L 8 KR 383/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 KR 8/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 383/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Behandlung einer Teilruptur der Supraspinatussehne mittels des „Apollo-Systems“ der Firma Arthrex stellt keine „Rekonstruktion der Rotatorenmanschette“ im Sinne des OPS 5-814.4 dar. 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juli 2021 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.272,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

Die Klägerin trägt 28 Prozent, die Beklagte 72 Prozent der Kosten des Rechtsstreits. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs auf Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung. 

Die Klägerin behandelte in dem von ihr betriebenen Krankenhaus im Zeitraum vom 6. Juni 2017 bis 8. Juni 2017 den bei der Beklagten krankenversicherten, 1959 geborenen C. M. (Versicherter) wegen einer partiellen Bizepssehnenruptur. Noch am Aufnahmetag erfolgte eine arthroskopische Operation im Bereich der Partialläsion der Supraspinatussehne unter Einsatz eines Apollo RF Ablationsgerätes der Firma Arthrex. Hierfür stellte die Klägerin unter dem 19. Juni 2017 der Beklagten auf der Basis der DRG I29B (Komplexe Eingriffe am Schultergelenk oder best. Osteosynthesen an der Klavikula ohne komplizierte Diagnose, ohne Eingriff an mehreren Lokalisationen oder sonstige arthroskopische Rekonstruktion der Rotatore) einen Gesamtbetrag von 3.684,30 € in Rechnung. 

Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung des Behandlungsfalls durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Die Fachärztin für Chirurgie K. kam in einem Gutachten vom 3. Januar 2018 zu dem Ergebnis, der zweitägige stationäre Aufenthalt des Patienten hätte um einen Tag verkürzt werden können. Zudem sei anstelle des OPS 5-814.4R (Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette) der OPS 5- 819.10R (Andere athroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk) zugrunde zu legen, weil die Operation mit dem Arthrex SynergyRF-System nicht zu einer Rekonstruktion der Sehne führe. 

Die Beklagte verrechnete daraufhin am 5. Januar 2018 den von ihr zunächst voll beglichenen Rechnungsbetrag in Höhe eines Teilbetrags von 1.744,30 € mit einer Forderung der Klägerin aus einem anderen, unstreitigen Behandlungsfall. Der Berechnung legte sie die DRG I27D (Eingriffe am Weichteilgewebe oder kleinflächige Gewebetransplantationen ohne bestimmte Diagnose und bestimmten Eingriff, ohne äußerst schweren CC, ohne schwere CC, außer bei bösartiger Neubildung, ohne bestimmten Eingriff am Weichteilgewebe) zugrunde.

Die Klägerin hat am 4. Januar 2019 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main auf Zahlung von 1.744,30 € nebst Zinsen ab 6. Januar 2018 erhoben und vorgetragen, am 8. Juni 2017 sei eine stationäre Überwachung des Patienten noch notwendig gewesen. Auch sei der OPS-Code 5-814.4R zu Recht abgerechnet worden. Aus dem Operationsbericht sei erkennbar, dass nicht lediglich ein Debridement der Sehne erfolgt sei, sondern eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Hierzu hat die Klägerin ein medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. D. vom 31. Mai 2019 aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 28 KR 527/18) zu den Akten gereicht, in dem ebenfalls um die Abrechnung einer Operation am Schultergelenk mittels des Apollogeräts wegen einer Teilverletzung der Supraspinatussehne gestritten wurde. Der Sachverständige Dr. D. hat hier ausgeführt, er halte die Änderung des OPS-Codes 5-814.4 medizinisch für nicht nachvollziehbar. Das beim Apollogerät entstehende Plasmafeld werde genutzt, um Teilverletzungen von Sehnengewebe zu koagulieren und zu veröden, wodurch eine Rekonstruktion des Sehnengewebes erreicht werde. Ferner hat die Klägerin ein medizinisches Gutachten des MDK (Dr. H.) vom 29. Mai 2019 vorgelegt. In dem dort begutachteten Fall (Operation einer Rotatorenmanschette unter Einsatz des Apollogeräts) sah der Sachverständige die Kodierung des OPS-Code 5- 814.4R als korrekt an. Die als Alternative angefragten OPS-Ziffern 5-819.10 und 5.814.d bildeten den tatsächlichen operativen Aufwand nicht ab. 

Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Dr. med. D. in Auftrag gegeben, welches dieser am 16. September 2020 erstattet hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, die stationäre Behandlung sei auch am 8. Juni 2017 noch notwendig gewesen wegen postoperativer Schmerzen trotz Schmerzpumpenbehandlung, intravenöser Gabe eines Schmerzmittels aus der Gruppe der COX2-Hemmer sowie subkutaner Applikation eines Opiod Schmerzmittels. Zur Frage der Kodierung des OPS 5-814.4 hat der Sachverständige seine Stellungnahme aus dem Gutachten vom 31. Mai 2019 wiederholt, mit dem Apollo-Gerät der Firma Arthrex werde ein Plasmafeld induziert, welches bei einer Teilverletzung von Sehnengewebe zur Koagulation und Verödung und damit zur Rekonstruktion des Sehnengewebes genutzt werde. Ein „Debridement“ von Weichteilgewebe beschreibe den Operationsschritt nicht ausreichend. 

Die Beklagte ist dem Gutachten unter Hinweis auf ein weiteres in dem Verfahren vor dem SG Frankfurt am Main, S 20 KR 529/18, eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. (Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Visceralchirurgie, Unfallchirurgie) vom 12. Oktober 2020 entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, mit dem Apollo-Gerät werde ein thermisches Glätten oder Versiegeln des Sehnengewebes vorgenommen. Die Firma Arthrex sage selbst zum Plasmafeldverfahren, die Apollo-Sonden ermöglichten eine schnelle Gewebeablation mithilfe von bipolarer Hochfrequenz-Technologie auf Plasmaebene. Dass damit eine Rekonstruktion von zerrissenem Gewebe, als eine Art Naht entstehe, sage die Firma nicht. Bei der Plasmafeldbehandlung handele es sich um eine Behandlung des verbliebenen Restes der Supraspinatussehne und nicht um eine Rekonstruktion der abgerissenen Anteile. An der Ruptur sei nichts gemacht worden, diese sei nach wie vor vorhanden. Diese Anteile seinen weder einander angenähert, noch verklebt, noch miteinander refixiert worden. Dies sei keine „Rekonstruktion“. 

Die Klägerin hat darauf eine Stellungnahme des verantwortlichen Operateurs Dr. E. vorgelegt, der ausgeführt hat, mittels der Apollo-Sonde erfolge durch eine kontrollierte Erhitzung auf 35-50 Grad eine Abtragung von Sehnengewebe und eine Verschmelzung des Weichteilbereichs der Sehne an der Oberfläche mit dem Partialriss, somit eine Verstärkung der Sehne in diesem Bereich im Sinne einer Rekonstruktion der Oberfläche der Sehne. 

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 7. Juli 2021 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.744,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2018 zu zahlen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu, denn diese habe zu Recht als Hauptdiagnose den OPS 5-814.4 (Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette) kodiert. Es hat unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. S. ausgeführt, bei der Behandlung mit dem Apollo-Gerät komme es durch den Einsatz der Plasmafeldtechnologie zu einer gezielten Schrumpfung und Versiegelung von Sehnengewebe, wodurch eine Längenreduzierung des gesamten Gewebes bei gleichzeitiger Zunahme des Durchmessers erreicht werde; anschließend beginne ein körpereigener aktiver Reparaturprozess. Auch wenn die Gewebefestigkeit zunächst signifikant unter der Vergleichsgruppe liege, erhole sich das Gewebe postoperativ soweit, dass eine Gewebeschwächung nach sechs Wochen nicht mehr nachweisbar sei. Das gehe in der Anwendung und im Ergebnis über ein reines Debridement im Sinne des vom MDK präferierten OPS 5-819.10 hinaus, auch wenn die Rekonstruktion nicht durch Einbringung von Fremdmaterial wie bspw. eine Naht erfolge. Eine Rekonstruktion erfordere keine unmittelbare „künstliche“ Verbindung des ruptierten Teils der Sehne. Dafür spreche auch die Systematik des OPS 5-814.4. Rekonstruktionen durch Naht oder eine Transplantation seien explizit aufgelistet, zusätzlich benenne der OPS 5-814.4 aber noch „sonstige“ Rekonstruktionen. Die stationäre Behandlung des Versicherten sei auch bis zum zweiten postoperativen Tag notwendig gewesen wegen großer Schmerzen, was neben einer PCA-Schmerzpumpe die intravenöse und subcutane Gabe eines Schmerzmittels erforderlich gemacht habe. 

Gegen das am 15. Juli 2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. August 2021 Berufung eingelegt. 

Sie führt aus, die punktuelle Wärmeerzeugung durch das Apollo-Gerät reiche nicht aus, um darin eine „Rekonstruktion“ der Rotatorenmanschette zu sehen. Die Hauptstreitfrage, ob eine Koagulation und Verödung eine Rekonstruktion darstelle oder nicht, werde allein von Prof. S. thematisiert. Er lege dar, dass durch die Plasmafeldbehandlung das Gewebe nicht wiederhergestellt, sondern im Gegenteil extrem stark geschädigt werde. Erst anschließend an die Operation werde durch die verursachte Zellschädigung eine verstärkte Selbstheilung im Körper in Gang gesetzt, die nach mehreren Wochen dazu führe, dass das Gewebe nicht mehr geschwächt sei, sondern sich dem ursprünglichen Zustand annähere. Die Begründung des erstinstanzlichen Gerichts, eine Rekonstruktion sei zu bejahen, denn es werde letztlich eine „Wiederherstellung“, wenn auch erst nach einem mehrwöchigen Heilungsprozess, erreicht, reiche nicht aus. Auch die Begründung, dass eine Rekonstruktion nicht unbedingt das Einbringen von Fremdmaterial erfordere, greife zu kurz, denn das Fremdmaterial habe bei einer Naht nicht den Hauptzweck, selbst das Material bzw. die Substanz der Rekonstruktion zu sein, sondern solle das für die Rekonstruktion verwendete Gewebematerial bis zur Heilung an der richtigen Stelle zu halten und somit die Rekonstruktion fixieren. Im Übrigen werde weiterhin die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung am 8. Juni 2017 bestritten. Die Operation sei abgeschlossen gewesen und am ersten postoperativen Tag seien keine Komplikationen aufgetreten. Dass der Patient auch am zweiten postoperativen Tag noch Schmerzen gehabt habe, sei zu erwarten gewesen und nicht überraschend oder gar besorgniserregend. 

Die Beklagte beantragt, 

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juli 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Die Klägerin beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen. 

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. 

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, unter Zugrundelegung einer notwendigen Verweildauer bis 8. Juni 2017 (2 Belegungstage) und des OPS 5-819.10 ergebe sich ein Vergütungsbetrag von 3.212,86 €. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Patientenakte der Klägerin Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; hat in der Sache aber nur teilweise Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist hinsichtlich eines Teilbetrags von 1.272,86 € zu Recht ergangen; insoweit bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg. In dem darüberhinausgehenden Umfang ist das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Die vom Krankenhaus erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG vom 16. 12. 2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, RdNr. 9 m.w.N.) und teilweise begründet. Dem Krankenhaus steht die Fallpauschalenvergütung nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 17b KHG, § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und § 9 Abs. 1 KHEntgG und der FPV 2017 zu (stRsprg. des BSG, z.B. Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R -; vom 19. März 2020 - B 1 KR 22/18 R - juris RdNr. 11 m.w.N.). Die Krankenkasse hat die eingeklagte unstreitige Forderung für eine andere Behandlung nicht durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch in derselben Höhe erfüllt. Der Klägerin steht auf der Grundlage der DRG I27D für die Behandlung des Versicherten ein Vergütungsbetrag von 3.212,86 € zu. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten (aufgrund der vorgenommenen Verrechnung mit einer anderen unstreitigen Forderung) tatsächlich gezahlten Betrags von 1.940,00 € ergibt sich hieraus der ausgeurteilte Betrag von 1.272,86 €. 
Die Vergütung der Klägerin hat nicht auf der Grundlage der von ihr abgerechneten DRG I29B (Komplexe Eingriffe am Schultergelenk oder best. Osteosynthesen an der Klavikula ohne komplizierte Diagnose, ohne Eingriff an mehreren Lokalisationen oder sonstige arthroskopische Rekonstruktion der Rotatore) zu erfolgen, sondern - wie von der Beklagten gefordert – auf Basis der DRG I27D (Eingriffe am Weichteilgewebe oder kleinflächige Gewebetransplantationen ohne bestimmte Diagnose und bestimmten Eingriff, ohne äußerst schweren CC, ohne schwere CC, außer bei bösartiger Neubildung, ohne bestimmten Eingriff am Weichteilgewebe). Diese DRG wird im Grouper angesteuert, wenn statt des OPS 5-814.4R (Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette) der OPS 5-819.10R (Andere arthroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk) kodiert wird. Anders als das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass im vorliegenden Behandlungsfall keine „Rekonstruktion“ im Sinne des OPS 5-814.4R stattgefunden hat. 

Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl. BSG vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - juris Rn. 27; BSG vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 16/19 R – juris Rn. 17, jeweils m. w. N.). Der OPS kann Begriffe entweder ausdrücklich definieren oder deren spezifische Bedeutung kann sich ergänzend aus der Systematik der Regelung ergeben (vgl. zu Letzterem BSG vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 25/19 R - juris Rn. 18, zur multimodalen Schmerztherapie). Ferner kann der Wortlaut ausdrücklich oder implizit ein an anderer Stelle normativ determiniertes Begriffsverständnis in Bezug nehmen. Fehlt es an solchen normativen definitorischen Vorgaben, gilt der Grundsatz, dass medizinische Begriffe im Sinne eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauchs zu verstehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2012 - B 1 KR 65/11 B - Rn. 18; vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 21/14 R – Rn. 18). Ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 1 KR 21/20 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 83 RdNr. 26). 

Bei dem OPS 5-814.4R handelt es sich um einen Unterkode des OPS 5-814 „Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenkes“. In den nachfolgenden Unterkodierungen findet sich sodann unter 5-814.4 die „Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette“. Im medizinischen Verständnis bedeutet der Begriff „Rekonstruktion“ die Wiederherstellung eines durch Traumen oder Erkrankungen zerstörten somatischen Ursprungszustands durch therapeutische, in der Regel chirurgische Methoden (vgl. htttps://flexikon.doccheck.com.) 

Eine solche Wiederherstellung eines durch Traumen oder Erkrankungen zerstörten somatischen Ursprungszustands im Rahmen eines arthroskopischen Eingriffs stellt die hier im Rahmen der Arthroskopie erfolgte Plasmafeldbehandlung mittels des „Apollo-Systems“ der Firma Arthrex nicht dar. Das folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Prof. S. im Verfahren S 20 KR 529/18 (SG Frankfurt am Main). Aus seiner ausführlichen Darstellung der Methode der Plasmafeldversiegelung unter Auswertung der dazu verfügbaren wissenschaftlichen Literatur wird deutlich, dass mittels des Apollo-Systems die Partialläsion der Supraspinatussehne überhaupt nicht behandelt wird. Vielmehr wird durch den Einsatz des Apollo-Gerätes im Bereich der geschädigten Oberfläche der Supraspinatussehne Wärmeenergie erzeugt, mit der der verbliebene (nicht durch die Teilruptur geschädigte) Rest der Supraspinatussehne verödet und denaturiert wird. Dadurch kommt zu einer Längenreduzierung des gesamten Gewebes bei gleichzeitiger Zunahme seines Durchmessers. Faktisch wird das Gewebe bei diesem Prozess extrem stark beschädigt, weil es zu einer Koagulationsnekrose der Kollagenfasern und zur Kernpyknose der Fibrolasten kommt. Die heilende Wirkung des Verfahrens beruht auf einem anschließenden – also nach dem operativen Eingriff einsetzenden – aktiven körpereigenen Reparaturprozess, bei dem Fibroblasten aus angrenzenden Bereichen des Bindegewebes in das geschädigte Arial migrieren und das geschrumpfte Kollagennetz quasi als Stützgitter benutzen, so dass es postoperativ innerhalb eines Zeitraums von ca. 6 Wochen zu einer Erholung des Gewebes kommt, so dass die Gewebeschwächung nicht mehr nachweisbar ist. Mit dem Apollo-Gerät wird also nicht etwa die Teilverletzung der Sehne behandelt, sondern nur der verbliebene Rest der Supraspinatussehne wird geglättet, denaturiert und dadurch möglicherweise zu einer Regeneration angeregt. Die Behandlung mittels Apollo führt ggf. zu einer Schrumpfung des intakten Sehnenanteils und damit zu einer Annäherung der abgerissenen Enden, aber die Enden werden damit weder verbunden noch verwachsen sie. Damit – so die überzeugende Argumentation des Sachverständigen – handelt es sich bei der Plasmafeldbehandlung aber nicht um eine „Rekonstruktion“ von zerrissenem Gewebe. Solches wird auch von der Herstellerfirma nicht angegeben, die zu der Apollo-Sonde ausführt, diese ermögliche „eine schnelle Gewebablation mithilfe von bipolarer Hochfrequenz (RF)-Tecnologie auf Plasmaebene“. Dass damit eine Rekonstruktion von zerrissenem Gewebe, also eine Art Naht entsteht, wird von der Firma Arthrex nicht angegeben; Nahtsysteme werden auf ihrer Website unter einem entsprechenden Menüpunkt gesondert gelistet. Vielmehr handelt es sich um eine Behandlung des verbliebenen nicht geschädigten Restes der Supraspinatussehne und nicht um eine Rekonstruktion der abgerissenen Anteile (der Partialruptur). An der Ruptur selbst wird, wie Prof. Dr. S. nachvollziehbar ausführt, nichts gemacht, sie ist auch nach der Behandlung noch da; diese Anteile werden weder einander angenähert noch verklebt noch miteinander refixiert. 

Diese Ausführungen werden durch das Gutachten des Dr. D. im Gutachten vom 16. September 2020 nicht infrage gestellt. Dieser begründet seine abweichende Auffassung lediglich mit der Bemerkung, das Apollo-Gerät induziere ein Plasmafeld, welches bei einer Teilverletzung von Sehnengewebe zur Koagulation und Verödung „und damit zur Rekonstruktion des Sehnengewebes“ genutzt werde. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, was im Sinne des OPS 5-814.4 als Rekonstruktion zu werten ist, stellt dies nicht dar. 

Der Senat vermag dem Sozialgericht nicht in seiner Begründung zu folgen, auch wenn die Rekonstruktion nicht durch Einbringung von Fremdmaterial (wie bspw. bei einer Naht) erfolge, werde durch das Verfahren im Ergebnis eine Wiederherstellung der Sehne infolge des körpereigenen Regenerationsprozesses erreicht. Diese Argumentation beachtet nicht hinreichend, dass sich der OPS als amtliche Klassifikation zum Verschlüsseln von Operationen, Prozeduren und allgemein medizinischen Maßnahmen auf die angewandte Methode, nicht auf das letztlich bezweckte Behandlungsziel bezieht. Zwar mag – wie auch Prof. Dr. S. darlegt - das Ergebnis der Apollo-Behandlung einer „Rekonstruktion“ der Supraspinatussehne gleichkommen, wenn die Supraspinatussehne insgesamt geschwächt, gelockert oder innerhalb des Gesamtverbundes von Teilrupturen einzelner Fasern durchzogen ist und die Plasmafeldehandlung infolge des postoperativ einsetzenden Heilungsprozesses letztendlich zu einer Wiederherstellung der disseminiert vorliegenden zerrissenen Einzelfasern führt. Aber auch dann handelt es sich bei der eigentlichen Behandlung im Rahmen der Arthroskopie nicht um eine Rekonstruktion im Sinne des OPS. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der mit dem Einsatz des Apollo-Geräts verbundene Aufwand über ein reines Debridement im Sinne des OPS 5-819.10 hinausgeht. Dieser Aspekt, den auch der MDK-Arzt Dr. H. in seiner Stellungnahme in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt anspricht, betrifft letztlich die Vergütungsgerechtigkeit. Bewertungen und Bewertungsrelationen haben in Fällen wie dem vorliegenden aber außer Betracht zu bleiben. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (stRsprg., z.B. BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R –, Rn. 27). 

Hingegen bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg, soweit sie die Notwendigkeit der stationären Behandlung des Versicherten am zweiten postoperativen Tag bestreitet. Der Sachverständige Dr. D. hat die Notwendigkeit der stationären Behandlung noch am 8. Juni 2017 nachvollziehbar mit dem Hinweis auf die erheblichen postoperativen Schmerzen des Versicherten bejaht, die neben einer PCA-Schmerzpumpe die intravenöse Gabe eines Schmerzmittels aus der Gruppe der COX2-Hemmer und subcutane Applikation eines Opioid Schmerzmittels erforderlich machten. Die orale Gabe eines Schmerzmittels hätte daher nicht ausgereicht, die Schmerzen adäquat zu behandeln, so dass eine Entlassung des Patienten am 7. Juni 2017 aus medizinischen Gründen nicht möglich war. Substantiierte medizinische Einwände dagegen hat die Beklagte nicht vorgebracht. 

Unter Zugrundelegung des OPS 5- 819.10R (Andere arthroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk) und einer notwendigen Verweildauer von 2 Tagen bis 8. Juni 2017 ergibt sich auf der Grundlage der DRG I27D ein der Höhe nach unstreitiger Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.212,86 €, so dass die Aufrechnung der Beklagten in Höhe von 1.272,86 € zu Unrecht erfolgte. 

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 10 Abs. 4 und 5 des Landesvertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gem. § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V vom 31. Mai 2002 i. V. m. § 288 Abs. 1 BGB. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. 
 

Rechtskraft
Aus
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