Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 2622/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5767/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 für das in Deutschland nicht zugelassene Medikament "Nicorandil (Dancor)" EUR 1.732,60 zu erstatten und sie künftig mit diesem Medikament zu versorgen hat.
Die am 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 01. April 2002 pflichtversichert. Sie ist als gelernte kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung (Abteilung Fakturierung Ausland) bei einem Autohersteller tätig, und zwar seit 01. Dezember 2006 in der bis zum 31. Mai 2009 dauernden Arbeitsphase der Altersteilzeit; die Ruhephase begann am 01. Juni 2009. Bei ihr besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Bei der Klägerin war es im Januar 1999 zu einem Kreislaufzusammenbruch gekommen. Vom 09. bis 22. September 1999 wurde die Klägerin stationär im Zentrum für Innere Medizin des K.-hospitals S. behandelt. Im Arztbrief des Prof. Dr. Bo. vom 22. September 1999 wurden folgende Diagnosen genannt: Coronare Herzkrankheit (1-Gefäß-Erkrankung), Verdacht auf intramuralen Vorderwandinfarkt 7/1999, Zustand nach PTCA und Stent-Implantation einer proximalen RIVA sowie PTCA, eine mittlere RIVA-Stenose am 10. September 1999, Zustand nach HE bei Myomen, Fettstoffwechselstörung (kardiovaskulärer Risikofaktor). Vom 28. September bis 19. Oktober 1999 fand dann auf Kosten des Rentenversicherungsträgers (damals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) als Anschlussheilbehandlung eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in den Reha-Einrichtungen der Stadt R. (Herz-Kreislauf-Klinik M.) statt (vgl. Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. G. vom 08. November 1999). In der Folgezeit fanden auch weitere stationäre Rehabilitationsbehandlungen auf Kosten des Rentenversicherungsträgers bzw. der Beklagten bzw. der privaten Zusatzversicherung der Klägerin statt. Ambulant internistisch wurde die Klägerin durch Dres. F. und Kl. behandelt, ferner auch ambulant bzw. stationär in der Abteilung für Innere Medizin 3 (Schwerpunkte Kardiologie und Pulmologie) des R.-B.-Krankenhauses (Chefarzt Prof. Dr. S.). Es erfolgten vor allem medikamentöse Behandlungen. Im Arztbrief vom 05. Mai 2004 (stationäre Behandlung vom 04. bis 06. Mai 2004) empfahl Prof. Dr. S. bei massivem Spasmus eine antianginöse Therapie mit ISDN und Calziumantagonisten (z.B. Amlopidin). Am 21. Mai 2004 wurde die Dosierung von Amlodipin erhöht. Am 22. Juni 2004 gab die Klägerin gegenüber Prof. Dr. S. ausgeprägte periphere Ödeme und Schmerzen in den Unterschenkeln an; die Ödeme wurden als Nebenwirkung des Calziumantagonisten angesehen (Arztbrief vom 23. Juni 2004). Am 27. August 2004 stellte sich die Klägerin erneut im R.-B.-Krankenhaus vor; sie gab u.a. an, sie habe sehr dicke Beine und auch dort Schmerzen. Im Vordergrund der Symptomatik standen nach dem Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 06. September 2004 periphere Ödeme, die mit ausgeprägten Schmerzen einhergingen. Es wurde auf Wunsch der Klägerin ein Auslassversuch des Amlodipin empfohlen. Auf einen alternativen Calziumantagonisten wurde auf Wunsch der Klägerin verzichtet, da sie befürchtete, dieser würde auch periphere Ödeme verursachen. Am 01. September 2004 bezeichnete die Klägerin ihre Situation als unerträglich, sie habe wieder heftige pectaginöse Beschwerden. Da Calziumantagonisten wegen der Nebenwirkungen und der Hypotonie nicht verordnet werden konnten, wurde der Klägerin auch auf ihren Wunsch Nicorandil (Dancor) empfohlen. Dieses Medikament ist in Deutschland nicht zugelassen; es musste über eine internationale Apotheke aus Österreich bezogen werden. In der Folgezeit stellte Prof. Dr. S. der Klägerin entsprechende Verordnungen über Dancor aus (23. September, 01. Oktober und 17. Dezember 2004, ferner 18. Januar, 11. Februar, 10. März, 04. April, 09. Mai, 09. Juni, 25. Juli und 09. August 2005). Die Klägerin bezog das Medikament über die S.-Apotheke in W.-B. jeweils zum Preis pro Packung von EUR 25,50 (bis Januar 2005) bzw. EUR 27,50 (ab Februar 2005). Die Abrechnung erfolgte über die Beklagte. Die Klägerin leistete pro ärztlicher Verordnung eine Zuzahlung von EUR 5,00. Bei der ambulanten Vorstellung im Dezember 2004 im R.-B.-Krankenhaus hatte die Klägerin angegeben, dass sie immer wieder thorakale Schmerzen und Dyspnoe in Ruhe habe. Die Symptomatik trete unter der antianginösen medikamentösen Therapie, bestehend aus ISDN und Nicorandil, auf. Da die Beschwerden jedoch im Vergleich zu früher seltener und nicht mehr so intensiv aufgetreten waren, wurde in der Klinik die Medikation unverändert belassen (Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 11. Januar 2005). Bei der ambulanten Vorstellung am 04. April 2005 berichtete die Klägerin, dass sie in den letzten Monaten viel Stress gehabt habe (Pflege der Mutter). Sie habe jeden Tag unter emotionalem Stress ein retrosternales Brennen und Schmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm gehabt. Die Symptomatik wurde nach Einnahme von Nitrokapseln besser. Im Verlauf seien die Beschwerden beim Versuch, Stress abzubauen, seltener geworden. Die Beschwerden bei der Klägerin wurden als stressinduziert angesehen (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 13. Mai 2005). Bei der weiteren ambulanten Vorstellung am 05. Dezember 2005 hatte die Klägerin angegeben, mit dem Medikament Dancor für eine Woche pausiert zu haben. Nach dem Absetzen habe sie heftige thorakale Schmerzen bekommen, sodass sie das Medikament wieder habe einsetzen müssen, worauf sie eine Besserung ihrer Beschwerden bemerkt habe. Im Arztbrief von Prof. Dr. S. vom 27. Dezember 2005 wurde ferner ausgeführt, Mosidomin als Alternative zu Dancor könne gegebenenfalls empirisch eingesetzt werden. Dieses werde jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zu keiner Besserung führen. Der Therapievorschlag im Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 17. März 2006 enthielt auch "Molsidomin 8 mg zB. Corvaton ert". Prof. Dr. S. empfahl, Dancor weiterhin einzunehmen, da die Klägerin berichte, hierunter eine deutliche Besserung zu spüren. Bei der Vorstellung bei Dr. Kl. im Dezember 2005 gab die Klägerin immer wieder pectanginöse Beschwerden bei größerer körperlicher Belastung an. Dancor würde ihr deutlich helfen. Dr. Kl. gab im Arztbrief vom 28. Dezember 2005 an, die Klägerin sei darauf fixiert, dass ihr nur Dancor helfen könne.
Am 25. Oktober 2005 hatte Prof. Dr. S. der Klägerin eine weitere Verordnung über Dancor ausgestellt. Diese reichte die S.-Apotheke mit Schreiben vom 03. November 2005 mit einem "Kostenvoranschlag zur Belieferung von Importarzneimitteln" der Beklagten ein mit der Bitte, eine Dauergenehmigung zur Belieferung der Klägerin mit Dancor zu erteilen, da es sich um eine Dauermedikation handle. Es erfolge ein Import aus Österreich von der Firma M ... Die Beklagte teilte der Apotheke daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei, da dieses Medikament keine Zulassung in der Europäischen Union (EU) habe. Ein entsprechender Antrag auf Zulassung sei vom Hersteller bereits 1996 zurückgezogen worden. Die Klägerin wandte sich daraufhin (Schreiben vom "01. April 2005", bei der Beklagten am 09. November 2005 eingegangen) an die Beklagte. Sie machte geltend, vor der Einführung der EU-Zulassung sei das Medikament Dancor auf dem Markt gewesen. Es gebe keine allgemeine Zulassung für dieses Medikament. Es sei jedoch in Österreich, in der Schweiz, in Großbritannien, Frankreich und in Portugal zugelassen; dort werde es angewendet. Im Mai 2004 sei sie, nachdem vermehrt Herzprobleme aufgetreten seien, zu einer Herzkatheteruntersuchung im R.-B.-Krankenhaus gewesen. Durch neue Untersuchungsmethoden sei dort festgestellt worden, dass sie unter einem Drei-Coronar-Spasmus leide, d.h. unter Anstrengung, Stress usw. zögen sich alle drei Herzkranzgefäße zusammen und erzeugten so die so genannten Angina-Pectoris-Anfälle. Die Anfälle, die sie bis dahin einige Male am Tag bekommen habe, hätten zur Folge, dass sie immer wieder Auszeiten gehabt habe und krankgeschrieben worden sei. Nachdem dies festgestellt worden sei, habe das R.-B.-Krankenhaus sie in eine Studie über diese Erkrankung aufgenommen. Sie habe alle vier Wochen zur Untersuchung und Medikamenteneinstellung in die Ambulanz kommen müssen. Dort habe man mit verschiedenen Medikamenten versucht, die Anfälle zu reduzieren. Bei den meisten Medikamenten sei die Anfallshäufigkeit zwar verringert worden, sie hätten jedoch andere Nebenwirkungen, wie Ödeme in den Beinen, Luftnot durch Wasseransammlung im ganzen Körper, erzeugt. Nach mehreren Monaten habe sie das Medikament Dancor erhalten, wobei sich nach vier Wochen herausgestellt habe, dass sie dieses Medikament sehr gut vertrage. Im Laufe dessen Einnahme habe sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert. Bisher habe die Beklagte das Medikament anstandslos übernommen. Nun habe ihr Apotheker ihr mitgeteilt, dass aufgrund neuer Gesetze die Krankenkasse zustimmen müsse, wenn das Medikament wieder übernommen werden solle. Die Beklagte habe nun der Apotheke mitgeteilt, dass das Medikament, welches EUR 27,00 pro Packung koste, nicht mehr von der Kasse übernommen werde. Die Klägerin bat um Überprüfung dieser ablehnenden Entscheidung, die für sie zur Folge hätte, dass sie wieder alle vier Wochen ins R.-B.-Krankenhaus gehen müsse, damit man dort versuche, andere Medikamente zu finden, die ihr helfen würden. Sie müsste dann mit den Nebenwirkungen fertig werden. Außerdem könnte dies zur Folge haben, dass sie dann wieder stationär aufgenommen werden müsste zu einer Herzkatheteruntersuchung. Auch dadurch würden enorme Kosten verursacht. Weiter müsse auch berücksichtigt werden, dass sie dann wieder vermehrt Herzanfälle bekommen würde und erneut Ausfallzeiten eintreten würden. Es sei ihr nicht möglich, da sie zwei Packungen der Tabletten monatlich benötige, die Kosten selbst zu übernehmen, denn sie sei auch auf andere Medikamente angewiesen und müsse deswegen erhebliche Zuzahlungen leisten. Bei der Beklagten ging auch ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin Dr. A. vom R.-B.-Krankenhaus vom 17. November 2005 ein. Darin wurde ausgeführt, bei der Klägerin seien im Mai 2000 ein massiver Drei-Gefäßspasmus festgestellt worden. Nach der Diagnosestellung sei im Krankenhaus eine konventionelle medikamentöse Therapie mit Amlodipin und ISDN begonnen worden. Darunter habe eine therapierefraktäre Angina pectoris bestanden. Ferner seien ausgeprägte Nebenwirkungen der Calziumantagonistentherapie in Form von massiven Ödemen und Hypertonie aufgetreten, sodass diese Substanzen hätten abgesetzt werden müssen. Die Hauptpfeiler der medikamentösen Therapie der vasospastischen Angina stellten die Calziumantagonisten und die Nitrate dar. Bei der Klägerin habe jedoch der Calziumantagonist wegen der Nebenwirkungen abgesetzt werden müssen. Daraufhin sei Nebivolol eingesetzt worden. Dieses habe jedoch zu keiner Besserung der Symptomatik geführt, sodass die Klägerin weiterhin über therapierefraktäre pectaginöse Beschwerden geklagt habe. Als Ultima Ratio sei dann der Klägerin der Wirkstoff Nicorandil in einer Dosierung von dreimal zehn mg empfohlen worden. Unter dieser Substanz habe die Symptomatik gebessert werden können, wobei jedoch keine vollständige Beschwerdefreiheit erzielt worden sei. Die Klägerin habe sich jedoch mit dem kardialen Zustand arrangieren können und sei froh gewesen, dass unter diesem Wirkstoff eine Besserung eingetreten sei. Die Wirkung von Nicorandil bei vasospastischer Angina sei sowohl von japanischen als auch von europäischen Arbeitsgruppen beschrieben worden. Dieses Medikament werde im Ausland häufig bei therapierefraktärer vasospastischer Angina eingesetzt. In Deutschland gebe es keine Zulassung, sodass die Substanz aus Österreich oder der Schweiz importiert werden müsse. Bei der Klägerin habe allein unter der Kombination von Nicorandil, ISDN ret. und Nebivolol eine Besserung der Symptomatik erzielt werden können. Weitere Therapieversuche mit anderen Calziumantagonisten würden nicht für sinnvoll gehalten, da auch darunter massive Nebenwirkungen zu erwarten seien.
Die Beklagte erhob die Stellungnahme des Dr. O. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in Waiblingen vom 22. November 2005 ein. Darin wurde ausgeführt, dass Nicorandil bereits eingesetzt worden sei, was zu einer leichten Besserung der Symptomatik geführt habe. Es handle sich dabei jedoch um ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel, sodass die aktuelle Rechtslage eine Kostenübernahme seitens der Beklagten nicht vorsehe bzw. verbiete. Als Therapiealternative wäre hier jedoch auch noch eine Therapie mit dem in Deutschland zugelassenen Medikament Molsidomin aufzuführen. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 lehnte die Beklagte auf diese Stellungnahme gestützt die Kostenübernahme ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Ablehnung sei für sie überraschend gekommen, nachdem die Beklagte zunächst über längere Zeit die Kosten für das Medikament übernommen habe. Die Kosten dafür seien auch gering. Die Kosten des Medikaments Dancor würden im Übrigen von anderen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Soweit der MDK auf das Medikament Molsidomin verweise, hätten die Ärzte des R.-B.-Krankenhauses ihr erklärt, dass dieses Medikament in ihrem Fall keine Wirkung zeigen werde. Man habe ihr weiter erklärt, dass es im Augenblick kein anderes Medikament gebe, welches ihr helfen könne. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestimmten Widerspruchsausschusses vom 28. März 2008 wurde ausgeführt, trotz des grundsätzlichen Leistungsausschusses nach § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) könne in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation eine Leistungspflicht einer gesetzlichen Krankenkasse gegeben sein. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn es sich um eine einzigartige Erkrankung handle, die weltweit nur extrem selten auftrete und die deshalb im nationalen wie internationalen Rahmen weder systematisch erforscht sei noch systematisch behandelt werden könne. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Am 18. April 2006 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie benannte die sie behandelnden Ärzte und begehrte die Verurteilung der Beklagten, die Kosten für das Arzneimittel Dancor 10 zur Arzneimitteltherapie zu übernehmen. Die von ihr bis Juli 2007 insoweit entstandenen Auflagen bezifferte sie auf EUR 907,39. Dazu reichte sie Verordnungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 30. Januar, 23. Mai, 18. September und 21. Dezember 2006, ferner vom 08. Januar, 12. April und 26. Juni 2007, weiter Aufstellungen der S.-Apotheke vom 30. Dezember 2006/09. Januar 2007 und 31. Juli 2007 sowie deren Quittung vom 09. Januar 2007 ein. Sie trägt vor, ihr Anspruch rechtfertige sich aus den Grundsätzen, die bezüglich der Versorgung mit Medikamenten außerhalb ihres Zulassungsbereichs bereits vom Bundessozialgericht (BSG) zum so genannten Off-Label-Use aufgestellt worden seien. Bei ihr liege eine schwere Erkrankung vor. Insoweit bestätige auch der von der Beklagten beauftragte Arzt Dr. Bi. in der Stellungnahme vom 19. Oktober 2006, dass bei ihr die Möglichkeit lebensbedrohlicher Arrhythmien bestünden. Die Erkrankung beeinträchtige auch ihre Lebensqualität auf Dauer. Andere bereits getestete Therapien stünden nicht zur Verfügung; sie seien nicht zumutbar, da sie erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Es sei auch klar und offensichtlich, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werde. Allein die Tatsache, dass das Medikament in Nachbarländern, wie in Österreich und in der Schweiz, zugelassen sei, weise Erkenntnisse über die Qualität und die Wirksamkeit des Arzneimittels sowie die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit nach. Das Gutachten des Dr. Bi. sei auch widersprüchlich. Sie beziehe sich auf die Urteile des BSG vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) und vom 04. April 2006 (B 1 KR 7/05 R). Ferner verweise sie auch auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98). Insoweit bestehe eine Versorgungslücke. Es sei auch nachgewiesen, dass jede andere Therapiemöglichkeit ausgeschöpft bzw. aus zwingenden medizinischen Gründen nicht in Betracht komme. Eine abstrakte sowie konkrete Nutzen/Risikoanalyse spreche für den Einsatz des Importarzneimittels. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte die Kosten ursprünglich übernommen, sie im nachhinein jedoch nun ablehne. Es müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte das sozialmedizinische Gutachten des Dr. Bi. vom MDK in H. vom 19. Oktober 2006 vor. Er verwies auf die fehlende Zulassung und vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien nicht gegeben.
Das SG erhob die schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugen des Dr. Ma. vom 22. Januar 2007, der auch sämtliche bei ihm vorhandenen Behandlungsunterlagen mit vorlegte. Ferner wurde Dr. A. am 22. Juni 2007 vom SG als Zeuge vernommen. Auf die schriftlichen Auskünfte und die Niederschrift über die Zeugenvernehmung wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 15. Oktober 2007, dem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 07. November 2007 zugestellt, wies das SG die Klage ab. Von dem Ausschluss nicht zugelassener Arzneimittel sehe die höchstrichterliche Rechtsprechung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen ab. Eine solche Ausnahmesituation sei hier nicht gegeben. Sie werde beispielsweise dann angenommen, wenn ein Versicherter an einer sehr seltenen, einer systematischen Erforschung von darauf bezogenen Therapiemöglichkeiten nicht zugänglichen Krankheit leide, für die keine anderen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stünden. An einer solchen Erkrankung leide die Klägerin nicht, da der bei der Klägerin vorliegende Drei-Koronar-Spasmus nach den Ausführungen des Dr. A. bereits in den 1980er-Jahren in Europa sehr häufig beschrieben worden sei. Auch die Voraussetzungen für einen so genannten Off-Label-Use seien hier nicht zu bejahen, denn das Medikament Dancor sei in Deutschland überhaupt nicht, also auch nicht für die Behandlung einer anderen Krankheit zugelassen. Im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG leide die Klägerin auch nicht an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden oder einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung. Es fehle an einer notstandsähnlichen Situation. Nach Überzeugung der Kammer drohe der Klägerin ohne die Einnahme von Dancor in absehbarer Zeit kein tödlicher Krankheitsverlauf, wie Dr. A. dargelegt habe.
Dagegen hat die Klägerin am 03. Dezember 2007 beim SG schriftlich Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 02. März 2009 die bisher entstandenen Kosten für das Medikament Dancor mit EUR 1.732,60 beziffert, das Schreiben der Firma M. (Dr. Kn.) vom 27. November 2007 sowie die Bescheinigung des R.-B.-Krankenhauses vom 02. Juni 2008 über eine stationäre Behandlung dort vom 24. bis 29. Mai 2008 (Diagnose instabile Angina pectoris) vorgelegt. Die Klägerin macht geltend, aus dem vorgelegten Schreiben der Firma M. vom 27. November 2007 ergebe sich, dass für die Firma lediglich wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt hätten, die Zulassung des Medikaments in Deutschland nicht zu betreiben. Diese wirtschaftlichen Gründe könnten nicht dazu führen, dass sie (die Klägerin) darauf verwiesen werde, andere Medikamente einnehmen zu müssen, welche zum einen noch nicht einmal die erforderliche Wirkung erzielten, um ihr ein annähernd normales Leben zu ermöglichen, die zum anderen aber auch erhebliche und sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen hätten. Dies könne weder dem Willen der Krankenkasse noch dem der Rechtsprechung noch dem des Gesetzgebers entsprechen. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Beklagte zunächst für über eineinhalb Jahre die Bezahlung des Medikaments übernommen habe. Dies zeige, dass Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen haben müsse. Daraus ergebe sich, dass nur die Medikamentierung mit Dancor ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei und auch das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Bei ihr sei jedwede sonstige Medikamentierung versucht worden, jedoch ohne Erfolg. Es müsse auch jede Erkrankung zwingend im Hinblick auf die Wechselwirkung mit anderen Erkrankungen und Eigenschaften einer Person individuell betrachtet werden. Dabei ergebe sich, dass ihr im Hinblick auf Wechselwirkungen von Medikamenten und ihren Nebenwirkungen nur durch Dancor tatsächlich habe geholfen werden können. Im Hinblick auf die erforderliche individuelle Betrachtung sei die bei ihr vorliegende Erkrankung eine besonders seltene und auch unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankung. Es sei nachgewiesen, dass ihr mit Calziumantagonisten und Nitraten nicht habe geholfen werden können. Die jetzige Leistungsverweigerung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtswidrig, nachdem sie das Medikament auf Kosten der Beklagten zunächst für eineinhalb Jahre bekommen gehabt habe. Die Unterlagen, die zur früheren Bewilligung geführt hätten, seien bisher nicht vorgelegt worden. Bei fehlender Behandlung seien auftretende Arrhythmien lebensbedrohlich. Auch Wasseransammlungen bei anderweitiger Behandlung seien lebensbedrohlich. Das SG habe ihre Erkrankung und eventuelle Nebenwirkungen anderer Behandlungen verharmlost. Am 24. Mai 2008 sei sie als Notfall im R. B.-Krankenhaus aufgenommen worden. Es seien wieder einige neue Medikamentenzusammensetzungen ausprobiert worden. Das Medikament Dancor sei jedoch weiterhin als Hauptmedikation beibehalten worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 zu verurteilen, ihr für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 EUR 1.732,60 zu erstatten und künftig die Kosten für das ärztlich verordnete Medikament Dancor zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie habe die Kosten für das streitige Medikament im Zeitraum von September 2004 bis August 2005 aufgrund der vorgelegten Verordnungen des Prof. Dr. S. übernommen. Die Abrechnung mit ihr sei über ein Apothekenabrechnungszentrum erfolgt. Eine Bewilligung mittels Verwaltungsakt habe nicht vorgelegen. Das Medikament Dancor sei nach dem AMG zulassungspflichtig und in Deutschland nicht zugelassen. Es gehöre hier daher grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Der bei der Klägerin vorliegende Drei-Coronar-Spasmus sei schon in den Achtziger Jahren in Europa sehr häufig beschrieben worden. In ganz Deutschland gebe es Zentren, in denen das Krankheitsbild untersucht und therapiert werde. Mit Calziumantagonisten und Nitraten gebe es auch in Deutschland zugelassene Medikamente zur Behandlung. Hierauf weise auch der Hersteller des Medikaments, die Firma M., im von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 27. November 2007 hin. Auch die vom BSG entwickelten Grundsätze des Off-Label-Use kämen hier nicht zur Anwendung, denn das Medikament Dancor sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen. Die Beklagte hat auch eine Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Klägerin eingereicht.
Der Berichterstatter des Senats hat den Klinikbericht des Prof. Dr. S. vom 24. Mai 2008 beigezogen, ferner die Behandlungsunterlagen des Dr. Ma ...
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund der Zustimmungserklärungen der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da die Klägerin den (geltend gemachten) Erstattungsbetrag für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 mit EUR 1.732,60 (allerdings ohne den Abzug von Zuzahlungen nach § 61 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), die sie mit EUR 5,00 pro Packung jedenfalls bis September 2005 selbst hatte aufwenden müssen) beziffert hat, also mit mehr als EUR 500,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung)., Zudem begehrt sie die Gewährung als Dauerleistung, d.h. über ein Jahr hinaus begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat, wie auch das SG zutreffend entschieden hat, schon zu Recht die Zurverfügungstellung des Medikaments Dancor zur (Mit-)Behandlung von Coronarspasmen ab Oktober 2005 abgelehnt. Daher steht der Klägerin für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 kein nach § 13 Abs. 3 SGB V zu beurteilender Kostenerstattungsanspruch (den sie mit EUR 1.732,60 beziffert hat) zu. Sie kann ferner auch zukünftig nicht nach den §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zurverfügungstellung des Medikaments als Sachleistung beanspruchen.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Eine unaufschiebbare Leistung lag ersichtlich nicht vor, denn die Klägerin hat Dancor stets, wie sich aus den Berichten des R. B. Krankenhauses ergibt, stets neben zahlreichen anderen Medikamenten angewendet. Die Anwendung von Dancor erschien nicht als so dringlich, dass aus medizinischere Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs zu der Entscheidung der Beklagten mehr bestand.
Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V sind nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung (hier mittels des Medikaments Dancor) zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 3; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Der Anspruch der Klägerin scheitert hier schon daran, dass ein entsprechender Sachleistungsanspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 31 SGB V nicht besteht. Dies hat das SG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG (Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), die wiederum das BSG seiner neueren Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert hat, zutreffend dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils des SG verweist.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren noch auf Folgendes hinzuweisen: Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Firma M. (Dr. Kn.) ergibt sich, dass das Medikaments Dancor weder in Deutschland zugelassen wurde noch das zentrale oder dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlief (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 1). Diese Zulassung wird danach auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht betrieben, wobei jedoch ersichtlich vom Hersteller des in Österreich zugelassenen und vertriebenen Medikaments auch die anderen "heutigen medikamentösen Möglichkeiten" in Betracht gezogen werden. Es liegt also für Dancor in Deutschland und auch nicht aufgrund eines europarechtlichen Anerkennungsverfahrens die Zulassung für eine andere Indikation, als sie bei der Klägerin bejaht wird, vor, weshalb die Rechtsprechung zum so genannten Off-Label-Use bei schwerwiegenden Erkrankungen hier schon deswegen keine Anwendung findet, unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des Off-Label-Use. Die bei der Klägerin auch mit Dancor behandelten Coronarspasmen stellen ferner keine Krankheit dar, die so selten ist, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet.
Zutreffend hat das SG schließlich auch dargelegt, dass bei der Klägerin schon keine notstandsähnliche Extremsituation vorliegt, bei der - unter weiteren engeren Voraussetzungen - der Versicherte die Versorgung mit arzneimittelrechtlich in Deutschland bzw. aufgrund europarechtlichen Anerkennungsverfahrens nicht zugelassener so genannter Import-Fertigarzneimittel beanspruchen kann. Diese notstandsähnliche Extremsituation verlangt, dass nach den konkreten Umständen des Falles drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Körperorgans oder einer hervorgehobenen Körperfunktion gelten (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Dass eine notstandsähnliche Extremsituation bei der Klägerin nicht vorliegt, entnimmt auch der Senat der Zeugenaussage des Dr. A. vom 22. Juni 2007. Der behandelnde Arzt hat bei der Klägerin im Hinblick auf die funktionellen Störungen der Herzkranzgefäße (Coronarspasmen) eine lebensbedrohliche regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit verneint. Dabei hat der Arzt auch hervorgehoben, dass die Klägerin beispielsweise im April 2005 trotz der Mitbehandlung mit Dancor täglich Beschwerden angegeben hatte, allerdings bei viel emotionalem und familiärem Stress. Eine solche notstandsähnliche Extremsituation ergibt sich hier nicht daraus, dass Dr. A. ausgesagt hat, nach neuesten Daten der Klinik könne sich bei bis zu 20 v.H. der Patienten mit Coronarspasmen ein Herzinfarkt entwickeln. Diese bloße Möglichkeit genügt nicht, weshalb es auch nicht darauf ankommt, dass Dr. Bi. ebenfalls annimmt, potentiell könne es zu schweren Herzrhythmusstörungen bei einem Spasmus kommen, die tödlich sein könnten. Dr. A. hat zwar ferner dargelegt, die Lebensqualität sei auf Dauer bei bis zu ungefähr 67 v.H. der Patienten mit Coronarspasmen eingeschränkt. Die Beeinträchtigung entstehe durch immer wieder auftretende Beschwerden, die mit Angst einhergingen. Häufige Arztbesuche seien in der Regel notwendig und es werde häufig die Medikation geändert. Letzteres wird auch durch die von Dr. Ma. vorgelegten Arztbriefe und Klinikberichte belegt, aus denen sich allerdings Arztbesuche, Klinikaufenthalte sowie Medikamentenverordnungen nicht lediglich wegen Coronarspasmen, sondern auch wegen zahlreicher anderer Erkrankungen ergeben. Die genannte Einschränkung der Lebensqualität des Klägers, selbst wenn sie bei der Klägerin vorliegt, rechtfertigt jedoch nicht die Bejahung einer notstandsähnlichen Extremsituation, die es unter Ausschaltung des institutionellen Schutzes, den das für Deutschland erforderliche Arzneimittelzulassungsverfahren bietet, das gesetzliche und untergesetzliche Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung aus übergeordneten verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln ausnahmsweise zurücktreten zu lassen und es übergesetzlich zu modifizieren. Der Gesundheitszustand der Klägerin kann insoweit nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit auf eine Stufe gestellt werden (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 und SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Soweit die Klägerin zuletzt vom 24. bis 29. Mai 2008, obwohl sie ersichtlich in der Zeit davor das Medikament Dancor eingenommen hatte, notfallmäßig wegen verstärkter Beschwerden (retrosternales Brennen, welches in den Hals und den linken und zum Teil bei heftigen Beschwerden auch in den rechten Arm ausstrahlte) stationär im R.-B.-Krankenhaus aufgenommen worden war, wo ein akutes Infarktgeschehen verneint und die medikamentöse Therapie umgestellt wurde (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 25. Mai 2008), ergibt sich daraus keine solche notstandsähnliche Extremsituation, die hier die Dauermedikation auch mit Dancor neben zahlreichen anderen Medikamenten, die immer wieder geändert wurden, zulassen würde. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass Coronarspasmen immer wieder zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit führen könnten, unabhängig, dass nach dem von der Beklagten vorgelegten Leistungsauszug in der Zeit seit Oktober 2005, also auch in der Zeit, in der die Klägerin weiterhin Dancor verordnet erhalten hatte, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Angina pectoris mit nachgewiesenem Coronarspasmus vorgelegen haben.
Darauf, dass die Beklagte der Klägerin das ärztlich verordnete Medikament Dancor bis September 2005 als Sachleistung zur Verfügung gestellt hatte, kann sich die Klägerin für die Zeit danach nicht berufen. Es lag nicht etwa eine bescheidmäßige Dauerbewilligung vor, die nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) hätte aufgehoben werden können. Mithin konnte die Klägerin daraus, dass tatsächlich die ärztlichen Verordnungen über die Apotheke als Sachleistungen zu Lasten der Beklagten abgerechnet wurden, keinen Vertrauensschutz herleiten.
Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 für das in Deutschland nicht zugelassene Medikament "Nicorandil (Dancor)" EUR 1.732,60 zu erstatten und sie künftig mit diesem Medikament zu versorgen hat.
Die am 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 01. April 2002 pflichtversichert. Sie ist als gelernte kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung (Abteilung Fakturierung Ausland) bei einem Autohersteller tätig, und zwar seit 01. Dezember 2006 in der bis zum 31. Mai 2009 dauernden Arbeitsphase der Altersteilzeit; die Ruhephase begann am 01. Juni 2009. Bei ihr besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Bei der Klägerin war es im Januar 1999 zu einem Kreislaufzusammenbruch gekommen. Vom 09. bis 22. September 1999 wurde die Klägerin stationär im Zentrum für Innere Medizin des K.-hospitals S. behandelt. Im Arztbrief des Prof. Dr. Bo. vom 22. September 1999 wurden folgende Diagnosen genannt: Coronare Herzkrankheit (1-Gefäß-Erkrankung), Verdacht auf intramuralen Vorderwandinfarkt 7/1999, Zustand nach PTCA und Stent-Implantation einer proximalen RIVA sowie PTCA, eine mittlere RIVA-Stenose am 10. September 1999, Zustand nach HE bei Myomen, Fettstoffwechselstörung (kardiovaskulärer Risikofaktor). Vom 28. September bis 19. Oktober 1999 fand dann auf Kosten des Rentenversicherungsträgers (damals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) als Anschlussheilbehandlung eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in den Reha-Einrichtungen der Stadt R. (Herz-Kreislauf-Klinik M.) statt (vgl. Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. G. vom 08. November 1999). In der Folgezeit fanden auch weitere stationäre Rehabilitationsbehandlungen auf Kosten des Rentenversicherungsträgers bzw. der Beklagten bzw. der privaten Zusatzversicherung der Klägerin statt. Ambulant internistisch wurde die Klägerin durch Dres. F. und Kl. behandelt, ferner auch ambulant bzw. stationär in der Abteilung für Innere Medizin 3 (Schwerpunkte Kardiologie und Pulmologie) des R.-B.-Krankenhauses (Chefarzt Prof. Dr. S.). Es erfolgten vor allem medikamentöse Behandlungen. Im Arztbrief vom 05. Mai 2004 (stationäre Behandlung vom 04. bis 06. Mai 2004) empfahl Prof. Dr. S. bei massivem Spasmus eine antianginöse Therapie mit ISDN und Calziumantagonisten (z.B. Amlopidin). Am 21. Mai 2004 wurde die Dosierung von Amlodipin erhöht. Am 22. Juni 2004 gab die Klägerin gegenüber Prof. Dr. S. ausgeprägte periphere Ödeme und Schmerzen in den Unterschenkeln an; die Ödeme wurden als Nebenwirkung des Calziumantagonisten angesehen (Arztbrief vom 23. Juni 2004). Am 27. August 2004 stellte sich die Klägerin erneut im R.-B.-Krankenhaus vor; sie gab u.a. an, sie habe sehr dicke Beine und auch dort Schmerzen. Im Vordergrund der Symptomatik standen nach dem Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 06. September 2004 periphere Ödeme, die mit ausgeprägten Schmerzen einhergingen. Es wurde auf Wunsch der Klägerin ein Auslassversuch des Amlodipin empfohlen. Auf einen alternativen Calziumantagonisten wurde auf Wunsch der Klägerin verzichtet, da sie befürchtete, dieser würde auch periphere Ödeme verursachen. Am 01. September 2004 bezeichnete die Klägerin ihre Situation als unerträglich, sie habe wieder heftige pectaginöse Beschwerden. Da Calziumantagonisten wegen der Nebenwirkungen und der Hypotonie nicht verordnet werden konnten, wurde der Klägerin auch auf ihren Wunsch Nicorandil (Dancor) empfohlen. Dieses Medikament ist in Deutschland nicht zugelassen; es musste über eine internationale Apotheke aus Österreich bezogen werden. In der Folgezeit stellte Prof. Dr. S. der Klägerin entsprechende Verordnungen über Dancor aus (23. September, 01. Oktober und 17. Dezember 2004, ferner 18. Januar, 11. Februar, 10. März, 04. April, 09. Mai, 09. Juni, 25. Juli und 09. August 2005). Die Klägerin bezog das Medikament über die S.-Apotheke in W.-B. jeweils zum Preis pro Packung von EUR 25,50 (bis Januar 2005) bzw. EUR 27,50 (ab Februar 2005). Die Abrechnung erfolgte über die Beklagte. Die Klägerin leistete pro ärztlicher Verordnung eine Zuzahlung von EUR 5,00. Bei der ambulanten Vorstellung im Dezember 2004 im R.-B.-Krankenhaus hatte die Klägerin angegeben, dass sie immer wieder thorakale Schmerzen und Dyspnoe in Ruhe habe. Die Symptomatik trete unter der antianginösen medikamentösen Therapie, bestehend aus ISDN und Nicorandil, auf. Da die Beschwerden jedoch im Vergleich zu früher seltener und nicht mehr so intensiv aufgetreten waren, wurde in der Klinik die Medikation unverändert belassen (Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 11. Januar 2005). Bei der ambulanten Vorstellung am 04. April 2005 berichtete die Klägerin, dass sie in den letzten Monaten viel Stress gehabt habe (Pflege der Mutter). Sie habe jeden Tag unter emotionalem Stress ein retrosternales Brennen und Schmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm gehabt. Die Symptomatik wurde nach Einnahme von Nitrokapseln besser. Im Verlauf seien die Beschwerden beim Versuch, Stress abzubauen, seltener geworden. Die Beschwerden bei der Klägerin wurden als stressinduziert angesehen (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 13. Mai 2005). Bei der weiteren ambulanten Vorstellung am 05. Dezember 2005 hatte die Klägerin angegeben, mit dem Medikament Dancor für eine Woche pausiert zu haben. Nach dem Absetzen habe sie heftige thorakale Schmerzen bekommen, sodass sie das Medikament wieder habe einsetzen müssen, worauf sie eine Besserung ihrer Beschwerden bemerkt habe. Im Arztbrief von Prof. Dr. S. vom 27. Dezember 2005 wurde ferner ausgeführt, Mosidomin als Alternative zu Dancor könne gegebenenfalls empirisch eingesetzt werden. Dieses werde jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zu keiner Besserung führen. Der Therapievorschlag im Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 17. März 2006 enthielt auch "Molsidomin 8 mg zB. Corvaton ert". Prof. Dr. S. empfahl, Dancor weiterhin einzunehmen, da die Klägerin berichte, hierunter eine deutliche Besserung zu spüren. Bei der Vorstellung bei Dr. Kl. im Dezember 2005 gab die Klägerin immer wieder pectanginöse Beschwerden bei größerer körperlicher Belastung an. Dancor würde ihr deutlich helfen. Dr. Kl. gab im Arztbrief vom 28. Dezember 2005 an, die Klägerin sei darauf fixiert, dass ihr nur Dancor helfen könne.
Am 25. Oktober 2005 hatte Prof. Dr. S. der Klägerin eine weitere Verordnung über Dancor ausgestellt. Diese reichte die S.-Apotheke mit Schreiben vom 03. November 2005 mit einem "Kostenvoranschlag zur Belieferung von Importarzneimitteln" der Beklagten ein mit der Bitte, eine Dauergenehmigung zur Belieferung der Klägerin mit Dancor zu erteilen, da es sich um eine Dauermedikation handle. Es erfolge ein Import aus Österreich von der Firma M ... Die Beklagte teilte der Apotheke daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei, da dieses Medikament keine Zulassung in der Europäischen Union (EU) habe. Ein entsprechender Antrag auf Zulassung sei vom Hersteller bereits 1996 zurückgezogen worden. Die Klägerin wandte sich daraufhin (Schreiben vom "01. April 2005", bei der Beklagten am 09. November 2005 eingegangen) an die Beklagte. Sie machte geltend, vor der Einführung der EU-Zulassung sei das Medikament Dancor auf dem Markt gewesen. Es gebe keine allgemeine Zulassung für dieses Medikament. Es sei jedoch in Österreich, in der Schweiz, in Großbritannien, Frankreich und in Portugal zugelassen; dort werde es angewendet. Im Mai 2004 sei sie, nachdem vermehrt Herzprobleme aufgetreten seien, zu einer Herzkatheteruntersuchung im R.-B.-Krankenhaus gewesen. Durch neue Untersuchungsmethoden sei dort festgestellt worden, dass sie unter einem Drei-Coronar-Spasmus leide, d.h. unter Anstrengung, Stress usw. zögen sich alle drei Herzkranzgefäße zusammen und erzeugten so die so genannten Angina-Pectoris-Anfälle. Die Anfälle, die sie bis dahin einige Male am Tag bekommen habe, hätten zur Folge, dass sie immer wieder Auszeiten gehabt habe und krankgeschrieben worden sei. Nachdem dies festgestellt worden sei, habe das R.-B.-Krankenhaus sie in eine Studie über diese Erkrankung aufgenommen. Sie habe alle vier Wochen zur Untersuchung und Medikamenteneinstellung in die Ambulanz kommen müssen. Dort habe man mit verschiedenen Medikamenten versucht, die Anfälle zu reduzieren. Bei den meisten Medikamenten sei die Anfallshäufigkeit zwar verringert worden, sie hätten jedoch andere Nebenwirkungen, wie Ödeme in den Beinen, Luftnot durch Wasseransammlung im ganzen Körper, erzeugt. Nach mehreren Monaten habe sie das Medikament Dancor erhalten, wobei sich nach vier Wochen herausgestellt habe, dass sie dieses Medikament sehr gut vertrage. Im Laufe dessen Einnahme habe sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert. Bisher habe die Beklagte das Medikament anstandslos übernommen. Nun habe ihr Apotheker ihr mitgeteilt, dass aufgrund neuer Gesetze die Krankenkasse zustimmen müsse, wenn das Medikament wieder übernommen werden solle. Die Beklagte habe nun der Apotheke mitgeteilt, dass das Medikament, welches EUR 27,00 pro Packung koste, nicht mehr von der Kasse übernommen werde. Die Klägerin bat um Überprüfung dieser ablehnenden Entscheidung, die für sie zur Folge hätte, dass sie wieder alle vier Wochen ins R.-B.-Krankenhaus gehen müsse, damit man dort versuche, andere Medikamente zu finden, die ihr helfen würden. Sie müsste dann mit den Nebenwirkungen fertig werden. Außerdem könnte dies zur Folge haben, dass sie dann wieder stationär aufgenommen werden müsste zu einer Herzkatheteruntersuchung. Auch dadurch würden enorme Kosten verursacht. Weiter müsse auch berücksichtigt werden, dass sie dann wieder vermehrt Herzanfälle bekommen würde und erneut Ausfallzeiten eintreten würden. Es sei ihr nicht möglich, da sie zwei Packungen der Tabletten monatlich benötige, die Kosten selbst zu übernehmen, denn sie sei auch auf andere Medikamente angewiesen und müsse deswegen erhebliche Zuzahlungen leisten. Bei der Beklagten ging auch ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin Dr. A. vom R.-B.-Krankenhaus vom 17. November 2005 ein. Darin wurde ausgeführt, bei der Klägerin seien im Mai 2000 ein massiver Drei-Gefäßspasmus festgestellt worden. Nach der Diagnosestellung sei im Krankenhaus eine konventionelle medikamentöse Therapie mit Amlodipin und ISDN begonnen worden. Darunter habe eine therapierefraktäre Angina pectoris bestanden. Ferner seien ausgeprägte Nebenwirkungen der Calziumantagonistentherapie in Form von massiven Ödemen und Hypertonie aufgetreten, sodass diese Substanzen hätten abgesetzt werden müssen. Die Hauptpfeiler der medikamentösen Therapie der vasospastischen Angina stellten die Calziumantagonisten und die Nitrate dar. Bei der Klägerin habe jedoch der Calziumantagonist wegen der Nebenwirkungen abgesetzt werden müssen. Daraufhin sei Nebivolol eingesetzt worden. Dieses habe jedoch zu keiner Besserung der Symptomatik geführt, sodass die Klägerin weiterhin über therapierefraktäre pectaginöse Beschwerden geklagt habe. Als Ultima Ratio sei dann der Klägerin der Wirkstoff Nicorandil in einer Dosierung von dreimal zehn mg empfohlen worden. Unter dieser Substanz habe die Symptomatik gebessert werden können, wobei jedoch keine vollständige Beschwerdefreiheit erzielt worden sei. Die Klägerin habe sich jedoch mit dem kardialen Zustand arrangieren können und sei froh gewesen, dass unter diesem Wirkstoff eine Besserung eingetreten sei. Die Wirkung von Nicorandil bei vasospastischer Angina sei sowohl von japanischen als auch von europäischen Arbeitsgruppen beschrieben worden. Dieses Medikament werde im Ausland häufig bei therapierefraktärer vasospastischer Angina eingesetzt. In Deutschland gebe es keine Zulassung, sodass die Substanz aus Österreich oder der Schweiz importiert werden müsse. Bei der Klägerin habe allein unter der Kombination von Nicorandil, ISDN ret. und Nebivolol eine Besserung der Symptomatik erzielt werden können. Weitere Therapieversuche mit anderen Calziumantagonisten würden nicht für sinnvoll gehalten, da auch darunter massive Nebenwirkungen zu erwarten seien.
Die Beklagte erhob die Stellungnahme des Dr. O. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in Waiblingen vom 22. November 2005 ein. Darin wurde ausgeführt, dass Nicorandil bereits eingesetzt worden sei, was zu einer leichten Besserung der Symptomatik geführt habe. Es handle sich dabei jedoch um ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel, sodass die aktuelle Rechtslage eine Kostenübernahme seitens der Beklagten nicht vorsehe bzw. verbiete. Als Therapiealternative wäre hier jedoch auch noch eine Therapie mit dem in Deutschland zugelassenen Medikament Molsidomin aufzuführen. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 lehnte die Beklagte auf diese Stellungnahme gestützt die Kostenübernahme ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Ablehnung sei für sie überraschend gekommen, nachdem die Beklagte zunächst über längere Zeit die Kosten für das Medikament übernommen habe. Die Kosten dafür seien auch gering. Die Kosten des Medikaments Dancor würden im Übrigen von anderen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Soweit der MDK auf das Medikament Molsidomin verweise, hätten die Ärzte des R.-B.-Krankenhauses ihr erklärt, dass dieses Medikament in ihrem Fall keine Wirkung zeigen werde. Man habe ihr weiter erklärt, dass es im Augenblick kein anderes Medikament gebe, welches ihr helfen könne. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestimmten Widerspruchsausschusses vom 28. März 2008 wurde ausgeführt, trotz des grundsätzlichen Leistungsausschusses nach § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) könne in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation eine Leistungspflicht einer gesetzlichen Krankenkasse gegeben sein. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn es sich um eine einzigartige Erkrankung handle, die weltweit nur extrem selten auftrete und die deshalb im nationalen wie internationalen Rahmen weder systematisch erforscht sei noch systematisch behandelt werden könne. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Am 18. April 2006 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie benannte die sie behandelnden Ärzte und begehrte die Verurteilung der Beklagten, die Kosten für das Arzneimittel Dancor 10 zur Arzneimitteltherapie zu übernehmen. Die von ihr bis Juli 2007 insoweit entstandenen Auflagen bezifferte sie auf EUR 907,39. Dazu reichte sie Verordnungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 30. Januar, 23. Mai, 18. September und 21. Dezember 2006, ferner vom 08. Januar, 12. April und 26. Juni 2007, weiter Aufstellungen der S.-Apotheke vom 30. Dezember 2006/09. Januar 2007 und 31. Juli 2007 sowie deren Quittung vom 09. Januar 2007 ein. Sie trägt vor, ihr Anspruch rechtfertige sich aus den Grundsätzen, die bezüglich der Versorgung mit Medikamenten außerhalb ihres Zulassungsbereichs bereits vom Bundessozialgericht (BSG) zum so genannten Off-Label-Use aufgestellt worden seien. Bei ihr liege eine schwere Erkrankung vor. Insoweit bestätige auch der von der Beklagten beauftragte Arzt Dr. Bi. in der Stellungnahme vom 19. Oktober 2006, dass bei ihr die Möglichkeit lebensbedrohlicher Arrhythmien bestünden. Die Erkrankung beeinträchtige auch ihre Lebensqualität auf Dauer. Andere bereits getestete Therapien stünden nicht zur Verfügung; sie seien nicht zumutbar, da sie erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Es sei auch klar und offensichtlich, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werde. Allein die Tatsache, dass das Medikament in Nachbarländern, wie in Österreich und in der Schweiz, zugelassen sei, weise Erkenntnisse über die Qualität und die Wirksamkeit des Arzneimittels sowie die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit nach. Das Gutachten des Dr. Bi. sei auch widersprüchlich. Sie beziehe sich auf die Urteile des BSG vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) und vom 04. April 2006 (B 1 KR 7/05 R). Ferner verweise sie auch auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98). Insoweit bestehe eine Versorgungslücke. Es sei auch nachgewiesen, dass jede andere Therapiemöglichkeit ausgeschöpft bzw. aus zwingenden medizinischen Gründen nicht in Betracht komme. Eine abstrakte sowie konkrete Nutzen/Risikoanalyse spreche für den Einsatz des Importarzneimittels. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte die Kosten ursprünglich übernommen, sie im nachhinein jedoch nun ablehne. Es müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte das sozialmedizinische Gutachten des Dr. Bi. vom MDK in H. vom 19. Oktober 2006 vor. Er verwies auf die fehlende Zulassung und vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien nicht gegeben.
Das SG erhob die schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugen des Dr. Ma. vom 22. Januar 2007, der auch sämtliche bei ihm vorhandenen Behandlungsunterlagen mit vorlegte. Ferner wurde Dr. A. am 22. Juni 2007 vom SG als Zeuge vernommen. Auf die schriftlichen Auskünfte und die Niederschrift über die Zeugenvernehmung wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 15. Oktober 2007, dem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 07. November 2007 zugestellt, wies das SG die Klage ab. Von dem Ausschluss nicht zugelassener Arzneimittel sehe die höchstrichterliche Rechtsprechung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen ab. Eine solche Ausnahmesituation sei hier nicht gegeben. Sie werde beispielsweise dann angenommen, wenn ein Versicherter an einer sehr seltenen, einer systematischen Erforschung von darauf bezogenen Therapiemöglichkeiten nicht zugänglichen Krankheit leide, für die keine anderen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stünden. An einer solchen Erkrankung leide die Klägerin nicht, da der bei der Klägerin vorliegende Drei-Koronar-Spasmus nach den Ausführungen des Dr. A. bereits in den 1980er-Jahren in Europa sehr häufig beschrieben worden sei. Auch die Voraussetzungen für einen so genannten Off-Label-Use seien hier nicht zu bejahen, denn das Medikament Dancor sei in Deutschland überhaupt nicht, also auch nicht für die Behandlung einer anderen Krankheit zugelassen. Im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG leide die Klägerin auch nicht an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden oder einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung. Es fehle an einer notstandsähnlichen Situation. Nach Überzeugung der Kammer drohe der Klägerin ohne die Einnahme von Dancor in absehbarer Zeit kein tödlicher Krankheitsverlauf, wie Dr. A. dargelegt habe.
Dagegen hat die Klägerin am 03. Dezember 2007 beim SG schriftlich Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 02. März 2009 die bisher entstandenen Kosten für das Medikament Dancor mit EUR 1.732,60 beziffert, das Schreiben der Firma M. (Dr. Kn.) vom 27. November 2007 sowie die Bescheinigung des R.-B.-Krankenhauses vom 02. Juni 2008 über eine stationäre Behandlung dort vom 24. bis 29. Mai 2008 (Diagnose instabile Angina pectoris) vorgelegt. Die Klägerin macht geltend, aus dem vorgelegten Schreiben der Firma M. vom 27. November 2007 ergebe sich, dass für die Firma lediglich wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt hätten, die Zulassung des Medikaments in Deutschland nicht zu betreiben. Diese wirtschaftlichen Gründe könnten nicht dazu führen, dass sie (die Klägerin) darauf verwiesen werde, andere Medikamente einnehmen zu müssen, welche zum einen noch nicht einmal die erforderliche Wirkung erzielten, um ihr ein annähernd normales Leben zu ermöglichen, die zum anderen aber auch erhebliche und sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen hätten. Dies könne weder dem Willen der Krankenkasse noch dem der Rechtsprechung noch dem des Gesetzgebers entsprechen. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Beklagte zunächst für über eineinhalb Jahre die Bezahlung des Medikaments übernommen habe. Dies zeige, dass Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen haben müsse. Daraus ergebe sich, dass nur die Medikamentierung mit Dancor ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei und auch das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Bei ihr sei jedwede sonstige Medikamentierung versucht worden, jedoch ohne Erfolg. Es müsse auch jede Erkrankung zwingend im Hinblick auf die Wechselwirkung mit anderen Erkrankungen und Eigenschaften einer Person individuell betrachtet werden. Dabei ergebe sich, dass ihr im Hinblick auf Wechselwirkungen von Medikamenten und ihren Nebenwirkungen nur durch Dancor tatsächlich habe geholfen werden können. Im Hinblick auf die erforderliche individuelle Betrachtung sei die bei ihr vorliegende Erkrankung eine besonders seltene und auch unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankung. Es sei nachgewiesen, dass ihr mit Calziumantagonisten und Nitraten nicht habe geholfen werden können. Die jetzige Leistungsverweigerung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtswidrig, nachdem sie das Medikament auf Kosten der Beklagten zunächst für eineinhalb Jahre bekommen gehabt habe. Die Unterlagen, die zur früheren Bewilligung geführt hätten, seien bisher nicht vorgelegt worden. Bei fehlender Behandlung seien auftretende Arrhythmien lebensbedrohlich. Auch Wasseransammlungen bei anderweitiger Behandlung seien lebensbedrohlich. Das SG habe ihre Erkrankung und eventuelle Nebenwirkungen anderer Behandlungen verharmlost. Am 24. Mai 2008 sei sie als Notfall im R. B.-Krankenhaus aufgenommen worden. Es seien wieder einige neue Medikamentenzusammensetzungen ausprobiert worden. Das Medikament Dancor sei jedoch weiterhin als Hauptmedikation beibehalten worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 zu verurteilen, ihr für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 EUR 1.732,60 zu erstatten und künftig die Kosten für das ärztlich verordnete Medikament Dancor zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie habe die Kosten für das streitige Medikament im Zeitraum von September 2004 bis August 2005 aufgrund der vorgelegten Verordnungen des Prof. Dr. S. übernommen. Die Abrechnung mit ihr sei über ein Apothekenabrechnungszentrum erfolgt. Eine Bewilligung mittels Verwaltungsakt habe nicht vorgelegen. Das Medikament Dancor sei nach dem AMG zulassungspflichtig und in Deutschland nicht zugelassen. Es gehöre hier daher grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Der bei der Klägerin vorliegende Drei-Coronar-Spasmus sei schon in den Achtziger Jahren in Europa sehr häufig beschrieben worden. In ganz Deutschland gebe es Zentren, in denen das Krankheitsbild untersucht und therapiert werde. Mit Calziumantagonisten und Nitraten gebe es auch in Deutschland zugelassene Medikamente zur Behandlung. Hierauf weise auch der Hersteller des Medikaments, die Firma M., im von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 27. November 2007 hin. Auch die vom BSG entwickelten Grundsätze des Off-Label-Use kämen hier nicht zur Anwendung, denn das Medikament Dancor sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen. Die Beklagte hat auch eine Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Klägerin eingereicht.
Der Berichterstatter des Senats hat den Klinikbericht des Prof. Dr. S. vom 24. Mai 2008 beigezogen, ferner die Behandlungsunterlagen des Dr. Ma ...
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund der Zustimmungserklärungen der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da die Klägerin den (geltend gemachten) Erstattungsbetrag für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 mit EUR 1.732,60 (allerdings ohne den Abzug von Zuzahlungen nach § 61 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), die sie mit EUR 5,00 pro Packung jedenfalls bis September 2005 selbst hatte aufwenden müssen) beziffert hat, also mit mehr als EUR 500,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung)., Zudem begehrt sie die Gewährung als Dauerleistung, d.h. über ein Jahr hinaus begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat, wie auch das SG zutreffend entschieden hat, schon zu Recht die Zurverfügungstellung des Medikaments Dancor zur (Mit-)Behandlung von Coronarspasmen ab Oktober 2005 abgelehnt. Daher steht der Klägerin für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2009 kein nach § 13 Abs. 3 SGB V zu beurteilender Kostenerstattungsanspruch (den sie mit EUR 1.732,60 beziffert hat) zu. Sie kann ferner auch zukünftig nicht nach den §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zurverfügungstellung des Medikaments als Sachleistung beanspruchen.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Eine unaufschiebbare Leistung lag ersichtlich nicht vor, denn die Klägerin hat Dancor stets, wie sich aus den Berichten des R. B. Krankenhauses ergibt, stets neben zahlreichen anderen Medikamenten angewendet. Die Anwendung von Dancor erschien nicht als so dringlich, dass aus medizinischere Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs zu der Entscheidung der Beklagten mehr bestand.
Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V sind nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung (hier mittels des Medikaments Dancor) zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 3; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Der Anspruch der Klägerin scheitert hier schon daran, dass ein entsprechender Sachleistungsanspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 31 SGB V nicht besteht. Dies hat das SG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG (Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), die wiederum das BSG seiner neueren Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert hat, zutreffend dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils des SG verweist.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren noch auf Folgendes hinzuweisen: Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Firma M. (Dr. Kn.) ergibt sich, dass das Medikaments Dancor weder in Deutschland zugelassen wurde noch das zentrale oder dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlief (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 1). Diese Zulassung wird danach auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht betrieben, wobei jedoch ersichtlich vom Hersteller des in Österreich zugelassenen und vertriebenen Medikaments auch die anderen "heutigen medikamentösen Möglichkeiten" in Betracht gezogen werden. Es liegt also für Dancor in Deutschland und auch nicht aufgrund eines europarechtlichen Anerkennungsverfahrens die Zulassung für eine andere Indikation, als sie bei der Klägerin bejaht wird, vor, weshalb die Rechtsprechung zum so genannten Off-Label-Use bei schwerwiegenden Erkrankungen hier schon deswegen keine Anwendung findet, unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des Off-Label-Use. Die bei der Klägerin auch mit Dancor behandelten Coronarspasmen stellen ferner keine Krankheit dar, die so selten ist, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet.
Zutreffend hat das SG schließlich auch dargelegt, dass bei der Klägerin schon keine notstandsähnliche Extremsituation vorliegt, bei der - unter weiteren engeren Voraussetzungen - der Versicherte die Versorgung mit arzneimittelrechtlich in Deutschland bzw. aufgrund europarechtlichen Anerkennungsverfahrens nicht zugelassener so genannter Import-Fertigarzneimittel beanspruchen kann. Diese notstandsähnliche Extremsituation verlangt, dass nach den konkreten Umständen des Falles drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Körperorgans oder einer hervorgehobenen Körperfunktion gelten (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Dass eine notstandsähnliche Extremsituation bei der Klägerin nicht vorliegt, entnimmt auch der Senat der Zeugenaussage des Dr. A. vom 22. Juni 2007. Der behandelnde Arzt hat bei der Klägerin im Hinblick auf die funktionellen Störungen der Herzkranzgefäße (Coronarspasmen) eine lebensbedrohliche regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit verneint. Dabei hat der Arzt auch hervorgehoben, dass die Klägerin beispielsweise im April 2005 trotz der Mitbehandlung mit Dancor täglich Beschwerden angegeben hatte, allerdings bei viel emotionalem und familiärem Stress. Eine solche notstandsähnliche Extremsituation ergibt sich hier nicht daraus, dass Dr. A. ausgesagt hat, nach neuesten Daten der Klinik könne sich bei bis zu 20 v.H. der Patienten mit Coronarspasmen ein Herzinfarkt entwickeln. Diese bloße Möglichkeit genügt nicht, weshalb es auch nicht darauf ankommt, dass Dr. Bi. ebenfalls annimmt, potentiell könne es zu schweren Herzrhythmusstörungen bei einem Spasmus kommen, die tödlich sein könnten. Dr. A. hat zwar ferner dargelegt, die Lebensqualität sei auf Dauer bei bis zu ungefähr 67 v.H. der Patienten mit Coronarspasmen eingeschränkt. Die Beeinträchtigung entstehe durch immer wieder auftretende Beschwerden, die mit Angst einhergingen. Häufige Arztbesuche seien in der Regel notwendig und es werde häufig die Medikation geändert. Letzteres wird auch durch die von Dr. Ma. vorgelegten Arztbriefe und Klinikberichte belegt, aus denen sich allerdings Arztbesuche, Klinikaufenthalte sowie Medikamentenverordnungen nicht lediglich wegen Coronarspasmen, sondern auch wegen zahlreicher anderer Erkrankungen ergeben. Die genannte Einschränkung der Lebensqualität des Klägers, selbst wenn sie bei der Klägerin vorliegt, rechtfertigt jedoch nicht die Bejahung einer notstandsähnlichen Extremsituation, die es unter Ausschaltung des institutionellen Schutzes, den das für Deutschland erforderliche Arzneimittelzulassungsverfahren bietet, das gesetzliche und untergesetzliche Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung aus übergeordneten verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln ausnahmsweise zurücktreten zu lassen und es übergesetzlich zu modifizieren. Der Gesundheitszustand der Klägerin kann insoweit nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit auf eine Stufe gestellt werden (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 und SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Soweit die Klägerin zuletzt vom 24. bis 29. Mai 2008, obwohl sie ersichtlich in der Zeit davor das Medikament Dancor eingenommen hatte, notfallmäßig wegen verstärkter Beschwerden (retrosternales Brennen, welches in den Hals und den linken und zum Teil bei heftigen Beschwerden auch in den rechten Arm ausstrahlte) stationär im R.-B.-Krankenhaus aufgenommen worden war, wo ein akutes Infarktgeschehen verneint und die medikamentöse Therapie umgestellt wurde (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 25. Mai 2008), ergibt sich daraus keine solche notstandsähnliche Extremsituation, die hier die Dauermedikation auch mit Dancor neben zahlreichen anderen Medikamenten, die immer wieder geändert wurden, zulassen würde. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass Coronarspasmen immer wieder zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit führen könnten, unabhängig, dass nach dem von der Beklagten vorgelegten Leistungsauszug in der Zeit seit Oktober 2005, also auch in der Zeit, in der die Klägerin weiterhin Dancor verordnet erhalten hatte, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Angina pectoris mit nachgewiesenem Coronarspasmus vorgelegen haben.
Darauf, dass die Beklagte der Klägerin das ärztlich verordnete Medikament Dancor bis September 2005 als Sachleistung zur Verfügung gestellt hatte, kann sich die Klägerin für die Zeit danach nicht berufen. Es lag nicht etwa eine bescheidmäßige Dauerbewilligung vor, die nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) hätte aufgehoben werden können. Mithin konnte die Klägerin daraus, dass tatsächlich die ärztlichen Verordnungen über die Apotheke als Sachleistungen zu Lasten der Beklagten abgerechnet wurden, keinen Vertrauensschutz herleiten.
Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved