L 2 KN 103/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 8/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 103/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger wurde im Jahre 1970 im deutschen Steinkohlebergbau angelegt und war nach einer Lehre als Bergmechaniker u.a. als Hauer, Kolonnenführer und Sicherheitskraft tätig. Im Februar 1998 kehrte er ab. Nach einer Umschulung 1998 war der Kläger als Sicherheitsservicekraft im Öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt. Seit Dezember 2002 ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht seit dem 01.02.2006 von der Beklagten die Rente für Bergleute wegen Vollendung des 50. Lebensjahres.

Am 01.01.2006 beantragte der Kläger nach vorangegangenen Verfahren erneut die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztberichte bei und ließ ihn am 20.04.2006 von ihrem Sozialmedizinischen Dienst (SMD) untersuchen. Es wurden beim Kläger ein chronisches Lendenwirbelsäulen-Schmerzsyndrom mit Minderbelastbarkeit und Einschränkung der Beweglichkeit bei rechts mediolateral betontem Bandscheibenvorfall L3/L4 und Bandscheibenvorwölbungen in den darunter liegenden Segmenten, eine Minderbelastbarkeit und schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Wirbelkörper- und Bandscheibendegeneration der mittleren und unteren Halswirbelsäule, eine leicht- bis mäßiggradige Hörminderung beidseits eine Fettstoffwechselstörung und eine Übergewichtigkeit diagnostiziert. Der Kläger sei aber noch in der Lage, vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2006 die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab. Sie führte aus, der Kläger könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein. Teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da der Kläger im Vergleich zu seiner früheren Tätigkeit als Sicherheitskraft noch die sozial zumutbare Tätigkeit als Hilfsarbeiter mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Nachdem die Beklagte weitere Arztberichte über den Kläger zu den Akten genommen hatte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurückgewiesen.

Mit seiner am 10.01.2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt.

Er hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 zu verurteilen, bei ihm ab 01.01.2006 einen Zustand von voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie hilfsweise ein Gutachten gemäß § 109 SGG von Dr. H aus C einzuholen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Zwecke der Beweiserhebung über das dem Kläger verbliebene gesundheitliche Leistungsvermögen hat das Gericht zunächst Befundberichte beigezogen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. I, dem Radiologen Dr. B, dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N sowie dem Arzt für Orthopädie Dr. I1. Anschließend hat das Gericht ein chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten von Dr. E vom 07.08.2007 eingeholt. Die gerichtliche Sachverständige hat beim Kläger eine Funktions- und Belastungsminderung der Wirbelsäule, eine psychovegetative Symptomatik, eine angegebene Hörminderung sowie als Nebenleiden eine Übergewichtigkeit, Stoffwechselstörungen, eine Bauchdeckenschwäche und Gelenkveränderungen diagnostiziert. Sie hat den Kläger noch für in der Lage gehalten, eine leichte bis gelegentlich/kurzfristig mittelschwere Tätigkeit im Wechsel der Körperposition mit gelegentlichem Bücken mit kurzfristigem Einnehmen von Zwangshaltungen, dem Heben und Tragen von Lasten in einem Ausmaß von 10 bis 15 kg zu verrichten. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht sozialmedizinisch eingeschränkt.

Mit Schreiben vom 10.08.2007 ist der Kläger um Stellungnahme zu den eingeholten Gutachten gebeten worden. Gleichzeitig wurde angefragt, er die Klage zurücknehme oder einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stelle, d. h. ob er von einem Arzt seines Vertrauens untersucht und begutachtet werden solle. Die Einholung eines solchen Gutachtens werde davon abhängig gemacht, dass ein Kostenvorschuss von 1.500 EUR eingehe. Diese Aufforderung ist mit einer Frist von 4 Wochen versehen gewesen. Mit Schriftsatz vom 24.08.2007 hat der Kläger inhaltliche Ausführungen gemacht und erklärt, dass ein Antrag nach § 109 SGG gestellt werde. Der Antrag nach § 109 SGG werde hiermit angekündigt. Unter dem 10.09.2007 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die "Sache zur Sitzung geschrieben sei", nachdem innerhalb der gesetzten Frist kein Antrag nach § 109 SGG gestellt worden sei. Mit Schriftsatz vom 19.09.2007 hat der Kläger beantragt, Dr. H mit einem Gutachten zu beauftragen. Unter dem 28.09.2007 ist der Klägerbevollmächtigte auf § 109 Abs. 2 SGG hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 09.10.2007 hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, dass der vom Kläger zu benennende Arzt erst in Erfahrung gebracht habe werden müssen und aus diesem Grund der Antrag erst am 17.09.2007 habe gestellt werden können. Da noch kein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden sei, liege keine Verspätung im Sinne von § 109 Abs. 2 SGG vor. Mit Schreiben vom 10.10.2007 ist dem Klägerbevollmächtigten erneut eine Frist zur Einzahlung eines Vorschusses bis zum 09.11.2007 gesetzt worden und unter dem 15.11.2007 ist wiederum mitgeteilt worden, dass der Rechtstreit mangels Einzahlung des Kostenvorschusses zur Sitzung geschrieben sei. Mit Schreiben vom 21.11.2007 hat der Klägerbevollmächtigte erklärt, dass die hinter dem Kläger stehende Rechtsschutzversicherung den Vorschuss am 15.11.2007 auf das Anderkonto des Bevollmächtigten überwiesen habe. Er habe diesen direkt weitergeleitet und dieser müsse daher mittlerweile der Gerichtskasse gutgeschrieben worden sein. Die Gutschrift erfolgte laut Kostenheft am 27.11.1007. Mit Ladung vom 26.11.2007 ist der Rechtsstreit für den 18.04.2008 terminiert worden. Mit Schriftsatz vom 30.11.2007 hat der Klägerbevollmächtigte Wiedereinsetzung in eine eventuell versäumte Einzahlungsfrist beantragt und erläutert, dass die hinter dem Kläger stehende Rechtsschutzversicherung den Vorschuss erst am 22.11.2007 überwiesen habe. Da erst für April ein Termin anberaumt worden sei, lägen die Verspätungsvoraussetzung nach § 109 Abs. SGG nicht vor.

Mit Urteil vom 18.04.2008 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Kläger habe keinen weitergehenden Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, denn er sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert noch teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Zur Überzeugung der Kammer sei nicht belegt, dass der Kläger nicht mehr imstande sei, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die diesbezüglichen Feststellungen der Beklagten seien durch die gerichtliche Beweisaufnahme bestätigt worden. Mit diesem Restleistungsvermögen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Bezüglich des "bisherigen Berufs" des Klägers sei die Beklagte zu Recht von seiner zuletzt verrichteten Tätigkeit als Sicherheitskraft im Öffentlichen Personennahverkehr ausgegangen, die allenfalls den angelernten Arbeiten zuzuordnen sei. Den qualifizierten Berufsschutz aus seiner Tätigkeit als Sicherheitskraft im Bergbau habe der Kläger durch seine Abkehr im Februar 1998 verloren, da er diese Tätigkeit nicht nachweisbar aus gesundheitlichen Gründe aufgegeben habe. Ausgehend von einer allenfalls angelernten Tätigkeit sei der Kläger nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf alle Arbeiten verweisbar, die nicht nur Arbeiten einfachster Art seien, wie z. B. als Pförtner und Bürohilfsarbeiter. Dass der Kläger mit dem ihm verbliebenen gesundheitlichen Leistungsvermögen zumindest noch in der Lage sei, z. B. Tätigkeiten als Hilfsarbeiter im Büro oder Pförtner 6 Stunden täglich zu verrichten ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus den durchgeführten Ermittlungen. Dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. H sei die Kammer gemäß § 109 Abs. 2 SGG nicht gefolgt. § 109 Abs. 2 SGG finde auch Anwendung, wenn der Kostenvorschuss nicht rechtzeitig geleistet wurde. Im vorliegenden Fall habe die Kammer den Antrag des Klägers auf Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG abgelehnt, denn die Zulassung des Antrages hätte den Rechtsstreit nicht unerheblich verzögert, da das Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Zwar sei dem Kläger und seinem Bevollmächtigten nicht vorzuwerfen, dass sie den Antrag in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht hätten. Der Kläger müsse sich jedoch das Verhalten der von ihm eingeschalteten Rechtschutzversicherung bei der Einzahlung des Kostenvorschusses zurechnen lassen. Der am 10.10.2007 festgesetzte Kostenvorschuss in Höhe von 1.500,- EUR sei nicht innerhalb der eingeräumten Frist bis zum 09.11.2007 eingezahlt worden, sondern erst am 28.11.2007. Ein Kläger, der sich einer Rechtschutzversicherung bediene, könne nicht anders behandelt werden als ein Kläger, der die Kosten für ein Gutachten nach § 109 SGG aus eigenen Mitteln bewirke.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, sein Antrag nach § 109 SGG sein nicht verspätet gestellt worden. Denn der avisierte Termin habe ca. ein halbes Jahr nach dem Eingang des Kostenvorschusses gelegen. Es wäre durchaus möglich gewesen, die Begutachtung in diesem Zeitraum durchzuführen. Dass die Rechtsschutzversicherung erst etwas später gezahlt habe, vermöge keine grobe Nachlässigkeit darzustellen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2008 aufzuheben und nach dem Schlussantrag der ersten Instanz zu erkennen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der erledigten Streitakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 7 KN 202/03, S 23 SB 231/03, S 18 KN 47/05 und S 7 KN 221/05, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Da die bisherigen Tatsachenfeststellungen für eine Sachentscheidung nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache an das Sozialgericht (SG) zurück zu verweisen. Denn das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurück verweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet.

Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das SG auf dem Weg zu seiner abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des SG auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar 9. Auflage 2008, § 159 Rdnr 3a, mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gem. § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder des Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung wird in aller Regel von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG) und kann ansonsten nur unter den Voraussetzungen des 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden. Damit ist eine Ablehnung dieses Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen müsste es bei einer Zulassung des Beweisantrags zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.

Das SG hätte dem wirksam gestellten Beweisantrag des Klägers stattgeben müssen, da keine Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG vorliegen. Folglich hat das erstinstanzliche Gericht gegen die Verfahrensvorschriften des § 109 SGG und damit auch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (fair trial) (vgl. dazu Keller in: Meyer-Ladewig. aa0. vor § 60 Rdnr 1b mwN.) verstoßen.

Insbesondere ergeben sich aus dem Ablauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens keine Hinweise für eine Prozessverschleppungsabsicht des Klägers bzw. des Prozessbevollmächtigten vor. Zunächst ist nicht ersichtlich, warum der Kläger, der die Gewährung einer Rente begehrt, die Absicht haben sollte, die Erledigung des Rechtsstreites zu verzögern. Eine Verzögerung des Rechtsstreit ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Ablehnung einer Beweisaufnahme nach § 109 SGG bereits terminiert war. Dies war vorliegend nicht der Fall, denn die Ladung erfolgte erst nach der Ablehnung der Beweisaufnahme und der Rechtsstreit war erst ca. 4 1/2 Monate später zur Entscheidung vorgesehen war. Innerhalb dieses Zeitraumes wären Ermittlungen durchaus möglich gewesen. Es bleibt offen, ob im Zeitpunkt des Eingangs des Antrages nach § 109 SGG die Erledigung des Rechtsstreites durch die Einholung eines Gutachtens verzögert worden wäre. Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, finden sich nicht. Eine Anfrage des SG an die benannten Sachverständigen, wie lange sie für die Erstellung des Gutachtens benötigen, fehlt. Es ist gut denkbar, dass die Gutachten den Beteiligten so rechtzeitig vorgelegen hätten, dass noch vor einem Termin sachgerecht Stellung bezogen werden konnte. Hätte die mündliche Verhandlung gleichwohl vertagt werden müssen, hätte dies über § 192 SGG (die dortigen Voraussetzungen unterstellt) sanktioniert werden können.

Eine verspätete Antragstellung aus grober Nachlässigkeit kann nicht angenommen werden. Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden ist, wenn also nicht getan wird, was jemanden in der betreffenden Situation einleuchten würde (BSG, Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R, UV-Recht Aktuell 2008,1091). Das SG hatte eine sehr kurze Frist (mindestens 4 Wochen vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.09.2003 - L 7 SB 104/02; Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.0. Rn 11; Kolmetz, SGb 2004 83, 88 jeweils m.w.N.) gesetzt, ohne die Verfügung zu zustellen (vgl. zum Zustellungserfordernis: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.02.2007 - L 2 KN 236/06). Ungeachtet dessen, das der Kläger bzw. sein Bevollmächtiger die gesetzte Frist versäumt hat, vermag dies keine Verkürzung oder Einschränkung des Antragsrechts des Klägers nach § 109 SGG zu rechtfertigen. Maßstab ist diejenige Sorgfalt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Unabhängig von der Frage, ob ein Versäumnis einer Rechtschutzversicherung dem Beteiligten wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist, ist nicht ersichtlich, dass die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass der Bevollmächtigte es versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass der Kostenvorschuss zunächst von der Rechtschutzversicherung auf das Anderkonto des Rechtsanwaltes einging und sodann erst von dort der Gerichtskasse überwiesen wurde. Diese Zahlung mit einem Zwischenschritt führte dazu, dass der Vorschuss innerhalb von 6 Wochen nach Aufforderung durch das Gericht beim Gericht einging. Dieser Zeitraum ist, wenn sich für die Zahlung Dritter bedient wird (Rechtsschutzversicherung) nicht unangemessen lang. Dieser Zahlungsweg ist weder unüblich noch grob fahrlässig. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das Verfahren ansonsten zügig betrieben und auch die Anfragen des Gerichts zeitnah beantwortet hat. Gemessen an der Tatsache, dass trotz Ende November nochmals gestellter Bitte dem Antrag nach § 109 SGG nachzukommen, der Rechtsstreit ohne jede weitere Bearbeitung bis Mitte April nicht weiter vorangetrieben wurde, war eine Überschreitung der gesetzten Frist um zwei Wochen, keinesfalls grob fahrlässig.

Die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 30.01.2003 - L 7 SB 157/02 und vom 08.02.2007 L 2 KN 236/06; LSG für das Saarland, Urteil vom 18.11.2005 - L 2 U 65/05; Udsching, NZS 1992, 50, 55; Keller in: Meyer-Ladewig a.a.O., § 109 Rn 20).

Der Senat hält es im Rahmen seines Ermessen für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Denn der Rechtsstreit hätte nach weiterer Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis führen können. Auch unter Berücksichtigung des Gedankens der Prozessökonomie und des Interesses des Klägers an einer zeitnahen Sachentscheidung überwiegt sein Interesse, die erforderliche Sachaufklärung durch das Instanzgericht in einem fairen Klageverfahren (und erst danach ggf. in einer zweiten Instanz) vornehmen zu lassen. Der Kläger hat durch seinen Hilfsantrag dokumentiert, dass diese Verfahrensweise in seinem Interesse liegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht; § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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