L 7 KA 29/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 141/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 29/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Für Streitigkeiten über die Abrechnung von Leistungen nach § 7 TestV ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Verweisungsbeschluss des SG Berlin vom 6. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

 

I.

 

 

Die Antragstellerin ist eine im Dezember 2021 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin, die ab dem 10. Januar 2022 bis zum 31. Mai 2022 im Auftrag des Gesundheitsamtes S eine Coronateststation zur Durchführung von kostenlosen Bürgertests nach § 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV)  betrieb.

 

Sie rechnete auf Grundlage von § 7 TestV die erbrachten Leistungen für die Monate Februar, März und April 2022 in Höhe 149.340,80 Euro gegenüber der Antragsgegnerin ab, welche jedoch aufgrund von Auffälligkeiten und zu klärender Widersprüche die Auszahlungen nach § 7a Abs. 5 TestV aussetzte.

 

Die Antragstellerin hat daher am 29. August 2022 zunächst beim Sozialgericht (SG) Gotha im Wege des Erlasses einer einstweiliger Anordnung die vorläufige Zahlung von insgesamt 90.000 Euro für die durchgeführten Testungen in den Monaten Februar, März und April 2022 beantragt. Mit Bescheid vom 13. September 2022, gegen den die Antragstellerin Widerspruch erhoben hat, hat die Antragsgegnerin einen Vergütungsanspruch der Antragstellerin abgelehnt.

 

Nach erfolgter Anhörung hat das SG Gotha das Verfahren mit Beschluss vom 1. November 2022 an das SG Berlin verwiesen. Dieses hat nach erfolgter Anhörung mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat das SG Berlin ausgeführt, dass gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei, da eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliege. Es handele sich bei dem Rechtsstreit um keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, weil durch den Gegenstand des Streits keine Maßnahmen betroffen seien, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienten. So gewähre § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1b SGB V auch Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, einen Testanspruch gegenüber dem örtlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) als Anspruchsgegner. Es sei die Regelung des § 68 Abs. 1a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG), der die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg für den Impfanspruch nach § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a SGB V ausdrücklich anordne, entsprechend anzuwenden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Abrechnung der Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), da diese nicht in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungskörperschaften gegenüber ihren Mitgliedern handelten, sondern lediglich als Abrechnungsstellen für den ÖGD. Überdies ergäben sich die Rechtsgrundlagen der Abrechnung allein aus der TestV und seien damit nicht im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt.

 

Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 19. Dezember 2022 Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, da es sich um eine Angelegenheit auf dem Gebiet der Krankenversicherung handele. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Ermächtigungsnorm für den Erlass der TestV im SGB V enthalten sei. Zudem würden die Testungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds nach § 14 Abs. 1 Satz 3 TestV in Verbindung mit § 271 Abs. 2 SGB V finanziert und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. Überdies stünden die Abrechnungen der Testleistungen und die Abrechnungsprüfungen in einem engen sachlichen Zusammenhang zu der eigentlichen Tätigkeit der KV. Schließlich sei auch der Verordnungsgeber selbst ausweislich der Begründung der Verordnung von der Zulässigkeit des Sozialrechtsweges ausgegangen. Für eine entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 1a IfSG sei mangels Regelungslücke kein Raum.

 

 

II.

 

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 202, 172, 173 SGG form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

 

Zu Recht hat das SG Berlin den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.

 

Welcher Rechtsweg zulässig ist, ergibt sich aus der Gerichtsverfassung, den speziellen gesetzlichen Bestimmungen und ansonsten aus den jeweiligen Prozessordnungen.

 

1. Zwar ergibt sich der Verwaltungsrechtsweg entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts nicht bereits aus einer aufdrängenden Sonderzuweisung in § 68 Abs. 1a IfSG. Nach dieser Norm ist für Streitigkeiten über Ansprüche nach einer auf Grund des § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a, auch in Verbindung mit Nr. 2, des SGB V sowie des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c und f lfSG erlassenen Rechtsverordnung der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die dem geltend gemachten Anspruch im vorliegenden Eilverfahren zugrundeliegende Anspruchsgrundlage ergibt sich aus § 7 TestV. Die TestV wurde ausweislich ihrer Eingangsformel „auf Grund des § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b und Nummer 2, Satz 3, 9, 12, 13, 15 SGB V, dessen Absatz 3 Satz 3, 14 bis 17 zuletzt durch Artikel 2a Nummer 1 des Gesetzes vom 28. Mai 2021 (BGBl. I S. 1174) geändert worden ist, nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Verbands der Privaten Krankenversicherung und des § 24 Satz 3 Nummer 2, Satz 4 und 5 des Infektionsschutzgesetzes, der durch Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe b des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) neu gefasst worden ist“ erlassen und damit nicht aufgrund von § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a SGB V oder § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c lfSG. Der Gesetzgeber hat damit den Verwaltungsgerichten im Wege einer aufdrängenden Sonderzuweisung nur solche Streitigkeiten zugewiesen, die die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung) betreffen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Oktober 2022, L 16 KR 433/22 B ER, Rn. 4, zitiert nach juris). Für eine entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 1a IfSG auch auf Streitigkeiten mit Bezug zur TestV mangelt es an einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Dies ergibt sich aus der Begründung zur Einführung der Norm in dem Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite  betreffenden  Regelungen (vgl.  Be­­­schluss­empfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit [14. Ausschuss] vom 3. März 2021, BT-Drs. 19/27291, S. 63), wonach die Norm notwendig gewesen sei zur Klarstellung der Zuständigkeit, nachdem es im Rahmen der Entscheidung über Ansprüche auf Zugang zu Schutzimpfungen im Rahmen der Coronavirus-Impfverordnung Unklarheiten gegeben habe.

 

2. Jedoch ergibt sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges aus § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hiernach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (st. Rspr. des BVerwG, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022,    1 B 65.22, Rn. 5, zitiert nach juris). Die - nicht verfassungsrechtliche - Streitigkeit um die Vergütung von Bürgertestungen auf das Coronavirus beurteilt sich nach §§ 7 ff. TestV. Nach diesen Vorschriften erfolgt die Abrechnung der durchgeführten Testungen durch den zugelassenen Leistungserbringer gegenüber der zuständigen Kassenärztliche Vereinigung. Die Vorschriften ermächtigen die Kassenärztlichen Vereinigungen als Träger öffentlicher Gewalt (vgl. § 77 Abs. 1 und 5 SGB V) zur Auszahlung der Vergütung, aber auch zur Prüfung der Abrechnung und zum Erlass von Rückforderungsbescheiden gegenüber den Leistungserbringern (vgl. § 7a Abs. 5 Satz 5 TestV). Das streitige Rechtsverhältnis ist mithin durch Normen des öffentlichen Rechts geprägt, die die zuständige Stelle einseitig berechtigen und verpflichten, und damit eine „öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art“.

 

3. Die Streitigkeit ist auch nicht im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen. Insbesondere liegen – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – nicht die Voraussetzungen der abdrängenden Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten nach § 51 SGG vor.

 

a) Die Streitigkeit ist zur Überzeugung des Senats insbesondere keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG, denn sie ist nach ihrem Schwerpunkt nicht vom Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geprägt. Die Art einer Streitigkeit - hier: Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung - richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989, GmS-OGB 1/88, Rn. 10 m.w.N., zitiert nach juris). Maßgebend hierfür ist der Gegenstand der Streitigkeit (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 29. Oktober 1987, GmS-OGB 1/86, Rn. 11, zitiert nach juris).

 

Da auch sozialgerichtliche Streitigkeiten solche des öffentlichen Rechts sind, ist entscheidend für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG zum Verwaltungsrechtsweg, ob das Rechtsverhältnis dem speziellen Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989, GmS-OGB 1/88, Rn. 13, zitiert nach juris), die Streitigkeit also ihre Grundlage im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2020, 3 B 2/20, Rn. 6, zitiert nach juris) und die maßgeblichen Normen dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind (BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021, B 6 SF 1/20 R, Rn. 34 zitiert nach juris). Entscheidend ist, ob der Schwerpunkt der Rechtsstreitigkeit vom Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geprägt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2022, 3 B 40/21, Rn. 21, zitiert nach juris.).

 

b) Die so umschriebenen Voraussetzungen für eine Zuordnung der Streitigkeit zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung liegen – daran hat der Senat keine Zweifel –  nicht vor.

 

Das Recht der Krankenversicherung – eine Hauptsparte der Sozialversicherung, vgl. § 4 SGB I – ist geregelt im SGB V. Anspruchsgrundlage der von der Antragstellerin geltend gemachten Vergütungsforderung ist § 7 der TestV, in welcher zudem die Einzelheiten der Abrechnungsmodalitäten sowie die Nachweis- und Dokumentationspflichten geregelt sind. Die streitentscheidende Norm selbst ist damit nicht im SGB V verortet; sie hat ihre prägende Wurzel auch nicht im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

aa) Zwar ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der TestV selbst in § 20i Abs. 3 Nr. 1b SGB V geregelt, jedoch kommt dem Standort der Ermächtigungsnorm im SGB V für die zu beurteilende Frage keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Vielmehr ist die Verortung der Verordnungsermächtigung im SGB V zunächst allein auf den Entstehungsprozess der Norm zurückzuführen. Die Regelung des § 20i Abs. 3 SGB V hat im Laufe des Gesetzgebungsprozesses eine erhebliche Änderung erfahren (vgl. die Übersicht zur Entwicklung der Norm bei Bockholdt, in Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 – Corona – Gesetzgebung – Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 14, Rn. 14 ff.)

 

§ 20i Abs. 3 Nr. 1b SGB V wurde eingeführt durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (BGBl I, S. 1018, 1026). In dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf vom 5. Mai 2020 (BT-Drs. 19/18967, S. 26) lautete die Norm:

 

„Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass die Kosten für bestimmte Testungen auf eine Infektion oder Immunität im Hinblick auf eine bestimmte übertragbare Krankheit von den Trägern der Krankenversicherung nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels getragen werden, sofern die Person bei dem jeweiligen Träger der Krankenversicherung versichert ist. Sofern das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung nach Satz 1 oder Satz 2 festgelegt hat, dass die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen, für bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe oder für bestimmte Testungen auf eine Infektion oder Immunität von den Trägern der Krankenversicherung getragen werden, haben die Versicherten einen Anspruch auf Leistungen für diese Maßnahmen. In der Rechtsverordnung können auch Regelungen zur Erfassung und Übermittlung von anonymisierten Daten insbesondere an das Robert Koch-Institut über die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Satz 1 oder Satz 2 durchgeführten Maßnahme getroffen werden.“

 

Sie regelte damit ursprünglich eine Verordnungsermächtigung allein für den Testanspruch gesetzlich Krankenversicherter gegen die gesetzlichen Krankenkassen und wurde daher folgerichtig im SGB V verortet. Es sollte mit der Verordnungsermächtigung sichergestellt werden, dass über das bisherige Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus Testungen auch dann zu Lasten der GKV erbracht werden können, wenn keine Symptome für Covid-19 vorliegen. Die Testung auf Covid- 19 bei Symptomen in Arztpraxen und Krankenhäusern ist demgegenüber weiterhin eine Leistung nach § 27 SGB V.

 

Im Zuge des beschleunigt durchgeführten Gesetzgebungsprozesses wurde der Entwurf durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 13. Mai 2020 (BT Drs. 19/19216, S. 48) dahingehend geändert, dass im Satz 2 der Vorschrift das Bundesministerium für Gesundheit (…) ermächtigt wird, „durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass 1. Versicherte Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben, auf die kein Anspruch nach § 27 besteht, und 2. Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, Anspruch auf Leistungen nach Nummer 1 haben.“

 

Damit wurde nunmehr der anspruchsberechtigte Personenkreis nicht mehr auf die gesetzlich Krankenversicherten beschränkt. Zudem wurden weitere Sätze angefügt, unter anderem Satz 5: „Die Aufwendungen für Leistungen nach Satz 2 werden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt.“ Von einem durch die gesetzlichen Krankenkassen zu erbringenden Anspruch war mithin in der Beschlussempfehlung nicht mehr die Rede.

 

Trotz der erheblichen Veränderung der Norm verblieb es bei dem Standort im SGB V, was zu Kritik führte (vgl. Bockholdt, a.a.O., § 14 Rn. 15 m.w.N.). Ausweislich der Begründung der Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/19216, S. 103) sollte durch den Rückgriff auf die Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung eine effektive Umsetzung der Teststrategie sichergestellt werden. Zudem wurde ausgeführt, dass die Aufwendungen für Testungen bei symptomfreien Personen außerhalb der Krankenbehandlung und Leistungen für nicht gesetzlich Versicherte, die der gesetzlichen Krankenversicherung als versicherungsfremde Leistungsaufwendungen entstehen, aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt werden und somit nicht zu unmittelbaren Mehrausgaben der Krankenkassen führen sollen. Überdies wurde darauf hingewiesen, dass in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium der Finanzen miteinander festlegen, in welchem Umfang die gesetzliche Krankenversicherung zusätzliche Zuschüsse des Bundes zur Stabilisierung des Beitragssatzes, mithin auch zur Refinanzierung der o.g. versicherungsfremden Ausgaben, erhalten sollte. In dieser Fassung wurde das Gesetz durch den Bundestag am 14. Mai 2020 beschlossen. Am 15. Mai 2020 stimmte der Bundesrat zu.

 

bb) Unabhängig vom Standort der Ermächtigungsnorm regeln die im hier streitgegenständlichen Zeitraum von Februar bis April 2022 geltende Fassung der TestV und   §20i Abs. 3 Satz 2 Nr.1b SGB V zur Überzeugung des Senates auch inhaltlich keine Materie, die dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist. Allein durch den Rückgriff auf bestehende Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherung wird eine Rechtsmaterie noch nicht zum Gegenstand des Sozialversicherungsrechts, und insbesondere des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Reuter, GesR 2022, 273, 275).

 

Die Ansprüche des SGB V gelten nach § 2 Abs. 1 SGB V nur für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Demgegenüber umfassen die Verordnungsermächtigung und ihr folgend die TestV (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) einen Testanspruch für alle Personen; sie begründen damit keinen Anspruch der Solidargemeinschaft im Sinne des Sozialversicherungsrechts, sondern haben „Bevölkerungsbezug“ (vgl. Kießling, SGb 2021, 730, 732). Überdies wird mit der Verordnungsermächtigung und der TestV auch kein primäres Ziel der gesetzlichen Krankenversicherung verfolgt. Nach   § 1 Satz 1 SGB V hat die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten (Prävention), wiederherzustellen (Krankenbehandlung) oder den Gesundheitszustand zu verbessern (Rehabilitation). Diese Ziele werden mit den Testungen auf das SARS-Cov-2-Virus, die die Antragstellerin im zugrundeliegenden Rechtsstreit durchgeführt und abgerechnet hat, jedoch nicht verfolgt. Der Testanspruch symptomatischer Personen folgt, wie oben dargelegt, aus § 27 SGB V als Krankenbehandlung und wird durch die Leistungserbringer des SGB V erbracht und aus dem Beitragsaufkommen finanziert. Wie sich aus § 1 Abs. 3 TestV ergibt, wird dieser Anspruch auf Krankenbehandlung von der TestV nicht erfasst. Vielmehr geht es – wie auch die oben aufgeführte Gesetzesbegründung belegt – um die Testung von symptomlosen Personen ohne konkreten individuell gesundheitsbezogenen Anlass, von symptomlosen Personen, die vulnerable Gruppen in Krankenhäusern und Einrichtungen besuchen wollen, sowie von Kontaktpersonen von positiv Getesteten und abgesonderten Personen zur Beendigung der Maßnahme. Insbesondere die anlasslose Testung asymptomatischer sowie die Testung von Kontaktpersonen Infizierter erfolgt dabei im öffentlichen Interesse zum frühzeitigen Erkennen und Durchbrechen von Infektionsketten. Diese Maßnahmen zielen damit in erster Linie im Sinne einer Gefahrenabwehr auf Infektionsschutz in der Bevölkerung (hierzu ausführlich Kießling, SGb 2021, 730, 735). Demgegenüber geht es nicht um Prävention zugunsten des einzelnen Betroffenen, da der Test der getesteten Person selbst nicht hilft, eine Erkrankung zu verhindern. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 20i Abs. 3 Satz 2 SGB V wurde daher eingewandt, dass die auf den Infektionsschutz abzielenden Testungen versicherungsfremde Leistungen darstellten, die nicht aus dem Beitragsaufkommen der GKV finanziert werden sollten (vgl. verdi, Stellungnahme zum Gesetzentwurf, BT-Ausschussdrs. 19(14)160(15neu), S. 8; s. auch Begründung der Beschlussempfehlung BT-Drs. 19/19216, S. 103).

 

c) Dass es sich vorliegend um keine Streitigkeit handelt, die dem Recht der Sozial- oder speziell der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist, belegt auch die Herkunft der Mittel, die für Testungen nach der TestV aufgewandt werden. Grundsätzlich ist die Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Aufkommen der Versichertenbeiträge ein weiteres wesentliches Merkmal zur Beantwortung der Frage, ob es sich um eine Angelegenheit des Rechts der Krankenversicherung (bzw. auch aus dem Recht der Sozialversicherung) handelt. Zwar kennt auch das Krankenversicherungsrecht Modifizierungen dieses Grundsatzes aufgrund von sozialen Gesichtspunkten (vgl. § 10 SGB V, Familienversicherung), jedoch sind dies nur punktuelle Abweichungen. Die Kosten für die Tests nach der TestV werden zunächst aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beglichen (vgl. §§ 14, 15 TestV). Der Gesundheitsfonds sammelt die Beiträge aller Beitragszahler der GKV ein und verteilt diese sodann an die einzelnen Versicherungsträger, vgl. § 271 SGB V. Gemäß Abs. 2 hat er eine Liquiditätsreserve zu bilden, um unterjährige Schwankungen der Einnahmen, Einnahmeausfälle etc. abzudecken. Nach § 221 Abs. 1 SGB V leistet der Bund jährlich einen Zuschuss an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen. Demnach könnte auf den ersten Blick davon ausgegangen werden, dass die Ausgaben für die Testungen überwiegend aus den Beiträgen der GKV finanziert werden (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Oktober 2022, L 16 KR 433/22 B ER, Rn. 3, zitiert nach juris). Jedoch wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetzes (BGBl 2021 I, S. 1174) mit Einfügung der Sätze 14 und 15 in § 20i Abs. 3 SGB V geregelt, dass die aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Finanzierung der Testausgaben getätigten Ausgaben vollständig aus Bundesmitteln (mithin aus Steuermitteln) erstattet werden. Dementsprechend ist in § 15 der hier maßgeblichen TestV das Verfahren zur Erstattung der Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds durch Bundesmittel geregelt. Im hier maßgeblichen Jahr 2022 erstattete der Bund für die Quartale I bis III dem Gesundheitsfonds die pandemiebedingten Ausgaben in Höhe von 19,45 Mrd. Euro aus Steuermitteln (vgl. Aufstellung der Finanzentwicklung der GKV des BMG vom 12. Dezember 2022, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/4_Pressemitteilungen/2022/2022-12-12_PM_Anlage_GKV-Finanzentwicklung_Q3_2022.pdf). Im Ergebnis liegt damit keine Finanzierung der Leistungen aus Beitragsmitteln vor, vielmehr werden diese – ihrem Wesen als versicherungsfremde Leistung entsprechend – aus dem allgemeinem Steueraufkommen des Bundes bezahlt (vgl. hierzu auch Reuter, GesR 2022, 273, 275). Auch dies spricht entscheidend dafür, den Rechtsstreit nicht als dem Sozialversicherungs- bzw. dem Krankenversicherungsrecht zugehörig anzusehen.

 

d) Im vorliegenden Rechtsstreit ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der Antragstellerin selbst um keine Leistungserbringerin im System der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Viertes Kapitel SGB V) handelt. Die Antragstellerin wurde gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV vom zuständigen Gesundheitsamt als Stelle des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit der Durchführung von Coronatests beauftragt. Sie erbringt damit eine Leistung des Gesundheitsamtes. Dieses kann gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Bezug auf übertragbare Krankheiten Beratungen und Untersuchungen anbieten und diese Aufgabe gemäß § 19 Abs. 1 Satz 6 IfSG auf Dritte übertragen (vgl. ausführlich zum Testanspruch als Leistung nach dem IfSG, Kießling, SGb 2021, 730, 735; ebenso Flint, in Juris-PK SGG, 1. Auflage 2017, Stand 31.3.2022, § 51 Rn. 154 f.). Damit betrifft der Kern der Tätigkeit der Antragstellerin eine Aufgabe bzw. eine  Leistung nach dem Infektionsschutzgesetz auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, nicht hingegen eine solche des Krankenversicherungsrechts.

 

e) Schließlich vermag allein der Umstand, dass nach der TestV die Abrechnung der erbrachten Leistungen über die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgt und damit eine Rechtsbeziehung zwischen den Leistungserbringern und den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen begründet wird, eine Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu begründen (so auch VG Frankfurt, Beschluss vom 20. Dezember 2022, 5 L 3332/22.F, Rn. 14, zitiert nach juris). Zwar umfasst § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG auch Streitigkeiten, die die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander betreffen (BSG, Urteil vom 15. März 2017, B 6 KA 35/16 Rn. 19, zitiert nach juris), denn von § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG wird, wie sich bereits aus § 57a SGG ergibt, u.a. das gesamte Vertragsarztrecht erfasst (u.a. Flint, in: JurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, Stand 31.3.2022, Rn. 96 ff.). Dazu gehören auch die Rechtsbeziehungen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu ihren Mitgliedern (§ 77 Abs. 3 SGB V) sowie zu sonstigen Leistungserbringern, die innerhalb des vertragsärztlichen Systems Leistungen erbringen und über die Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen (BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021, B 6 SF 1/20 R, Rn. 30 m.w.N., zitiert nach juris). Jedoch gehört die hier streitige Abrechnung der Leistungen aus der TestV gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht hierzu, denn diese werden nicht in ihrer konkreten Eigenschaft als Kassenärztliche Vereinigung (also als der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dienende Einrichtung), sondern lediglich als (technische) Abrechnungsstelle tätig. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei der Antragstellerin nicht um eine Leistungserbringerin aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie erbringt ihre Leistungen auch nicht etwa innerhalb des vertragsärztlichen Systems, sondern als beauftragter Dritter im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes nach § 19 IfSG. Dementsprechend regeln § 7 TestV und § 7a TestV auch nicht spezifisches Recht der Leistungserbringer. Die Antragsgegnerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts wird nicht gemäß § 77 Abs. 1 SGB V zur Erfüllung der ihr durch das SGB V übertragenen Aufgaben tätig. Insbesondere geht es bei den §§ 7ff. TestV nicht um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB V, in deren Rahmen die Kassenärztlichen Vereinigungen auch gemäß § 106d SGB V die Rechtmäßigkeit und die Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu überprüfen haben. Die in der TestV geregelten Testungen auf das Sars-Cov2-Virus sind nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung nach § 73 SGB V (Reuter, GesR, 2022, 273. 274). Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber durch § 20i Abs. 3 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen als Verwaltungsträger eine weitere Aufgabe – außerhalb des SGB V – gemäß Art. 84 GG übertragen, die durch die TestV näher ausgestaltet wurde (zum Ganzen ausführlich: Reuter, Die Verwaltungstätigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen der Testverordnung, GesR 2022, 273 ff.). Dementsprechend werden die Abrechnung der Leistungen und die Prüfung der Abrechnung durch die Kassenärztliche Vereinigung auch nicht im SGB V, sondern eigenständig in §§ 7 und 7a TestV geregelt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen handeln mithin in einem völlig neuen Zuständigkeitsbereich außerhalb des SGB V als Abrechnungsstelle. Verdeutlicht wird dies auch durch § 8 TestV, der eine eigene Verwaltungskostenregelung zugunsten der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Abgeltung des Verwaltungsaufwandes vorsieht. Hintergrund der Aufgabenübertragung war die erhoffte Praktikabilität und Effektivität der Nutzung bereits vorhandener Versorgungsstrukturen (vgl. BT-Drs. 19/19216, S. 103). Allein die vorhandene Sachnähe zur Tätigkeit der kassenärztlichen Vereinigung im Rahmen der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit der Verordnungsgeber selbst in seiner Begründung für den Vollzug der Rückforderungsbescheide nach § 7a Abs. 5 TestV auf § 66 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verweist, kommt dem für die hier zu beurteilende Frage keine weitergehende Bedeutung zu, da die Auffassung nicht näher begründet wurde und eine Anwendbarkeit des § 66 SGB X in der TestV selbst nicht normiert wurde. Ein Hinweis auf eine angenommene Zuständigkeit des Sozialgerichte bei Abrechnungsstreitigkeiten findet sich in der Begründung der TestV vom 24. Juni 2021 sowie den weiteren Änderungsverordnungen nicht.

 

Nach alledem handelt es sich bei dem zugrundeliegenden Rechtsstreit auch nicht um eine sonstige Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung des Verweisungsbeschlusses löst ein selbständiges Rechtsmittelverfahren aus, in welchem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist. Demgegenüber bedurfte es einer Streitwertfestsetzung nicht, da die Beschwerde zurückgewiesen wurde. Die Gerichtsgebühr hierfür ist eine streitwertunabhängige Festgebühr gemäß Nr. 7504 Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG).

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG; da der Beschluss im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergeht, für den die Prozessordnung keine Befassung des Bundessozialgerichts vorsieht, kam die Zulassung der weiteren Beschwerde zum Bundessozialgericht nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG nicht in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 6. März 2019, B 3 SF 1/18 R, zitiert nach juris, dort Rn. 13).

 

Rechtskraft
Aus
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