Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KN 3136/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 KNU 1851/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 2. März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres 1939 geborenen und 2003 an einem Bronchialkarzinom verstorbenen Ehemannes (Versicherter). Sie verfolgt einen von ihm wenige Monate vor seinem Tod geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Erkrankungen durch ionisierende Strahlen - und die Gewährung von Lebenszeitrente und in deren Folge auch von Hinterbliebenenrente.
Die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erfolgte am 6. November 2003 durch die Klinik Sch. der Landesversicherungsanstalt in G ... Seit Juli 2003 bestehe ein Bronchialkarzinom, das auf die Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen während seiner Tätigkeit als Grubenzimmerer bei der SDAG W. von 1970 bis 1989 zurückgeführt werde. Die jährlichen Reihenuntersuchungen hätten keinen Anhalt für eine Lungenerkrankung ergeben. Der Versicherte sei immer Nichtraucher gewesen.
In dem ihm darauf übersandten Erhebungsbogen gab der Versicherte an, vom 2. März 1970 bis 31. Dezember 1988 als Grubenzimmerer im Jugendbergbau K. L. der SDAG W. beschäftigt gewesen zu sein. Die Beklagte holte eine Auskunft des Hausarztes Dr. med. H. vom 11. Dezember 2003 ein. Dieser führte aus, am 7. Oktober 2003 habe sich der Versicherte mit Beschwerden vorgestellt und über Atemnot und starke Gewichtsabnahme geklagt. Es habe sich ein großer Pleuraerguss gezeigt und der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom ergeben, der am 10. Oktober 2003 bestätigt worden sei. Bisher sei der Versicherte langjährig wegen eines Bluthochdruckes behandelt worden. Über einen Nikotinabusus sei nichts bekannt. Dr. H. fügte den Bericht vom 22. Oktober 2003 der Klinik Sch. über die stationäre Behandlung des Antragstellers vom 10. Oktober bis 17. Oktober 2003 bei, in dem die Diagnose eines Bronchialkarzinoms rechts mit rezidivierenden Pleuraergüssen gestellt wurde. Die Beklagte zog den weiteren Bericht der Klinik Sch. vom 2. Dezember 2003 über den stationären Aufenthalt vom 4. November bis 12. November 2003 bei.
Die Beklagte holte eine Auskunft der W. GmbH ein, die die angegebene Tätigkeit als Zimmermann unter Tage bestätigte. Die Strahlenexposition berechnet anhand des Abschlussberichtes zum Forschungsobjekt der Bergbau-Berufsgenossenschaft F. L. et al.: "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von 1997 ergebe etwa 47 WLM, 0,65 kBqh/m³ und 40,4 mSv. Mit Schreiben vom 27. Januar 2004 teilte die Bundesknappschaft M. mit, dass der Versicherte am 20. Dezember 2003 verstorben sei. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des TAD zur Verursachungswahrscheinlichkeit ein. Dieser kam unter dem 25. Februar 2004 aufgrund der von der W. GmbH gemeldeten Expositionsdaten zu folgendem Ergebnis: Die Expositionsdauer habe 18 Jahre und 7 Monate betragen. Die Verursachungswahrscheinlichkeit von Bronchialkarzinomen durch die errechnete Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen anhand des Jacobi-Gutachtens betrage 35 v.H. Die Beklagte holte darauf eine gewerbeärztliche Stellungnahme der Arbeitsmedizinerin Dr. med. S. vom S.L. für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 20. April 2004 ein. Diese führte aus, es handle sich um ein histologisch gesichertes Bronchialkarzinom. Die von der W. GmbH errechnete Belastung von 47 WLM sei nach heutigem Kenntnisstand nicht ausreichend, um mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ein Bronchialkarzinom mitverursacht zu haben. Die Berufkrankheit sollte ohne Gutachten abgelehnt werden.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2402 BKV ab. Erst bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 v.H. werde ein Bronchialkarzinom durch Strahlung verursacht. Die Klägerin legte durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein mit der Begründung, berufsfremde Ursachen für die Erkrankung seien nicht aktenkundig. Es würden jetzt auch Hinterbliebenenrentenansprüche geltend gemacht. Die Beklagte holte darauf erneut eine Stellungnahme des TAD ein unter Berücksichtigung eines zeitlebens nicht stattgehabten Nikotinkonsums des Verstorbenen. Bei derselben Exposition bzw. Strahlenbelastung wurde nunmehr eine Verursachungswahrscheinlichkeit in Höhe von 45 v.H. errechnet (Bericht vom 11. August 2004). Mit Bescheid vom 13. August 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, wobei die Beklagte nach wie vor eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. zugrunde legte.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 3. September 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zusätzlich zu der bereits im Widerspruchsverfahren erfolgten Begründung ergänzend darauf hingewiesen, dass nach der aktenkundigen Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 11. August 2004 eine Verursachungswahrscheinlichkeit von Bronchialkarzinomen anhand des Jacobi-Gutachtens in Höhe von 45 v.H. errechnet worden sei. Nachdem im Falle des verstorbenen Versicherten anderweitige Ursachen für den Eintritt der zum Tod führenden Bronchialerkrankung nicht vorlägen, müsse von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Strahlenexposition und dem Bronchialkarzinom ausgegangen werden. Auch die Ärzte, die den verstorbenen Ehemann der Klägerin behandelt hätten, bestärkten diese in ihrem festen Glauben, dass die erlittene Bronchialerkrankung auf die langjährig unter Tage ausgeübte Tätigkeit zurückzuführen sei.
Mit Urteil vom 2. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht mit der ausreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die Bronchialerkrankung des Versicherten ursächlich auf die Strahlenexposition während seiner Tätigkeit bei der SDAG W. zurückzuführen sei. Zu seinen Lebzeiten habe der Versicherte eine Berufskrankheit nach Nr. 2402 BKV (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) in Form eines Bronchialkarzinoms geltend gemacht. Da ein Bronchialkarzinom, das schicksalsmäßig entstanden sei, von einem Karzinom, das durch ionisierende Strahlen verursacht worden sei, vom klinischen Bild her nicht unterschieden werden könne, bei ehemaligen Arbeitern der SDAG W. jedoch gehäuft Bronchialkarzinome aufgetreten seien, müsse ein Weg gefunden werden, um die Verursachung durch ionisierende Strahlen abzugrenzen gegenüber schicksalsmäßig auftretenden Erkrankungen. Dazu habe Prof. Dr. Jacobi ein Modell, das sogenannte Jacobi-I-Gutachten entwickelt. Das Modell über die Verursachungswahrscheinlichkeit von Lungenkrebs durch ionisierende Strahlung gehe unabhängig von weiteren Verursachungsmöglichkeiten davon aus, anhand der geschätzten Exposition und einer Risikoabschätzung durch Beachtung der Dosis-Wirkung-Beziehung die Verursachungswahrscheinlichkeit zu berechnen. Einleitend stelle die Empfehlung den für die Angabe der Strahlenexposition im Uranerzbergbau besonderen Dosisbegriff Working Level Month (WLM) heraus und weise darauf hin, dass sich bei gegebener Exposition in WLM das Risiko für die Strahleninduktion von Lungenkrebs relativ verlässlich abschätzen lasse. Abhängig von der geschätzten Strahlendosis sei die Verursachungswahrscheinlichkeit zu berechnen. Es werde davon ausgegangen, dass bei einer Strahlenexposition mit einem Wert von 200 WLM und mehr eine ärztliche Einzelfallbegutachtung nicht erforderlich sei, sondern eine fachärztliche Stellungnahme für die Anerkennung genüge. Fälle mit einer Exposition von weniger als 50 WLM seien ausschließlich auf der Grundlage von Einzelgutachten zu entscheiden. Zunächst sei im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass das Gericht keine grundsätzlichen Bedenken an der Berechnung der kumulativen Strahlenbelastung des Versicherten durch den TAD der Beklagten habe. Es sei im vorliegenden Fall daher davon auszugehen, dass der verstorbene Versicherte während seiner 18 Jahre und 7 Monate dauernden Untertagetätigkeit bei der SDAG W. einer kumulativen Strahlenbelastung von 47 WLM ausgesetzt gewesen sei. Auch die Errechnung der Verursachungswahrscheinlichkeit anhand dieser kumulativen Strahlenbelastung durch den TAD von 35 v.H. bzw. unter Berücksichtigung eines nie stattgehabten Nikotinkonsums von 45 v.H. sei nicht zu bezweifeln. Da hiermit eine wenigstens 50%ige Verursachungswahrscheinlichkeit nicht erreicht werde, sei die Wahrscheinlichkeit der Verursachung des diagnostizierten und zum Tode führenden Bronchialkarzinoms durch die ionisierende Strahlung nicht ausreichend bewiesen. Die bei einer kumulativen Strahlenbelastung von unter 50 WLM empfohlene Einzelbegutachtung sei hier nicht möglich, da der Versicherte bereits am 20. Dezember 2003 verstorben und eine Obduktion nicht durchgeführt worden sei. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstandes, nämlich hier des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Bronchialkarzinom des Versicherten und seiner Strahlenexposition, fielen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend mache, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründe, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen Stoffe wurzele; in beiden Fällen müsse der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet sei.
Gegen dieses ihr am 25. April 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. Mai 2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass die berufliche Strahlenexposition wesentliche Ursache für die Erkrankung und den Tod ihres Ehemannes gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 2. März 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2004 zu verurteilen, das Bronchialkarzinom des verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 2402 der BKV anzuerkennen sowie vom 1. Oktober 2003 bis zum 20. Dezember 2003 (Tod des Versicherten) Berufskrankheitenrente und anschließend Hinterbliebenenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. He., Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums C. G. C. der Technischen Universität Dr ... In seinem Gutachten vom 9. Januar 2006 hat dieser u.a. ausgeführt, die Verursachungswahrscheinlichkeit, die angesichts neuer wissenschaftlicher Daten, die u.U. eine höhere Bewertung der Kausalität des Radons bei nichtrauchenden Bergleuten nahelegten, könne auf 50 v.H. erhöht werden. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 (Aktenseite 58 bis 60) hat der Sachverständige ergänzend Stellung genommen und dargelegt, dass die Frage, wie hoch das Maß der Erhöhung in der Verursachungswahrscheinlichkeit bei einem "Nie-Raucher" angesetzt werden könne, offen sei. Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen von Prof. Dr. Str ... In seinem Gutachten vom 6. August 2007 hat der Sachverständige unter Darlegung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse und neueren Studien eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 32 v.H. auch dann angenommen, wenn berücksichtigt wird, dass der Versicherte nicht geraucht hat. Nach dem von der Beklagten zitierten "Jacobi-Gutachten" ergebe sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2007 ist Prof. Dr. He. bei seiner Auffassung geblieben.
Die Berichterstatterin hat zuletzt mit Verfügung vom 22. April 2008 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat in Betracht ziehe, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich danach nicht mehr geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Prozessakten des SG sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der erhobene Anspruch richtet sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes), weil der Versicherte erst danach an dem Bronchialkarzinom erkrankt war (§ 212 SGB VII). Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII gelten - abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Als BKen kommen solche Krankheiten in Betracht, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII; § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR. 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung -, wie dargelegt, eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - veröffentlicht in Juris). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 7. September 2004 a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nach der genannten im Unfallversicherungsrecht maßgebenden Theorie der wesentlichen Bedingung nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280). Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit ist, dass durch sie die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um mindestens ein Fünftel, d.h. um wenigstens 20 v.H. gemindert ist.
Im vorliegenden Fall ist nachgewiesen, dass der Versicherte im Oktober 2003 an einem Plattenepithel-Karzinom erkrankt ist und in Folge dieser Erkrankung am 20. Dezember 2003 gestorben ist. Nachgewiesen ist ferner die haftungsbegründende Kausalität, also der Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung ionisierender Strahlen. Der Versicherte war vom 2. März 1970 bis zum 31. Dezember 1988 bei der SDAG W. unter Tage beschäftigt und für die gesamte Zeit dieser versicherten Tätigkeit im Uranerzbergbau ionisierenden Strahlen ausgesetzt. Im Einzelnen handelte es sich dabei um die Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten, die Inhalation von Staub mit radioaktiven Stoffen sowie eine externe Strahlenexposition; in allen Fällen dieser beim Kläger nur während der Untertagebeschäftigung im Uranerzbergbau aufgetretenen Strahlenexposition hat es sich um ionisierende Strahlen im Sinn der Nr. 2402 BKV gehandelt (vgl. auch das zu dieser Berufskrankheit vom Bundesminister für Arbeit herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung vom 13. Mai 1991, Abschnitt I und Anhang 1, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach. Die Berufskrankenheitenverordnung, M 2402 S. 1,6a und 6b).
An der generellen Eignung ionisierender Strahlen als Ursache für Bronchialkrebs bestehen für den Senat keine Zweifel. Durch den weiteren Zerfall des im Erdreich enthaltenen Radon-222 entstehen radioaktive Folgeprodukte, die über die Atemwege in die Lunge gelangen und dort u.a. Alpha-Strahlung aussenden. Diese kann die Zellen der Atemwege und der Lunge schädigen. Diese Schäden können die Entstehung von Krebskrankheiten begünstigen. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen Radonexposition im Bergbau und Lungenkrebserkrankungen durch Studien nachgewiesen, die eine signifikante Erhöhung von Lungenkrebserkrankungen festgestellt haben. Dementsprechend kommt das Bronchialkarzinom des Versicherten als Berufskrankheit im Sinne der Berufkrankheit Nr. 2402 grundsätzlich in Betracht. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten wird bei einer Strahlenexposition von 200 WLM und mehr eine ärztliche Einzelfallbegutachtung nicht für erforderlich gehalten: Für die Anerkennung genügt eine fachärztliche Stellungnahme (vgl. Mehrtens-Perlebach a.a.O. M 2402 Seite 10a). Grundlage hierfür ist eine sogenannte "Empfehlung für die Bearbeitung der Berufskrankheiten in Folge von Tätigkeiten bei der ehemaligen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) W.".
Es lässt sich jedoch ein konkret-individueller Kausalzusammenhang zwischen der Strahlenexposition und dem Bronchialkarzinom im vorliegenden Fall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Es steht fest, dass der Versicherte während seiner 18 Jahre und 7 Monate dauernden Untertagetätigkeit bei der SDAG W. einer kumulativen Strahlenbelastung von 47 WLM ausgesetzt war. Der Senat hält diese Dosisabschätzung, die auf späteren Strahlenschutzmessungen während des Betriebs und nach Stilllegung sowie Versuchen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen beruhen und die im 1998 erstellten Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von Dr. L. u.a. wissenschaftlich aufgearbeitet worden sind, für aussagekräftig, verlässlich und hinreichend sicher. Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. He. angemeldeten Zweifel an der Korrektheit der vom TAD der Beklagten ermittelten Exposition können nicht überzeugen. Insbesondere sind die Annahmen einer möglicherweise höheren individuellen Belastung während der Tätigkeit des Versicherten als Dammbauer als die von dem TAD für die maßgebliche Zeit zugrunde gelegte nicht näher belegt. Diese Zweifel hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Oktober 2006 nach Kenntnis der Ausführungen der Beklagten vom 26. Januar 2006 auch nicht mehr aufrecht erhalten.
Die Beklagte hat die Verursachungswahrscheinlichkeit anhand des in den Jacobi-Studien aufgezeigten Lösungsweg ermittelt. Jacobi ist in seinem Gutachten für Lungenkrebs zu einem mittleren Risikokoeffizienten für das zusätzliche relative Risiko (ERR) von 0,017 pro WLM mit den 95 % Vertrauensbereichen 0,010-0,026 pro WLM gekommen. Die auf der Grundlage dieses Risikomodells anhand der kumulativen Strahlenbelastung durch den TAD errechnete Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. bzw. unter Berücksichtigung eines nie stattgehabten Nikotinkonsums von 45 v.H., wie sie auch das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist mit überzeugenden Gründen durch das Gutachten von Prof. Dr. Str., dem der Senat folgt, bestätigt worden.
Allgemein gilt im Berufskrankheitenrecht, dass die herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung so lange anzuwenden ist, bis sie durch eine neuere herrschende Meinung ersetzt wird. Diese herrschende Meinung wird nach Auffassung des Senats nach wie vor auf dem Gebiet der Strahlenerkrankung durch Exposition bei der W. AG durch die Jacobi-Gutachten repräsentiert. Der Sachverständige Prof. Dr. Str. hat sich mit neueren Studien auseinandergesetzt und hat hierzu schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass unter Zugrundelegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse im Falle des Versicherten eine geringere Risikoerhöhung anzunehmen wäre. Im Einzelnen hat er dargelegt, dass in den letzten Jahren neue Studien in der GSF Neuherberg und im Bundesamt für Strahlenschutz zum Lungenkrebsrisiko bei Uranbergarbeitern durchgeführt worden seien. In der Fall-Kontroll-Studie von Brüske-Hohlfeld et al. (2006) seien 505 SDAG Mitarbeiter mit einem Lungenkrebs (mittlere kumulierte Exposition von 552 WLM durch Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten) mit 1.073 SDAG Mitarbeiter ohne einen Lungenkrebs (mittlere kumulierte Exposition von 420 WLM durch Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten) verglichen worden. Es sei eine signifikante, erhöhte Rate an Lungenkrebs nach Expositionen )800 WLM beobachtet worden. Unter der Annahme einer linearen Dosiswirkungskurve sei ein zusätzliches relatives Risiko von 0,0010 pro WLM gefunden worden. Der Risikofaktor erhöhe sich auf 0,0024 pro WLM, wenn verschiedene Korrekturen u.a. eine Korrektur dafür angebracht werde, dass die Kontrollpersonen eine höhere Strahlenexposition erhielten als die Population, von der diese Kontrollpersonen ausgewählt worden seien. Dieser letztere Risikofaktor liege bedeutend niedriger als der Wert des Jacobi Gutachtens, der vom TAD der Bergbau-BG verwendet worden und der zu einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 % bzw. 45 % (im Falle des "Nie-Rauchens") durch die beruflichen Expositionen geführt habe. Bei der zweiten Studie an Uranbergarbeitern der SDAG W. zum Lungenkrebs von Grosche et al. (2006) handele es sich um eine Kohortenstudie. Es seien 59.001 männliche Mitarbeiter der SDAG W. über die Zeitperiode 1946-1998 untersucht worden. Die mittlere Dauer des "Follow-up" habe 30,5 Jahre mit einem Umfang von 1.801.630 Personen-Jahren betragen. Damit seien in dieser Studie nahezu ebenso viele Bergarbeiter wie in der Studie von Lubin et al. (1995) aber mit einem wesentlich längeren "follow-up" untersucht worden. Es seien 16.598 (28,1 %) der Arbeiter während der Studienperiode gestorben, 2.388 an Lungenkrebs. Das zusätzliche relative Risiko (ERR) sei mit 0,0021 pro WLM (95 % Konfidenzintervall 0,0018-0,0024) ermittelt worden. Es handele sich bei der Kohortenstudie an den Bergarbeitern der SDAG W. um eine sehr umfangreiche Studie mit langer Studiendauer und einer sehr einheitlichen Studienpopulation. Diese Homogenität komme darin zum Ausdruck, dass das Konfidenzintervall für den Risikofaktor klein sei. Der Risikofaktor für das ERR von 0,0021 (0,0018-0,0024) pro WLM in dieser Studie von Grosche et al. (2006) sei kleiner als in der ebenfalls umfangreichen Studie an Bergarbeitern von Lubin et al. (1995) mit einem ERR von 0,0049 (0,002-0,010) pro WLM, kleiner als im sogenannten BEIR VI-Report (1999) mit ERR von 0,0076 pro WLM und kleiner als im Jacobi Gutachten mit ERR von 0,017 (0,010-0,026) pro WLM. Insgesamt müsse man also feststellen, dass seit der Erstellung des Jacobi Gutachtens eine Reihe von epidemiologischen Studien zum Lungenkrebsrisiko veröffentlicht worden seien insbesondere auch Studien, die an Uranbergarbeitern der SDAG W. durchgeführt worden seien. Alle diese Studien kämen zu Risikofaktoren, die niedriger lägen als im Jacobi-Gutachten und die damit auch zu kleineren Verursachungswahrscheinlichkeiten führten, als sie vom TAD der Bergbau-Berufsgenossenschaft ermittelt worden seien. Die Ermittlungen der Expositionen in den beiden oben diskutierten Studien an den Uranbergarbeitern der SDAG W. basierten auch auf den von der Beklagten zugrunde gelegten Daten der Studie von L. et al. (1998). Aufgrund dieser überzeugenden Darlegungen steht für den Senat fest, dass als herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung auf dem Gebiet der Strahlenerkrankung durch Exposition bei der W. AG weiterhin die Jacobi-Gutachten zugrunde zu legen sind.
Nach dem Jacobi-I-Gutachten (vgl. dort Seite 47) bezieht sich der relative Risikokoeffizient in allerdings erster Linie auf Raucher. Für Nichtraucher wurde der gleiche Wert zugrunde gelegt. An dieser Stelle wurde darauf hingewiesen, dass es nicht auszuschließen ist, dass unter gleichen Expositionsbedingungen die Verursachungswahrscheinlichkeit bei Nichtrauchern etwas höher sei als bei Rauchern. Nichtraucher können möglicherweise empfindlicher auf Strahlen reagieren. In dem Zusammenhang erhobene statistische Daten können aber auch darauf zurückzuführen sein können, dass Raucher früher - und zwar an Herz-Kreislauf-Krankheiten - sterben und daher oftmals nicht in das Alter kommen, in dem sich ein Bronchialkarzinom an sich entwickelt hätte. Der Senat folgt auch bezüglich der Risikoeinschätzung für Nichtraucher den überzeugenden Ausführungen des Sachverständige Prof. Dr. Str ... Dieser hat dargelegt, dass der weitaus überwiegende Teil der Bergarbeiter, auf deren Daten die hier durchgeführte Risikobeurteilung weitgehend zurückgehe, Zigaretten geraucht habe. Es sei daher schwierig, eine entsprechende Abwägung vorzunehmen, da das Rauchverhalten in den epidemiologischen Studien nicht berücksichtigt worden sei oder wegen fehlender Daten nicht habe berücksichtigt werden können. Jedoch sei darauf hinzuweisen, dass in den Studien, in denen Daten zum Rauchverhalten angegeben würden, die Risikofaktoren bei den Rauchern geringer gewesen seien als bei den Nichtrauchern (Lubin et al. 1995; Brüske-Hohlfeld et al. 2006). In der Studie von Lubin et al. (1995) hätten 2.798 Beschäftigte der etwa 65.000 Arbeiter nie geraucht. Die Autoren gäben für diese "Nie-Raucher" einen Risikofaktor von 0,010 (0,002-0,057) ERR pro WLM an, während er bei 0,0034 (0,001-0,015) bei den Rauchern liege. Brüske-Hohlfeld et al. (2006) beschrieben für Raucher ein ERR von 0,0005 pro WLM und für Nicht-Raucher ein ERR von 0,0020 pro WLM. Es wäre jedoch sicher nicht konsistent, den Risikofaktor des Jacobi-Gutachtens mit einem Faktor zu multiplizieren, um das Risiko für Nicht-Raucher zu ermitteln, da die entsprechenden Daten in den Studien, die Jacobi seinen Abschätzungen zugrunde gelegt habe, nicht zur Verfügung stünden. Wenn das Nicht-Rauchen des Versicherten berücksichtigt werden solle, so erscheine es am sinnvollsten die Daten von Lubin et al. (1995) zu wählen. Eine Risikoabschätzung auf der Basis dieser Daten würde zu einer etwas geringeren Verursachungswahrscheinlichkeit führen, als sie sich auf der Basis des Jacobi-Gutachtens mit 35 v.H. ergebe. Verwende man den Risikofaktor von 0,010 pro WLM, den Lubin et al. (1995) für Nicht-Raucher ermittelt hätten, so erhalte man ein zusätzliches relatives Risiko von 0,47 bei den beruflichen Expositionen des Versicherten in Höhe von 47 WLM. Daraus ergebe sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von etwa 32 v.H.
Aufgrund dieser Darlegungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, bleibt die berufliche Strahlenexposition des Versicherten eine (lediglich) mögliche Ursache für die Entstehung des Bronchialkarzinoms. Die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände überwiegen jedoch bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von unter 50 v.H. nicht.
Gegenüber den oben wiedergegebenen, fundierten Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. Str. kann die vom Sachverständigen Prof. Dr. He. vorgeschlagene Erhöhung der anhand der Jacobi-Studien ermittelten Verursachungswahrscheinlichkeit um mehr als 15 v.H. im Hinblick auf das Nichtrauchen nicht überzeugen. Sie erscheint dem Senat als spekulativ und gibt nicht die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung wieder. Darauf, dass Rauchen hier als Konkurrenzursache ausscheidet, kam es nicht mehr an, nachdem eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass wesentliche Ursache für das Entstehen des Bronchialkarzinoms des Versicherten die ionisierenden Strahlen waren, denen er während seiner Tätigkeit bei der SDAG W. in der Zeit von 1970 bis 1988 ausgesetzt war, nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres 1939 geborenen und 2003 an einem Bronchialkarzinom verstorbenen Ehemannes (Versicherter). Sie verfolgt einen von ihm wenige Monate vor seinem Tod geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Erkrankungen durch ionisierende Strahlen - und die Gewährung von Lebenszeitrente und in deren Folge auch von Hinterbliebenenrente.
Die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erfolgte am 6. November 2003 durch die Klinik Sch. der Landesversicherungsanstalt in G ... Seit Juli 2003 bestehe ein Bronchialkarzinom, das auf die Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen während seiner Tätigkeit als Grubenzimmerer bei der SDAG W. von 1970 bis 1989 zurückgeführt werde. Die jährlichen Reihenuntersuchungen hätten keinen Anhalt für eine Lungenerkrankung ergeben. Der Versicherte sei immer Nichtraucher gewesen.
In dem ihm darauf übersandten Erhebungsbogen gab der Versicherte an, vom 2. März 1970 bis 31. Dezember 1988 als Grubenzimmerer im Jugendbergbau K. L. der SDAG W. beschäftigt gewesen zu sein. Die Beklagte holte eine Auskunft des Hausarztes Dr. med. H. vom 11. Dezember 2003 ein. Dieser führte aus, am 7. Oktober 2003 habe sich der Versicherte mit Beschwerden vorgestellt und über Atemnot und starke Gewichtsabnahme geklagt. Es habe sich ein großer Pleuraerguss gezeigt und der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom ergeben, der am 10. Oktober 2003 bestätigt worden sei. Bisher sei der Versicherte langjährig wegen eines Bluthochdruckes behandelt worden. Über einen Nikotinabusus sei nichts bekannt. Dr. H. fügte den Bericht vom 22. Oktober 2003 der Klinik Sch. über die stationäre Behandlung des Antragstellers vom 10. Oktober bis 17. Oktober 2003 bei, in dem die Diagnose eines Bronchialkarzinoms rechts mit rezidivierenden Pleuraergüssen gestellt wurde. Die Beklagte zog den weiteren Bericht der Klinik Sch. vom 2. Dezember 2003 über den stationären Aufenthalt vom 4. November bis 12. November 2003 bei.
Die Beklagte holte eine Auskunft der W. GmbH ein, die die angegebene Tätigkeit als Zimmermann unter Tage bestätigte. Die Strahlenexposition berechnet anhand des Abschlussberichtes zum Forschungsobjekt der Bergbau-Berufsgenossenschaft F. L. et al.: "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von 1997 ergebe etwa 47 WLM, 0,65 kBqh/m³ und 40,4 mSv. Mit Schreiben vom 27. Januar 2004 teilte die Bundesknappschaft M. mit, dass der Versicherte am 20. Dezember 2003 verstorben sei. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des TAD zur Verursachungswahrscheinlichkeit ein. Dieser kam unter dem 25. Februar 2004 aufgrund der von der W. GmbH gemeldeten Expositionsdaten zu folgendem Ergebnis: Die Expositionsdauer habe 18 Jahre und 7 Monate betragen. Die Verursachungswahrscheinlichkeit von Bronchialkarzinomen durch die errechnete Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen anhand des Jacobi-Gutachtens betrage 35 v.H. Die Beklagte holte darauf eine gewerbeärztliche Stellungnahme der Arbeitsmedizinerin Dr. med. S. vom S.L. für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 20. April 2004 ein. Diese führte aus, es handle sich um ein histologisch gesichertes Bronchialkarzinom. Die von der W. GmbH errechnete Belastung von 47 WLM sei nach heutigem Kenntnisstand nicht ausreichend, um mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ein Bronchialkarzinom mitverursacht zu haben. Die Berufkrankheit sollte ohne Gutachten abgelehnt werden.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2402 BKV ab. Erst bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 v.H. werde ein Bronchialkarzinom durch Strahlung verursacht. Die Klägerin legte durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein mit der Begründung, berufsfremde Ursachen für die Erkrankung seien nicht aktenkundig. Es würden jetzt auch Hinterbliebenenrentenansprüche geltend gemacht. Die Beklagte holte darauf erneut eine Stellungnahme des TAD ein unter Berücksichtigung eines zeitlebens nicht stattgehabten Nikotinkonsums des Verstorbenen. Bei derselben Exposition bzw. Strahlenbelastung wurde nunmehr eine Verursachungswahrscheinlichkeit in Höhe von 45 v.H. errechnet (Bericht vom 11. August 2004). Mit Bescheid vom 13. August 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, wobei die Beklagte nach wie vor eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. zugrunde legte.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 3. September 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zusätzlich zu der bereits im Widerspruchsverfahren erfolgten Begründung ergänzend darauf hingewiesen, dass nach der aktenkundigen Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 11. August 2004 eine Verursachungswahrscheinlichkeit von Bronchialkarzinomen anhand des Jacobi-Gutachtens in Höhe von 45 v.H. errechnet worden sei. Nachdem im Falle des verstorbenen Versicherten anderweitige Ursachen für den Eintritt der zum Tod führenden Bronchialerkrankung nicht vorlägen, müsse von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Strahlenexposition und dem Bronchialkarzinom ausgegangen werden. Auch die Ärzte, die den verstorbenen Ehemann der Klägerin behandelt hätten, bestärkten diese in ihrem festen Glauben, dass die erlittene Bronchialerkrankung auf die langjährig unter Tage ausgeübte Tätigkeit zurückzuführen sei.
Mit Urteil vom 2. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht mit der ausreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die Bronchialerkrankung des Versicherten ursächlich auf die Strahlenexposition während seiner Tätigkeit bei der SDAG W. zurückzuführen sei. Zu seinen Lebzeiten habe der Versicherte eine Berufskrankheit nach Nr. 2402 BKV (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) in Form eines Bronchialkarzinoms geltend gemacht. Da ein Bronchialkarzinom, das schicksalsmäßig entstanden sei, von einem Karzinom, das durch ionisierende Strahlen verursacht worden sei, vom klinischen Bild her nicht unterschieden werden könne, bei ehemaligen Arbeitern der SDAG W. jedoch gehäuft Bronchialkarzinome aufgetreten seien, müsse ein Weg gefunden werden, um die Verursachung durch ionisierende Strahlen abzugrenzen gegenüber schicksalsmäßig auftretenden Erkrankungen. Dazu habe Prof. Dr. Jacobi ein Modell, das sogenannte Jacobi-I-Gutachten entwickelt. Das Modell über die Verursachungswahrscheinlichkeit von Lungenkrebs durch ionisierende Strahlung gehe unabhängig von weiteren Verursachungsmöglichkeiten davon aus, anhand der geschätzten Exposition und einer Risikoabschätzung durch Beachtung der Dosis-Wirkung-Beziehung die Verursachungswahrscheinlichkeit zu berechnen. Einleitend stelle die Empfehlung den für die Angabe der Strahlenexposition im Uranerzbergbau besonderen Dosisbegriff Working Level Month (WLM) heraus und weise darauf hin, dass sich bei gegebener Exposition in WLM das Risiko für die Strahleninduktion von Lungenkrebs relativ verlässlich abschätzen lasse. Abhängig von der geschätzten Strahlendosis sei die Verursachungswahrscheinlichkeit zu berechnen. Es werde davon ausgegangen, dass bei einer Strahlenexposition mit einem Wert von 200 WLM und mehr eine ärztliche Einzelfallbegutachtung nicht erforderlich sei, sondern eine fachärztliche Stellungnahme für die Anerkennung genüge. Fälle mit einer Exposition von weniger als 50 WLM seien ausschließlich auf der Grundlage von Einzelgutachten zu entscheiden. Zunächst sei im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass das Gericht keine grundsätzlichen Bedenken an der Berechnung der kumulativen Strahlenbelastung des Versicherten durch den TAD der Beklagten habe. Es sei im vorliegenden Fall daher davon auszugehen, dass der verstorbene Versicherte während seiner 18 Jahre und 7 Monate dauernden Untertagetätigkeit bei der SDAG W. einer kumulativen Strahlenbelastung von 47 WLM ausgesetzt gewesen sei. Auch die Errechnung der Verursachungswahrscheinlichkeit anhand dieser kumulativen Strahlenbelastung durch den TAD von 35 v.H. bzw. unter Berücksichtigung eines nie stattgehabten Nikotinkonsums von 45 v.H. sei nicht zu bezweifeln. Da hiermit eine wenigstens 50%ige Verursachungswahrscheinlichkeit nicht erreicht werde, sei die Wahrscheinlichkeit der Verursachung des diagnostizierten und zum Tode führenden Bronchialkarzinoms durch die ionisierende Strahlung nicht ausreichend bewiesen. Die bei einer kumulativen Strahlenbelastung von unter 50 WLM empfohlene Einzelbegutachtung sei hier nicht möglich, da der Versicherte bereits am 20. Dezember 2003 verstorben und eine Obduktion nicht durchgeführt worden sei. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstandes, nämlich hier des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Bronchialkarzinom des Versicherten und seiner Strahlenexposition, fielen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend mache, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründe, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen Stoffe wurzele; in beiden Fällen müsse der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet sei.
Gegen dieses ihr am 25. April 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. Mai 2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass die berufliche Strahlenexposition wesentliche Ursache für die Erkrankung und den Tod ihres Ehemannes gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 2. März 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2004 zu verurteilen, das Bronchialkarzinom des verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 2402 der BKV anzuerkennen sowie vom 1. Oktober 2003 bis zum 20. Dezember 2003 (Tod des Versicherten) Berufskrankheitenrente und anschließend Hinterbliebenenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. He., Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums C. G. C. der Technischen Universität Dr ... In seinem Gutachten vom 9. Januar 2006 hat dieser u.a. ausgeführt, die Verursachungswahrscheinlichkeit, die angesichts neuer wissenschaftlicher Daten, die u.U. eine höhere Bewertung der Kausalität des Radons bei nichtrauchenden Bergleuten nahelegten, könne auf 50 v.H. erhöht werden. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 (Aktenseite 58 bis 60) hat der Sachverständige ergänzend Stellung genommen und dargelegt, dass die Frage, wie hoch das Maß der Erhöhung in der Verursachungswahrscheinlichkeit bei einem "Nie-Raucher" angesetzt werden könne, offen sei. Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen von Prof. Dr. Str ... In seinem Gutachten vom 6. August 2007 hat der Sachverständige unter Darlegung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse und neueren Studien eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 32 v.H. auch dann angenommen, wenn berücksichtigt wird, dass der Versicherte nicht geraucht hat. Nach dem von der Beklagten zitierten "Jacobi-Gutachten" ergebe sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2007 ist Prof. Dr. He. bei seiner Auffassung geblieben.
Die Berichterstatterin hat zuletzt mit Verfügung vom 22. April 2008 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat in Betracht ziehe, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich danach nicht mehr geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Prozessakten des SG sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der erhobene Anspruch richtet sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes), weil der Versicherte erst danach an dem Bronchialkarzinom erkrankt war (§ 212 SGB VII). Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII gelten - abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Als BKen kommen solche Krankheiten in Betracht, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII; § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR. 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung -, wie dargelegt, eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - veröffentlicht in Juris). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 7. September 2004 a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nach der genannten im Unfallversicherungsrecht maßgebenden Theorie der wesentlichen Bedingung nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280). Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit ist, dass durch sie die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um mindestens ein Fünftel, d.h. um wenigstens 20 v.H. gemindert ist.
Im vorliegenden Fall ist nachgewiesen, dass der Versicherte im Oktober 2003 an einem Plattenepithel-Karzinom erkrankt ist und in Folge dieser Erkrankung am 20. Dezember 2003 gestorben ist. Nachgewiesen ist ferner die haftungsbegründende Kausalität, also der Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung ionisierender Strahlen. Der Versicherte war vom 2. März 1970 bis zum 31. Dezember 1988 bei der SDAG W. unter Tage beschäftigt und für die gesamte Zeit dieser versicherten Tätigkeit im Uranerzbergbau ionisierenden Strahlen ausgesetzt. Im Einzelnen handelte es sich dabei um die Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten, die Inhalation von Staub mit radioaktiven Stoffen sowie eine externe Strahlenexposition; in allen Fällen dieser beim Kläger nur während der Untertagebeschäftigung im Uranerzbergbau aufgetretenen Strahlenexposition hat es sich um ionisierende Strahlen im Sinn der Nr. 2402 BKV gehandelt (vgl. auch das zu dieser Berufskrankheit vom Bundesminister für Arbeit herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung vom 13. Mai 1991, Abschnitt I und Anhang 1, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach. Die Berufskrankenheitenverordnung, M 2402 S. 1,6a und 6b).
An der generellen Eignung ionisierender Strahlen als Ursache für Bronchialkrebs bestehen für den Senat keine Zweifel. Durch den weiteren Zerfall des im Erdreich enthaltenen Radon-222 entstehen radioaktive Folgeprodukte, die über die Atemwege in die Lunge gelangen und dort u.a. Alpha-Strahlung aussenden. Diese kann die Zellen der Atemwege und der Lunge schädigen. Diese Schäden können die Entstehung von Krebskrankheiten begünstigen. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen Radonexposition im Bergbau und Lungenkrebserkrankungen durch Studien nachgewiesen, die eine signifikante Erhöhung von Lungenkrebserkrankungen festgestellt haben. Dementsprechend kommt das Bronchialkarzinom des Versicherten als Berufskrankheit im Sinne der Berufkrankheit Nr. 2402 grundsätzlich in Betracht. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten wird bei einer Strahlenexposition von 200 WLM und mehr eine ärztliche Einzelfallbegutachtung nicht für erforderlich gehalten: Für die Anerkennung genügt eine fachärztliche Stellungnahme (vgl. Mehrtens-Perlebach a.a.O. M 2402 Seite 10a). Grundlage hierfür ist eine sogenannte "Empfehlung für die Bearbeitung der Berufskrankheiten in Folge von Tätigkeiten bei der ehemaligen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) W.".
Es lässt sich jedoch ein konkret-individueller Kausalzusammenhang zwischen der Strahlenexposition und dem Bronchialkarzinom im vorliegenden Fall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Es steht fest, dass der Versicherte während seiner 18 Jahre und 7 Monate dauernden Untertagetätigkeit bei der SDAG W. einer kumulativen Strahlenbelastung von 47 WLM ausgesetzt war. Der Senat hält diese Dosisabschätzung, die auf späteren Strahlenschutzmessungen während des Betriebs und nach Stilllegung sowie Versuchen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen beruhen und die im 1998 erstellten Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von Dr. L. u.a. wissenschaftlich aufgearbeitet worden sind, für aussagekräftig, verlässlich und hinreichend sicher. Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. He. angemeldeten Zweifel an der Korrektheit der vom TAD der Beklagten ermittelten Exposition können nicht überzeugen. Insbesondere sind die Annahmen einer möglicherweise höheren individuellen Belastung während der Tätigkeit des Versicherten als Dammbauer als die von dem TAD für die maßgebliche Zeit zugrunde gelegte nicht näher belegt. Diese Zweifel hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Oktober 2006 nach Kenntnis der Ausführungen der Beklagten vom 26. Januar 2006 auch nicht mehr aufrecht erhalten.
Die Beklagte hat die Verursachungswahrscheinlichkeit anhand des in den Jacobi-Studien aufgezeigten Lösungsweg ermittelt. Jacobi ist in seinem Gutachten für Lungenkrebs zu einem mittleren Risikokoeffizienten für das zusätzliche relative Risiko (ERR) von 0,017 pro WLM mit den 95 % Vertrauensbereichen 0,010-0,026 pro WLM gekommen. Die auf der Grundlage dieses Risikomodells anhand der kumulativen Strahlenbelastung durch den TAD errechnete Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 v.H. bzw. unter Berücksichtigung eines nie stattgehabten Nikotinkonsums von 45 v.H., wie sie auch das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist mit überzeugenden Gründen durch das Gutachten von Prof. Dr. Str., dem der Senat folgt, bestätigt worden.
Allgemein gilt im Berufskrankheitenrecht, dass die herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung so lange anzuwenden ist, bis sie durch eine neuere herrschende Meinung ersetzt wird. Diese herrschende Meinung wird nach Auffassung des Senats nach wie vor auf dem Gebiet der Strahlenerkrankung durch Exposition bei der W. AG durch die Jacobi-Gutachten repräsentiert. Der Sachverständige Prof. Dr. Str. hat sich mit neueren Studien auseinandergesetzt und hat hierzu schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass unter Zugrundelegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse im Falle des Versicherten eine geringere Risikoerhöhung anzunehmen wäre. Im Einzelnen hat er dargelegt, dass in den letzten Jahren neue Studien in der GSF Neuherberg und im Bundesamt für Strahlenschutz zum Lungenkrebsrisiko bei Uranbergarbeitern durchgeführt worden seien. In der Fall-Kontroll-Studie von Brüske-Hohlfeld et al. (2006) seien 505 SDAG Mitarbeiter mit einem Lungenkrebs (mittlere kumulierte Exposition von 552 WLM durch Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten) mit 1.073 SDAG Mitarbeiter ohne einen Lungenkrebs (mittlere kumulierte Exposition von 420 WLM durch Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten) verglichen worden. Es sei eine signifikante, erhöhte Rate an Lungenkrebs nach Expositionen )800 WLM beobachtet worden. Unter der Annahme einer linearen Dosiswirkungskurve sei ein zusätzliches relatives Risiko von 0,0010 pro WLM gefunden worden. Der Risikofaktor erhöhe sich auf 0,0024 pro WLM, wenn verschiedene Korrekturen u.a. eine Korrektur dafür angebracht werde, dass die Kontrollpersonen eine höhere Strahlenexposition erhielten als die Population, von der diese Kontrollpersonen ausgewählt worden seien. Dieser letztere Risikofaktor liege bedeutend niedriger als der Wert des Jacobi Gutachtens, der vom TAD der Bergbau-BG verwendet worden und der zu einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 35 % bzw. 45 % (im Falle des "Nie-Rauchens") durch die beruflichen Expositionen geführt habe. Bei der zweiten Studie an Uranbergarbeitern der SDAG W. zum Lungenkrebs von Grosche et al. (2006) handele es sich um eine Kohortenstudie. Es seien 59.001 männliche Mitarbeiter der SDAG W. über die Zeitperiode 1946-1998 untersucht worden. Die mittlere Dauer des "Follow-up" habe 30,5 Jahre mit einem Umfang von 1.801.630 Personen-Jahren betragen. Damit seien in dieser Studie nahezu ebenso viele Bergarbeiter wie in der Studie von Lubin et al. (1995) aber mit einem wesentlich längeren "follow-up" untersucht worden. Es seien 16.598 (28,1 %) der Arbeiter während der Studienperiode gestorben, 2.388 an Lungenkrebs. Das zusätzliche relative Risiko (ERR) sei mit 0,0021 pro WLM (95 % Konfidenzintervall 0,0018-0,0024) ermittelt worden. Es handele sich bei der Kohortenstudie an den Bergarbeitern der SDAG W. um eine sehr umfangreiche Studie mit langer Studiendauer und einer sehr einheitlichen Studienpopulation. Diese Homogenität komme darin zum Ausdruck, dass das Konfidenzintervall für den Risikofaktor klein sei. Der Risikofaktor für das ERR von 0,0021 (0,0018-0,0024) pro WLM in dieser Studie von Grosche et al. (2006) sei kleiner als in der ebenfalls umfangreichen Studie an Bergarbeitern von Lubin et al. (1995) mit einem ERR von 0,0049 (0,002-0,010) pro WLM, kleiner als im sogenannten BEIR VI-Report (1999) mit ERR von 0,0076 pro WLM und kleiner als im Jacobi Gutachten mit ERR von 0,017 (0,010-0,026) pro WLM. Insgesamt müsse man also feststellen, dass seit der Erstellung des Jacobi Gutachtens eine Reihe von epidemiologischen Studien zum Lungenkrebsrisiko veröffentlicht worden seien insbesondere auch Studien, die an Uranbergarbeitern der SDAG W. durchgeführt worden seien. Alle diese Studien kämen zu Risikofaktoren, die niedriger lägen als im Jacobi-Gutachten und die damit auch zu kleineren Verursachungswahrscheinlichkeiten führten, als sie vom TAD der Bergbau-Berufsgenossenschaft ermittelt worden seien. Die Ermittlungen der Expositionen in den beiden oben diskutierten Studien an den Uranbergarbeitern der SDAG W. basierten auch auf den von der Beklagten zugrunde gelegten Daten der Studie von L. et al. (1998). Aufgrund dieser überzeugenden Darlegungen steht für den Senat fest, dass als herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung auf dem Gebiet der Strahlenerkrankung durch Exposition bei der W. AG weiterhin die Jacobi-Gutachten zugrunde zu legen sind.
Nach dem Jacobi-I-Gutachten (vgl. dort Seite 47) bezieht sich der relative Risikokoeffizient in allerdings erster Linie auf Raucher. Für Nichtraucher wurde der gleiche Wert zugrunde gelegt. An dieser Stelle wurde darauf hingewiesen, dass es nicht auszuschließen ist, dass unter gleichen Expositionsbedingungen die Verursachungswahrscheinlichkeit bei Nichtrauchern etwas höher sei als bei Rauchern. Nichtraucher können möglicherweise empfindlicher auf Strahlen reagieren. In dem Zusammenhang erhobene statistische Daten können aber auch darauf zurückzuführen sein können, dass Raucher früher - und zwar an Herz-Kreislauf-Krankheiten - sterben und daher oftmals nicht in das Alter kommen, in dem sich ein Bronchialkarzinom an sich entwickelt hätte. Der Senat folgt auch bezüglich der Risikoeinschätzung für Nichtraucher den überzeugenden Ausführungen des Sachverständige Prof. Dr. Str ... Dieser hat dargelegt, dass der weitaus überwiegende Teil der Bergarbeiter, auf deren Daten die hier durchgeführte Risikobeurteilung weitgehend zurückgehe, Zigaretten geraucht habe. Es sei daher schwierig, eine entsprechende Abwägung vorzunehmen, da das Rauchverhalten in den epidemiologischen Studien nicht berücksichtigt worden sei oder wegen fehlender Daten nicht habe berücksichtigt werden können. Jedoch sei darauf hinzuweisen, dass in den Studien, in denen Daten zum Rauchverhalten angegeben würden, die Risikofaktoren bei den Rauchern geringer gewesen seien als bei den Nichtrauchern (Lubin et al. 1995; Brüske-Hohlfeld et al. 2006). In der Studie von Lubin et al. (1995) hätten 2.798 Beschäftigte der etwa 65.000 Arbeiter nie geraucht. Die Autoren gäben für diese "Nie-Raucher" einen Risikofaktor von 0,010 (0,002-0,057) ERR pro WLM an, während er bei 0,0034 (0,001-0,015) bei den Rauchern liege. Brüske-Hohlfeld et al. (2006) beschrieben für Raucher ein ERR von 0,0005 pro WLM und für Nicht-Raucher ein ERR von 0,0020 pro WLM. Es wäre jedoch sicher nicht konsistent, den Risikofaktor des Jacobi-Gutachtens mit einem Faktor zu multiplizieren, um das Risiko für Nicht-Raucher zu ermitteln, da die entsprechenden Daten in den Studien, die Jacobi seinen Abschätzungen zugrunde gelegt habe, nicht zur Verfügung stünden. Wenn das Nicht-Rauchen des Versicherten berücksichtigt werden solle, so erscheine es am sinnvollsten die Daten von Lubin et al. (1995) zu wählen. Eine Risikoabschätzung auf der Basis dieser Daten würde zu einer etwas geringeren Verursachungswahrscheinlichkeit führen, als sie sich auf der Basis des Jacobi-Gutachtens mit 35 v.H. ergebe. Verwende man den Risikofaktor von 0,010 pro WLM, den Lubin et al. (1995) für Nicht-Raucher ermittelt hätten, so erhalte man ein zusätzliches relatives Risiko von 0,47 bei den beruflichen Expositionen des Versicherten in Höhe von 47 WLM. Daraus ergebe sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von etwa 32 v.H.
Aufgrund dieser Darlegungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, bleibt die berufliche Strahlenexposition des Versicherten eine (lediglich) mögliche Ursache für die Entstehung des Bronchialkarzinoms. Die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände überwiegen jedoch bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von unter 50 v.H. nicht.
Gegenüber den oben wiedergegebenen, fundierten Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. Str. kann die vom Sachverständigen Prof. Dr. He. vorgeschlagene Erhöhung der anhand der Jacobi-Studien ermittelten Verursachungswahrscheinlichkeit um mehr als 15 v.H. im Hinblick auf das Nichtrauchen nicht überzeugen. Sie erscheint dem Senat als spekulativ und gibt nicht die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung wieder. Darauf, dass Rauchen hier als Konkurrenzursache ausscheidet, kam es nicht mehr an, nachdem eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass wesentliche Ursache für das Entstehen des Bronchialkarzinoms des Versicherten die ionisierenden Strahlen waren, denen er während seiner Tätigkeit bei der SDAG W. in der Zeit von 1970 bis 1988 ausgesetzt war, nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved