand haben, denn die Beklagte hat nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme im Berufungsverfahren die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung durch den angefochtenen Bescheid vom 15. April 2003 in der GestA. des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 insgesamt zu Recht abgelehnt.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich im streitbefangenen Zeitraum, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen.
Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des im VerwA.ungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 9. April 2003, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. A. vom 3./13. Januar 2005 und des Psychiaters PD Dr. H. vom 18. April 2006 mit neurologischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. Sch. vom 12. April 2006 und des im Berufungsverfahren erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W. vom 18. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. März 2007 und der weiteren gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 25. April 2007.
Auf dem orthopädischen Fachgebiet stehen im Vordergrund Veränderungen im Segment L5/S1 mit degenerativem Wirbelgleiten und damit verbundener Instabilität sowie ausgeprägter Arthrose der kleinen Wirbelgelenke. Daneben finden sich degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule und der Schultergelenke. Die Veränderungen am lumbosakralen Übergang verursachen nach den Feststellungen von Dr. A. nachvollziehbar Schmerzen und reduzieren die körperliche Belastbarkeit der Klägerin erheblich. Allerdings führen die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule nicht zu neurologischen Ausfallerscheinungen. Schon Dr. A. konnte die von der Klägerin geschilderte radikuläre Symptomatik nicht auf die radiologisch nachweisbare Spinalkanalstenose zurückführen, sondern nahm an, dass die Beschwerden als Residuen einer Nervenschädigung durch den 1993 durch ein CT nachgewiesenen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 angesehen werden könnten, wobei der Bandscheibenvorfall im Jahr 2005 nicht mehr nachweisbar war. Auch Prof. Dr. Sch. fand anlässlich der Begutachtung der Klägerin am 30. März 2006 nach ausführlichen elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen keine Hinweise für eine zentrale oder periphere Schädigung der motorischen und sensiblen Bahnen. Die von der Klägerin geschilderten strumpfförmigen Sensibilitätsstörungen waren nicht auf eine Wurzelkompression zurückführbar. Für die von ihr bei Prof. Dr. Sch. demonstrierten Paresen und Schmerzen konnte keine neurologische Ursache gefunden werden.
Die mit Schmerzen verbundenen degenerativen Veränderungen insbesondere der Lendenwirbelsäule verringern die Belastbarkeit der Wirbelsäule dergestA., dass der Klägerin keine körperlich belastenden Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 Kilo, in ZwangshA.ungen und mit häufigem Bücken und Drehen des Rumpfes mehr zugemutet werden konnten. Auch Schicht- und Akkordarbeiten sowie Arbeiten im Freien oder bei Kälte und Nässe schieden aus. Möglich waren aber aus orthopädisch-neurologischer Sicht noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen. Aus dem Blickwinkel der auf diesen beiden ärztlichen Fachgebieten objektivierten Befunde konnte die Klägerin solche Tätigkeiten auch noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten und auch den Weg zur Arbeit zurücklegen, wie der Senat den beiden Gutachten von Dr. A. und Prof. Dr. Sch. entnimmt.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung verbunden mit einer depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymia nach F34.1 ICD-10, d.h. einer chronisch depressiven Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhA.end genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Während für Prof. Dr. Dr. W. die somatoforme Schmerzstörung gegenüber der depressiven Verstimmung im Vordergrund steht, prägt nach PD Dr. H. vorrangig die Dysthymia das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin. Letztlich kann dies dahingestellt bleiben, denn unabhängig davon hat die Klägerin trotz der bei beiden Ärzten dargebotenen, durch körperliche Befunde nicht erklärbaren, erheblichen subjektiven Beschwerdesymptomatik keine entsprechende therapeutische Hilfe angenommen und durchgeführt. Vielmehr hat sie die von Dr. M.-Sch. bzw. Dr. M. verordneten Medikamente nach kurzer Zeit wieder abgesetzt und das Tens-Gerät zur Bekämpfung der Schmerzen nicht eingesetzt. Sonstige aktivierende Maßnahmen führte die Klägerin ebenfalls nicht durch. Dies hat Prof. Dr. W. in der sorgfältig erhobenen Anamnese herausgearbeitet. Auch PD Dr. H. bezeichnet es als auffällig, dass trotz der S.en subjektiven Einschränkung durch die geschilderten Schmerzen nur relativ wenig medikamentöse Maßnahmen erfolgten und Schmerzmittel nur bei Bedarf eingenommen wurden. Prof. Dr. W. hat aus dieser Tatsache überzeugend nicht nur einen geringen Leidensdruck in Bezug auf die geltend gemachten Schmerzen bzw. die depressive Verstimmung abgeleitet, sondern auch plausibel gelegt, dass aus der Inaktivität der Klägerin für diese ein ausgeprägter sekundärer Krankheitsgewinn resultiert, da der Ehemann die Klägerin in nahezu allen Dingen im Alltag entlastet. Somit überzeugt auch die Schlussfolgerung, dass die Klägerin die somatoforme Schmerzstörung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß bewußtseinsnah ausgestA.et und daher bei zumutbarer Willenanstrengung auch in der Lage gewesen wäre, unter Inanspruchnahme entsprechender therapeutischer Hilfe, im streitgefangenen Zeitraum sechs Stunden täglich und mehr leichte körperliche Arbeiten mit den bereits genannten Einschränkungen durchzuführen.
Der bei im wesentlichen übereinstimmenden Befunden abweichenden Leistungsbeurteilung von PD Dr. H., wonach die Klägerin nur noch zwischen drei und sechs Stunden täglich tätig hätte sein können, schließt sich der Senat nicht an. Unabhängig davon, dass er im Gutachten vom 18. April 2006 eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens bereits seit ungefähr 1997 annahm, während er in der Stellungnahme vom 25. April 2007 die die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus seiner Sicht einschränkende dysthyme Entwicklung erst als seit dem Jahr 2003 nachweisbar ansieht, setzt er sich mit dem von Prof. Dr. Dr. W. angesprochenen geringen Leidensdruck angesichts der fehlenden therapeutischen Maßnahmen und der bewußtseinsnahen AusgestA.ung des Schmerzgeschehens nicht auseinander, wenngleich auch er bewusste und unbewusste Verdeutlichungstendenzen bei der Klägerin nicht in Abrede stellt. Zu Recht weist der beratende Arzt der Beklagen Dr. G. auch darauf hin, dass eine Dysthymia, die nach der Darstellung von PD Dr. H. das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin bestimmt, in ihren Auswirkungen definitionsgemäß geringer ist als eine leichte depressive Episode und als solche eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermag.
Nach alledem kann das Vorliegen einer Erwerbsminderung bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht festgestellt werden. Die Tatsache, dass bei der Klägerin seit dem 24. September 2003 ein GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB IX festgestellt ist, weshalb sie auch seit dem 1. April 2008 A.ersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht, ändert an dieser Feststellung nichts, denn das Vorliegen von Schwerbehinderung ist mit dem Vorliegen einer Erwerbsminderung i.S.d. § 43 SGB VI nicht gleichzusetzen.
Auf die Berufung der Beklagten musste daher das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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