L 7 AS 2590/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 5338/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2590/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Juni 2020 sowie der Bescheid des Beklagten über die abschließende Leistungsfestsetzung für den Zeitraum Mai 2016 bis April 2017 vom 25. April 2018 in der Form des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 abgeändert und der Beklagte verpflichtet, der abschließenden Leistungsfestsetzung für diesen Zeitraum einen nach Einkommensanrechnung verbleibenden Regelbedarfsanspruch von monatlich 154,00 EUR für Mai 2016 bis Dezember 2016 und von monatlich 159,00 EUR für Januar 2017 bis April 2017 zugrunde zu legen. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 25. April 2018 in der Form des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin von der Klägerin die Erstattung eines Betrages von mehr als 1.600,00 EUR fordert. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die endgültige Festsetzung des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2018 sowie die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 1.680,00 EUR streitig.

Die 1975 geborene Klägerin steht jedenfalls seit Mai 2015 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum, teilweise mit einer Mitbewohnerin, eine 52,52 m² große Wohnung, für die sie monatlich bis einschließlich August 2016 eine Grundmiete von 349,22 EUR und ab September 2016 von 390,42 EUR, eine Nebenkostenvorauszahlung von 49,00 EUR sowie einen Abschlag für Strom und Gas von 119,00 EUR und ab Juni 2017 von 126 EUR sowie jedenfalls bis einschließlich November 2016 einen Untermietzuschlag von 10,00 EUR entrichten musste. Von Februar 2016 bis einschließlich Juni 2016 übte die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung bei F sowie ab Juli 2016 und bis einschließlich Oktober 2017 bei der Firma T GmbH aus und erzielte hieraus jeweils ein monatliches Einkommen von 450,00 EUR. Dabei floss ihr das Einkommen für den Mai 2016 im selben Monat zu, das Einkommen für den April 2017 jedoch erst im Mai 2017 und auch das Gehalt für den Oktober 2017 erst im November 2017.

Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 11. April 2016 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2016 (Bd. I Bl. 72 Verw.-Akte, dort auf den 19. April 2016 datiert) vorläufig Leistungen für die Zeit von Mai 2016 bis April 2017 in Höhe von monatlich 522,22 EUR (Regelbedarf 124,00 EUR, Bedarfe für Unterkunft und Heizung 398,22 EUR). Nachdem die Klägerin eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2016 (Bd. I Bl. 82 Verw.-Akte) vorgelegt hatte, bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21. Juli 2016 (Bd. I Bl. 84 Verw.-Akte) unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 20. April 2016 für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. April 2017 Leistungen in Höhe von monatlich 802,22 EUR. Am 25. Juli 2016 legte die Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag mit der T GmbH für die Zeit vom 7. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von ca. 10 Wochenstunden und einer Vergütung von 9,00 EUR pro Stunde, ab 1. Oktober 2016 von 10,00 EUR pro Stunde vor (Bd. I Bl. 88 Verw.-Akte). Weiter legte sie Lohnabrechnungen für die Monate Juli 2016 bis November 2016 mit einem Nettoentgelt von jeweils 450,00 EUR vor. Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 (Bl. 66 ff. Senatsakte) bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum Januar bis April 2017 vorläufig Leistungen in einer monatlichen Höhe von 807,22 EUR. Einkünfte der Klägerin aus geringfügiger Tätigkeit blieben von Juli 2016 bis einschließlich Januar 2017 bei der vorläufigen Leistungsgewährung unberücksichtigt.

Am 21. Dezember 2016 legte die Klägerin einen weiteren, vom 1. Januar bis 31. März 2017 befristeten Arbeitsvertrag mit der T GmbH vor (Bd. I Bl. 109 ff. Verw.-Akte).

Mit Änderungsbescheid vom 27. Dezember 2016 (Bd. I Bl. 115 Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Leistungen für September 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von monatlich 853,42 EUR, für Januar 2017 in Höhe von 858,42 EUR und für Februar bis April 2017 in Höhe von monatlich 353,71 EUR. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt hatte mit der Begründung, ihre letzte Mitbewohnerin sei zum 15. November 2016 ausgezogen, hob der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 11. April 2017 (Bd. I Bl. 122 Verw.-Akte) den Bescheid vom 27. Dezember 2016 auf und bewilligte mit Änderungsbescheid vom 11. April 2017 (Bd. I Bl. 121 Verw.-Akte) vorläufig Leistungen für Februar 2017 bis April 2017 in Höhe von monatlich 578,42 EUR. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 26. April 2017 (Bd. I Bl. 130 Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte vorläufig Leistungen für den Monat März 2017 in Höhe von 721,82 EUR und für den Monat April 2017 in Höhe von 578,42 EUR.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 27. März 2017 (Bd. I Bl. 132 Verw.-Akte), in welchem die Klägerin die Grundmiete mit 390,42 EUR, Nebenkosten mit 49,00 EUR sowie Heizkosten mit 124,00 EUR bezifferte und einen mit der T GmbH geschlossenen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 31. Dezember 2017 sowie Lohnabrechnungen für die Monate Januar 2017 und Februar 2017 vorlegte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2017 (Bd. I Bl. 130 Verw.-Akte) vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Oktober 2017 in Höhe von monatlich 578,42 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 5. Juli 2017 bewilligte der Beklagte wegen der Berücksichtigung des neuen Erdgas-Abschlagsbetrages für die Zeit von Juni 2017 bis Oktober 2017 Leistungen von monatlich 608,42 EUR.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 18. September 2017 (Bd. I Bl. 146 Verw.-Akte), in welchem die Klägerin die Grundmiete mit 439,42 EUR, die Nebenkosten mit 49,00 EUR und die Heizkosten mit 126,00 EUR bezifferte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2017 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. November 2017 bis zum 30. April 2018 in Höhe von monatlich 608,42 EUR. Nachdem die Klägerin die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Ende Oktober 2017 (Bd. I Bl. 153 Verw.-Akte) mitgeteilt hatte, bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 3. November 2017 (Bd. I Bl. 155 Verw.-Akte) vorläufig Leistungen für Dezember 2017 bis April 2018 in Höhe von monatlich 888,42 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 25. November 2017 (Bl. 70 ff. Senatsakte) bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum Januar bis April 2018 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 895,42 EUR und mit Änderungsbescheid vom 19. Februar 2018 (Bl. 74 ff. Senatsakte) für den Februar 2018 vorläufig in Höhe von 1.042,90 EUR.

Mit drei Bescheiden vom 25. April 2018 (Bd. II Bl. 31 ff, 41 ff., 53 ff. Verw.-Akte) setzte der Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2018 – jeweils bezogen auf einen der drei Bewilligungszeiträume – endgültig fest. Der Wegfall des Untermietzuschlages werde ab dem 1. Mai 2016 bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt, außerdem werde das Einkommen der Klägerin bei der Firma T endgültig berechnet. Die endgültigen Leistungsansprüche der Klägerin bezifferte der Beklagte dabei für den August 2016 um 280,00 EUR niedriger als vorläufig bewilligt, für die Monate September 2016 bis Januar 2017 um 238,80 EUR niedriger und für die Monate Februar 2017 bis April 2018 um jeweils 10,00 EUR niedriger. Mit weiterem Bescheid vom 25. April 2018 (Bd. II Bl. 16 Verw.-Akte) setzte der Beklagte die Erstattung eines Betrages von insgesamt 1.880,00 EUR fest. Hierbei ging der Beklagte von bislang zu hoch erbrachten Regelbedarfsleistungen von jeweils 280,00 EUR in den Monaten August 2016 bis Januar 2017 und zu hoch erbrachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung von jeweils 10,00 EUR in den Monaten September 2016 bis April 2018 aus.

Gegen alle Bescheide vom 25. April 2018 legte die Klägerin am 8. Mai 2018 Widerspruch ein. Sie habe alle Meldepflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt. Auch ergäben sich Differenzen zwischen den tatsächlich erhaltenen Leistungen und den bei der endgültigen Bewilligung zugrunde gelegten Leistungen, u.a. habe sie im Juni und im Juli 2017 tatsächlich jeweils 20 EUR weniger erhalten als ihr nunmehr bewilligt worden sei.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2018 (Bd. II Bl. 81 ff. Verw.-Akte) setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag nunmehr mit 1.680,00 EUR fest – Kosten der Unterkunft würden von der Klägerin nicht (mehr) zurückgefordert – und wies mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2018 den Widerspruch im Übrigen zurück. Die endgültige Festsetzung der Leistungen beruhe auf § 41a Abs. 3 SGB II. Am 27. Dezember 2016 habe die Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 256,00 EUR für die Monate September 2016 bis Januar 2017 (jeweils 51,20 EUR, woraus sich nach Rückforderungsverzicht hinsichtlich der Kosten der Unterkunft nunmehr eine Differenz der vorläufig bewilligten zu den abschließend festgesetzten Leistungen von 280,00 EUR monatlich ergab) und am 5. Juli 2017 eine Nachzahlung von 60,00 EUR für die Monate Juni und Juli 2017 (jeweils 30,00 EUR) erhalten. Dies sei nunmehr berücksichtigt worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. November 2018 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 41a Abs. 1 SGB II hätten nicht vorgelegen. Deshalb sei eine Rücknahme nur nach Maßgabe des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich gewesen, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Mit Urteil vom 25. Juni 2020, zugestellt am 2. Juli 2020, hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Begründungen in den angefochtenen Bescheiden abgewiesen. Unbeachtlich sei, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung vorgelegen hätten. Denn die Bescheide über die vorläufige Bewilligung seien bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend geworden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin mit Schreiben vom 31. Juli 2020, beim SG am 3. August 2020, einem Montag, eingegangen, Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Vorläufigkeit der Bewilligung sei für sie erst nach Erhalt des endgültigen Bescheids vom 25. April 2018 hinreichend deutlich erkennbar gewesen. Über die Rechtsänderungen hinsichtlich der Bewilligung vorläufiger Leistungen durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II habe sie erst nach anwaltlicher Beratung vor der Klage Kenntnis erlangt. Der Erlass des Bescheides vom 20. April 2016 beruhe noch auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der damals geltenden Fassung i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Der Beklagte habe auch bis zum Ende des Bewilligungszeitraums abgewartet, ohne die vorläufige Entscheidung selbst zu ändern, obwohl alle relevanten Informationen vorhanden gewesen seien. Schließlich seien ihr die vorläufigen Leistungen aufgedrängt worden, da keine vorherige Abklärung stattgefunden habe. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für die Bewilligung lediglich vorläufiger Leistungen vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Juni 2020 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. April 2018 in der Form des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Berufung nicht zulassungsbedürftig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Gegenstand des Verfahrens sind, neben der erstinstanzlichen Entscheidung, die Bescheide vom 25. April 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018, mit welchen der Beklagte die Grundsicherungsleistungen der Klägerin im Zeitraum 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2018 endgültig festgesetzt und von der Klägerin die Erstattung eines Betrages von 1.680,00 EUR gefordert hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit dem Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2018 – in welchem der Beklagte erklärt hat, Kosten der Unterkunft nicht mehr zurückzufordern – nicht nur der Erstattungsbescheid vom 25. April 2018 inhaltlich geändert worden ist, sondern der Regelungsgehalt des Änderungsbescheides dahingehend auszulegen ist (§§ 133, 157 Bürgerliches
Gesetzbuch <BGB>), dass dieser auch die endgültigen Bewilligungsbescheide vom 25. April 2018 als Grundlage der Erstattungsforderung erfassen soll. Denn die Erklärung, keine Kosten der Unterkunft mehr zurückzufordern, ist während des damaligen, zulässigerweise auch die endgültigen Festsetzungsbescheide erfassenden Widerspruchsverfahrens von der Warte eines objektiven Empfängers aus vorliegend so zu verstehen, dass die streitigen Kosten der Unterkunft in dem betroffenen Zeitraum nunmehr in der Höhe berücksichtigt werden, wie sie der vorläufigen Leistungsgewährung zugrunde gelegen haben und der endgültige Leistungsanspruch damit um 10,00 EUR höher von September 2016 bis April 2018 festgesetzt wird, als in den Ausgangsbescheiden vom 25. April 2018 geschehen. Darüber hinaus hat der Änderungsbescheid die Nachzahlungen und damit einhergehenden konkludenten Bewilligungen weiterer vorläufiger Leistungen von jeweils 51,20 EUR für die Monate September 2016 bis Januar 2017 und von jeweils 30,00 EUR für die Monate Juni und Juli 2017 einbezogen. Das Begehren der Klägerin ist bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens dahingehend auszulegen, dass diese sich gegen die von der vorläufigen Leistungsgewährung abweichende Festsetzung ihres Leistungsanspruchs und damit zuletzt, nach Erlass des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018, nur noch gegen die Bemessung des Regelbedarfs als abtrennbarem Streitgegenstand (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – L 3 AS 4252/11 – juris Rdnr. 15, entsprechend zu Kosten der Unterkunft und Heizung vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 37/14 R –, SozR 4-4200 § 27 Nr. 2, SozR 4-4200 § 11b Nr. 7, juris Rdnr. 12 m.w.N.) sowie die darauf aufbauende Erstattungsforderung wendet.

Die Berufung ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen hat das SG die statthafte, aber im Übrigen nur teilweise zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) der Klägerin zurecht abgewiesen, da sich die angegriffene Entscheidung des Beklagten insoweit als rechtmäßig erweist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Soweit sich die gegen die Erstattungsforderung des Beklagten erhobene Klage auch gegen die Bescheide vom 25. April 2018 hinsichtlich der endgültigen Leistungsfestsetzung für die Bewilligungszeiträume Mai 2017 bis Oktober 2017 und November 2017 bis April 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 richtet, ist die Klage unzulässig, da diese seit dem Erlass des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 nicht mehr Grundlage der streitigen Erstattungsforderung sind. Der Klägerin fehlt es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die endgültige Festsetzung für die Bewilligungszeiträume Mai 2017 bis Oktober 2017 und November 2017 bis April 2018 mit dem Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2018 in genau der Höhe erfolgt ist, in welcher die vorläufige Bewilligung jeweils zuletzt erfolgt ist. Zwar setzt § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26. Juli 2016 (a.F.) für eine endgültige Leistungsfestsetzung voraus, dass die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt, was beides vorliegend nicht (mehr) gegeben ist. Jedoch ist die endgültige Festsetzung für die Bewilligungszeiträume Mai 2017 bis Oktober 2017 und November 2017 bis April 2018 damit lediglich redundant geworden, beschwert aber die Klägerin nicht, so dass insoweit kein Bedürfnis zur Einholung gerichtlichen Rechtschutzes mehr gegeben war und ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 35/12 RBSGE 111, 234 – juris Rdnr. 17 m.w.N.).

Soweit die Klage sich gegen den endgültigen Leistungsbescheid für den Bewilligungszeitraum Mai 2016 bis April 2017 vom 25. April 2018 und den Erstattungsbescheid vom 25. April 2018, jeweils in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 richtet, ist die Klage zulässig, aber nur teilweise begründet.

Der Rechtmäßigkeit der endgültigen Leistungsfestsetzung für den Zeitraum Mai 2016 bis April 2017 mit Bescheid vom 25. April 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 steht zunächst nicht entgegen, dass der Beklagte mit den auf den Weiterbewilligungsantrag vom 11. April 2016 (ebenso wie aufgrund der Anträge vom 27. März 2017 und 18. September 2017 für die Folgezeiträume) zunächst ergangenen Leistungsbescheiden die begehrten Grundsicherungsleistungen lediglich – nach Auffassung der Klägerin: zu Unrecht – vorläufig gewährt haben. Wie das SG zutreffend hervorgehoben hat, sind diese vorläufigen Bewilligungsbescheide sämtlich – soweit sie nicht von dem Beklagten selbst aufgehoben worden sind – bestandskräftig und damit für die Beteiligten gemäß § 77 SGG bindend geworden.

Die endgültige Festsetzung der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II der Klägerin ist hinsichtlich der noch einzig streitigen Bemessung des Regelbedarfs durch den Beklagten nur insoweit unzutreffend erfolgt, als dieser im Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2017 der monatlichen Bedarfsberechnung das jeweilige Monatseinkommen zugrunde gelegt und kein den gesamten einjährigen Bewilligungszeitraum erfassendes Durchschnittseinkommen gebildet hat.

Grundlage für den Leistungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist § 19 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe dieser Bedarfe erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Beklagte hatte über den Leistungsanspruch der Klägerin im Zeitraum Mai 2016 bis April 2017 nach der zunächst erfolgten vorläufigen Bewilligung gemäß § 41a SGB II a.F. abschließend zu entscheiden. § 41a SGB II a.F. ist auch diesbezüglich anzuwenden, da der maßgebliche Bewilligungszeitraum nicht vor dem 1. August 2016 beendet gewesen ist (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).

Gem. § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Ist eine endgültige Entscheidung möglich, muss sich die Behörde nicht (mehr) auf die Änderung der vorläufigen Bewilligung beschränken. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen (BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 31/14 R - juris Rdnr. 23 m.w.N.). Das Jobcenter hat über den Leistungsanspruch abschließend zu entscheiden, sobald der (tatsächliche oder rechtliche) Grund für die Vorläufigkeit entfallen ist (Kemper in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 41a Rdnr. 56). Bei einer vorläufigen Leistungsbewilligung gestützt auf § 41a Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. entfällt der Grund für die Vorläufigkeit, sobald das Jobcenter die bis dahin offenen Voraussetzungen des Anspruchs bzw. seiner Höhe als hinreichend geklärt ansieht. Hinsichtlich der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen steht dem Jobcenter eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, Stand März 2021, § 41a SGB II Rdnr. 65).

Der Beklagte hatte vorliegend nach Abschluss des Bewilligungszeitraums Mai 2016 bis April 2017 und nachdem insbesondere sich erst während dieses Zeitraums die Fortdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses bei der T GmbH gezeigt hat, abschließend über die diesbezügliche Leistungsgewährung zu entscheiden, da bei der vorläufigen Leistungsgewährung zunächst das Einkommen aus der vorgenannten Tätigkeit der Klägerin für die Zeit von Juli 2016 bis Januar 2017 unberücksichtigt geblieben ist und damit die abschließende Leistungsbewilligung von der vorläufigen abwich. Auch ist die abschließende Entscheidung über die Leistungsbewilligung gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. mit dem Bescheid vom 25. April 2018 binnen eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums mit dem 30. April 2017 erfolgt.

Da die abschließend zu treffende Entscheidung vorliegend jedoch den gesamten Bewilligungszeitraum erfasst, hätte der Beklagte seiner Leistungsberechnung gemäß § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. das in dem Bewilligungszeitraum angefallene Durchschnittseinkommen zugrunde legen müssen und hätte diesbezügliche nicht auf den jeweiligen Monat des Einkommenszuflusses abstellen dürfen. Mit der zwingenden Vorgabe der Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens erfasst § 41a Abs. 4 SGB II a.F. alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum, bezieht alle Monate des Bewilligungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein und setzt nicht voraus, dass der (schwankende) Bezug von Einkommen Grund der Vorläufigkeit war. Aus Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie aus systematischen Gründen ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte dafür, von dieser am Wortlaut orientierten Auslegung des § 41a Abs. 4 SGB II a.F. abzusehen (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R – juris Rdnr. 21). Eine der in § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II a.F. diesbezüglich vorgesehenen Ausnahmen liegt nicht vor, da keine Festsetzung für einzelne Kalendermonate ergehen musste (§ 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II), durch das zu berücksichtigende Einkommen in keinem Kalendermonat der Leistungsanspruch entfallen wäre und die Klägerin auch keine Entscheidung auf der Grundlage des tatsächlichen Monatseinkommens beantragt hat.

Gemäß § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a.F. ist als monatliches Durchschnittseinkommen für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Kalendermonate ergibt.

Die Klägerin hat vorliegend in elf Monaten des Bewilligungszeitraums jeweils 450 EUR verdient, da sie das Gehalt für den Monat Mai 2016 im selben Monat erhielt, das Gehalt für den April 2017 jedoch erst im Mai 2017 ausgezahlt worden ist und alle weiteren Gehaltszahlungen im Bewilligungszeitraum erfolgt sind. Daraus folgt ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 412,50 EUR (11 x 450 EUR: 12 Kalendermonate), woraus sich
nach Abzug der zu berücksichtigenden Freibeträge (100 EUR nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und 20 Prozent von den verbleibenden 312,50 EUR nach § 11b Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1. SGB II, mithin weitere 62,50 EUR) ein anzurechnendes Einkommen von monatlich 250,00 EUR – anstatt von 280,00 EUR nach der monatsgenauen Berechnung der Beklagten in den jeweils belegten Kalendermonaten – ergibt.

Dieses Einkommen ist im Rahmen des Regelbedarfsanspruchs der Klägerin (§ 20 SGB II) zu berücksichtigen. Hierbei ist für die alleinstehende Klägerin ein monatlicher Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II) von 404,00 EUR für das Jahr 2016 und von 409,00 EUR für das Jahr 2017 (§ 20 Abs. 1a SGB II i.V.m. der Anlage zu § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) anzusetzen.
Der endgültigen Leistungsgewährung zugunsten der Klägerin ist damit für den Zeitraum von Mai 2016 bis Dezember 2016 ein monatlicher, nach Einkommensberücksichtigung verbleibender Regelbedarfsanspruch von 154,00 EUR zugrunde zu legen und von Januar 2017 bis April 2017 von 159,00 EUR und nicht (nur) von bislang 124,00 EUR bzw. von 129,00 EUR und hat die Leistungsfestsetzung entsprechend erhöht zu erfolgen.

Auch die mit Bescheid vom 25. April 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2018 festgesetzte Erstattungsforderung gegen die Klägerin ist nur hinsichtlich der Höhe unzutreffend erfolgt. Gemäß § 41a Abs. 6 Satz 1 SGB II sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären (§ 41a Abs. 6 Satz 2 SGB II). Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind nach § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II zu erstatten. In der vorliegenden Sache ergibt sich bezogen auf den streitigen Regelbedarf eine Überzahlung von insgesamt 1.600,00 EUR im Vergleich der für den Bewilligungszeitraum vorläufig gewährten (3.468,00 EUR) zu den abschließend bewilligten Leistungen (1.868,00 EUR). Die Erstattungsforderung des Beklagten gegen die Klägerin ist daher auch nur in dieser Höhe rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und orientiert sich am jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Zwar war die Klägerin insoweit erfolgreich, als dass die gegen sie gerichtete Erstattungsforderung von 1.680,00 EUR auf 1.600,00 EUR zu reduzieren war, dieses im Verhältnis zum Umfang des gesamten Streitgegenstandes geringfügige Obsiegen rechtfertigt es jedoch nicht, dem Beklagten die (teilweise) Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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