L 3 AS 2253/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1152/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2253/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.06.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger anstelle des ihm vom Beklagten in Höhe von 1.350 € bewilligten Darlehens einen Anspruch auf Gewährung dieses Betrages als Zuschuss für die Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als Erstausstattung für die am 15.03.2021 bezogene Mietwohnung in der M Straße  in P hat.

Der im Jahr 1965 geborene Kläger und seine Ehefrau lebten als Bedarfsgemeinschaft zusammen und standen u.a. im Jahr 2016 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Jobcenter Stadt H, das ihnen mit Bescheid vom 12.02.2016 für eine Erstausstattung der Wohnung in der S Straße in  H einen Zuschuss in Höhe von 1.151 € gewährte.

Nach einem weiteren im August 2016 gestellten Antrag auf Wohnungserstausstattung für eine Wohnung im Haus Nr. 99 N in W fragte das örtlich zuständige Jobcenter H1 mehrfach nach der Verwendung der im Februar 2016 ausgezahlten 1.151 €. Der Kläger und seine Ehefrau gaben am 04.10.2016 telefonisch an, sie wüssten nicht, was mit der Wohnungserstausstattung geschehen sei, sie dürften die „Ex-Wohnung“ nicht mehr betreten.

Mit Bescheid vom 13.04.2018 gewährte das Jobcenter H1 der Bedarfsgemeinschaft ein Darlehen für die Ersatzbeschaffung von Bekleidung und von Einrichtungsgegenständen für die Wohnung im Haus Nr. 99 N in W. Der für die Anschaffung einer Waschmaschine und von Möbeln gewährte Teil des Darlehens belief sich auf 545 €.

Der Kläger und seine Ehefrau beantragten am 12.02.2018 Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten, die mit Bescheid vom 13.02.2018 für die Zeit vom 01.02.2018 bis zum 31.01.2019 bewilligt wurden. Sie gaben als Wohnanschrift den N Weg in N1 an und wurden dort von Mitarbeitern des Beklagten am 18.05.201 und am 18.08.2018 jeweils anlässlich von Hausbesuchen angetroffen.

Für die Wohnung im N Weg 19 in N1 beantragten der Kläger und seine Ehefrau am 26.04.2018 bei dem Beklagten „eine Erstausstattung“. Sie gaben an, sie seien von einem Wohnwagen in eine Wohnung gezogen und benötigten „Waschmaschine, Kühlschrank, Schrankwand, Sitzgelegenheit und ein Bett“.

Der Beklagte lehnte die Gewährung einmaliger Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten mit Bescheid vom 30.04.2018 ab. Der Kläger habe in der Vergangenheit einen Zuschuss in Höhe von 1.151 € und ein Darlehen in Höhe von 545 € erhalten. Es seien weder Rechnungen über den Möbelkauf vorgelegt worden, noch sei dem Beklagten bekannt gegeben worden, was mit den Möbeln gemacht worden sei (Verkauf, Einlagerung). Damit handele es sich um eine Ersatzbeschaffung und es würden nicht erneut für dieselben Möbelstücke Leistungen gewährt.

Am 13.05.2018 teilte der Kläger dem Beklagten auf dessen schriftliche Aufforderung vom 16.04.2018, Angaben zu dem Möbelkauf im Jahr 2016 (S Strasse in H) und zum Verbleib dieser Möbel zu machen, mit, er habe damals Möbel gekauft, habe aber keine Nachweise dafür. Er sei wegen einer Geldstrafe inhaftiert worden und nach Haftentlassung sei die Wohnung anderweitig vermietet gewesen und die Möbel seien „weg“ gewesen. Der Vermieter habe das Haus verkauft, sei „wieder in sein Heimatland“ gegangen und sei nicht mehr auffindbar. Der Kläger kündigte an, „die Haftbescheinigung zu bringen“. Ein Nachweis über die angegebene Inhaftierung ist nicht aktenkundig geworden.

Mitarbeiter des Beklagten trafen den Kläger und seine Ehefrau bei Hausbesuchen am 18.05.2018 und am 18.08.2018 an und stellten fest, in der Wohnung im N Weg in N1 bestehe Bedarf an einem Kühlschrank, Matratzen und einer Waschmaschine. Der Beklagte gewährte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 22.05.2018 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 240 € pro Person.

Nach mehrmaligem Postrücklauf bestätigten der Kläger und seine Ehefrau anlässlich von Hausbesuchen eines Mitarbeiters des Beklagten am 28.02.2019 und am 23.04.2019 jeweils durch Unterschrift, sie seien weiterhin in der Wohnung im N Weg in N1 wohnhaft.

Laut Entlassungsschein der JVA H vom 02.12.2020 war der Kläger in der Zeit vom 18.11.2020 bis zum 02.12.2020 inhaftiert und wurde an die Anschrift S Strasse in R entlassen.

Mit Schreiben vom 03.12.2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und gab als Wohnanschrift die S Strasse in R an. Am 15.01.2021 teilte er u.a. mit, er sei derzeit bei einem Freund untergekommen und er habe seit dem 25.04.2019 in R in selber Wohnung von seiner Ehefrau getrennt gelebt.

In einem anderen von ihm bei dem SG geführten Klageverfahren (S 3 AS 26/21) legte der Kläger als Anlage zu seinem Schreiben an das Gericht vom 09.02.2021 einen an ihn gerichteten und an die Anschrift in N1 versandten Bescheid des Beklagten vom 24.04.2019 vor.

Am 04.03.2021 legte der Kläger dem Beklagten den Vertrag über die Anmietung der Wohnung in der M Strasse in P ab dem 15.03.2021 sowie ein Foto eines leeren Wohnraumes vor und beantragte die Gewährung von Leistungen zur Erstausstattung der Wohnung. Laut Meldebestätigung der Stadt F vom 22.03.2021 war der Kläger seit dem 15.03.2021 unter der Anschrift M Strasse in P mit alleiniger Wohnung gemeldet.

Mit Schreiben vom 05.03.2021 forderte der Beklagte den Kläger auf, Angaben zu dem Verbleib der aus den zuvor bewilligten Mitteln angeschafften Möbeln zu machen. Ebenfalls am 05.03.2021 erteilte der Beklagte die Zusicherung zum Einzug in die Wohnung in der M Strasse in P.

Am 10.03.2021 teilte der Kläger per E-Mail und zusätzlich handschriftlich mit, nach der Kündigung des Mietvertrages in N1 hätten er und seine Ehefrau auf einem Campingplatz in W1 gelebt und er habe später auf der Straße gelebt. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Wo bitte soll ich auf der Straße Möbel hinstellen? hatte alles verkauft damit ich überleben kann.“

Mit Bescheid vom 16.03.2021 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021 die Regelleistung in Höhe von monatlich 446 € sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 201,17 € und bewilligte ihm mit weiterem Bescheid vom 16.03.2021 für die Ausstattung der Wohnung ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1.350 € („Möbelpauschale Einzelperson mit Waschmaschine“). Das Darlehen werde nach § 24 Abs. 1 SGB II gewährt, da dies nach der am 12.02.2016 als Zuschuss gezahlten Erstausstattung in Höhe von 1.151 €, dem Gutschein in Höhe von 545 € und dem Darlehen von „480,00 €“ vom Mai 2018 bereits der dritte Antrag auf eine Erstausstattung sei und der Kläger nicht ausreichend auf die Aufteilung zwischen ihm und seiner ehemaligen Partnerin eingegangen sei. Wegen der aktuell geschilderten Dringlichkeit werde die „Erstausstattung“ nun als Darlehen bewilligt. Das Darlehen wurde ab dem 01.04.2021 in monatlichen Raten zu 44,60 € gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet.

Mit weiterem Darlehensbescheid vom 22.03.2021 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Mietkaution ein Darlehen in Höhe von 1.000 €, das ebenfalls ab dem 01.04.2021 in monatlichen Raten zu 44,60 € gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet wurde.

Mit Schreiben vom 02.04.2021 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 16.03.2021 und machte die Gewährung der 1.350 € als Zuschuss geltend. Er legte diverse Quittungen und Kassenbelege aus dem März 2021 vor.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2021 als unbegründet zurück. Zwar könne im Fall von Obdachlosigkeit oder Haft ein wiederholter Anspruch auf Wohnungserstausstattung bestehen. Da der Kläger jedoch angegeben habe, seit 25.04.2019 in der Wohnung von seiner Ehefrau getrennt gelebt zu haben, könne nicht von Obdachlosigkeit ausgegangen werden. Auch die kurze Haftstrafe von zwei Wochen könne den Bedarf nicht begründen. Zudem habe der Kläger erklärt, alle Möbel und Einrichtungsgegenstände, die er besessen habe, verkauft zu haben. Die Gewährung eines erneuten Zuschusses sei nicht möglich, da er mit dem erhaltenen Geld als Surrogat bei erneut auftretendem Bedarf neue Möbel beschaffen müsse.

Hiergegen hat der Kläger am 23.04.2021 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat ausgeführt, entgegen der Darstellung im Widerspruchsbescheid habe er unter der Anschrift seiner getrenntlebenden Ehefrau nicht gewohnt, sondern nur seine Postanschrift gehabt. Tatsächlich habe er auf der Straße gelebt. Von dem am 12.02.2016 von der Stadt H gewährten Zuschuss habe er damals die Wohnung eingerichtet. Als er aus dem Vollzug gekommen sei, seien die Wohnung und die Möbel „weg“ gewesen. Als das Jobcenter ihm keine Leistungen gezahlt habe, habe er seine Möbel verkaufen müssen, „damit ich was hatte zum Leben“. Außerdem würden ihm für die Kaution und das Darlehen jeweils 44,60 € monatlich abgezogen.

Mit Bescheid vom 05.05.2021 hat der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2021 bis zum 31.05.2022 bewilligt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2021 abgewiesen. Ein Anspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II scheitere daran, dass es hier nicht um eine Erstausstattung gehe. Vom Wortlaut des Begriffs der „Erstausstattung“ sei eine Ersatzbeschaffung von Gegenständen, die bereits einmal zur Verfügung gestanden hätten, grundsätzlich nicht umfasst. Seien vor Eintritt des Bedarfs an Einrichtungsgegenständen die notwendigen Gegenstände in der Wohnung vorhanden gewesen, solle deren Ersetzung bei erneutem Bedarf aus der Regelleistung erfolgen. Vorliegend habe der Kläger ausweislich seiner Angaben bereits im Jahr 2018 über eine vollständig eingerichtete Wohnung verfügt. Hierzu passe, dass ihm von den damals zuständigen Jobcentern 2016 und 2018 mehrfach Leistungen zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen bewilligt worden seien. Diese Wohnungseinrichtung sei nicht durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis untergegangen, vielmehr habe der Kläger sie nach seinen eigenen Angaben im Jahr 2018 verkauft. Die kurze Haft im Jahr 2020 und die Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2019 hätten also keinen Einfluss auf den geltend gemachten Bedarf gehabt. Die Behauptung jahrelanger Obdachlosigkeit sei nicht nachvollziehbar.

Gegen den Gerichtsbescheid des SG richtet sich die am 09.07.2021 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangene Berufung des Klägers. Er trägt vor, er habe nur eine Postadresse in der S Strasse1 in R gehabt, um beim Beklagten Leistungen beantragen zu können. Er habe auf der Straße gelebt. Von seinen 446 € würden ihm 88 € abgezogen, was viel zu viel sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.06.2021 aufzuheben, sowie den Bescheid vom 16.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2021 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm statt des bewilligten Darlehens einen Zuschuss in Höhe von 1.350 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berichterstatterin hat den Beklagten mit Verfügung vom 28.07.2021 darauf hingewiesen, dass die gleichzeitige Aufrechnung des Darlehens für die Wohnungsausstattung und des Darlehens für die Mietkaution nicht zulässig sein dürfte. Der Beklagte hat daraufhin am 29.07.2021 mitgeteilt, ab dem 01.09.2021 werde nur noch eine Aufrechnung in Höhe von 44,60 € monatlich erfolgen und die in der Vergangenheit zu viel einbehaltenen Beträge (223 €) würden an den Kläger ausbezahlt.

Mit Verfügung vom 29.07.2021 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Rechtsauffassung des SG zutreffend sein dürfte und die Berufung daher nicht werde erfolgreich sein können. Die Anfrage, ob die Berufung nach Reduzierung der Aufrechnung und Auszahlung der 223 € zurückgenommen werde, hat der Kläger nicht beantwortet.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 22.06.2021 auch die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 16.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2021 und die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger anstatt des bewilligten Darlehens einen Zuschuss in Höhe von 1.350 € zu gewähren. Bei der vom Kläger geltend gemachten Gewährung von Kosten für die Wohnungsausstattung als Zuschuss, handelt es sich um einen eigenständigen und zulässigerweise abtrennbaren Streitgegenstand, über den unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden kann (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 01.07.2009 – B 14 AS 77/08 R). Den Anspruch auf Umwandlung der Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss verfolgt der Kläger zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), denn der Darlehensbescheid vom 16.03.2021 beinhaltete zugleich eine konkludente Ablehnung der Bewilligung von 1.350 € als Zuschuss (BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 57/13 R, juris Rn. 10).

Soweit der Kläger in seiner Berufungsschrift vom 03.07.2021 anführt, ihm würden „88.00 Euro abgezogen“, was „viel zu viel“ sei, und indem er das Gericht sinngemäß auch insoweit um Überprüfung bittet, wird hierdurch der weitere Darlehensbescheid vom 22.03.2021 (1.000 € für die Mietkaution) nicht zum statthaften Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Zwar war die zuvor vom Beklagten zusätzlich zu der Aufrechnung von 44,60 € pro Monat aufgrund des streitgegenständlichen Darlehensbescheides vom 16.03.2021 (Wohnungsausstattung) gleichzeitig vorgenommene Aufrechnung weiterer 44,60 € pro Monat aufgrund des mit Bescheid vom 22.03.2021 gewährten Darlehens (Mietkaution) rechtswidrig, denn die Aufrechnung nach § 42a SGB II ist auf 10 % des Regelbedarfs begrenzt und ein Aufsummieren von Aufrechnungen aus mehreren Darlehen ist nicht möglich (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.11.2018 – B 14 AS 31/17 R, juris Rn. 44; Urteil des erkennenden Senats vom 18.09.2013 – L 3 AS 5184/12, juris Rn. 34; Bittner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 01.04.2021, § 42a, Rn. 58). Der Kläger hat aber mit seinem Widerspruch vom 02.04.2021 (Bl. 378 VA) ausdrücklich und ausschließlich den Darlehensbescheid vom 16.03.2021 angefochten, der Beklagte hat mit dem unter dem Zeichen „W-62704-00213/21“ geführten Widerspruchsbescheid vom 13.04.2021 (Bl. 386 VA) nur über diesen Widerspruch entschieden, der Kläger hat mit seiner Klage diesen Widerspruchsbescheid unter Angabe des vom Beklagten verwendeten Zeichens „W-62704-00213/21“ angefochten und das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2021 ausschließlich über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2021 entschieden. Damit sind Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und des Klageverfahrens auch nur der Bescheid vom 16.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2021 gewesen und diese sowie der Gerichtsbescheid des SG stellen den statthaften Streitgegenstand des Berufungsverfahrens dar.

Obwohl damit für die vorliegend zu treffende Entscheidung nicht relevant, ist anzumerken, dass jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers in Bezug auf die mit dem nicht streitgegenständlichen Darlehensbescheid vom 22.03.2021 zunächst ab dem 01.04.2021 vorgenommene Anrechnung weiterer 44,60 € monatlich besteht, nachdem der Beklagte laut Schreiben vom 29.07.2021 die seit dem 01.04.2021 zu viel einbehaltenen Beträge wieder an den Kläger ausbezahlt hat und seit dem 01.09.2021 nur noch 44,60 € monatlich aufgrund des streitgegenständlichen Darlehensbescheides vom 16.03.2021 einbehält.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die zuschussweise Gewährung von 1.350 €.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Kosten für eine Erstausstattung der Wohnung als Zuschuss ist § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II, wonach Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst sind und Leistungen für diese Bedarfe gesondert erbracht werden. Grundsätzlich liegt der Sachverhalt einer Wohnungserstausstattung vor, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach den Gesetzesmaterialien zur vormalig bis zum 31.12.2010 geltenden, die abweichende Erbringung von Leistungen regelnden Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB II a.F. sind Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft zu erbringen (BT-Drs. 15/1514, S. 60). Nach der Rechtsprechung des BSG kann eine Wohnungserstausstattung aber auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen in Betracht kommen. Die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als Erstausstattung durch einen Zuschuss des Leistungsträgers ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich. Zum einen muss überhaupt ein Bedarf des Leistungsberechtigten im Hinblick auf die begehrten Einrichtungsgegenstände gegeben sein. Dies ist dann der Fall, wenn er nicht mehr über die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen angemessenen wohnraumbezogenen Gegenstände im Sinne des Grundsicherungsrechts verfügt. Ein Anspruch auf die zuschussweise Bewilligung von Geldleistungen für die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als Erstausstattung setzt außerdem regelmäßig voraus, dass der konkrete Bedarf durch 1. außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden ist, 2. ein spezieller Bedarf vorliegt und 3. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen bzw. dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben ist (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 57/13 R, juris Rn. 15ff., Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 79/12 R, juris Rn. 14 und Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 77/08 R, juris Rn. 14 ff.).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung der 1.350 € als Zuschuss.

2.1. Zwar besteht in der aktuell vom Kläger angemieteten Wohnung in der M Straße in P ein Ausstattungsbedarf. Hiervon geht der Senat ebenso wie der Beklagte und auch das SG aufgrund des Vorbringens des Klägers und anhand des von ihm vorgelegten Fotos des leeren Wohnraumes aus.

2.2 Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Gewährung von zuschussweisen Geldleistungen zur Deckung dieses Bedarfs, da es sich um eine Ersatzbeschaffung handelt, die im vorliegenden Fall nicht zu den von § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II umfassten Bedarfen, sondern zu den aus dem Regelsatz zu bestreitenden Bedarfen gehört.

2.2.1 Vorliegend handelt es sich nicht um eine dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II unterfallende Erstausstattung im eigentlichen Sinne, denn nach den eigenen Angaben des Klägers hatten er und seine Ehefrau zuvor bereits über Möbel verfügt. So haben der Kläger und seine Ehefrau bereits am 04.10.2016 auf Nachfrage des Jobcenters H1 bezüglich der Verwendung des im Februar 2016 ausgezahlten Zuschusses telefonisch angegeben, sie wüssten nicht, was mit der Wohnungserstausstattung geschehen sei. Dies belegt, dass zuvor Einrichtungsgegenstände angeschafft worden waren. Auch der handschriftlichen Mitteilung des Klägers an den Beklagten vom 10.03.2021 (Bl. 346 VA) und seinem Schreiben an das SG vom 30.05.2021 (Bl. 34 SG) ist zu entnehmen, dass mit dem im Februar 2016 vom Jobcenter Stadt Heilbronn gewährten Zuschuss und mit dem im April 2018 vom Jobcenter H1 bewilligten Darlehen jeweils Einrichtungsgegenstände für die Wohnungen in der S Straße in H und  in W-N angeschafft worden waren. Obwohl entgegen der mehrfachen Ankündigung des Klägers Quittungen oder Kaufbelege über eine in den Jahren 2016 und 2018 stattgefundene Anschaffung von Einrichtungsgegenständen nie aktenkundig geworden sind, geht der Senat aufgrund der wiederholten eigenen schriftlichen Angaben des Klägers davon aus, dass im Jahr 2016 in der vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung in der S Straße in H eine Wohnungsausstattung existiert hat und dass diese nach dem Umzug nach W-N im Jahr 2018 noch ergänzt worden ist. 

2.2.2 Soweit der Kläger im März 2021 bei Einzug in die Wohnung in der M Straße in P über keine Einrichtungsgegenstände mehr verfügt hat, begründet dies keinen ausnahmsweise von § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II aufzufangenden Wohnungserstausstattungsbedarf in Form eines Wiederbeschaffungsbedarfs.
 
In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist, kommt eine Wohnungserstausstattung bei einem erneuten Bedarfsanfall nach der Rechtsprechung des BSG nur unter den o.g. engen Voraussetzungen in Betracht.

Im vorliegenden Fall ist bereits die erste der drei o.g. Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, nicht erfüllt, denn der insoweit beweisbelastete Kläger hat den Verlust der vorhanden gewesenen Einrichtungsgegenstände aufgrund außergewöhnlicher Umstände bzw. eines besonderen, von außen einwirkenden Ereignisses im o.g. Sinne nicht nachgewiesen.

2.2.2.1 Soweit der Kläger am 04.10.2016 (Bl. 72 VA) und am 13.05.2018 (Bl. 92 VA) angegeben hat, die in der S Straße in H vorhanden gewesenen Möbel seien „weg“ und der Vermieter sei nicht mehr auffindbar, hat er diese Darstellung im Verlauf des Verfahrens nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr hat er zuletzt gegenüber dem Beklagten (Bl. 339 VA) und im Klageverfahren (Bl. 34 SG) ausgeführt, die Möbel verkauft und den Erlös für den Lebensunterhalt verbraucht zu haben. Mangels Nachweisen und mangels jeglicher Anhaltspunkte für die anfangs vorgetragene Variante geht der Senat aufgrund dieses eigenen, zuletzt wiederholten Vorbringens des Klägers von einem Verkauf vorhandener Einrichtungsgegenstände und von einem Verbrauch des Erlöses aus.

Der aufgrund dieser Umstände eingetretene Verlust der zuvor von den Leistungen nach § 24 SGB II erworbenen Einrichtungsgegenstände ist nicht als besonderes Ereignis im Sinne der o.g. Grundsätze anzusehen. Denn ein erneut einen Erstausstattungsbedarf auslösendes Ereignis muss von außen einwirken und – soweit es nicht mit Veränderungen der Wohnung bzw. der Wohnsituation einhergeht – regelmäßig dazu geeignet sein, den Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Einrichtungsgegenstände herbeizuführen (Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 06.01.2021, § 24, Rn. 67). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, denn der bewusst vorgenommene Verkauf eigener Einrichtungsgegenstände ist kein „von außen einwirkendes“ Ereignis, das den vom Gesetzgeber beispielhaft genannten Fällen eines Wohnungsbrandes oder einer Erstanmietung nach einer Haft gleichgestellt werden könnte.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, er habe den Verkaufserlös „zum Leben“ benötigt, nachdem ihm das Jobcenter H die Leistungen nach dem SGB II „gestrichen“ habe. Der Kläger hätte im Falle von fortbestehender Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II und bei etwaiger Ablehnung der Leistungsgewährung gegen die Entscheidungen des zuständigen Trägers nach dem SGB II Rechtsbehelfe (Widerspruch und Klage) einlegen und bei Eilbedürftigkeit gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen können. Indem er hierauf verzichtet und sich stattdessen nach eigenem Vorbringen bewusst dafür entschieden hat, seine Möbel zu veräußern und aus dem Verkaufserlös seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, war dies ein selbstgewähltes Vorgehen seinerseits, das nicht als ein von außen auf ihn einwirkendes Ereignis im o.g. Sinne zu bewerten ist.

2.2.2.2 Auch soweit der Kläger bereits am 13.05.2018 angegeben hat, er sei wegen einer Geldstrafe inhaftiert worden und nach der Haftentlassung sei die Wohnung anderweitig vermietet gewesen und die Möbel seien „weg“ gewesen, der Vermieter habe das Haus verkauft, sei wieder in „sein Heimatland“ gegangen und sei nicht mehr auffindbar, ist ein Verlust vorhandener Einrichtungsgegenstände aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht nachgewiesen. Einziger aktenkundiger Beleg für eine Inhaftierung des Klägers ist der Entlassungsschein der JVA H vom 02.12.2020, der die Haft in der Zeit vom 18.11.2020 bis zum 02.12.2020 beweist. Eine Inhaftierung, in deren Folge es in der Zeit vor dem 18.11.2020 zum Verlust von zuvor vorhanden gewesenen Möbeln gekommen sein könnte, ist nicht belegt.

Ein Zusammenhang zwischen der nachgewiesenen Inhaftierung vom 18.11.2020 bis zum 02.12.2020 und dem Verlust von Einrichtungsgegenständen besteht ebenfalls nicht. Denn zum einen ist weder vorgetragen worden, noch angesichts der kurzen Dauer dieser Inhaftierung erkennbar, wie es hierdurch zu einem Verlust von Möbeln gekommen sein sollte. Zudem ergibt sich bereits aus den eigenen Angaben des Klägers in seiner handschriftlichen Erklärung vom 13.05.2018, dass zum damaligen Zeitpunkt die Möbel bereits „weg“ waren.

2.2.2.3 Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, er sei nach der Trennung von seiner Ehefrau obdachlos geworden, ist ein nach den o.g. Grundsätzen zu berücksichtigender trennungsbedingter Neubedarf (vgl. Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 06.01.2021, § 24, Rn. 68) ebenfalls nicht nachgewiesen. So hat der Kläger selbst am 15.01.2021 angegeben, er lebe seit dem 25.04.2018 „in selber Wohnung“ von seiner Ehefrau getrennt. Der gemeinsam von dem Kläger und seiner Ehefrau am 26.04.2018 gestellte Antrag auf Gewährung einer Erstausstattung für die Wohnung im N Weg in N1 spricht ebenso gegen eine seit April 2018 bestehende Obdachlosigkeit wie die Tatsache, dass der Kläger und seine Ehefrau am 18.05.2018 und am 18.08.2018 von Außendienstmitarbeitern des Beklagten unter dieser Anschrift angetroffen wurden. Zudem haben der Kläger und seine Ehefrau gegenüber dem Beklagten am 28.02.2019 und am 23.04.2019 jeweils durch Unterschrift bestätigt, weiterhin im N Weg in N1 wohnhaft zu sein und sie haben vom Beklagten unter dieser Anschrift laufend Leistungen nach dem SGB II bezogen. Dass den Kläger Schreiben des Beklagten unter dieser Anschrift erreicht haben, ist auch dadurch belegt, dass er in einem von ihm bei dem SG geführten Klageverfahren (S 3 AS 26/21) im Februar 2021 einen an ihn gerichteten und an die Anschrift in N1 versandten Bescheid des Beklagten vom 24.04.2019 vorgelegt hat.

Somit ist weder hinsichtlich einer behaupteten Obdachlosigkeit noch im Zusammenhang mit einer Trennung erkennbar oder nachgewiesen, dass von außen einwirkende außergewöhnliche Umstände zum Verlust von Einrichtungsgegenständen geführt hätten und dass dadurch ein erneuter Erstausstattungsbedarf entstanden wäre.

3. Der Beklagte hat dem hier bestehenden Bedarf dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger ein Darlehen in Höhe eines Pauschalbetrages von 1.350 € („Möbelpauschale Einzelperson mit Waschmaschine“) ausbezahlt hat.

Rechtsgrundlage für diese Leistungserbringung ist § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung gewährt und der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen erbringt, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Der Regelbedarf umfasst gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II u.a. Aufwendungen für die Anschaffung des Hausrates, also von Einrichtungs- und Haushaltsgegenständen, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Hierzu gehören u.a. Möbel (vgl. Saitzek in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 20, Rn. 63).

Die vom Beklagten hier vorgenommene Gewährung eines Pauschalbetrages ist nicht zu beanstanden. Denn nachdem der Gesetzgeber in § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II für den Fall eines – hier nicht gegebenen – Anspruchs auf Erstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II die Erbringung als Pauschalbetrag ausdrücklich vorgesehen hat, kann auch für den im Fall des Klägers vorliegenden unabweisbaren Bedarf nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II die darlehensweise Geldleistung in Höhe eines entsprechenden Pauschalbetrages erfolgen. Anhaltspunkte dafür, dass der hier vom Beklagten angesetzte Pauschalbetrag nicht ausreichend sein sollte, um den Bedarf des Klägers zu decken, sind weder nach Aktenlage ersichtlich, noch jemals im Verfahren vom Kläger geltend gemacht worden. Weitere Ausführung hierzu erübrigen sich somit.

4. Der Darlehensbescheid vom 16.03.2021 ist auch insoweit rechtmäßig, als ab dem 01.04.2021 eine Aufrechnung in monatlichen Raten zu 44,60 € gegen die laufenden Leistungen erfolgt.

Rechtsgrundlage für die im Darlehensbescheid geregelte Aufrechnung ist § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II. Danach werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen.

Der dem weiterhin Leistungen nach dem SGB II beziehenden Kläger zustehende Regelbedarf beträgt im Jahr 2021 446 € und der monatlich aufgerechnete Betrag von 44,60 € entspricht 10% hiervon.

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 22.06.2021 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

Rechtskraft
Aus
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