S 12 KA 40/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 40/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Entziehung der Zulassung ist nicht unverhälnismäßig im Fall einer Kinderärztin, die in der ersten Jahreshälfte 2007 über sechs Monate hinweg ihren Ehemann, der keine Approbation oder heilkundliche Erlaubnis besaß, in ihrer Praxis fast täglich für zwei Stunden beschäftigt hat und gegen die zuvor 1999 wegen unrichtiger Angaben über die Qualifikation des Ehemanns zwecks Erreichung einer Assistentengenehmigung und 2003 wegen einer weiteren Pflichtenverletzung eine Disziplinarbuße verhängt worden war.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zulassungsentziehung.

Die 1962 geborene und jetzt 46-jährige Klägerin ist als Fachärztin für Kinderheilkunde seit 01. Februar 1995 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Unter Datum vom 10.08.2007 stellte die Beigeladene zu 1) beim Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag, der Klägerin die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen. Zur Begründung ihres Antrags führte sie aus, die Praxis der Klägerin sei als Einzelpraxis genehmigt worden. Eine Gemeinschaftspraxis sei nicht genehmigt worden. Dessen ungeachtet habe die Klägerin in ihrer Praxis auch ihren Ehemann, Herrn A., als Arzt beschäftigt. Herr A. verfüge weder über eine Approbation noch über eine andere behördliche Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufes. Lediglich für die Zeit vom 11.02.1998 bis zum 15.02.2000 habe eine befristete, widerrufliche Erlaubnis des Regierungspräsidiums GD. zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes im Land Hessen vorgelegen. Herr A. sei nicht in das Arztregister eingetragen und verfüge über keine Zulassung als Vertragsarzt. Das Praxisschild weise die Klägerin als auch Herrn A. aus. Ebenfalls wiesen die Klägerin und Herr A. die Praxis unter der Arztnummer der Klägerin als "Gemeinschaftspraxis und A., FÄ f. Kdr.- u. Jugendmedizin, A-Straße, A Stadt" aus. Ein mit diesem Aufdruck versehener Notfall-/Vertretungsschein sei ihr von der Landesärztekammer übersandt worden. Am 08.08.2007 habe auf Bitten der Klägerin ein Gespräch zwischen ihr sowie Herrn JF., ihr juristischer Geschäftsführer, und Frau NF., Mitarbeiterin der juristischen Geschäftsführung in ihren Räumen stattgefunden. Die Klägerin habe die Beschäftigung ihres Ehemannes seit dem 08.01.2007 in ihrer Praxis sowie die Abrechnung der von Herrn A. erbrachten Leistungen zugegeben und weitere Aufklärung zugesagt. Am 05.07.2007 habe Herr A. bei der Bezirksstelle PK. eine Urkunde der Landesärztekammer Hessen vom 20.07.2006 über die Anerkennung als Facharzt für Kinder- und Jungendmedizin eingereicht, um einen Antrag auf Eintrag in das Arztregister des Landes Hessen zu stellen. Die vorgelegte Anerkennungsurkunde sei eine Fälschung. Das auf der Urkunde abgebildete Wappen sei nicht das des Landes Hessen, sondern das des Landes Thüringen. Die Klägerin habe ihre Facharztanerkennung in Thüringen erhalten, sodass der Verdacht nahe liege, dass aus ihrer Urkunde die Anerkennungsurkunde Herrn C erstellt worden sei. Zwischenzeitlich habe Frau A. zugegeben, ihre Urkunde als Vorlage genutzt und hieraus die Anerkennungsurkunde ihres Ehemannes hergestellt zu haben. Aus dem dargestellten Sachverhalt ergebe sich, dass Frau A. nicht mehr zur vertragsärztlichen Tätigkeit geeignet sei und die Zulassung daher zu entziehen sei.

Die Beigeladene zu 1) stellte ferner unter gleichem Datum eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft FA. wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges und der Urkundenfälschung.

Der Zulassungsausschuss führte am 01.11.2007 mit der Klägerin und ihres damaligen Prozessbevollmächtigten eine mündliche Verhandlung durch und teilte der Klägerin seine Entscheidung anschließend mündlich mit. Gegen den Entziehungsbescheid legte die Klägerin mit Datum vom 06.11.2007, eingegangen am 07.11.2007, Widerspruch ein. Den Beschluss vom 01.11.2007 fertigte der Zulassungsausschuss am 08.11.2007 aus. Er wurde am 08.11.2007 mit Einschreiben zur Post gegeben.

Mit dem Beschluss vom 01.11.2007 entzog der Zulassungsausschuss der Klägerin die Zulassung für den Vertragsarztsitz A-Stadt, VJ.Kreis, gemäß § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 Ärzte-ZV. Ferner ordnete er den Sofortvollzug der Entscheidung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG an. Zur Begründung führte er aus, bei einer gröblichen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten sei die Zulassung zu entziehen. Die Pflichtverletzung sei gröblich, wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei. Die peinlich genaue Leistungsabrechnung gehöre zu den Grundpflichten des Vertragsarztes. Die Gröblichkeit der Pflichtverletzung folge aus der nicht nur gelegentlichen Verletzung besonders wichtiger vertragsärztlicher Pflichten und der sich daraus ergebenden Schwere der Rechtsverletzung. Sie setze kein individuelles Verschulden im Sinne persönlicher Vorwerfbarkeit voraus, weil es sich nicht um eine Sanktion strafwürdigen Verhaltens, sondern um eine Maßnahme der Verwaltung handele, die allein dazu diene, das System der vertragsärztlichen Versorgung von dauernden größeren Störungen zu bewahren, damit es funktionsfähig bleibe. Wenn die Pflichtverletzung gröblich sei, d. h. wenn die Entziehung zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung notwendig und dafür das einzige Mittel sei, dann reichten Disziplinarmaßnahmen nicht mehr aus und die Zulassung sei zu entziehen. Ob Disziplinarmaßnahmen ergangen seien oder ergehen könnten, sei unerheblich. Durch die Klägerin sei die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung schwer gestört worden. Dadurch sei die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit ihr fortgefallen, weshalb eine weitere Zusammenarbeit mit ihr nicht mehr möglich erscheine. Sie habe ihre Pflicht als Vertragsärztin so schwer verletzt, dass die Entziehung als einziges Mittel zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei. Sie habe ihre vertragsärztlichen Pflichten dadurch gravierend verletzt, dass sie ihren Ehemann in ihre Vertragsarztpraxis als Arzt beschäftigt habe, obwohl er weder über eine Approbation noch eine andere behördliche Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufes verfügt habe. Auch habe sie die von ihrem Ehemann erbrachten Leistungen als ihre eigenen bei der Beigeladenen zu 1 abgerechnet. Diese Pflichtverletzungen seien als gröblich anzusehen und dazu geeignet, die Zulassungsentziehung zu begründen. Es habe sich auch nicht nur um eine kurzfristige Auffälligkeit gehandelt, sondern um den Zeitraum von ca. sechs Monaten. Außerdem sei auch die Höhe des entstandenen Schadens nicht unerheblich. Die Klägerin habe sich als ungeeignet für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erwiesen. Die Grundpflicht zur peinlich genauen Abrechnung, auf deren Einhaltung sich KVen und Krankenkassen unbedingt verlassen können müssten, sei in erheblichem Umfang verletzt und damit das Vertrauensverhältnis schwer gestört worden. Die Pflichtverletzung wiege so schwer, dass die Entziehung geboten sei. Die Durchführung eines Disziplinarverfahrens stünde in keinem Verhältnis zur Schwere der begangenen Pflichtwidrigkeiten und komme daher als milderes Mittel nicht in Betracht. Es würde hier das vertragsärztliche System auch nicht ausreichend schützen. Es lägen auch nicht mehr die Zulassungsvoraussetzungen vor. Es seien Umstände eingetreten, aus denen sich die Ungeeignetheit der Ärztin ergebe. In der Person der Klägerin seien schwerwiegende Mängel erkennbar, nachdem sie nach Muster ihrer eigenen Facharztanerkennung die Anerkennungsurkunde ihres Ehemannes gefertigt habe. Als schwerwiegende Mängel in der Person eines Arztes müssten u. a. solche Mängel bezeichnet werden, die geeignet seien, das erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit der Berufsausübung zu erschüttern, zu zerstören oder mit starken begründeten Zweifeln zu belegen. Nachdem der Vertragsarzt in vielfältiger Weise in die Rechtsvorschriften des Zivilrechts und des Kassenarztrechts eingebunden sei, müsse von ihm erwartet werden, dass er neben seinen medizinischen Fähigkeiten und seinem ärztlichen Können auch die erforderliche Bereitschaft zur Wahrung der erforderlichen Rechtstreue erkennen lasse. Der Vorwurf der Fälschung der Facharztanerkennungsurkunde des Ehemannes sei durch das Eingeständnis der Klägerin unstreitig. Es sei auf den Zweck der Entziehung, nämlich den Schutz des vertragsärztlichen Versorgungssystems abzustellen. Sie setze kein individuelles Verschulden im Sinne persönlicher Vorwerfbarkeit voraus, weil es sich nicht um eine Sanktion strafwürdigen Verhaltens, sondern um eine Maßnahme der Verwaltung handele, die allein dazu diene, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor dauernden größeren Störungen zu bewahren, damit es funktionsfähig bleibe. Die Grundpflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung der Patienten könne im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit gewährleistet werden, nachdem die Klägerin es zugelassen habe, dass ihr Ehemann Patienten in ihrer Praxis behandele, wissend, dass er weder eine Approbation als Arzt noch eine Facharztanerkennung besitze. Hieraus ergebe sich auch die Notwendigkeit für die Anordnung des Sofortvollzugs der Entscheidung gemäß § 86a Abs. 2 SGG, weil dies im dringenden Interesse der vertragsärztlichen Versicherten liege, um diese vor Gefährdungen zu schützen, nachdem der Zulassungsausschuss aufgrund der durch die Klägerin begangenen Urkundenfälschung das Vertrauen in deren Redlichkeit und Glaubwürdigkeit verloren habe.

Am 06.11.2007 stellte die Klägerin erstmals den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trug u. a. vor, sie sei für sich und ihre 15-jährige Tochter auf die Einnahmen angewiesen. In ihrer Praxis beschäftige sie acht Mitarbeiter, manche bereits seit einer Vielzahl von Jahren, die längste Kündigungsfrist betrage sechs Monate zum Monatsende. Ihren Ehemann habe sie auf dessen Drängen hin beschäftigt, beschränkt im Wesentlichen auf privatärztliche Leistungen, die sie gegenüber den Patienten nicht liquidiert habe. Auch vertragsärztliche Leistungen habe sie nicht immer abgerechnet. Ihr Ehemann habe sich auch von Ende April bis zum 12.05.2007 in Syrien aufgehalten. Seine Leistungen hätten sich insgesamt in einem äußerst geringen Umfang bewegt. Ihr Ehemann habe auch gedroht, mit ihrer gemeinsamen Tochter nach Syrien auszureisen. Sie habe sich zwischenzeitlich von ihm getrennt und im November eine Rechtsanwältin zur Scheidungsberatung aufgesucht. Sämtliche Praxisschlüssel befänden sich wieder in ihrem Besitz. Sie werde ihm auch zukünftig das Betreten der Praxisräume verwehren. Eine Gefährdung der Patienten habe zu keiner Zeit bestanden, da ihr Mann über eine ausreichende ärztliche und fachärztliche Qualifikation verfüge. Das Praxisschild mit dem Ehemann sei lediglich im Haus selbst angebracht gewesen. Eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Mitarbeit des Ehemannes könne ausgeschlossen werden. Die Urkunde habe sie lediglich für ihren Ehemann angefertigt, da sie sich um dessen Facharztanerkennung habe bemühen sollen. Sie sei nie für Dritte bestimmt gewesen und hätte in ihrem Besitz bleiben sollen. Deshalb sei die Urkunde auch in dilettantischer Weise angefertigt worden. Ihr Ehemann habe sie sich dann ohne ihr Wissen beschafft, um sie der Bezirksstelle PK. vorzulegen. Er habe nur wegen einer Arztstelle dort vorgesprochen und habe sich eine Kopie der Urkunde beglaubigen lassen wollen. Als die Sachbearbeiterin festgestellt habe, dass er nicht in das Arztregister eingetragen sei, habe sie die Anfrage eigenständig als Antrag auf Eintragung in das Arztregister aufgenommen. So habe ihr Ehemann den Verlauf geschildert. An der Richtigkeit zu zweifeln bestehe für sie kein Anlass. Als sie, die Klägerin, davon erfahren habe, habe sie die Urkunde wieder an sich genommen. Eine Täuschung im Rechtsverkehr sei von ihr nie beabsichtigt gewesen. Der "Gemeinschaftspraxisstempel" sei, was die Bezirksstelle bestätigt habe, in der Abrechnung II/06 nicht verwandt worden. Die Angabe des Schadens mit 67.000 Euro sei rein spekulativ. Die Entziehung sei ultima ratio und habe auch einen auf die Zukunft gerichteten Aspekt. Ihr Ehemann halte sich jetzt in Syrien auf. Sein Drohmittel, die Tochter mitzunehmen, sei damit entfallen. Sie betreibe aktiv die Scheidung.

Der Beklagter erwiderte unter Verweis auf die Verwaltungsakten und den Bescheid des Zulassungsausschusses im Übrigen, unstreitig sei, dass die Klägerin ihren Ehemann, der weder über eine Approbation noch über eine andere behördliche Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufes verfüge, beschäftigt habe. Das Praxisschild weise beide als tätige Ärzte auf. Die Klägerin habe auch unter ihrer Arztnummer als Gemeinschaftspraxis firmiert. Herr A. habe am 05.07.2007 bei der Bezirksstelle PK. eine Urkunde über seine Anerkennung als Facharzt vorgelegt. Diese Urkunde sei auf Wunsch ihres Ehemannes von der Klägerin selbst angefertigt worden. Sie habe ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss eingeräumt, ihr Ehemann habe vom 08.01.2007 bis Ende Juni 2007 täglich ein bis zwei Stunden in ihrer Praxis gearbeitet. Sie habe für diese Leistungen 67.000,00 EUR abgerechnet. Ihr Ehemann soll nach ihren Angaben im Juli 2007 nach Syrien ausgereist sein. Als Pflichtverletzungen seien die Beschäftigung ihres Ehemannes und die Abrechnung der von diesen erbrachten Leistungen zu betrachten. Es handele sich um keine einmaligen Verfehlungen, sie hätten mindestens ein halbes Jahr angedauert. Es sei auch ein erheblicher Schaden entstanden, den die Beigeladene zu 1) vorläufig mit ca. 67.000,00 EUR beziffere. Auch wenn sie nach ihrem Vortrag auf Druck ihres Ehemannes gehandelt habe, werde hierdurch der objektiv festgestellte Tatbestand nicht verändert. Es reiche die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes aus. Ein individueller Schuldvorwurf sei nicht erforderlich. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Eine Disziplinarmaßnahme sei nicht ausreichend. Die Entziehung sei rechtmäßig. In diesem Sinne habe auch bereits das Sozialgericht Stuttgart einen gleich gelagerten Fall im zahnärztlichen Bereich beurteilt. Nicht zu beanstanden sei auch die weitere Feststellung des Zulassungsausschusses, dass die Klägerin ungeeignet sei. Die Tatsache, dass die Klägerin den Gebrauch der gefälschten Approbationsurkunde möglicherweise nicht beabsichtigt habe, spiele keine Rolle, da sie diese Konsequenz zumindest billigend in Kauf genommen habe. Sie habe zunächst den Straftatbestand einer Urkundenfälschung verwirklicht. Sie habe unter Beweis gestellt, dass sie zur Erreichung eigennütziger Ziele bewusst und gewollt den Zugang nicht qualifizierten Personals in ärztlichen Funktionen zu ermöglichen in der Lage sei. Der Zulassungsausschuss sei auch zur Anordnung des Sofortvollzugs seiner Entscheidung berechtigt. Die Anordnung habe er gesondert und hinreichend begründet. Angesichts der Schwere der Vorwürfe erscheine die Begründung als ausreichend. Die Konsequenzen einer Praxisschließung seien für die Entziehung unbeachtlich. Auch komme es auf den Umfang der Tätigkeit des Ehemannes und die inneren Beweggründe der Klägerin nicht an.

Die Beigeladene zu 1) schloss sich den Ausführungen des Beklagten an und verwies auf ihre Antragsschrift im Verwaltungsverfahren. Weiter trug sie vor, die Klägerin habe die Mitarbeit ihres Ehemannes eingeräumt. Der Ehemann habe auf dem Praxisschild und Stempel gestanden. Die Fälschung habe die Klägerin eingeräumt.

Die erkennende Kammer ordnete mit Beschluss vom 28. November 2007, Az.: S 12 KA 457/07 ER, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin vom 06.11.2007 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 01.11.2007 bis zur Zustellung einer Entscheidung des Beklagten über den Widerspruch der Klägerin an. Dieser Beschluss wurde bestandskräftig.

Mit Schriftsatz vom 30.11.2007 ihres Prozessbevollmächtigten begründete die Klägerin ihren Widerspruch unter Verweis auf ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 19.12.2007, zugestellt am 25.01.2008, den Widerspruch als unbegründet zurück. Er ging davon aus, Herr A. verfüge weder über eine ärztliche Approbation noch eine kassenärztliche Zulassung. Der Schaden, der durch die Abrechnung der Leistungen des Herrn A. bei der Beigeladenen zu 1) entstanden sei, könne derzeit nicht beziffert werden. Es habe in der Praxis der Klägerin gegenüber dem nachgeordneten Personal eine Anweisung bestanden, die Leistungen des Herrn A. wie die eigenen Leistungen der Klägerin abzurechnen. Es existiere ein Computereindruck mit dem Eintrag "Gemeinschaftspraxis und A." bzw. " und A. FÄ f. Kdr.- und Jugendmedizin", der für Formulare, Rezepte, Notfallscheine etc. verwendet worden sei. Ebenso existiere auch ein entsprechender Kassenarztstempel und ein Schild zum Eingang der Praxis. Es existiere eine von der Klägerin gefertigte Facharztanerkennungsurkunde für Herrn A ... Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe deren Angaben im Gespräch mit Vertretern der Beigeladenen zu 1) bestätigt. Der Sachverhalt werde auch durch die von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Unterlagen und der Mitteilung des Obmannes des ärztlichen Notdienstes bestätigt sowie durch die Einvernahme der Zeugin AAF ... Unklar sei bisher nur geblieben, ob Herrn A. bereits früher in der Praxis tätig gewesen sei und ob die Klägerin die Fälschung der Facharztanerkennungsurkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr habe nutzen wollen, da sie dies bestreite. Es liege aber nahe, dies als Schutzbehauptung zu werten. Entscheidend sei, dass die Klägerin Leistungen ihres nicht approbierten Ehemannes jedenfalls in den Quartalen I und II/07 abgerechnet habe. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung. Es liege damit eine gröbliche Pflichtverletzung vor. Auf die Höhe der unrechtmäßigen Abrechnung komme es nicht an. Es stehe fest, dass Herrn A. regelmäßig arbeitstäglich mindestens ein bis zwei Stunden als Arzt gearbeitet und seine Leistungen mit der Beigeladenen zu 1) abgerechnet habe, soweit sie nicht – ca. 10 % - der privatärztlichen Liquidation unterlegen hätten. Zu Gunsten der Klägerin könne angenommen werden, dass Herrn A. nicht an jedem Arbeitstag anwesend gewesen sei und sich zwei bis drei Wochen in Syrien aufgehalten habe. Bereits damit sei der Tatbestand der gröblichen Pflichtverletzung erfüllt. Auf individuelles Verschulden komme es nicht an. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei ihre Einlassung zu würdigen, sie habe auf Druck ihres Ehemannes gehandelt. Bei der gröblichen Pflichtverletzung habe es sich aber um ein systematisches Vorgehen, nicht um einen einmaligen Vorgang gehandelt, was die Dauer, die Computereindrucke sowie der Praxisstempel zeige. Der gleich bleibende Umsatz stehe dem nicht entgegen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Herrn A. bereits in den Vorjahren tätig gewesen sei, wofür die hohe Scheinzahl spreche, oder aber z. B. die Klägerin ihre Tätigkeit reduziert habe. Hierauf komme es aber nicht an, da die Falschabrechnung feststehe und es sich nicht um geringfügige Beträge gehandelt haben könne. Die Klägerin habe gezeigt, dass sie aus eigennützigen Gründen bereit sei, sich über rechtliche Gegebenheiten hinwegzusetzen. Ähnlich gelagert sei der Vorwurf, dass die Klägerin einer Person ohne ärztliche Approbation ärztliche Behandlungen in ihrer Praxis ermöglicht hat, unabhängig davon, wie diese abgerechnet worden seien. Aus beiden Aspekten ergebe sich die mangelnde Rechtstreue der Klägerin. Als schwerwiegend seien die bestandskräftigen Disziplinarmaßnahmen der Beigeladenen zu 1) zu werten gewesen. Bereits im Jahr 1999 habe das geahndete Verhalten in engem Zusammenhang mit ihrem Ehemann und dessen Mitarbeit in der Praxis gestanden. Auch hieraus könne geschlossen werden, dass es sich bei der Behauptung der Klägerin, sie habe aus einer Notsituation gehandelt, um eine Schutzbehauptung gehandelt habe. Angesichts der massiven Pflichtverletzung komme es auch nicht darauf an, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Datum vom 28.01. am 29.01.2008 die Klage (Az.: S 12 KA 40/08).

Gleichzeitig erhob sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Az.: S 12 KA 41/08 ER und trug weiter vor, der Beschluss des Beklagten sei ebf. wegen mangelnder Begründung rechtswidrig. Die Ermittlungsmöglichkeiten zur Schwere der angenommenen Pflichtverletzungen seien nicht ausgeschöpft worden. Die Aussage der Zeugin AAF. habe im Wesentlichen ihre Einlassungen bestätigt. Sie habe keine Aussage machen können, welche ärztlichen Tätigkeiten Herr A. verrichtet habe. Sie habe dessen Hilfstätigkeiten als ärztliche Tätigkeiten gedeutet, weil sie ihm fälschlich die Stellung als Arzt zugeschrieben habe. Auch der Beklagte gehe davon aus, dass der Schaden gegenwärtig nicht beziffert werden könne. Die Ausführungen zur Facharztanerkennungsurkunde seien nicht schlüssig. Ein Verhalten, welches rechtlich nicht zu ahnden sei, könne nicht ein Wegsetzen über rechtliche Gegebenheiten zum Inhalt haben. Das mit den Disziplinarmaßnahmen in den Jahren 1999 und 2003 geahndete Verhalten sei bis heute unklar. Das Fehlen einer Wiederholungsgefahr werde pauschal verneint.

Der Beklagte erwiderte, der Antrag sei unzulässig, was er im Einzelnen darlegte.

Die Kammer ordnete mit Beschluss vom 08.02.2008 die aufschiebende Wirkung der Klage bis zu einer Entscheidung der erkennenden Kammer an. Das LSG Hessen, Beschluss vom 05.05.2008 – L 4 KA 20/08 B ER und L 4 KA 21/08 B ER - hob den Beschluss der Kammer auf und verwies den Antrag der Klägerin als unzulässig.

Das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen erteilte der Klägerin mit Urteil vom 16.01.2008 – 21 BG 3914/07 – wegen Verstoßes gegen ihre Berufspflichten einen Verweis und erlegte ihr eine Geldbuße in Höhe von 45.000,00 Euro auf. Das Amtsgericht A-Stadt verhängte mit Strafbefehl vom 19.06.2008 wegen Abrechnungsbetrug in den Quartalen I und II/07 eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung auf drei Jahre ausgesetzt wurde.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, Herr A. habe in der Zeit vom 08.01. bis Ende Juni 2007 täglich mit einem Umfang von 2 Stunden in der Praxis gearbeitet. Das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen habe festgestellt, dass die Grenze zur Unwürdigkeit i. S. d. § 50 Abs. 1 Nr. 5 HeilbG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BO nicht überschritten worden sei. Die Staatsanwaltschaft beim OLG Frankfurt a. M. habe den Tatkomplex bzgl. der Urkundenfälschung eingestellt. Im Strafbefehl werde von einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 25.000 Euro ausgegangen. Das Verfahren zum Widerruf der Approbation sei mit Bescheid des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes im Gesundheitswesen vom 04.08.2008 eingestellt worden. Die Verfehlung beziehe sich lediglich auf einen kurzen Zeitraum von zwei Quartalen. Nach Trennung von ihrem Ehemann habe sie entsprechende Vorkehrungen getroffen, dass der Praxisablauf wieder ordnungsgemäß verlaufe. Die damalige Situation sei familiären Problemen im Hinblick auf die Erziehung der damals 15-jährigen Tochter geschuldet. Der Zwang der ehelichen Verhältnisse sowie ein stetiges Anwachsen der Patientenzahl habe zu der Situation geführt. Nach Bekanntwerden der Vorfälle habe sie ihre Patienten hierüber informiert. Die Patientenzahlen seien dennoch stabil geblieben. Eine Entziehung sei unverhältnismäßig. Ein Vertrauensverlust zu den Krankenkassen sei nicht eingetreten. Sie nehme am DMP-Asthma/COPD teil und werde hierfür von den Krankenkassen empfohlen. Die familiären Verhältnisse habe sie inzwischen geregelt. Das berufsgerichtliche Verfahren und der Strafbefehl hätten ihr die Rechtswidrigkeit ihres Tuns aufgezeigt. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Bei ihrem Ausscheiden entstehe auch eine Versorgungslücke. Ihr drohe Insolvenz. Sie stehe bereits jetzt unter vorläufiger Insolvenzverwaltung.

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 19.12.2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, mit den tatbestandlichen Feststellungen sowohl des Urteils des Berufsgerichts für Heilberufe wie auch des Strafbefehls seien seine tatsächlichen Feststellungen in dem streitbefangenen Beschluss in vollem Umfang bestätigt worden. Danach dürften die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe auch im vorliegenden Verfahren unstreitig geworden sein. Danach steht fest, dass die Klägerin jedenfalls im ersten und im zweiten Quartal 2007 vorsätzlich durch Falschabrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen nach der im Sozialversicherungsrecht geltenden streng formalen Betrachtungsweise einen Schaden in Höhe von 151.025,34 Euro verursacht habe, wobei der wirtschaftliche Wert der von ihrem Ehemann erbrachten ärztlichen Leistungen auf ca. 25.000 EUR zu schätzen sei. Nach dem rechtskräftigen Urteils des Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen stehe fest, dass die Klägerin vorsätzlich und unentschuldbar ein Berufsvergehen von ganz erheblichem Gewicht begangen habe. Eine Wiederholungsgefahr könne keineswegs ausgeschlossen werden. Für eine Dauerhaftigkeit der Trennung von ihrem Ehemann habe die Klägerin nichts vorgetragen. Auch sei nicht vorgetragen worden, dass beispielsweise ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden sei. Bei den angeblichen praxisinternen Vorkehrungen handele es sich um eine reine unsubstantiierte Behauptung der Klägerin. Eine besondere Belastungssituation aufgrund von Erziehungsschwierigkeiten mit der eigenen Tochter sowie beruflichen Belastungen vermöge weder eine Rechtfertigung noch eine Entschuldigung für die begangenen Straftaten zu liefern. Die Unterstützung durch die Patienten stelle keinen Grund dar, von zulassungsrechtlichen Sanktionen abzusehen. Die Beliebtheit eines Vertragsarztes impliziere keineswegs automatisch eine Zuverlässigkeit im vertragsarztrechtlichen Sinn. Solange die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung nicht bestandskräftig sei, seien die Krankenkassen daran gehindert, die Kooperation mit der Klägerin einzustellen. Es gebe keinerlei objektive Anhaltspunkte für eine positive Entwicklung bei der Klägerin wie zum Beispiel die Einleitung eines Verfahrens zur Scheidung ihrer Ehe. In dem betroffenen Planungsbereich herrsche auch im Bereich der Pädiater Überversorgung, so dass bereits aus diesem Grunde keine Unterversorgung drohen könne. Zum anderen könne ein Arzt, der durch sein Fehlverhalten seine mangelnde Eignung zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit unter Beweis gestellt habe, den gerechtfertigten Entzug der vertragsärztlichen Zulassung nicht deshalb verhindern, weil hierdurch ein Engpass in der vertragsärztlichen Versorgung entstünde. Eine mögliche Insolvenz habe sich die Klägerin ausschließlich selbst zuzuschreiben als Folge ihres strafbaren Verhaltens. Gerade die kassenärztliche Besonderheit des Abrechnungssystems erfordere ein ganz besonderes Vertrauen zwischen den Leistungserbringern und den Kassenärztlichen Vereinigungen beziehungsweise Krankenkassen. In dieser Besonderheit sei auch begründet, dass die Belassung einer ärztlichen Approbation keineswegs richtungsweisend dafür sei, auch eine kassenärztliche Zulassung aufrechtzuerhalten, wenn dem Arzt mangelnde Korrektheit im Rahmen seiner Abrechnung vorzuwerfen sei. Die gewählte Maßnahme sei nicht unverhältnismäßig. Im vorliegenden Fall hätten die Zulassungsgremien unter Ausschöpfung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraumes festgestellt, dass unter Beachtung vertragsärztlicher Grundsätze die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung der Klägerin das einzige Mittel zur Wahrung des vertragsärztlichen Systems darstellt und ein milderes Mittel mit gleicher Wirkung nicht zur Verfügung stehe.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und ist ebf. der Auffassung, wegen der Schwere der Pflichtverletzung komme eine andere Maßnahme nicht in Betracht. Der disziplinarischen Ahndung im Jahre 1977 mit einer Geldbuße von 8.000 DM liege zugrunde, dass die Klägerin bei der Beantragung einer Assistentengenehmigung für ihren Ehemann angegeben habe, dass dieser eine Berufserlaubnis besitze, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei. In der Folgezeit sei der Ehemann in der Praxis der Klägerin tätig gewesen.

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich auch schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert,

Die Kammer hat mit Beschluss vom 29.01.2008 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Verfahrensakte zum Az.: L 4 KA 20 u. 21/08 B ER bzw. S 12 KA 41/08 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem Vertreter der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einer Vertreterin der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Klage ist aber unbegründet.

Der Beschluss des Beklagten vom 19.12.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Der Beschluss des Beklagten vom 19.12.2007 ist rechtmäßig.

Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (§ 95 Abs. 6 SGB V).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 20.10.2004 – B 6 KA 67/03 RBSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, zitiert nach juris Rn. 17 m. w. N.). Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung selbst immer ultima ratio. Die Zulassungsentziehung darf unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rn. 23). Vorrangig kommen insbesondere Disziplinarmaßnahmen in Betracht; insb. ist als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens (vgl. 95 Abs. 5) zu prüfen (vgl. LSG Berlin, Urteil v. 01.12.2004 – L 7 KA 13/03 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Frankfurt a. M., Urteil v. 14.06.2000 - S 28 KA 2499/99 – juris Rn. 25). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung nicht vollzogener Entziehungsentscheidungen ist nach dem BSG die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht, für die Beurteilung der Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz. Es handele sich hierbei um eine Ausnahme von dem in reinen Anfechtungssachen geltenden Grundsatz, wonach auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen sei. Aufgrund der Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit gleiche die Fallgestaltung derjenigen bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkungen, deren Rechtmäßigkeit ebenfalls unter Berücksichtigung nachträglicher Änderungen der Sach- und Rechtslage zu beurteilen sei (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234, = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rn. 20; BSG, Urteil v. 29.09.1999 - B 6 KA 22/99 R - SozR 3-5520 § 25 Nr. 3, juris Rn. 25; BSG, Urteil v. 19.06.1996 - 6 BKa 25/95MedR 1997, 86, juris Rn. 8). Soweit das BSG neuerdings die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs aufgreift, die gerade für Statussachen wie den Entzug einer Approbation oder die Entfernung aus dem Richteramt auch bei nicht vollzogenen Entziehungsentscheidungen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abstellen, ergeben sich in der Sache keine Änderungen zur bisherigen Rechtsprechung, weil das BSG weiterhin an vertragsärztlichen Besonderheiten festhält und aus der Bedeutung des Art. 12 GG folgert, es müsse auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt werden (vgl. BSG, Urteil v. 20.10.2004 – B 6 KA 67/03 RBSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rn. 21 ff.).

Für die Prüfung einer nicht vollzogenen Entziehungsentscheidung haben die Gerichte grundsätzlich alle Verletzungen vertragsärztlicher Pflichten durch den betroffenen Arzt zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Berufungsausschusses geschehen waren, auch wenn sie von diesem nicht verwertet wurden, soweit hierzu Beteiligte Umstände geltend machen, die Anlass für eine entsprechende Sachverhaltsermittlung ergeben. Soweit aber das Gericht die vom Berufungsausschuss seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Verfehlungen allein oder auch nur vorrangig im Hinblick auf ihre Dauer für eine Zulassungsentziehung nicht für ausreichend hält, müssen alle Umstände, auf die die Zulassungsentziehung gestützt ist, aufgeklärt werden. Das gilt namentlich für Verfehlungen des Arztes nach dem Eintritt der Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen, z. B. wegen unzulässiger Abrechnungen oder unwirtschaftlicher Behandlungen. Wenn die Verfahrensbeteiligten konkret vortragen, der Arzt habe sein pflichtwidriges Behandlungs- und/oder Abrechnungsverhalten auch noch nach der vom Zulassungsausschuss gewürdigten Zeitspanne fortgesetzt, müssen die Gerichte dem für den Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung nachgehen (vgl. BSG, Urteil v. 20.10.2004 – B 6 KA 67/03 RBSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rn. 23). Den Verfehlungen ist eine Prüfung des Wohlverhaltens gegenüberzustellen. Es ist zu prüfen, ob der Vertragsarzt im Laufe der Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung möglicherweise seine Eignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit durch verändertes Verhalten wiederhergestellt hat. Auf eine förmliche oder bestandskräftige Feststellung weiterer Pflichtenverstöße kommt es nicht an; es reicht jeder durch Tatsachen belegte Zweifel, ob tatsächlich eine wirkliche Verhaltensänderung eingetreten ist, um die Annahme eines rechtlich relevanten "Wohlverhaltens" auszuschließen (vgl. BSG, Urteil v. 19.06.1996 - 6 BKa 25/95MedR 1997, 86, juris Rn. 8). Eine "Bewährungszeit" von fünf Jahren soll nur in besonders gravierenden Fällen überschritten werden (vgl. BSG, Urteil v. 29.10.1986 - 6 RKa 32/86 - MedR 1987, 254 = USK 86179, juris Rn. 18; Hesral in: Ehlers, Alexander P. F. (Hrsg.): Disziplinarrecht und Zulassungsentziehung. Vertragsärzte/Vertragszahnärzte, München 2001, Rn. 483).

Der Beklagte hat im angefochtenen Beschluss vom 19.12.2007 darauf abgestellt, dass die Klägerin Leistungen ihres nicht approbierten Ehemannes jedenfalls in den Quartalen I und II/07 abgerechnet habe. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung und damit eine gröbliche Pflichtverletzung vor.

Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass die Klägerin Leistungen ihres nicht approbierten Ehemannes jedenfalls in den Quartalen I und II/07 abgerechnet hat. Dies wird von ihr auch nicht bestritten.

Die Klägerin ist zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet.

Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung folgt aus § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, der auf der Grundlage des § 98 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 13 SGB V erlassen ist. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird nicht verletzt durch die Anstellung von Ärzten und Beschäftigung von Assistenten. Eine Beschäftigung anderer Ärzte ohne Genehmigung (vgl. §§ 32 Abs. 2 Satz 1 u. 2, 32b Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV) ist unzulässig (vgl. BSG v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - juris Rn. 16 ff. - BSGE 66, 6 = SozR SozR 2200 § 368a Nr. 24.). Die angestellten Ärzte oder Assistenten müssen über eine Approbation verfügen, die allein zur Ausübung der ärztlichen Heilkunde, soweit keine Berufserlaubnis vorliegt, berechtigt. Die Klägerin hat es ihrem Ehemann aktiv ermöglicht, Patienten selbständig in ihrer Praxis zu behandeln, ohne dass dieser über eine Approbation oder eine Berufserlaubnis verfügte. Damit hat sie einen schweren Verstoß gegen heilkundliche, ethische und berufsrechtliche Verhaltenspflichten begangen. Es ist dabei von geringem Belang, dass ihr Ehemann eine ärztliche Ausbildung besitzt und früher zeitweise über eine Berufserlaubnis verfügte, da er im Jahr 2007 nicht zur ärztlichen Behandlung berechtigt war. Die Klägerin hat dies nicht nur geduldet, sondern hat aktiv daran mitgewirkt, indem sie ihn selbst in die Praxis gerufen und entsprechende Briefbögen und ein entsprechendes Praxisschild verwendet hat. Die Mitarbeit ihres Ehemanns erfolgte auch nicht nur einmalig oder punktuell, sondern über einen Zeitraum von jedenfalls sechs Monaten, wenn auch nicht immer täglich und unterbrochen durch einen Urlaub.

Mit der Abrechnung der vom Ehemann erbrachten Leistungen hat sie ferner gegen das Gebot zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen.

Das Gebot peinlich genauer Abrechnung der zu vergütenden Leistungen beinhaltet auch die Verpflicht zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung. Leistungen dürfen nicht abgerechnet werden, die der Arzt entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat. Dies ist nach dem Bundessozialgericht deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen. Insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung gehört daher zu den Grundpflichten des Arztes (vgl. BSG v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 – juris Rn. 22 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; BSG v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - juris Rn. 15 - BSGE 66, 6 = SozR SozR 2200 § 368a Nr. 24; BSG v. 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 - juris Rn. 31 - USK 81172; BVerfG v. 28.03.1985 - 1 BvR 1245/84, 1 BvR 1254/84 - juris Rn. 27 - BVerfGE 69, 233 = SozR 2200 § 368a Nr. 12). Mit der Abrechnungs- und Sammelerklärung (§ 35 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä, § 34 Abs. 1 EKV-Ä, § 16 Abs. 2 EKV-Z) garantiert der Kassen-/Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen bzw. Datenträgern zutreffen (vgl. BSG v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - juris Rn. 19 - SozR 3 5550 § 35 Nr. 1).

Mit der Abrechnung der vom Ehemann erbrachten Leistungen hat die Klägerin von ihr nicht erbrachte Leistungen abgerechnet. Dieses Verhalten war auch Gegenstand des Strafbefehls.

Die Entziehung der Zulassung ist auch nicht unverhältnismäßig.

Mit Bescheid des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 03.02.1999 wurde bereits gegen die Klägerin eine Geldbuße von 8.000,00 DM verhängt, weil sie bei der Beantragung einer Assistentengenehmigung nach § 32 Ärzte-ZV unrichtige Angaben über die Qualifikation des Assistenten – ihres Ehemanns – gemacht hatte. Sie hatte angegeben, ihr Ehemann besitze die Berufserlaubnis nach § 10 BÄO, obwohl dies nicht der Fall gewesen war. Dennoch hat sie sich, wie ihr Verhalten im Jahr 2007 zeigt, dies nicht zur Warnung gereichen lassen. Wegen eines weiteren Verstoßes verhängte der Disziplinarausschuss mit Bescheid vom 05.02.2003 eine Geldbuße von 6.500 Euro, weil sie nach einer Patientenbeschwerde die von der Kassenärztlichen Vereinigung erbetene Stellungnahme trotz wiederholter Anschreiben nicht nachkam. Wegen der wiederholten Disziplinarverstöße, wobei insbesondere die Ahndung der Beantragung einer Assistentengenehmigung mit unrichtigen Angaben über die Qualifikation ihres Ehemanns ihr nachhaltig hätte vor Augen führen müssen, dass ihr Ehemann nicht zur ärztlichen Behandlung berechtigt ist, ist die Zulassungsentziehung nicht unverhältnismäßig.

Die Würdigung durch das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen war weder für den Beklagten noch für die Kammer bindend. Das Berufsgericht sieht in der Mitarbeit ihres Ehemanns ebf. ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin mit einer Qualität, die es kaum noch als gegeben erscheinen lasse, dass die Klägerin das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen besitze, und die ihre weitere Berufsausübung nahezu untragbar erscheinen lasse. Die Grenze zur Unwürdigkeit sei nur deshalb nicht überschritten, weil die Klägerin bei der Tätigkeit des Ehemanns zugegen gewesen sei, ihr Ehemann über medizinische Kenntnisse verfüge und Behandlungsfehler nicht bekannt geworden seien. Dies überzeugte die Kammer im Hinblick auf die Schwere des Pflichtenverstoßes über mehrere Monate hinweg und das teilweise Auftreten als Gemeinschaftspraxis nicht. Entscheidend für die Kammer aber kamen die früheren vertragsarztrechtlichen Pflichtenverstöße hinzu, die dem Berufsgericht für Heilberufe offensichtlich unbekannt waren. Es berücksichtigte lediglich die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 300,00 Euro im Urteil vom 10.01.2006 wegen eines Behandlungsfehlers.

Auf die persönlichen Verhältnisse kommt es nicht an, da ein Verschulden nicht Voraussetzung ist. Zum anderen aber ist davon auszugehen, dass der Klägerin klar war, dass ihr Ehemann in der Praxis nicht ärztlich tätig werden durfte. Zum anderen wird lediglich allgemein auf die Eheverhältnisse und die Erziehungsproblematik mit der Tochter hingewiesen, ohne dass hieraus eine Zwangslage für das der Klägerin vorwerfbare Tun ersichtlich würde.

Ein Vertrauensverlust zu den Krankenkassen entfällt nicht dadurch, dass sie weiterhin am DMP-Asthma/COPD teilnimmt und hierfür von den Krankenkassen empfohlen werde. Solange die Zulassungsentziehung nicht bestandskräftig ist und insbesondere nach Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Kammer war die Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung weiterhin berechtigt. Von daher wären die Krankenkassen nicht berechtigt gewesen, die Klägerin bei Empfehlungen vom Kreis der Leistungserbringer auszuschließen.

Auf eine mögliche Versorgungslücke ist nicht abzustellen. Soweit der Klägerin Insolvenz droht und sie bereits jetzt unter vorläufiger Insolvenzverwaltung steht, muss sie sich dies durch ihr Verhalten selbst zuschreiben lassen. Besondere Härtegesichtspunkte, für die der Gesetzgeber im Übrigen keinen Raum gegeben hat, können hierin nicht gesehen werden. Auch hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass das Insolvenzverfahren wegen Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge für die Angestellten der Klägerin eingeleitet wurde. Dies beruht wiederum darauf, dass die Beigeladene zu 1), wohl nur vorsorglich und nach dem Stand der mündlichen Verhandlung ohne Grundlage eines Bescheids, Kürzungen der laufenden Zahlungen vorgenommen hat. Insgesamt spricht das Verhalten der Klägerin, sich hier nicht hinreichend um eine wirtschaftliche Lösung bemüht zu haben, die ihr die Fortführung der Praxis ermöglicht, dass sie nicht vollends in der Lage ist, selbständig als Vertragsärztin zu arbeiten und insoweit kann nicht vorbehaltlos eine günstige Prognose abgegeben werden, dass sie sich zukünftig an ihre vertragsärztlichen Pflichten hält.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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