S 12 AY 706/25 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AX 706/25 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
  1. Im Eilrechtsschutz zunächst unterlegene Verfahrensbeteiligte können beim Sozialgericht die Abänderung der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 i.V.m.  86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehnter Teil (SGB X) analog beantragen, um wesentliche Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen seit dem Erlass einer sonst unanfechtbaren Regelungsanordnung sozialgerichtlich geltend zu machen

 

  1. Für den Erlass einer Abänderung der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsabänderungsanspruchs und eines Anordnungsabänderungsgrundes erforderlich.

 

  1. Während der Anordnungsabänderungsgrund die Frage der Eilbedürftigkeit betrifft, ist Gegenstand des Anordnungsabänderungsanspruchs grundsätzlich die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs.

 

  1. Anordnungsabänderungsanspruch und Anordnungsabänderungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Abänderungsanforderungsgrund und umgekehrt.

 

  1. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsabänderungsvoraussetzungen gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung des Antrags auf nachträglich Abänderung der vorherigen gerichtlichen Eilentscheidung.

 

  1. Ob eine Anordnungsabänderung wegen einstweiliger Anordnungen gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog erfolgt, liegt im richterlichen Ermessen.

 

  1. Ermessensgerecht ist die Entschließung zur Abänderung der überprüften einstweiligen Anordnung des Gerichts oft, wenn die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse aus § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 SGB X analog gegeben wären.

 

  1. Mit Wirkung für die Zeit ab der gerichtlichen Anordnungsabänderungsentscheidung entschließt sich deshalb das Gericht oft zur Anordnungsabänderung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass der überprüften einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG mit Dauerwirkung vorgelegen hatten, seither eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

 

  1. Auch mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse entschließt sich ein Sozialgericht oft zur Anordnungsabänderung, soweit der im Eilrechtsschutzverfahren siegreiche Beteiligte nach Erlass der einstweiligen Anordnung wusste (oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat), dass der sich aus der einstweiligen Anordnung ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

 

  1. Ferner entschließt sich ein Sozialgericht oft zur Anordnungsabänderung mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, soweit der im Eilrechtsschutzverfahren zuvor siegreiche Beteiligte nach Erlass der einstweiligen Anordnung entweder Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des vom Gericht bejahten Anordnungsanspruchs geführt haben würde. Dabei gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

 

  1. Im Sonderfall des Bezugs von Asylbewerberleistungen ist nach richterlichem Ermessen im Falle eines Antrags auf teilweise Aufhebung einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 SGB X i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog regelmäßig ein Anordnungsabänderungsgrund zugunsten der Asylbewerberleistungsbehörde gegeben, weil im Falle von Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Änderungen (wie die Ausreise oder ein Umzug nach unbekannt) eintreten könnten, welche die Durchsetzung behördlicher Erstattungsforderungen nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens vereiteln könnten.

 

Tenor:

1.         Die einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. des Beschlusses vom 31.03.2025 wird aufgehoben, soweit mit ihr der Eilantragsgegner verpflichtet wurde, dem Eilantragsteller vorläufig über den 31.03.2025 hinaus zusätzliche Geldleistungen zu gewähren.

 

2.         Der Eilantragsteller wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Eilantragsgegner die für die Zeit ab dem 11.04.2025 bis zum 31.05.2025 zusätzlich gewährten Geldleistungen in Höhe der monatlichen Beitragspflichten aus der sog. „Anschlussversicherung“ zu erstatten.

 

3.         Im Übrigen wird der Antrag vom 11.04.2025 auf Abänderung der einstweiligen Regelungsanordnung aus Ziff. 1. des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2025 abgelehnt.

 

4.         Außergerichtliche Kosten sind wegen des gerichtskostenfreien Anordnungsänderungsverfahrens nicht zu erstatten.

 

 

Gründe:

Gründe

 

 

I.

 

 

Der (vormalige) Eilantragsgegner begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Abänderung einer einstweiligen Anordnung, mit der ihn das Gericht zur vorläufigen Gewährung von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für Versicherungsbeiträge zur sog. „Anschlussversicherung“ in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung zugunsten des (vormaligen) Eilantragstellers verpflichtet hatte.

 

In der Absicht, die behördlichen Ausgaben für den Gesundheitsschutz nach dem AsylbLG zu reduzieren, begingen öffentliche Bedienstete des Landkreises Rastatt am 03.02.2025 wohl einen mutmaßlich strafbaren Betrug (in einem besonders schweren Fall) zulasten des (primär) vermögensgeschädigten Eilantragstellers. Dieser wurde deswegen beitragszahlungsunfähiges Mitglied einer (durch den Eilantragsgegner sekundär vermögensgeschädigten) Krankenkasse und deren (durch den Eilantragsgegner tertiär vermögensgeschädigten) Pflegekasse. Auch wegen seines mutmaßlich strafbaren, betrügerischen Vorgehens ist der Landkreis Rastatt am 31.03.2025 durch das Sozialgericht Karlsruhe im Wege einer nicht anfechtbaren einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, dem vormaligen Eilantragsteller rückwirkend ab dem 19.03.2025 und bis zum 31.05.2025 zusätzliche Geldleistungen zu gewähren in Höhe der monatlichen Beitragspflichten des Eilantragstellers aus dessen sog. „Anschlussversicherung“ (vgl. SG Karlsruhe, 31.03.2025, S 12 AY 706/25 ER, juris).

 

Ungeachtet seines Obsiegens im Eilverfahren hat der 2003 in der Türkei geborene, kurdische Eilantragsteller am 01.04.2025 eine dreijährige Berufsausbildung zum Altenpfleger mit einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden und einem Monatsbruttoentgelt von 1.314,00 € aufgenommen. Hiervon hat die Heimleitung jener Gemeinschaftsunterkunft für Menschen in Asylverfahren, in welcher der vormalige Eilantragsteller noch wohnen muss, dem vormaligen Eilantragsgegner mit einer E-Mail vom 07.04.2025 berichtet.

 

Unter Hinweis auf diese E-Mail vom 07.04.2025 und das ab 01.04.2025 vollzogene Ausbildungsverhältnis hat der Eilantragsgegner mit Schriftsatz vom 11.04.2025 beim Sozialgericht Karlsruhe dessen einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. seines Gerichtsbeschlusses vom 31.03.2025 moniert, soweit ihn das Gericht darin verpflichtet hatte, dem Eilantragsteller auch ab dem 01.04.2025 und bis 31.05.2025 Mehrbedarfsgeldleistungen wegen seiner Versicherungsbeitragspflichten in der Anschlussversicherung zu gewähren. Der Beschluss sei insofern rechtswidrig. Der vormalige Eilantragsteller müsse in dieser Zeit selbst keine eigenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mehr an seine Kranken- bzw. Pflegekasse zahlen. Ab dem 1. April 2025 führe für ihn diese nämlich sein Berufsausbildungsgeber ab. Da der Beschluss im Verfahren S 12 AY 706/25 ER unanfechtbar sei, bringe er beim Sozialgericht eine Anhörungsrüge an. Hierdurch beantragt der (vormalige) Eilantragsgegner in einer nach § 123, § 106 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sachdienlichen Fassung seines Begehrens durch das Gericht auch:

 

  1. Die einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. des Beschlusses vom 31.03.2025 aufzuheben, soweit mit ihr der vormalige Eilantragsgegner verpflichtet worden ist, dem vormaligen Eilantragsteller über den 31.03.2025 hinaus zusätzliche Geldleistungen zu gewähren.

 

  1. Den Eilantragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Eilantragsgegner die für die Zeit ab dem 01.04.2025 bis zum 31.05.2025 zusätzlich gewährten Geldleistungen in Höhe der monatlichen Beitragspflichten aus der sog. „Anschlussversicherung“ zu erstatten.

 

Weil der behördliche Antragsgegner ob der nachträglichen Aufnahme der Berufsausbildung des Antragstellers am 01.04.205 in seinem Schreiben vom 11.04.2025 wegen des Gerichtsbeschlusses vom 31.03.2025 ausdrücklich eine „Anhörungsrüge“ eingelegt hat, hat das Sozialgericht Karlsruhe insofern ein selbständiges Verfahren angelegt, in dem noch keine Entscheidung ergangen ist (S 12 SF 1167/25 RG).

 

Dem vormaligen Eilantragsteller hat das Gericht am 16.04.2025 rechtliches Gehör binnen zwei Wochen gewährt. Er hat hiervon bis 04.05.2025 nicht Gebrauch gemacht.

 

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und den der Prozessakte Bezug genommen.

 

 

II.

 

 

Der Antrag auf Abänderung der einstweiligen Regelungsanordnung des Sozialgerichts Karlsruhe ist zulässig (siehe hierzu unter 1.) und fast vollumfänglich begründet (2.).

 

 

1. Der Antrag vom 11.04.2025 des vormalig unterlegenen Eilantragsgegners auf Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2025 im Verfahren S 12 AS 706/25 ER ist zulässig.

 

Insbesondere ist der Änderungsantrag statthaft. Das Sozialgericht der Hauptsache kann einstweilige Anordnungen nach § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag jederzeit ändern oder aufheben.

 

Im Eilrechtsschutz zunächst unterlegene Verfahrensbeteiligte können beim Sozialgericht die Abänderung der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 i.V.m.  86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehnter Teil (SGB X) analog beantragen, um wesentliche Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen seit dem Erlass einer sonst unanfechtbaren Regelungsanordnung sozialgerichtlich geltend zu machen (Landessozialgericht Berlin, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – L 15 B 88/04 KR ER –, Rn. 2, juris; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen v. 10.10.2013 - L 7 AS 1144/13 ER - juris Rn. 11 ff., 15 f.; Flint in: Ruland/Becker/Axer, Sozialrechtshandbuch, 7. Aufl. 2022, § 13 Rn. 341; LSG Sachsen v. 26.06.2023 - L 4 AS 339/23 B ER - juris Rn. 32 ff; LSG Bayern v. 08.05.2019 - L 8 SO 31/19 B ER - juris Rn. 20 f.; Harks in: Hennig, SGG, § 86b SGG, Rn. 189; SG Hamburg, Beschluss vom 16. August 2023 – S 56 KR 1166/23 ER D –, Rn. 23, juris).

 

Der Gesetzgeber hat im SGG zwar keinen Eilrechtsschutzbehelf vorgesehen, mit dem die seit dem Erlass einer unanfechtbaren Regelungsanordnung eingetretenen wesentlichen Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen sozialgerichtlich geltend zu machen wären. Stattdessen hat der Gesetzgeber nach der in der Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Ansicht bewusst nur jene Möglichkeit nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 939 ZPO schaffen wollen, bei der die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nur gegen eine behördliche Sicherheitsleistung zu erwirken sei. Entgegen dieser vorherrschenden Rechtsansicht ist die vom Gesetzgeber in § 86b Abs. 2 SGG wegen der Änderung von sozialgerichtlichen Eilbeschlüssen in sog. „Vornahmesachen“ wohl bewusst in Kauf genommene Regelungslücke richtigerweise im Wege einer analogen Anwendung von § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG zu schließen.

 

Diesem Auslegungsergebnis steht der von der vorherrschenden Rechtsansicht gemutmaßte historische Wille des Prozessrechtsgesetzgebers nicht entgegen. Auch eine ggfs. planvolle sozialgerichtsprozessrechtliche Gesetzeslücke ist im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen, wenn sie gegen Verfassungsprozessrecht verstößt und durch die Anwendung einer Regelung für eine vergleichbare Interessenlage in verfassungskonformer Weise geschlossen werden kann. Dies folgt aus dem Vorrang der Verfassung vor einfachem Gesetzesrecht aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Seinetwegen steht es der rechtsprechenden Gewalt nicht frei, eine Verletzung von Art. 19. Abs. 4 GG seitens des Prozessrechtsgesetzgebers hinzunehmen. Die rechtsprechende Gewalt muss ggfs. bestehende prozessrechtsfreie Räume schließen durch die analoge Anwendung von Vorschriften über Rechtsbehelfe, die für vergleichbare Interessenlagen gesetzlich geregelt sind. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 –, BVerfGE 138, 64-102, Rn. 86, mwN).

 

Eine sozialrichterliche Hinnahme der gesetzgeberischen Regelungslücke in § 86b Abs. 2 SGG für ggfs. trotz geänderter Sach- oder Rechtslage unanfechtbare Gerichtsbeschlüsse verstieße gegen den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, obschon eben diese Interessenlage in sog. „Vornahmesachen“ vergleichbar ist mit der entsprechenden Interessenlage in sog. „Anfechtungssachen“, für die der Prozessrechtsgesetzgeber in § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG einen Antrag auf Aufhebung oder Abänderung eines gerichtlichen Eilbeschlusses ausdrücklich geregelt hat.

 

Die Regelungslücke in § 86b Abs. 2 SGG verstieße gegen den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG. Dieses Prozessgrundrecht lässt keine rechtsschutzfreien Räume zu, falls die öffentliche Gewalt in subjektive Rechte eingreift. Gegen unanfechtbare Regelungsanordnungen der sozialrechtsprechenden Gewalt stünde dem hierbei unterlegenen Beteiligten dennoch kein Rechtsweg offen, wenn es ihretwegen keinerlei Rechtsbehelf gäbe, um bei Bedarf die Abänderung eines nachträglich rechtswidrig gewordenen unanfechtbaren Eilbeschlusses zu erwirken. Es muss daher von Verfassungs Wegen ein Eilrechtsbehelf gegeben sein, um wesentliche Änderungen in denjenigen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen sozialgerichtlich geltend machen zu können, welche dem Erlass einer zwischenzeitlich rechtswidrig gewordenen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG noch zugrunde lagen.

 

Auf eben diese prozessrechtliche Interessenlage in sog. „Vornahmesachen“ aus § 86b Abs. 2 SGG lässt sich die Regelung für sog. „Anfechtungssachen“ aus § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 SGB X übertragen. § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG eröffnet den Rechtsweg, falls in der Hauptsache der statthafte Rechtsbehelf (entweder der isolierte Anfechtungswiderspruch bzw.) die isolierte Anfechtungsklage gewesen wäre, das Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz gewährt hatte und der Eilgerichtsbeschluss inzwischen änderungsbedürftig ist. Insofern bestimmt das Gesetz in § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ausdrücklich, dass das Sozialgericht den von ihm zuvor gewährten Eilrechtsschutz jederzeit auf Antrag ändern oder aufheben kann. Das Gericht kann daher wesentlichen Änderungen, die hinsichtlich der wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nach seinem Eilbeschluss eintreten, nach richterlichem Ermessen Rechnung tragen, sofern einer der Beteiligten dies beim Sozialgericht der Hauptsache beantragt.

 

Diese Fälle der Abänderung einstweiliger Rechtsschutzbeschlüsse in sog. „Anfechtungssachen“ sind mit der Abänderung einstweiliger Rechtschutzbeschlüsse in sog. „Vornahmesachen“ nach § 86b Abs. 2 SGG vergleichbar. Denn auch insofern ist dem Justizgewährleistungsinteresse des am Eilrechtsschutzverfahren Beteiligten Rechnung zu tragen, wenn ein zunächst rechtmäßiger gerichtlicher Beschluss nachträglich rechtswidrig geworden ist, weil sich der Sachverhalt oder die Rechtslage wesentlich geändert haben. Für die verfassungskräftig nach Art. 19 Abs. 4 GG unerlässliche Notwendigkeit einer Justizgewährleistung spielt es im Bereich der Abänderung sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzes nämlich keine Rolle, ob sich das Rechtsschutzziel in der Hauptsache darin erschöpfte, die Beseitigung eines belastenden Verwaltungsaktes zu erreichen. Eine Justizgewährleistung ist nicht minder geboten, wenn das Sozialgericht entweder eine Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG oder eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erlassen hatte, und diese oder jene nachträglich rechtswidrig geworden sind, weil sich der Sachverhalt oder die Rechtslage wesentlich geändert haben. Ggfs. ist es den im Eilrechtsschutzverfahren vormalig Beteiligten in sog. „Vornahmesachen“ ebenso wenig zuzumuten, dass die zunächst unterlegene Behörde eine Sicherheit leistet und deshalb der Eilbeschluss abgeändert wird, als dies in sog. „Anfechtungssachen“ der Fall wäre. Das Institut der Sicherheitsleistung nach § 939 ZPO ist im Falle sozialgerichtlicher Regelungsanordnungen nach § 86b Abs. 2 SGG fast immer ungeeignet, um sachgerechte vorläufige Verhältnisse zu schaffen. Derartige Beschlüsse betreffen meist vorläufige Zahlungsansprüche wegen existenzsichernder Leistungen. Sie ergehen zugunsten insolventer Menschen und zulasten eines öffentlichen Haushalts. Wenn die stets zahlungsfähige Behörde allein mithilfe einer Sicherheitsleistung einstweilige Anordnungen des Gerichts abwenden könnte, wäre der Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zwecklos.

 

 

2. Der vorliegende Antrag des vormalig unterlegenen Eilantragsgegners vom 11.04.2025 auf Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2025 im Verfahren S 12 AS 706/25 ER ist auch begründet. Das Gericht übt deshalb sein Entschließungsermessen antragsgemäß aus und ändert seine einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. des Beschlusses vom 31.03.2025 ab, soweit mit ihr der vormalige Eilantragsgegner verpflichtet worden war, dem vormaligen Eilantragsteller über den 31.03.2025 hinaus zusätzliche Geldleistungen zu gewähren.

 

Für den Erlass der vom Antragsgegner begehrten Abänderung der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsabänderungsanspruchs und eines Anordnungsabänderungsgrundes erforderlich.

 

Während der Anordnungsabänderungsgrund die Frage der Eilbedürftigkeit betrifft, ist Gegenstand des Anordnungsabänderungsanspruchs grundsätzlich die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs.

 

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsabänderungsvoraussetzungen gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung des Antrags auf nachträglich Abänderung der vorherigen gerichtlichen Eilentscheidung.

 

Gemessen hieran hat der Eilantragsgegner Anordnungsabänderungsanspruch (siehe hierzu unter a) und Anordnungsabänderungsgrund (b) glaubhaft gemacht:

 

 

a) Einen Anordnungsabänderungsanspruch hat der vormalige Eilantragsgegner glaubhaft gemacht.

 

Die Glaubhaftmachung verlangt, dass das Vorliegen der behaupteten Tatsachen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

 

Ob eine Anordnungsabänderung wegen einstweiliger Anordnungen gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog besteht, liegt im richterlichen Ermessen.

 

Ermessensgerecht ist die Entschließung zur Abänderung der überprüften einstweiligen Anordnung des Gerichts oft, wenn die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse aus § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 SGB X analog gegeben wären.

 

Mit Wirkung für die Zeit ab der gerichtlichen Anordnungsabänderungsentscheidung entschließt sich deshalb das Gericht oft zur Anordnungsabänderung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass der überprüften einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG mit Dauerwirkung vorgelegen hatten, seither eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

 

Auch mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse entschließt sich ein Sozialgericht oft zur Anordnungsabänderung, soweit der im Eilrechtsschutzverfahren siegreiche Beteiligte nach Erlass der einstweiligen Anordnung wusste (oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat), dass der sich aus der einstweiligen Anordnung ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

 

Ferner entschließt sich ein Sozialgericht oft zur Anordnungsabänderung mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, soweit der im Eilrechtsschutzverfahren zuvor siegreiche Beteiligte nach Erlass der einstweiligen Anordnung entweder Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des vom Gericht bejahten Anordnungsanspruchs geführt haben würde. Dabei gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

 

Nach diesen Beurteilungsmaßstäben hat der vormalige Eilantragsgegner wegen des Eilrechtsschutzverfahrens S 12 AY 706/25 ER einen auf den 01.04.2025 rückwirkenden Anordnungsabänderungsanspruch glaubhaft gemacht. Der hier am 31.03.2025 siegreiche vormalige Eilantragsteller hat ab dem versicherungsbeitragsrechtlichen Beginn des monatlichen Anrechnungszeitraums am 01.04.2025 Ausbildungseinkommen erzielt, das zum Wegfall des Anordnungsanspruchs geführt hat. Denn seither ist er keinen Beitragspflichten aus der sog. „Anschlussversicherung“ mehr ausgesetzt. Im Einzelnen:

 

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG können Asylbewerbern nur Mehrbedarfsleistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Menschen auf der Flucht können nach § 6 Abs. 1 AsylbLG sonstige Leistungen von den Trägern der Asylbewerberleistungsverwaltung beanspruchen, solange sie auf die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über ihren Asylantrag warten müssen und im Einzelfall ob des Endes ihrer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung in der obligatorischen Anschlussversicherung den Mindestbeitragspflichten zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V bzw. der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI unterliegen (SG Karlsruhe Beschl. v. 31.3.2025 – S 12 AY 706/25 ER, BeckRS 2025, 5884, beck-online).

 

Im vorliegenden Einzelfall ist in Bezug auf die Beitragspflichten des (vormaligen) Eilantragstellers aus dessen sog. „Anschlussversicherung“ inzwischen eine so wesentliche Änderung festzustellen, dass diese Mehrbedarfsgeldleistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nur bis zum 31.03.2025 erforderlich waren und beansprucht werden konnten. Denn ab dem 01.04.2025 ist der ab dann zu seiner Berufsausbildung gegen Entgelt beschäftigte Eilantragsteller gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 1. Var. 3 SGB V bzw. gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. 1. Var. 3 SGB XI sozialversicherungspflichtig beschäftigt, ohne selbst Beiträge an die Kranken- bzw. Pflegekasse abführen zu müssen. Diese führt gemäß § 28d SGB IV sein Ausbildungsgeber (im Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags) für den Eilantragsteller ab dem 01.04.2025 ab.

 

Ebenso wenig konnte der (vormalige) Eilantragsteller vom Eilantragsgegner ab dem 01.04.2025 noch Mehrbedarfsgeldleistungen wegen der deliktischen Mehrbedarfsgewährleistungspflicht gemäß § 34 Abs.1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 242 BGB analog i.V.m. § 263 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 Ziff. 1 bis 4, Abs. 5 StGB verlangen. Der (vormalige) Eilantragsgegner musste sich im vorliegenden Einzelfall wegen der Unvollständigkeit seiner eigeninitiativ erteilten unverbindlichen Auskunft nur so behandeln lassen, als wenn er dem Antragsteller 03.02.2025 bereits rechtsverbindlich zugesichert hätte, er werde die Beiträge für die sog. „Anschlussversicherung“ gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG leistungserhöhend berücksichtigen (SG Karlsruhe, Beschluss vom 31. März 2025 – S 12 AY 706/25 ER –, Rn. 54 bis 68, juris). Mit dem Auslaufen der „Anschlussversicherung“ zum 31.03.2025 läuft daher auch die deliktische Haftung ins Leere, seit der Eilantragsteller ab dem 01.04.2025 berufsausbildungsbedingt selbst keine Beiträge mehr für eine (subsidiäre) sog. „Anschlussversicherung“ an seine Kranken- bzw. Pflegekasse zahlen muss, da sein Ausbildungsgeber nunmehr die Beiträge (aufgrund der sozialversicherungspflichtigen Berufsausbildung gegen Entgelt) für ihn abführt.

 

 

b) Der Eilantragsgegner hat auch einen Anordnungsabänderungsgrund glaubhaft gemacht.

 

Anordnungsabänderungsanspruch und Anordnungsabänderungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Abänderungsanforderungsgrund und umgekehrt.

 

Im Sonderfall des Bezugs von Asylbewerberleistungen ist nach richterlichem Ermessen im Falle eines Antrags auf teilweise Aufhebung einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Satz 3 SGB X i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog regelmäßig ein Anordnungsabänderungsgrund zugunsten der Asylbewerberleistungsbehörde gegeben, weil im Falle von Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Änderungen (wie die Ausreise oder ein Umzug nach unbekannt) eintreten könnten, welche die Durchsetzung behördlicher Erstattungsforderungen nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens vereiteln könnten.

 

In Anbetracht dieser Beurteilungsmaßstäbe liegt im Verfahren S 12 AY 706/25 ER ein Anordnungsabänderungsgrund aus – im Wesentlichen – drei Gründen vor:

 

1.1.) Erstens sind vorläufig gewährte Asylbewerberleistungen streitbefangen, deren Rückerstattung im Falle einer Ausreise oder eines Untertauchens des nicht dauerhaft in Deutschland aufenthaltsberechtigten Eilantragstellers nicht mehr ohne Weiteres (ggfs. grenzübergreifend bzw. ohne eine behördenbekannte Anschrift) durchsetzbar wären.

 

2.2.) Zweitens sind für den Zeitraum ab dem 01.04.2025 bis zum 31.05.2025 die Erfolgsaussichten des vormaligen Eilantragsgegners inzwischen sehr hoch. Sein Anordnungsabänderungsanspruch besteht ab dem 01.04.2025 sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Dass ab dann die Ansprüche auf Mehrbedarfsgeldleistungen für Versicherungsbeiträge aus der inzwischen beendeten Anschlussversicherung weggefallen sind, ist anzunehmen, ohne, dass insofern noch substantielle Zweifel tatsächlicher oder rechtlicher Art bestehen, solange das – auf drei Jahre angelegte – Ausbildungsverhältnis fortgeführt wird.

 

3.3.) Drittens fließt dem vormaligen Eilantragsteller bei lebensnaher Betrachtung zum Zeitpunkt der sozialgerichtlichen Anordnungsabänderung am 05.05.2025 bereits seine erste Ausbildungsvergütung für den Ausbildungsmonat April 2025 zu, sodass er über hinreichend Mittel verfügen dürfte, um die Anordnungsabänderung wirtschaftlich zu verkraften.

 

Dies gilt insbesondere auch in Ansehung der Anschlussversicherungsbeitragspflichten für Zeit vom 01.01.2025 bis 18.03.2025. Insofern war zwar das Eilrechtsschutzverfahren S 12 706/26 ER zu spät eingeleitet worden, als dass noch eine einstweilige Anordnung hätte ergehen können. Indes gelten die Ausführungen des Gerichts zur Sach- und Rechtslage auch für diesen vorvergangenen Zeitraum, weshalb insofern in der Hauptsache mit einer zeitnahen außergerichtlichen Abhilfe durch den Eilantragsgegner zu rechnen bzw. der nachträglichen Gewährung von Mehrbedarfsleistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG für die Versicherungsbeiträge des Antragstellers zu rechnen ist.

 

 

3. Im Ergebnis all dessen entschließt sich das angerufene Sozialgericht auf den nachträglichen Antrag des vormaligen Eilantragsgegners dazu, seine einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2025 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 4, Satz 3 SGB X i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG analog abändern.

 

Von seinem diesbezüglichen Auswahlermessen macht das Sozialgericht, am 05.05.2025 Gebrauch, indem es seine Anordnung mit Rückwirkung zum 01.04.2025 aufhebt und den vormaligen Eilantragsteller überdies vorläufig verpflichtet, ggfs. für den Zeitraum ab der neuerlichen Anrufung des Gerichts am 11.04.2025 erhaltene Mehrbedarfsgeldleistungen an den Eilantragsgegner zurückzuerstatten.

 

Dem Gericht scheint es erstens recht und billig, seine einstweilige Anordnung unter Ziff. 1. seines Beschlusses vom 31.03.2025 am 05.05.2025 noch ganz aufzuheben, soweit mit ihr der vormalige Eilantragsgegner verpflichtet worden war, dem vormaligen Eilantragsteller über den 31.03.2025 hinaus zusätzliche Geldleistungen zu gewähren. Falls der Eilantragsgegner dem vormaligen Eilantragsteller die für Mai 2025 zugesprochenen Mehrbedarfsgeldleistungen noch nicht ausgezahlt haben sollte, ist er hierzu ab dem 05.05.2025 nicht mehr vorläufig verpflichtet.

 

Dem Gericht scheint es zweitens recht und billig, auch Anordnungen zu treffen wegen der bereits ab dem Eingang des Anordnungsänderungsantrags zu viel gewährten Mehrbedarfsgeldleistungen. Soweit der vormalige Eilantragsgegner aufgrund dieses Anordnungsabänderungsbeschlusses nun nicht mehr vorläufig verpflichtet ist, dem vormaligen Eilantragsteller zusätzliche Geldleistungen in Höhe seiner monatlichen Beitragspflichten aus dessen sog. „Anschlussversicherung“ ab 01.04.2025 zu gewähren, stellt sich nämlich die Frage, inwieweit der Eilantragsteller die zu Unrecht erhaltenen Mehrbedarfsgeldleistungen vorläufig erstatten muss (oder bis zum Abschluss der Hauptsache behalten darf).

 

Insoweit entspricht es dem richterlichen Ermessen, den Eilantragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung nur zu verpflichten, dem Eilantragsgegner die für die Zeit ab dem 11.04.2025 bis zum 31.05.2025 zusätzlich gewährten Geldleistungen in Höhe der monatlichen Beitragspflichten aus der sog. “Anschlussversicherung“ vorläufig zu erstatten. Maßgeblich hierfür ist einerseits, dass andernfalls der Eilantragsgegner Gefahr liefe, seine höchstwahrscheinlichen Erstattungsforderungen nach dem Abschluss der Hauptsache nicht durchsetzen zu können, falls der im Bundesgebiet nicht niederlassungsberechtigte Eilantragsteller bis dahin ausreisen oder untertauchen sollte. Andererseits kann im Eilrechtsschutzverfahren nur ausnahmsweise eine rückwirkende Anordnung des Gerichts für Zeiträume erfolgen, die bereits in der Vorvergangenheit vor der (nochmaligen) Anrufung des Gerichts liegen. Unter Berücksichtigung des Bruttomonatsgehalts von 1.314,- € und der für April 2025 höchstwahrscheinlich überzahlten Mehrbedarfsgeldleistungen von 254,66 € erscheint es dem Gericht in der Gesamtabwägung gerecht, dass der Eilantragsteller hiervon vorläufig 169,77 € an den Eilantragsgegner erstattet. Dies entspricht der Summe, die ihm wohl überzahlt worden ist seit der Anrufung des Sozialgerichts durch den Antragsgegner am 11.04.2025 (bzw. rechnerisch 254,66 € x 20 Tage/30 Tage). Ggfs. für Mai 2025 im Voraus ausgezahlte Mehrbedarfsgeldleistungsansprüche muss der Eilantragsteller hingegen vorläufig vollumfänglich erstatten. Sein etwaiges Vertrauen auf deren einstweiligen Verbleib ist wegen des Abänderungsantrags des Eilantragsgegners vom 11.04.2025 seither nicht schutzwürdig.

 

 

4. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten zugunsten des (vormaligen) Eilantragsgegners kommt gemäß § 193 Abs. 4 i. V. m. § 184 Abs. 1 SGG nicht in Betracht, weil er als untere Asylbewerberleistungsbehörde vor den Sozialgerichten pauschal gebührenpflichtig ist. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten des (vormaligen) Eilantragstellers durch den (vormaligen) Eilantragsgegner gemäß § 193 Abs. 1 SGG wäre wegen des Abänderungsanordnungsverfahren in Anbetracht seines fast vollumfänglichen Unterliegens nicht ermessensgerecht. Schon deshalb wird die Kostengrundentscheidung vom 31.03.2025 insofern nicht abgeändert.

 

 

5. Auch dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Baden-Württemberg angefochten werden, da die Beschwer des nunmehr unterlegenen vormaligen Eilantragstellers mit (mit 424,43 €) ebenso wenig die Beschwerdesumme von 750,- € aus § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1, Satz 2 SGG analog erreicht wie die Beschwer des Eilantragsgegners (84,89 €).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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