Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 Ar 50/89
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 608/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 386/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.04.1991 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.05.1983 hinaus.
Der 1944 geborene Kläger hat nach seinen Angaben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er hat nach seiner Einlassung in der ehemaligen DDR von 1962 bis 1964 als kaufmännischer Sachbearbeiter gearbeitet und war dann dort bis Ende 1972 in Haft. Nachdem er "freigekauft" war, hielt er sich seit 10.01.1973 im Gebiet der Bundesrepublik auf. Er nahm im April 1974 eine Lehre als Bürokaufmann auf, die er jedoch im März 1975 abbrach. In der Folgezeit arbeitete er noch als Kraftfahrer und auch im Büro einer Spedition bis Ende 1977. Danach war der Kläger in verschiedenen Haftanstalten inhaftiert und etwa ab 1991 unbekannten Aufenthalts. Er war ohne festen Wohnsitz im Raum Süddeutschland unterwegs und hat gegen Ende des Jahres 2002 in A-Stadt wieder einen festen Wohnsitz genommen.
Auf Grund eines Rentenantrags vom 23.05.1980 hatte der Kläger von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 22.11.1980 bis 31.05.1983 bezogen (erstmalig festgestellt mit Bescheid vom 30.04.1981). Die Berentung war im Wesentlichen wegen Lumbalsyndroms nach zweimaliger Bandscheibenoperation (Postdiskektomiesyndrom) mit Nervenwurzelreizerscheinungen L 5/S 1 links und einer psychischen Fehlhaltung erfolgt.
Am 21.02.1983 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Orthopäden Dr.P. (Gutachten vom 18.08.1983) und den Nervenarzt Dr.S. (Gutachten vom 11.11.1983). Von orthopädischer Seite wurde der Kläger für fähig erachtet, leichte Arbeiten in Vollschicht, mittelschwere im Umfang von halb- bis untervollschichtig, möglichst im Wechselrhythmus, zu verrichten. Auch der Nervenarzt erachtete den Kläger für fähig, in Vollschicht Büroarbeiten oder Tätigkeiten mit vergleichbarer körperlicher Belastung zu verrichten. Beim Kläger bestehe ein depressiver reaktiver Verstimmungszustand, welcher sowohl in den körperlichen Beschwerden (Lumboischialgie) wie auch in der ungünstigen Lebenssituation begründet sei.
Mit Bescheid vom 16.12.1983 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Rente über den Mai 1983 hinaus ab. Der Kläger sei wieder in der Lage, vollschichtig Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, z.B. auch als Bürogehilfe.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.1984 zurück. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger auf den gesamten Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verweisbar.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25.05.1984 Klage beim Sozialgericht (SG) C-Stadt erhoben und zunächst vorgebracht, dass er von der negativen Widerspruchsentscheidung der Beklagten bis dahin lediglich durch die AOK C-Stadt Kenntnis erlangt habe; der Bescheid selbst sei ihm nicht zugegangen.
Mit Urteil vom 27.04.1987 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klagefrist versäumt worden sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Auf die Berufung des Klägers hat das Bayer. Landessozialgericht (Az: L 16 AR 538/87) mit Urteil vom 20.10.1988 die Entscheidung des SG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das SG zurückverwiesen. Die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft gewesen, die Klage sei deswegen in Jahresfrist fristgerecht erhoben worden.
Das SG hat Befundberichte angefordert von den behandelnden Ärzten des Klägers und die Sozialmedizinerin Dr.N. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Die Begutachtung vom 21.01.1991 erfolgte nach Aktenlage, da der Kläger unbekannten Aufenthalts war. Eine wesentliche dauerhafte Verschlechterung der objektiven Befunde im Vergleich zu den maßgeblichen Vorgutachten aus dem Jahr 1983 war für die Sachverständige nicht erkennbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sollten dem Kläger in Vollschicht zumutbar sein. Die medizinischen Befunde seien bis 1986 dokumentiert. Es sei demnach eine neurotische Fehlhaltung und depressive Verstimmung anzunehmen, aber keine psychische Erkrankung im eigentlichen Sinne. Insgesamt sei eine quantitative Leistungseinschränkung nach Aktenlage nicht sicher zu begründen.
Mit Urteil vom 23.04.1991 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 16.12.1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1984 abgewiesen. Der Kläger sei über Mai 1983 hinaus weder berufs- noch erwerbsunfähig. Nach den Feststellungen der Rentengutachter Dr.P. und Dr.S. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr.N. sei der Kläger wieder in der Lage, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft könne wieder vollschichtig geleistet werden. Der Kläger habe keine abgeschlossene Berufsausbildung, sei zuletzt als Bürohilfe tätig gewesen und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 07.08.1991 Berufung beim SG C-Stadt eingelegt. Er habe weder eine Ladung zum Gerichtstermin noch das Urteil erhalten.
Mit Schreiben vom 29.11.1991 wurde dem Kläger - über seinen Bevollmächtigten - mitgeteilt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist nicht in Betracht komme.
In der mündlichen Verhandlung am 27.05.1993 wurde dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Mit Beschluss vom 05.11.1993 wurde - mit Einverständnis der Beteiligten - das Ruhen des Verfahrens angeordnet, da der Kläger unbekannten Aufenthalts sei.
Am 28.11.2002 beantragte der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er sei nun in einer sozialen Einrichtung in A-Stadt untergebracht und habe einen festen Wohnsitz, so dass er wieder erreichbar sei.
Die Beklagte teilte mit, dass der Kläger bei der LVA Oldenburg-Bremen einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt habe (Schriftsatz vom 11.03.2003). Sie gehe jedoch davon aus, dass ihre Zuständigkeit weiterhin gegeben sei.
Der Kläger hat einen Bericht des Rechtsmediziners Dr.P. vom 28.05.1991 vorgelegt zur Frage seiner Haftfähigkeit , des Weiteren einen Bericht des Neurochirurgen Dr.C. vom 22.01.2003.
Die Beklagte hat mitgeteilt, dass nach ihrer Auffassung die versichtungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente im Hinblick auf das seit 1983 anhängige Verfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens erfüllt seien; sie hat einen Versicherungsverlauf mit Datum vom 04.02.2004 übersandt.
Mit Beschluss vom 10.03.2004 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr.B. beigeordnet.
Vom Versorgungsamt A-Stadt ist für den Kläger ein GdB von 60 und das Merkzeichen "G" ab 10.03.2003 anerkannt worden.
Aus dem Schwerbehinderten-Verfahren (Az: S 20 SB 222/03 SG A-Stadt) sind Befundberichte des Neurochirurgen Dr.C. und des Orthopäden Dr.H. beigenommen worden.
Auf Veranlassung des Senats hat der Sozialmediziner PD Dr.M. das Gutachten vom 05.04.2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Er hat nach Auflistung sämtlicher Aktenunterlagen folgende Diagnosen genannt:
- Chronische posttraumatische Belastungsstörung,
- chronisches Schmerzsyndrom nach mehrfach operierten Bandscheibenvorfällen
im Lendenbereich und Implantation eines elektrischen Rückenmarkreizgerätes
1985 zur Schmerzlinderung,
- Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit der Füße bei Fußwurzelarth-
rose,
- beginnende degenerative Veränderungen im Bereich der schultergelenksnahen
Weichteile,
- Bluthochdruck und Neigung zu orthostatischen Störungen mit Schwindelerschei-
nungen,
- leichtgradige Schwerhörigkeit rechts nach Hörstürzen,
- Fehlsichtigkeit, durch Brille ausgleichbar,
- Refluxkrankheit der Speiseröhre mit häufigem Sodbrennen.
Das komplexe Zusammenwirken von psychischen und somatischen Faktoren hebe das Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch vollständig auf. Es seien damals wie heute nicht mehr regelmäßig halbschichtige, geschweige denn vollschichtige Erwerbstätigkeiten zumutbar gewesen. Bei Ausklammerung der psychischen Aspekte könnte der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten verrichten, die jedoch einer Reihe qualitativer Einschränkungen unterlägen. Nach 1990 seien nur noch marginale Funktionseinschränkungen hinzugekommen; seit Dezember 2001 sei der Kläger sicher nur noch für weniger als drei Stunden täglich einsatzfähig.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten Stellung genommen durch ihren Ärztlichen Dienst - Frau Dr.S.- und hat sich bereit erklärt, beim Kläger eine teilweise Erwerbsminderung auf Dauer ab 14.01.2004 (Bericht Dr.H.) anzuerkennen und darüberhinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.08.2004 bis 31.07.2007 zu bewilligen.
Der Kläger hat dieses Angebot der Beklagten abgelehnt. Er habe schon seit Rentenantragstellung keine regelmäßigen Arbeiten mehr verrichten können, was sich auch aus dem Gutachten von Dr.M. ergebe.
In der mündlichen Verhandlung am 26.10.2005 wurde das Verfahren vertagt.
Der Senat hat die Unterlagen des Klägers über die Rechtsstreite vor dem SG Köln von 1976 bis 1981 beigezogen; desgleichen die gesamten Unterlagen des Versorgungsamtes A-Stadt, auch über die nach dem Häftlingshilfegesetz geführten Verfahren.
Von den Justizvollzugsanstalten B. und R. wurden die Krankenunterlagen des Klägers beigezogen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.W. das Gutachten vom 08.12.2006 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet.
Der Kläger leide seit mindestens November 2002, nach seiner Einschätzung jedoch schon seit gutachterlichen Feststellungen anlässlich des Antrags auf Weitergewährung der Zeitrente, also seit 1983, unverändert an folgenden Gesundheitsstörungen:
- Charakterneurotische Persönlichkeit, querulatorisch-dissozial,
- lumbales Postdiskektomiesyndrom ohne relevante Wurzelläsionen,
- Anpassungsstörung,
- Übergewicht, leichtes metabolisches Syndrom mit anamnestisch leichtem Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie,
- multilokuläre initiale arthrotische Beschwerden ohne wesentliche funktionellen Gehalt,
- diskrete posttraumatische Ankylose im rechten Sprunggelenk,
- geringfügige Minderung des Hörvermögens, Sehvermögens ohne sicher pathologische Wertigkeit - altersentsprechend.
Der Kläger könne weiterhin leichte Arbeiten verrichten. Die Arbeiten sollten keine Überlastung der Lendenwirbelsäule abfordern, d.h. nicht an Zwangshaltungen gebunden sein, wie überwiegendes Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit oder regelhaft auf Leitern und Gerüsten.
Die Arbeiten sollten möglichst im Wechselrhythmus zu verrichten sein. Sie könnten durchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen stellen. Akkordarbeit, Nachtschicht sollten mit Rücksicht auf die psychische Stigmatisation nicht mehr abgefordert werden.
In zeitlicher Hinsicht sei der Kläger weiter zu vollschichtiger Arbeit zu den üblichen Bedingungen in der Lage. Er könne beispielsweise als Sachbearbeiter im Büro, z.B. auch in einer Spedition vollschichtig arbeiten. Der Kläger sei ohne Abstufungen seit Ablehnung der Weitergewährung der Zeitrente 1983 im genannten qualitativ-quantitativen Umfang einsetzbar. Eine Leistungsminderung erstmalig für die Zeit nach Dezember 2000 sei infolge dessen nicht festzustellen.
Der Kläger hat in einem persönlichen Schreiben vom 30.01.2007 zu Art und Ergebnis der Begutachtung Stellung genommen; die Begutachtung sei insgesamt sehr voreingenommen und einseitig abgelaufen. Hierzu verwies der Kläger auch auf sein Schreiben vom 15.01.2007 an Dr.W., das er in Fotokopie vorlegte. Des weiteren übersandte der Kläger den Befund über eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule vom 21.01.2003. Der Kläger hat den ärztlichen Sachverständigen Dr.W. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und hat angeregt, den Sachverständigen Dr.I. M. erneut anzuhören.
Die Beklagte hat sich zur Begutachtung mit Schriftsatz vom 28.03.2007 geäußert. Dem Kläger seien noch leichte körperliche Arbeiten (des allgemeinen Arbeitsmarktes) unter Beachtung von Funktionseinschränkungen vollschichtig zumutbar. Es seien weder aktuell noch für die Vergangenheit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung gegeben. Die Beklagte hat klargestellt, dass sie sich an das in der mündlichen Verhandlung am 26.10.2005 abgegebene Vergleichangebot nicht weiter gebunden sieht.
Mit persönlichem Schreiben des Klägers vom 10.09.2007 an das Gericht hat dieser eine weitere Stellungnahme zum Ablauf und Ergebnis der Begutachtung bei Dr.W. abgegeben.
Der ärztliche Sachverständige Dr.W. hat zu den Einwendungen und dem Vorbringen des Klägers am 16.10.2007 Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 13.02.2008 ist der Antrag des Klägers, den ärztlichen Sachverständigen Dr.W. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991 und den Bescheid der Beklagten
vom 16.12.1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1984 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den
Wegfallzeitpunkt 31.05.1983 hinaus weiter zu gewähren.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt weiterhin, Beweis zu erheben über die Behauptung des Klägers, bei ihm liege eine chronische posttraumatische Belastungsstörung in Verbindung mit einem chronischen Schmerzsyndrom vor, aufgrund dessen er seit Juni 1983 bis heute nicht mehr einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens drei Stunden nachgehen könne; es solle eine Begutachtung durch einen Psychiater erfolgen, der mit der genannten Erkrankung vertraut sei, beispielsweise durch Dr.F. H., Berlin.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991
zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten, die Prozessakten des SG C-Stadt und des BayLSG, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes A-Stadt und die Prozessakte des SG A-Stadt (Az: S 28 SB 222/03) vorgelegen; des Weiteren Aktenheftungen des SG Köln aus den Jahren 1981 und 1982 wegen Versorgungsrecht, ärztliche Unterlagen über den Kläger aus der JVA B. und der JVA R ... Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger über Mai 1983 hinaus nicht erwerbsunfähig war iS des § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO); die weitere Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger auch in der Folgezeit nicht erwerbsunfähig geworden ist und dass er auch derzeit nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert iS des § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung ist.
Nach den letzten Begutachtungen des Klägers im Rentenverfahren durch den Orthopäden Dr.P. im August 1983 und den Nervenarzt Dr.S. im November 1983 hat noch eine Begutachtung nach Aktenlage durch Dr.N. im Januar 1991 stattgefunden. Vorher war der Kläger im Bundeswehr-Krankenhaus U. im Mai 1988 (im Auftrag der JVA R.) untersucht worden; als Diagnose war genannt: Zustand nach Bandscheibenvorfällen - Operationen 1973. Im Mai 1991 war der Kläger durch den Rechtsmediziner Dr.P. im Rahmen der Prüfung der Haftfähigkeit (im Auftrag des Amtsgerichts T.) untersucht worden. Für die Zeit danach bis Ende des Jahres 2002 liegen aussagekräftige Unterlagen für eine rentenrechtliche Beurteilung nicht vor.
Dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.M. vom 05.04.2005 vermochte der Senat in der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers nicht zu folgen. Der Sachverständige hat zwar die Kriterien eines "posttraumatischen Belastungssyndroms" im Einzelnen beschrieben; er hat jedoch die daraus und im Zusammenwirken mit einem chronischen Schmerzsyndrom abgeleitete berufliche Leistungsminderung (auf weniger als halbschichtig mit einem weiteren Absinken auf weniger als 3 Stunden täglich ab 2001) für den gesamten Zeitraum von 1983 an nicht hinreichend begründet und auch nicht anhand von ärztlichen Befunden oder sonstigen Unterlagen belegt.
Für den Senat überzeugender in der rentenrechtlichen Leistungsbeurteilung ist das Gutachten von Dr.W. vom 08.12.2006. Dieser hat sich ausführlich mit der von Dr.M. in den Vordergrund der Betrachtung und Leistungsbewertung gestellten posttraumatischen Belastungsstörung auseinandergesetzt. Er hat die vom Kläger geschilderten Haftmisshandlungen in der DDR nicht angezweifelt. Er hält auch gelegentliche Rückerinnerungen an diese Haftbedingungen für glaubhaft, die aber nicht als heute noch lange anhaltend und leistungsmindernd wirksame Vorbelastungen gesehen werden können. Ein anhaltender gravierend krankheitswertiger und damit erst leistungsmindernder Leidensdruck war beim Kläger im Rahmen der Untersuchung weder aus dem aktuellen Querschnitt des psychopathologischen Befundes noch aus der Revision des Längsschnittes seit 1983 feststellbar. Die Schlussfolgerung Dr.M. einer beim Kläger bislang übersehenen posttraumatischen Belastungsstörung hat Dr.W. ausdrücklich nicht geteilt. Die wiederholten Hinweise des Klägers auf seine erlittenen Haftbedingungen hat Dr.W. nicht als Indizien für eine daraus entstandene und bis heute anhaltend leistungsmindernde chronische Belastungsstörung angesehen, sondern als Folge einer persönlichkeitsbedingten Fehlverarbeitung. Dementsprechend konnte Dr.W. neben einer querulatorisch-dissozialen Persönlichkeitsstörung beim Kläger auch keinen nennenswerten psychiatrisch-pathologischen Befund herheben. Für Dr.W. war eine posttraumatische Belastungsstörung weder akut in den Anfangsjahren seit 1973 bis 1978 aus den Unterlagen zu entnehmen, noch eindeutig als Spätfolge nach 1983 festzustellen. Das nach Aufnahme einer Berufstätigkeit in der Bundesrepublik aufgetretene lumbale Bandscheibenleiden kann nicht im Zusammenhang mit den Haftbedingungen in der DDR gesehen werden, wie dies bereits Dr.M. in seinem Gutachten aus dem Jahre 1984 ausgeführt hat.
Mit den im Einzelnen benannten Gesundheitsstörungen hält Dr.W. den Kläger weiterhin für fähig, körperlich leichte Arbeiten in Vollschicht zu leisten. Die Arbeiten sollen möglichst im Wechselrhythmus, nicht ausschließlich im Stehen verrichtet werden müssen. Die Arbeiten können durchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen stellen. Demnach sind dem Kläger beispielsweise Arbeiten als kaufmännischer Sachbearbeiter oder Bürohilfstätigkeiten des Anlernbereichs noch in Vollschicht zumutbar. Die beschriebene Leistungsfähigkeit besteht nach Dr.W. seit 1983 ohne wesentliche Abstufungen.
Diese Ausführungen des fachlich und sozialmedizinisch erfahrenen Sachverständigen Dr.W. sind für den Senat überzeugend. Der Sachverständige hat den gesamten Lebens- und Berufsweg des Klägers in die Betrachtungen einbezogen und daraus für den Senat widerspruchsfrei die zutreffenden Schlüsse zur Leistungsfähigkeit des Klägers gezogen.
In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht bleiben, dass der Kläger zumindest von 1990 an bis zum Jahre 2002 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hat und auch für eine (medizinische oder wirtschaftliche) Leistungskontrolle durch einen Sozialleistungsträger nicht verfügbar war. Der Kläger hat vielmehr in dieser Zeit ein völlig eigenbestimmtes Leben geführt.
Mit dem vom ärztlichen Sachverständigen Dr.W. festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten war der nach seiner Ausbildung und seinem Berufsweg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger über Mai 1983 hinaus nicht erwerbsunfähig iS des damals geltenden § 1247 RVO; bei ihm ist auch später keine Erwerbsminderung von rentenrechtlicher Bedeutung iS des § 43 SGB VI eingetreten. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991 war demnach zurückzuweisen.
Dem Antrag des Klägers, ein weiteres Gutachten zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit einzuholen, war nicht stattzugeben. Für die Entscheidung des Rechtsstreits war und ist nicht erheblich, ob der Kläger an der Gesundheitsstörung "posttraumatische Belastungsstörung" gelitten hat oder noch leidet; bedeutsam ist vielmehr lediglich wie sich eine solche angenommene Störung auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt. Hierzu hat der Neurologe und Psychiater Dr.W. ausführlich und begründet Stellung bezogen. Er hat die beim Kläger im Vordergrund stehenden neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbilder im Einzelnen und erschöpfend beschrieben und bewertet, sodass kein Bedarf für eine diesbezügliche erweiterte Fragestellung besteht.
Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.05.1983 hinaus.
Der 1944 geborene Kläger hat nach seinen Angaben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er hat nach seiner Einlassung in der ehemaligen DDR von 1962 bis 1964 als kaufmännischer Sachbearbeiter gearbeitet und war dann dort bis Ende 1972 in Haft. Nachdem er "freigekauft" war, hielt er sich seit 10.01.1973 im Gebiet der Bundesrepublik auf. Er nahm im April 1974 eine Lehre als Bürokaufmann auf, die er jedoch im März 1975 abbrach. In der Folgezeit arbeitete er noch als Kraftfahrer und auch im Büro einer Spedition bis Ende 1977. Danach war der Kläger in verschiedenen Haftanstalten inhaftiert und etwa ab 1991 unbekannten Aufenthalts. Er war ohne festen Wohnsitz im Raum Süddeutschland unterwegs und hat gegen Ende des Jahres 2002 in A-Stadt wieder einen festen Wohnsitz genommen.
Auf Grund eines Rentenantrags vom 23.05.1980 hatte der Kläger von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 22.11.1980 bis 31.05.1983 bezogen (erstmalig festgestellt mit Bescheid vom 30.04.1981). Die Berentung war im Wesentlichen wegen Lumbalsyndroms nach zweimaliger Bandscheibenoperation (Postdiskektomiesyndrom) mit Nervenwurzelreizerscheinungen L 5/S 1 links und einer psychischen Fehlhaltung erfolgt.
Am 21.02.1983 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Orthopäden Dr.P. (Gutachten vom 18.08.1983) und den Nervenarzt Dr.S. (Gutachten vom 11.11.1983). Von orthopädischer Seite wurde der Kläger für fähig erachtet, leichte Arbeiten in Vollschicht, mittelschwere im Umfang von halb- bis untervollschichtig, möglichst im Wechselrhythmus, zu verrichten. Auch der Nervenarzt erachtete den Kläger für fähig, in Vollschicht Büroarbeiten oder Tätigkeiten mit vergleichbarer körperlicher Belastung zu verrichten. Beim Kläger bestehe ein depressiver reaktiver Verstimmungszustand, welcher sowohl in den körperlichen Beschwerden (Lumboischialgie) wie auch in der ungünstigen Lebenssituation begründet sei.
Mit Bescheid vom 16.12.1983 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Rente über den Mai 1983 hinaus ab. Der Kläger sei wieder in der Lage, vollschichtig Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, z.B. auch als Bürogehilfe.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.1984 zurück. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger auf den gesamten Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verweisbar.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25.05.1984 Klage beim Sozialgericht (SG) C-Stadt erhoben und zunächst vorgebracht, dass er von der negativen Widerspruchsentscheidung der Beklagten bis dahin lediglich durch die AOK C-Stadt Kenntnis erlangt habe; der Bescheid selbst sei ihm nicht zugegangen.
Mit Urteil vom 27.04.1987 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klagefrist versäumt worden sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Auf die Berufung des Klägers hat das Bayer. Landessozialgericht (Az: L 16 AR 538/87) mit Urteil vom 20.10.1988 die Entscheidung des SG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das SG zurückverwiesen. Die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft gewesen, die Klage sei deswegen in Jahresfrist fristgerecht erhoben worden.
Das SG hat Befundberichte angefordert von den behandelnden Ärzten des Klägers und die Sozialmedizinerin Dr.N. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Die Begutachtung vom 21.01.1991 erfolgte nach Aktenlage, da der Kläger unbekannten Aufenthalts war. Eine wesentliche dauerhafte Verschlechterung der objektiven Befunde im Vergleich zu den maßgeblichen Vorgutachten aus dem Jahr 1983 war für die Sachverständige nicht erkennbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sollten dem Kläger in Vollschicht zumutbar sein. Die medizinischen Befunde seien bis 1986 dokumentiert. Es sei demnach eine neurotische Fehlhaltung und depressive Verstimmung anzunehmen, aber keine psychische Erkrankung im eigentlichen Sinne. Insgesamt sei eine quantitative Leistungseinschränkung nach Aktenlage nicht sicher zu begründen.
Mit Urteil vom 23.04.1991 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 16.12.1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1984 abgewiesen. Der Kläger sei über Mai 1983 hinaus weder berufs- noch erwerbsunfähig. Nach den Feststellungen der Rentengutachter Dr.P. und Dr.S. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr.N. sei der Kläger wieder in der Lage, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft könne wieder vollschichtig geleistet werden. Der Kläger habe keine abgeschlossene Berufsausbildung, sei zuletzt als Bürohilfe tätig gewesen und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 07.08.1991 Berufung beim SG C-Stadt eingelegt. Er habe weder eine Ladung zum Gerichtstermin noch das Urteil erhalten.
Mit Schreiben vom 29.11.1991 wurde dem Kläger - über seinen Bevollmächtigten - mitgeteilt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist nicht in Betracht komme.
In der mündlichen Verhandlung am 27.05.1993 wurde dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Mit Beschluss vom 05.11.1993 wurde - mit Einverständnis der Beteiligten - das Ruhen des Verfahrens angeordnet, da der Kläger unbekannten Aufenthalts sei.
Am 28.11.2002 beantragte der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er sei nun in einer sozialen Einrichtung in A-Stadt untergebracht und habe einen festen Wohnsitz, so dass er wieder erreichbar sei.
Die Beklagte teilte mit, dass der Kläger bei der LVA Oldenburg-Bremen einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt habe (Schriftsatz vom 11.03.2003). Sie gehe jedoch davon aus, dass ihre Zuständigkeit weiterhin gegeben sei.
Der Kläger hat einen Bericht des Rechtsmediziners Dr.P. vom 28.05.1991 vorgelegt zur Frage seiner Haftfähigkeit , des Weiteren einen Bericht des Neurochirurgen Dr.C. vom 22.01.2003.
Die Beklagte hat mitgeteilt, dass nach ihrer Auffassung die versichtungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente im Hinblick auf das seit 1983 anhängige Verfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens erfüllt seien; sie hat einen Versicherungsverlauf mit Datum vom 04.02.2004 übersandt.
Mit Beschluss vom 10.03.2004 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr.B. beigeordnet.
Vom Versorgungsamt A-Stadt ist für den Kläger ein GdB von 60 und das Merkzeichen "G" ab 10.03.2003 anerkannt worden.
Aus dem Schwerbehinderten-Verfahren (Az: S 20 SB 222/03 SG A-Stadt) sind Befundberichte des Neurochirurgen Dr.C. und des Orthopäden Dr.H. beigenommen worden.
Auf Veranlassung des Senats hat der Sozialmediziner PD Dr.M. das Gutachten vom 05.04.2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Er hat nach Auflistung sämtlicher Aktenunterlagen folgende Diagnosen genannt:
- Chronische posttraumatische Belastungsstörung,
- chronisches Schmerzsyndrom nach mehrfach operierten Bandscheibenvorfällen
im Lendenbereich und Implantation eines elektrischen Rückenmarkreizgerätes
1985 zur Schmerzlinderung,
- Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit der Füße bei Fußwurzelarth-
rose,
- beginnende degenerative Veränderungen im Bereich der schultergelenksnahen
Weichteile,
- Bluthochdruck und Neigung zu orthostatischen Störungen mit Schwindelerschei-
nungen,
- leichtgradige Schwerhörigkeit rechts nach Hörstürzen,
- Fehlsichtigkeit, durch Brille ausgleichbar,
- Refluxkrankheit der Speiseröhre mit häufigem Sodbrennen.
Das komplexe Zusammenwirken von psychischen und somatischen Faktoren hebe das Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch vollständig auf. Es seien damals wie heute nicht mehr regelmäßig halbschichtige, geschweige denn vollschichtige Erwerbstätigkeiten zumutbar gewesen. Bei Ausklammerung der psychischen Aspekte könnte der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten verrichten, die jedoch einer Reihe qualitativer Einschränkungen unterlägen. Nach 1990 seien nur noch marginale Funktionseinschränkungen hinzugekommen; seit Dezember 2001 sei der Kläger sicher nur noch für weniger als drei Stunden täglich einsatzfähig.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten Stellung genommen durch ihren Ärztlichen Dienst - Frau Dr.S.- und hat sich bereit erklärt, beim Kläger eine teilweise Erwerbsminderung auf Dauer ab 14.01.2004 (Bericht Dr.H.) anzuerkennen und darüberhinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.08.2004 bis 31.07.2007 zu bewilligen.
Der Kläger hat dieses Angebot der Beklagten abgelehnt. Er habe schon seit Rentenantragstellung keine regelmäßigen Arbeiten mehr verrichten können, was sich auch aus dem Gutachten von Dr.M. ergebe.
In der mündlichen Verhandlung am 26.10.2005 wurde das Verfahren vertagt.
Der Senat hat die Unterlagen des Klägers über die Rechtsstreite vor dem SG Köln von 1976 bis 1981 beigezogen; desgleichen die gesamten Unterlagen des Versorgungsamtes A-Stadt, auch über die nach dem Häftlingshilfegesetz geführten Verfahren.
Von den Justizvollzugsanstalten B. und R. wurden die Krankenunterlagen des Klägers beigezogen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.W. das Gutachten vom 08.12.2006 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet.
Der Kläger leide seit mindestens November 2002, nach seiner Einschätzung jedoch schon seit gutachterlichen Feststellungen anlässlich des Antrags auf Weitergewährung der Zeitrente, also seit 1983, unverändert an folgenden Gesundheitsstörungen:
- Charakterneurotische Persönlichkeit, querulatorisch-dissozial,
- lumbales Postdiskektomiesyndrom ohne relevante Wurzelläsionen,
- Anpassungsstörung,
- Übergewicht, leichtes metabolisches Syndrom mit anamnestisch leichtem Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie,
- multilokuläre initiale arthrotische Beschwerden ohne wesentliche funktionellen Gehalt,
- diskrete posttraumatische Ankylose im rechten Sprunggelenk,
- geringfügige Minderung des Hörvermögens, Sehvermögens ohne sicher pathologische Wertigkeit - altersentsprechend.
Der Kläger könne weiterhin leichte Arbeiten verrichten. Die Arbeiten sollten keine Überlastung der Lendenwirbelsäule abfordern, d.h. nicht an Zwangshaltungen gebunden sein, wie überwiegendes Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit oder regelhaft auf Leitern und Gerüsten.
Die Arbeiten sollten möglichst im Wechselrhythmus zu verrichten sein. Sie könnten durchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen stellen. Akkordarbeit, Nachtschicht sollten mit Rücksicht auf die psychische Stigmatisation nicht mehr abgefordert werden.
In zeitlicher Hinsicht sei der Kläger weiter zu vollschichtiger Arbeit zu den üblichen Bedingungen in der Lage. Er könne beispielsweise als Sachbearbeiter im Büro, z.B. auch in einer Spedition vollschichtig arbeiten. Der Kläger sei ohne Abstufungen seit Ablehnung der Weitergewährung der Zeitrente 1983 im genannten qualitativ-quantitativen Umfang einsetzbar. Eine Leistungsminderung erstmalig für die Zeit nach Dezember 2000 sei infolge dessen nicht festzustellen.
Der Kläger hat in einem persönlichen Schreiben vom 30.01.2007 zu Art und Ergebnis der Begutachtung Stellung genommen; die Begutachtung sei insgesamt sehr voreingenommen und einseitig abgelaufen. Hierzu verwies der Kläger auch auf sein Schreiben vom 15.01.2007 an Dr.W., das er in Fotokopie vorlegte. Des weiteren übersandte der Kläger den Befund über eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule vom 21.01.2003. Der Kläger hat den ärztlichen Sachverständigen Dr.W. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und hat angeregt, den Sachverständigen Dr.I. M. erneut anzuhören.
Die Beklagte hat sich zur Begutachtung mit Schriftsatz vom 28.03.2007 geäußert. Dem Kläger seien noch leichte körperliche Arbeiten (des allgemeinen Arbeitsmarktes) unter Beachtung von Funktionseinschränkungen vollschichtig zumutbar. Es seien weder aktuell noch für die Vergangenheit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung gegeben. Die Beklagte hat klargestellt, dass sie sich an das in der mündlichen Verhandlung am 26.10.2005 abgegebene Vergleichangebot nicht weiter gebunden sieht.
Mit persönlichem Schreiben des Klägers vom 10.09.2007 an das Gericht hat dieser eine weitere Stellungnahme zum Ablauf und Ergebnis der Begutachtung bei Dr.W. abgegeben.
Der ärztliche Sachverständige Dr.W. hat zu den Einwendungen und dem Vorbringen des Klägers am 16.10.2007 Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 13.02.2008 ist der Antrag des Klägers, den ärztlichen Sachverständigen Dr.W. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991 und den Bescheid der Beklagten
vom 16.12.1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1984 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den
Wegfallzeitpunkt 31.05.1983 hinaus weiter zu gewähren.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt weiterhin, Beweis zu erheben über die Behauptung des Klägers, bei ihm liege eine chronische posttraumatische Belastungsstörung in Verbindung mit einem chronischen Schmerzsyndrom vor, aufgrund dessen er seit Juni 1983 bis heute nicht mehr einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens drei Stunden nachgehen könne; es solle eine Begutachtung durch einen Psychiater erfolgen, der mit der genannten Erkrankung vertraut sei, beispielsweise durch Dr.F. H., Berlin.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991
zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten, die Prozessakten des SG C-Stadt und des BayLSG, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes A-Stadt und die Prozessakte des SG A-Stadt (Az: S 28 SB 222/03) vorgelegen; des Weiteren Aktenheftungen des SG Köln aus den Jahren 1981 und 1982 wegen Versorgungsrecht, ärztliche Unterlagen über den Kläger aus der JVA B. und der JVA R ... Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger über Mai 1983 hinaus nicht erwerbsunfähig war iS des § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO); die weitere Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger auch in der Folgezeit nicht erwerbsunfähig geworden ist und dass er auch derzeit nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert iS des § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung ist.
Nach den letzten Begutachtungen des Klägers im Rentenverfahren durch den Orthopäden Dr.P. im August 1983 und den Nervenarzt Dr.S. im November 1983 hat noch eine Begutachtung nach Aktenlage durch Dr.N. im Januar 1991 stattgefunden. Vorher war der Kläger im Bundeswehr-Krankenhaus U. im Mai 1988 (im Auftrag der JVA R.) untersucht worden; als Diagnose war genannt: Zustand nach Bandscheibenvorfällen - Operationen 1973. Im Mai 1991 war der Kläger durch den Rechtsmediziner Dr.P. im Rahmen der Prüfung der Haftfähigkeit (im Auftrag des Amtsgerichts T.) untersucht worden. Für die Zeit danach bis Ende des Jahres 2002 liegen aussagekräftige Unterlagen für eine rentenrechtliche Beurteilung nicht vor.
Dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.M. vom 05.04.2005 vermochte der Senat in der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers nicht zu folgen. Der Sachverständige hat zwar die Kriterien eines "posttraumatischen Belastungssyndroms" im Einzelnen beschrieben; er hat jedoch die daraus und im Zusammenwirken mit einem chronischen Schmerzsyndrom abgeleitete berufliche Leistungsminderung (auf weniger als halbschichtig mit einem weiteren Absinken auf weniger als 3 Stunden täglich ab 2001) für den gesamten Zeitraum von 1983 an nicht hinreichend begründet und auch nicht anhand von ärztlichen Befunden oder sonstigen Unterlagen belegt.
Für den Senat überzeugender in der rentenrechtlichen Leistungsbeurteilung ist das Gutachten von Dr.W. vom 08.12.2006. Dieser hat sich ausführlich mit der von Dr.M. in den Vordergrund der Betrachtung und Leistungsbewertung gestellten posttraumatischen Belastungsstörung auseinandergesetzt. Er hat die vom Kläger geschilderten Haftmisshandlungen in der DDR nicht angezweifelt. Er hält auch gelegentliche Rückerinnerungen an diese Haftbedingungen für glaubhaft, die aber nicht als heute noch lange anhaltend und leistungsmindernd wirksame Vorbelastungen gesehen werden können. Ein anhaltender gravierend krankheitswertiger und damit erst leistungsmindernder Leidensdruck war beim Kläger im Rahmen der Untersuchung weder aus dem aktuellen Querschnitt des psychopathologischen Befundes noch aus der Revision des Längsschnittes seit 1983 feststellbar. Die Schlussfolgerung Dr.M. einer beim Kläger bislang übersehenen posttraumatischen Belastungsstörung hat Dr.W. ausdrücklich nicht geteilt. Die wiederholten Hinweise des Klägers auf seine erlittenen Haftbedingungen hat Dr.W. nicht als Indizien für eine daraus entstandene und bis heute anhaltend leistungsmindernde chronische Belastungsstörung angesehen, sondern als Folge einer persönlichkeitsbedingten Fehlverarbeitung. Dementsprechend konnte Dr.W. neben einer querulatorisch-dissozialen Persönlichkeitsstörung beim Kläger auch keinen nennenswerten psychiatrisch-pathologischen Befund herheben. Für Dr.W. war eine posttraumatische Belastungsstörung weder akut in den Anfangsjahren seit 1973 bis 1978 aus den Unterlagen zu entnehmen, noch eindeutig als Spätfolge nach 1983 festzustellen. Das nach Aufnahme einer Berufstätigkeit in der Bundesrepublik aufgetretene lumbale Bandscheibenleiden kann nicht im Zusammenhang mit den Haftbedingungen in der DDR gesehen werden, wie dies bereits Dr.M. in seinem Gutachten aus dem Jahre 1984 ausgeführt hat.
Mit den im Einzelnen benannten Gesundheitsstörungen hält Dr.W. den Kläger weiterhin für fähig, körperlich leichte Arbeiten in Vollschicht zu leisten. Die Arbeiten sollen möglichst im Wechselrhythmus, nicht ausschließlich im Stehen verrichtet werden müssen. Die Arbeiten können durchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen stellen. Demnach sind dem Kläger beispielsweise Arbeiten als kaufmännischer Sachbearbeiter oder Bürohilfstätigkeiten des Anlernbereichs noch in Vollschicht zumutbar. Die beschriebene Leistungsfähigkeit besteht nach Dr.W. seit 1983 ohne wesentliche Abstufungen.
Diese Ausführungen des fachlich und sozialmedizinisch erfahrenen Sachverständigen Dr.W. sind für den Senat überzeugend. Der Sachverständige hat den gesamten Lebens- und Berufsweg des Klägers in die Betrachtungen einbezogen und daraus für den Senat widerspruchsfrei die zutreffenden Schlüsse zur Leistungsfähigkeit des Klägers gezogen.
In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht bleiben, dass der Kläger zumindest von 1990 an bis zum Jahre 2002 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hat und auch für eine (medizinische oder wirtschaftliche) Leistungskontrolle durch einen Sozialleistungsträger nicht verfügbar war. Der Kläger hat vielmehr in dieser Zeit ein völlig eigenbestimmtes Leben geführt.
Mit dem vom ärztlichen Sachverständigen Dr.W. festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten war der nach seiner Ausbildung und seinem Berufsweg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger über Mai 1983 hinaus nicht erwerbsunfähig iS des damals geltenden § 1247 RVO; bei ihm ist auch später keine Erwerbsminderung von rentenrechtlicher Bedeutung iS des § 43 SGB VI eingetreten. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG C-Stadt vom 23.04.1991 war demnach zurückzuweisen.
Dem Antrag des Klägers, ein weiteres Gutachten zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit einzuholen, war nicht stattzugeben. Für die Entscheidung des Rechtsstreits war und ist nicht erheblich, ob der Kläger an der Gesundheitsstörung "posttraumatische Belastungsstörung" gelitten hat oder noch leidet; bedeutsam ist vielmehr lediglich wie sich eine solche angenommene Störung auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt. Hierzu hat der Neurologe und Psychiater Dr.W. ausführlich und begründet Stellung bezogen. Er hat die beim Kläger im Vordergrund stehenden neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbilder im Einzelnen und erschöpfend beschrieben und bewertet, sodass kein Bedarf für eine diesbezügliche erweiterte Fragestellung besteht.
Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
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