Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 131/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 161/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 19/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. April 2000 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 verurteilt, das Ereignis vom 19. Juni 1998 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger am 19.06.1998 einen Wegeunfall erlitten hat.
Der 1945 geborenen und in S ..., ... 15a wohnhafte Kläger ist bei den R ...werkstätten GmbH - L ... D ...-N ... als Erzieher beschäftigt. Den ca. 48 km langen Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte legt er gewöhnlich mit seinem Pkw bzw. seinem Motorrad, einer Yamaha YZF 600R Thundercat zurück. Diese Maschine hatte er bei der Yamaha-Werksvertretung Motorrad E ... GmbH in K ... gekauft.
Am Freitag, den 19.05.1998 hatte der Kläger nach Beendigung der Arbeit gegen 16.00 Uhr die Heimfahrt angetreten, als er nach kurzer Zeit einen Defekt an seinem Motorrad feststellte, weil dieses beim Anfahren ruckelte und beim Beschleunigen nicht durchzog. Der Kläger kehrte daraufhin zu seiner Arbeitsstelle zurück, die allerdings bereits geschlossen hatte. Von einer in der Nähe gelegenen Telefonzelle rief er seinen in K ... bei der Firma B ... M ... C ... Bikes, als Kfz-Meister beschäftigten Schwager H ...-J ... F ... an, dem er schilderte, dass das Motorrad nicht richtig laufe. Da der Zeuge F ... erklärte, eine Überprüfung des Motorrads ohne Wartezeit sei kurzfristig möglich, fuhr der Kläger daraufhin auf der Bundesautobahn. in Richtung K ..., wo er gegen ... Uhr zwischen dem Kreuz K ... und dem Rastplatz F ... mit einer Geschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h auf einem in einen Stau stehenden Pkw auffuhr und sich dabei erhebliche Verletzungen (u.a. eine Beckenringfraktur rechts, eine Schambeinfraktur links, eine subcapitale Fibulafraktur links und eine Lähmung der Armstrecker) links zuzog.
Mit Bescheid vom 21.09.1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, ein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 des Siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe den Weg von der Arbeit nach Hause unterbrochen, nachdem er einen Defekt an seinem Motorrad festgestellt habe. Da diese jedoch nicht funktionsuntüchtig gewesen sei und der Kläger noch den Weg nach K ... angetreten habe, sei davon auszugehen, dass er auch noch in eine nähergelegene Fachwerkstatt bzw. nach Hause hätte fahren können. Die Fahrt zur Werkstatt nach K ... habe daher nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Versicherungsschutz könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Weges zum sog. dritten Ort angenommene werden. Dies sei nämlich nur dann der Fall, wenn feststehe, dass der Aufenthalt dort mindestens 2 Stunden gedauert habe und dieses mit Gewissheit feststehe. Eine solche Feststellung lasse sich aber nicht treffen, weil der Kläger auf dem Weg dorthin verunglückt sei, nicht feststehe, welcher Defekt tatsächlich vorgelegen habe und zweifelhaft sei, ob die 2-Stunden-Grenze überhaupt erreicht worden wäre. Da die Zielrichtung Arbeitsstätte/Wohnung bei diesem Weg nicht eingehalten worden sei, stelle dieser Weg einen eigenwirtschaftlichen (unversicherten) Abweg dar.
Den dagegen am 14.10.1998 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, er sei nach K ... gefahren, weil dort noch am gleichen Tag eine Fehlersuche an dem Motorrad mit evtl. Reparatur möglich gewesen sei. Im Hinblick auf die dort vorzunehmenden Arbeiten (Probefahrt, Abbau der kompletten Motorradverkleidung, Demontage von Vergaser, Tank und Sitzbank mit anschließender Reparatur) hätte der Aufenthalt mindestens 3 Stunden gedauert.
Die Beklagte zog daraufhin die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei, holte eine Auskunft des Herrn F ..., Firma B ... M ... C ... Bikes in K ... ein, der ausführte, bei dem geschilderten Defektzeichen sei eine Aussage zur Reparaturdauer rein spekulativ.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, es sei weiterhin nicht wahrscheinlich gemacht, dass es sich bei der Reparatur um eine plötzlich notwendig gewordene Reparatur gehandelt habe, um den Heimweg fortzusetzen. Der Kläger habe offensichtlich noch Zutrauen in die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit des Motorrades gehabt, weil der Weg nach K ... seiner Länge nach im Wesentlichen dem zur Wohnung entsprochen habe und der Kläger zudem mit unangepasster hoher Geschwindigkeit den Unfall verursacht habe. Auch bestehe kein Versicherungsschutz unter dem Aspekt des Weges zum dritten Ort, weil es nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 05.05.1998 (= SozR 3.2200 § 550 Nr. 18) notwendig sei, dass der Versicherte sich mindestens 2 Stunden an diesem Ort aufhalte. Eine solche Feststellung könne hier jedoch nicht getroffen werden, weil weder eine entsprechende Aufenthaltsdauer beabsichtigt und es genauso gut möglich gewesen sei, dass die Reparatur schon nach kurzer Zeit hätte durchgeführt werden können. Denkbar sei auch, dass sich eine Reparatur an diesem Tage gar nicht mehr hätte erfolgen können, so dass evtl. nach kurzer Zeit eine Weiterfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Alternative in Betracht gekommen wäre. Weder die Art des Aufenthalts, noch die tatsächlichen Begleitumstände führten hier zu der hinreichend sicheren Feststellung, dass mindestens ein zweistündiger Aufenthalt vorgelegen hätte; beabsichtigt gewesen sei ein so langer Aufenthalt seitens des Klägers jedenfalls nicht. Eine versicherte Tätigkeit liege schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Instandhalten eines Arbeitsgerätes im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII vor, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Pkw bzw. das Motorrad hauptsächlich dienstlich genutzt werde.
Dagegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er hat vor dem Sozialgericht (SG) Köln geltend gemacht, die eingeholte Auskunft der Firma B ... M ... sei unzutreffend, weil Herr F ... nicht die erforderliche Sachkunde zur Beantwortung der Anfrage gehabt habe. Der Zeuge F ..., mit dem er seinerzeit telefoniert habe und der für derartige Reparaturen zuständig gewesen sei, könne bestätigen, dass allein für das Zerlegen und Reinigen des Vergasers sowie die damit zusammenhängenden Vorbereitungsarbeiten nach den Richtzeiten der Firma Yamaha für dieses Modell eine Zeitdauer von 2 1/2 Stunden anzusetzen sei.
Mit Urteil vom 13.08.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 12.05.2000 zugestellte Urteil am 13.06.2000 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung einglegt, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Er ist der Ansicht, dass er sich auf einem Weg zum dritten Ort befunden und deshalb Versicherungsschutz bestanden habe. Zwar könne infolge des Totalschadens des Motorrads nicht mehr nachgewiesen, welcher Defekt tatsächlich vorgelegen habe und wie lange die Fehlersuche und Reparatur gedauert hätten. Ein solcher Nachweis im Sinne eines Vollbeweises sei aber nach der Rechtsprechung des BSG gar nicht erforderlich. Es komme insoweit - wie das BSG 1964 entschieden habe (SozR Nr. 56 zu § 543 RVO a.F.) - für die Annahme eines Weges zum dritten Ort entscheidend auf die beabsichtigte Dauer des dortigen Aufenthaltes an. Dieser beabsichtigten Aufenthaltsdauer müsse hier die voraussichtliche gleichgestellt werden. Diese hätte aber - wie der Zeugen F ... bestätigen könne - mit Wahrscheinlichkeit bei erheblich mehr als 2 Stunden gelegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1999 zu verurteilen, ihm wegen des als Arbeitsunfall anzusehenden Ereignisses vom 19.06.1998 Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger habe sich im Unfallzeitpunkt nicht auf einem Wege zum dritten Ort befunden, denn die Fahrt sei nicht von dem Vorhaben geprägt gewesen, von der versicherten Tätigkeit zurückzukehren und in den privaten Bereich hinüberzuwechseln. Ziel sei vielmehr gewesen, für die Reparatur des Motorrads zu sorgen. Neben dieser fehlenden Handlungstendenz sei auch die vom BSG jetzt geforderte zeitliche Grenze einer Aufenthaltsdauer von 2 Stunden weder vom Versicherten beabsichtigt worden, noch habe sie sich für ihn aus der Situation selbst heraus ergeben noch sei sie faktisch eingetreten. Dass die Reparatur - wäre sie tatsächlich durchgeführt worden - über 2 Stunden angedauert hätte, sei rechtlich unbeachtlich.
Der Senat hat den Kläger zu den Umständen der Fahrt nach K ... befragt und weiteren Beweis erhoben durch die Vernehmung des Kfz-Meisters H ...-J ... F ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2001 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Unfallakten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der §§ 26 f. SGB VII, denn er hat im 19.06.1998 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeiten sind gemäß Abs. 2 Nr. 1. Auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Da der Gesetzgeber - wie auch zuvor schon in § 550 Abs. 1 RVO - nur den einen Endpunkt des Weges als "Ort der Tätigkeit" benennt, beschränkt sich der Versicherungsschutz nicht auf Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Ein Wegeunfall kann danach auch vorliegen, wenn z.B. Zielort des Rückweges von der Arbeitsstätte ein anderer Ort (dritter Ort) ist (vgl. dazu und zum Folgenden: BSGE 22, 60, 61; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 57; SozR 3-2200 § 550 Nr. 5 18 i; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar] § 8 SGB VII Rdnr. 12.20; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Bd. III - Gesetzliche Unfallversicherung - § 8 SGB VII Rdnr. 191 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, kann von einem dritten Ort in diesem Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn der Weg nach der Handlungstendenz des Versicherten wesentlich dazu dient, nach Beendigung der Tätigkeit in den privaten Bereich zu wechseln und wenn - bei einem Rückweg von der Arbeitsstätte - die Dauer des Aufenthaltes an dem anderen Ort so erheblich ist, dass der weitere Weg z.B. zur häuslichen Wohnung nicht mehr in rechtlich-erheblichen Zusammenhang mit der Beendigung der Arbeit an der Arbeitsstätte stand (BSGE 62, 113, 115; BSG, SozR 3-2200, § 550 Nrn. 2, 5, 10; BSG Urteil vom 17.02.1998 - B 2 U 1/97 R - s. auch Brackmann/Krasney, a.a.O., Rdnr. 195). Die notwendige Dauer des Aufenthaltes ist vom BSG im Urteil vom 05.05.1998 mit mindestens 2 Stunden festgelegt worden. Diese Zeitgrenze entspricht der, die das BSG bei einer längeren Unterbrechung auf Wegen von dem Ort der Tätigkeit angenommen hat, die dann für den weiteren Weg zum Verlust des Versicherungsschutzes führen (BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 42, 55; BSGE 82, 138; Brackmann/Krasney, a.a.O., § 8 Rdnr. 247).
Hiervon ausgehend befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt bei der Fahrt zu der Firma B ... M ... C ... Bikes in K ... auf einem Weg zum dritten Ort. Der Senat hat zunächst keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers über Ziel und Zweck dieser Fahrt. Solche sind auch von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Der Kläger hatte sich danach auf dem Weg nach K ... gemacht, um an diesem Tage - trotz der schon fortgeschrittenen Zeit - in der Werkstatt durch den Zeugen F ... die technischen Probleme an seinem Motorrad beheben zu lassen. Nach der von der Beklagten eingeholten Auskunft des Herrn F ... war dies auch möglich, weil Motorräder grundsätzlich bis 18.00 Uhr zur Reparatur angenommen wurden und eine solche selbst von 2 Stunden auch noch am gleichen Tag erledigt worden konnte, wenn das Motorrad erst nach 17.00 Uhr gebracht wurde. Die zwischen dem Kläger und den Zeugen F ... telefonisch getroffene Abrede, wonach das Motorrad noch an diesem Tage in Ordnung gebracht werden sollte, war daher - auch bei einer aufwändigeren Fehlersuche bzw. einem technisch nicht sofort zu behebenden Schaden - durchaus realistisch. Von daher ist es auch einleuchtend, dass der Kläger noch die an diesem Tage bestehende gute Möglichkeit nutzen wollte, den Defekt an seinem Motorrad beheben zu lassen.
Der Senat bezweifelt schließlich auch nicht, dass der Kläger sich voraussichtlich mindestens 2 Stunden bis zur Beendigung der Fehlersuche und Reparatur in der Werkstatt in K ... aufgehalten hätte. Insoweit hat der Kläger schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass er zum einen auf den Besuch einer Fachwerkstatt angewiesen war und im übrigen die Fehlersuche die Entfernung der kompletten Verkleidung des Motorrades, der Sitzbank sowie des Tanks erforderlich gemacht hätte. Dazu hat er unter Vorlage von Auskünften der Motorrad E ... GmbH in K ... bzw. der Yamaha Motor Deutschland in L ... unter Beweis gestellt, dass allein das Zerlegen, Reinigen und Neueinstellen der Vergaseranlage des vom Kläger gefahrenen Motorradtyps eine Richtzeit von 2 1/2 Stunden beansprucht. Insoweit hat der Zeuge F ... vor dem Senat glaubhaft geschildert, dass die vom Kläger geschilderten Auffälligkeiten auf einen Fehler im Vergaser bzw. in der Elektrik hingedeutet hätten und nach einer Probefahrt zunächst eine Demontage der Motorradverkleidung sowie der Sitzbank und des Tanks erforderlich gewesen wäre, um an den Vergaser bzw. an die elektrische Anlage des Motorrads zu gelangen. Allein für diese Demontagearbeiten war nach seinen Bekundungen ein Zeitaufwand von 3/4 Stunde anzusetzen. Hinzu gekommen wären dann nach der Fehlersuche an Vergaser bzw. Elektrik die eigentlichen Reparaturarbeiten sowie die Remontage von Verkleidung, Tank und Sitzbank mit abschließender Probefahrt. Wenn der Zeuge weiter dargelegt hat, dass ggf. auch noch Ersatzteile hätte besorgt werden müssen, folgt daraus, dass eine Aufenthaltsdauer des Klägers von deutlich mehr als 2 Stunden erforderlich war, bevor mit der Übergabe des wieder funktionsfähigen Motorrades gerechnet werden konnte.
Soweit die Beklagte im Widerspruchs- und Klageverfahren unter Hinweis auf die schriftliche Auskunft des Herrn F ... die Auffassung vertreten hat, es wären keine hinreichend sicheren Angaben über die mutmaßliche Reparaturdauer möglich, und eine Reparaturdauer von mehr als 2 Stunden sei bei den vorhandenen Defektzeichen am Motorrad des Klägers rein spekulativ, ist diese nicht näher begründete Auffassung durch die präzisen und nachvollziehbaren Angaben des sachkundigen Zeugen F ..., die die Beklagte letztlich auch nicht mehr in Zweifel gezogen hat, widerlegt.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten kommt nach der Rechtsansicht des Senats dem Umstand, dass dem Kläger im Zeitpunkt des Unfalls die voraussichtliche Aufenthaltsdauer in der Werkstatt in K ... nicht bekannt war, keine entscheidende Bedeutung zu. Naturgemäß kann bei Unfällen auf Wegen zum dritten Ort nie im Sinne des Vollbeweises bewiesen werden, wie lange der Versicherte sich dort aufgehalten hätte. Dementsprechend hat - worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat - das BSG schon im Urteil vom 10.12.1964 (a.a.O.) auf die beabsichtigte Dauer des privaten Zwecken dienenden Aufenthaltes in der Wohnung der Schwiegereltern des dortigen Versicherten abgestellt. Im Urteil des BSG vom 05.05.1998 (a. a. O.) ist gleichfalls davon Rede, dass von einem dritten Ort erst dann gesprochen werden könne, wenn sich der Versicherte dort mindestens 2 Stunden aufhält bzw. aufhalten will. Wenn insoweit maßgebend auf die Handlungstendenz des Versicherten abgestellt wird, kann dies hier nicht deshalb zur Versagung des Versicherungsschutzes führen, weil der Kläger hinsichtlich der Verweildauer im Unfallzeitpunkt keine konkrete Vorstellung hatte. Der Kläger wollte - wie oben dargelegt - durch die Fahrt nach K ... und das Aufsuchen der Werkstatt sicherstellen, dass der Defekt an seinem Motorrad umgehend beseitigt wurde. Diesbezüglich hatte er auch aufgrund des Telefonates mit dem Zeugen F ... berechtigten Anlass anzunehmen, dass dieser die entsprechenden Reparaturarbeiten erfolgreich durchführen könne. Dass man in derartigen Fällen zudem immer wieder mit Wartezeiten rechnen muss, insbesondere dann, wenn der Fehler erst gesucht werden muss, um ihn dann zu beseitigen, ist im übrigen jedem Kraftfahrer bekannt und entspricht damit auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Senat hält es deshalb allein für sachgerecht, auf die Aufenthaltsdauer abzustellen, die für die Fehlersuche und Reparatur des Motorrades objektiv erforderlich war. Insoweit kann - da es sich um ein hypothetisches Geschehen handelt - auch nur der Wahrscheinlichkeitsnachweis gefordert werden (so auch Benz, Die Bedeutung des sog. dritten Ortes bei Wegeunfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung - BG 1983 S. 721, 723).
Nach alledem befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf der Fahrt zu einem dritten Ort. Da diese Wegstrecke nicht nur nicht länger, sondern kürzer war als die sonst übliche von der Arbeitsstelle zur häuslichen Wohnung spielt - im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten - das Motiv für das Aufsuchen des dritten Ortes als ein Kriterium für die Eingrenzung des Versicherungsschutzes (vgl. dazu m.w.N. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. Rdnr. 12.22; Brackmann/Krasney, a.a.O. Rd.Nr. 196) keine maßgebende Rolle. Unabhängig davon war der Weg des Klägers davon geprägt, von der versicherten Tätigkeit in die Privatsphäre zu gelangen um dann - nach erfolgreicher Motorradreparatur - den Rest des Weges nach Hause fortzusetzen. Auf diesem Weg hätte dann allerdings Versicherungsschutz nicht mehr bestanden.
Dass im Übrigen Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII - Instandhaltung von Arbeitsgerät - hier ebensowenig wie nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wegen eines unvorhergesehenen Defektes mit der Notwendigkeit einer sofortigen Reparatur des Motorrades in Betracht kommt, hat die Beklagte zu treffend dargelegt. Dass die dafür nach der Rechtsprechung des BSG notwendigen Anspruchsvoraussetzungen hier nicht erfüllt sind, hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen.
Nach alledem ist die Beklagte daher zur Gewährung von Entschädigungsleistungen verpflichtet, weil der Verkehrsunfall des Klägers vom 19.06.1998 einen Arbeitsunfall darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger am 19.06.1998 einen Wegeunfall erlitten hat.
Der 1945 geborenen und in S ..., ... 15a wohnhafte Kläger ist bei den R ...werkstätten GmbH - L ... D ...-N ... als Erzieher beschäftigt. Den ca. 48 km langen Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte legt er gewöhnlich mit seinem Pkw bzw. seinem Motorrad, einer Yamaha YZF 600R Thundercat zurück. Diese Maschine hatte er bei der Yamaha-Werksvertretung Motorrad E ... GmbH in K ... gekauft.
Am Freitag, den 19.05.1998 hatte der Kläger nach Beendigung der Arbeit gegen 16.00 Uhr die Heimfahrt angetreten, als er nach kurzer Zeit einen Defekt an seinem Motorrad feststellte, weil dieses beim Anfahren ruckelte und beim Beschleunigen nicht durchzog. Der Kläger kehrte daraufhin zu seiner Arbeitsstelle zurück, die allerdings bereits geschlossen hatte. Von einer in der Nähe gelegenen Telefonzelle rief er seinen in K ... bei der Firma B ... M ... C ... Bikes, als Kfz-Meister beschäftigten Schwager H ...-J ... F ... an, dem er schilderte, dass das Motorrad nicht richtig laufe. Da der Zeuge F ... erklärte, eine Überprüfung des Motorrads ohne Wartezeit sei kurzfristig möglich, fuhr der Kläger daraufhin auf der Bundesautobahn. in Richtung K ..., wo er gegen ... Uhr zwischen dem Kreuz K ... und dem Rastplatz F ... mit einer Geschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h auf einem in einen Stau stehenden Pkw auffuhr und sich dabei erhebliche Verletzungen (u.a. eine Beckenringfraktur rechts, eine Schambeinfraktur links, eine subcapitale Fibulafraktur links und eine Lähmung der Armstrecker) links zuzog.
Mit Bescheid vom 21.09.1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, ein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 des Siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe den Weg von der Arbeit nach Hause unterbrochen, nachdem er einen Defekt an seinem Motorrad festgestellt habe. Da diese jedoch nicht funktionsuntüchtig gewesen sei und der Kläger noch den Weg nach K ... angetreten habe, sei davon auszugehen, dass er auch noch in eine nähergelegene Fachwerkstatt bzw. nach Hause hätte fahren können. Die Fahrt zur Werkstatt nach K ... habe daher nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Versicherungsschutz könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Weges zum sog. dritten Ort angenommene werden. Dies sei nämlich nur dann der Fall, wenn feststehe, dass der Aufenthalt dort mindestens 2 Stunden gedauert habe und dieses mit Gewissheit feststehe. Eine solche Feststellung lasse sich aber nicht treffen, weil der Kläger auf dem Weg dorthin verunglückt sei, nicht feststehe, welcher Defekt tatsächlich vorgelegen habe und zweifelhaft sei, ob die 2-Stunden-Grenze überhaupt erreicht worden wäre. Da die Zielrichtung Arbeitsstätte/Wohnung bei diesem Weg nicht eingehalten worden sei, stelle dieser Weg einen eigenwirtschaftlichen (unversicherten) Abweg dar.
Den dagegen am 14.10.1998 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, er sei nach K ... gefahren, weil dort noch am gleichen Tag eine Fehlersuche an dem Motorrad mit evtl. Reparatur möglich gewesen sei. Im Hinblick auf die dort vorzunehmenden Arbeiten (Probefahrt, Abbau der kompletten Motorradverkleidung, Demontage von Vergaser, Tank und Sitzbank mit anschließender Reparatur) hätte der Aufenthalt mindestens 3 Stunden gedauert.
Die Beklagte zog daraufhin die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei, holte eine Auskunft des Herrn F ..., Firma B ... M ... C ... Bikes in K ... ein, der ausführte, bei dem geschilderten Defektzeichen sei eine Aussage zur Reparaturdauer rein spekulativ.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, es sei weiterhin nicht wahrscheinlich gemacht, dass es sich bei der Reparatur um eine plötzlich notwendig gewordene Reparatur gehandelt habe, um den Heimweg fortzusetzen. Der Kläger habe offensichtlich noch Zutrauen in die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit des Motorrades gehabt, weil der Weg nach K ... seiner Länge nach im Wesentlichen dem zur Wohnung entsprochen habe und der Kläger zudem mit unangepasster hoher Geschwindigkeit den Unfall verursacht habe. Auch bestehe kein Versicherungsschutz unter dem Aspekt des Weges zum dritten Ort, weil es nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 05.05.1998 (= SozR 3.2200 § 550 Nr. 18) notwendig sei, dass der Versicherte sich mindestens 2 Stunden an diesem Ort aufhalte. Eine solche Feststellung könne hier jedoch nicht getroffen werden, weil weder eine entsprechende Aufenthaltsdauer beabsichtigt und es genauso gut möglich gewesen sei, dass die Reparatur schon nach kurzer Zeit hätte durchgeführt werden können. Denkbar sei auch, dass sich eine Reparatur an diesem Tage gar nicht mehr hätte erfolgen können, so dass evtl. nach kurzer Zeit eine Weiterfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Alternative in Betracht gekommen wäre. Weder die Art des Aufenthalts, noch die tatsächlichen Begleitumstände führten hier zu der hinreichend sicheren Feststellung, dass mindestens ein zweistündiger Aufenthalt vorgelegen hätte; beabsichtigt gewesen sei ein so langer Aufenthalt seitens des Klägers jedenfalls nicht. Eine versicherte Tätigkeit liege schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Instandhalten eines Arbeitsgerätes im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII vor, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Pkw bzw. das Motorrad hauptsächlich dienstlich genutzt werde.
Dagegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er hat vor dem Sozialgericht (SG) Köln geltend gemacht, die eingeholte Auskunft der Firma B ... M ... sei unzutreffend, weil Herr F ... nicht die erforderliche Sachkunde zur Beantwortung der Anfrage gehabt habe. Der Zeuge F ..., mit dem er seinerzeit telefoniert habe und der für derartige Reparaturen zuständig gewesen sei, könne bestätigen, dass allein für das Zerlegen und Reinigen des Vergasers sowie die damit zusammenhängenden Vorbereitungsarbeiten nach den Richtzeiten der Firma Yamaha für dieses Modell eine Zeitdauer von 2 1/2 Stunden anzusetzen sei.
Mit Urteil vom 13.08.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 12.05.2000 zugestellte Urteil am 13.06.2000 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung einglegt, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Er ist der Ansicht, dass er sich auf einem Weg zum dritten Ort befunden und deshalb Versicherungsschutz bestanden habe. Zwar könne infolge des Totalschadens des Motorrads nicht mehr nachgewiesen, welcher Defekt tatsächlich vorgelegen habe und wie lange die Fehlersuche und Reparatur gedauert hätten. Ein solcher Nachweis im Sinne eines Vollbeweises sei aber nach der Rechtsprechung des BSG gar nicht erforderlich. Es komme insoweit - wie das BSG 1964 entschieden habe (SozR Nr. 56 zu § 543 RVO a.F.) - für die Annahme eines Weges zum dritten Ort entscheidend auf die beabsichtigte Dauer des dortigen Aufenthaltes an. Dieser beabsichtigten Aufenthaltsdauer müsse hier die voraussichtliche gleichgestellt werden. Diese hätte aber - wie der Zeugen F ... bestätigen könne - mit Wahrscheinlichkeit bei erheblich mehr als 2 Stunden gelegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1999 zu verurteilen, ihm wegen des als Arbeitsunfall anzusehenden Ereignisses vom 19.06.1998 Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger habe sich im Unfallzeitpunkt nicht auf einem Wege zum dritten Ort befunden, denn die Fahrt sei nicht von dem Vorhaben geprägt gewesen, von der versicherten Tätigkeit zurückzukehren und in den privaten Bereich hinüberzuwechseln. Ziel sei vielmehr gewesen, für die Reparatur des Motorrads zu sorgen. Neben dieser fehlenden Handlungstendenz sei auch die vom BSG jetzt geforderte zeitliche Grenze einer Aufenthaltsdauer von 2 Stunden weder vom Versicherten beabsichtigt worden, noch habe sie sich für ihn aus der Situation selbst heraus ergeben noch sei sie faktisch eingetreten. Dass die Reparatur - wäre sie tatsächlich durchgeführt worden - über 2 Stunden angedauert hätte, sei rechtlich unbeachtlich.
Der Senat hat den Kläger zu den Umständen der Fahrt nach K ... befragt und weiteren Beweis erhoben durch die Vernehmung des Kfz-Meisters H ...-J ... F ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2001 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Unfallakten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der §§ 26 f. SGB VII, denn er hat im 19.06.1998 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeiten sind gemäß Abs. 2 Nr. 1. Auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Da der Gesetzgeber - wie auch zuvor schon in § 550 Abs. 1 RVO - nur den einen Endpunkt des Weges als "Ort der Tätigkeit" benennt, beschränkt sich der Versicherungsschutz nicht auf Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Ein Wegeunfall kann danach auch vorliegen, wenn z.B. Zielort des Rückweges von der Arbeitsstätte ein anderer Ort (dritter Ort) ist (vgl. dazu und zum Folgenden: BSGE 22, 60, 61; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 57; SozR 3-2200 § 550 Nr. 5 18 i; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar] § 8 SGB VII Rdnr. 12.20; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Bd. III - Gesetzliche Unfallversicherung - § 8 SGB VII Rdnr. 191 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, kann von einem dritten Ort in diesem Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn der Weg nach der Handlungstendenz des Versicherten wesentlich dazu dient, nach Beendigung der Tätigkeit in den privaten Bereich zu wechseln und wenn - bei einem Rückweg von der Arbeitsstätte - die Dauer des Aufenthaltes an dem anderen Ort so erheblich ist, dass der weitere Weg z.B. zur häuslichen Wohnung nicht mehr in rechtlich-erheblichen Zusammenhang mit der Beendigung der Arbeit an der Arbeitsstätte stand (BSGE 62, 113, 115; BSG, SozR 3-2200, § 550 Nrn. 2, 5, 10; BSG Urteil vom 17.02.1998 - B 2 U 1/97 R - s. auch Brackmann/Krasney, a.a.O., Rdnr. 195). Die notwendige Dauer des Aufenthaltes ist vom BSG im Urteil vom 05.05.1998 mit mindestens 2 Stunden festgelegt worden. Diese Zeitgrenze entspricht der, die das BSG bei einer längeren Unterbrechung auf Wegen von dem Ort der Tätigkeit angenommen hat, die dann für den weiteren Weg zum Verlust des Versicherungsschutzes führen (BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 42, 55; BSGE 82, 138; Brackmann/Krasney, a.a.O., § 8 Rdnr. 247).
Hiervon ausgehend befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt bei der Fahrt zu der Firma B ... M ... C ... Bikes in K ... auf einem Weg zum dritten Ort. Der Senat hat zunächst keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers über Ziel und Zweck dieser Fahrt. Solche sind auch von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Der Kläger hatte sich danach auf dem Weg nach K ... gemacht, um an diesem Tage - trotz der schon fortgeschrittenen Zeit - in der Werkstatt durch den Zeugen F ... die technischen Probleme an seinem Motorrad beheben zu lassen. Nach der von der Beklagten eingeholten Auskunft des Herrn F ... war dies auch möglich, weil Motorräder grundsätzlich bis 18.00 Uhr zur Reparatur angenommen wurden und eine solche selbst von 2 Stunden auch noch am gleichen Tag erledigt worden konnte, wenn das Motorrad erst nach 17.00 Uhr gebracht wurde. Die zwischen dem Kläger und den Zeugen F ... telefonisch getroffene Abrede, wonach das Motorrad noch an diesem Tage in Ordnung gebracht werden sollte, war daher - auch bei einer aufwändigeren Fehlersuche bzw. einem technisch nicht sofort zu behebenden Schaden - durchaus realistisch. Von daher ist es auch einleuchtend, dass der Kläger noch die an diesem Tage bestehende gute Möglichkeit nutzen wollte, den Defekt an seinem Motorrad beheben zu lassen.
Der Senat bezweifelt schließlich auch nicht, dass der Kläger sich voraussichtlich mindestens 2 Stunden bis zur Beendigung der Fehlersuche und Reparatur in der Werkstatt in K ... aufgehalten hätte. Insoweit hat der Kläger schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass er zum einen auf den Besuch einer Fachwerkstatt angewiesen war und im übrigen die Fehlersuche die Entfernung der kompletten Verkleidung des Motorrades, der Sitzbank sowie des Tanks erforderlich gemacht hätte. Dazu hat er unter Vorlage von Auskünften der Motorrad E ... GmbH in K ... bzw. der Yamaha Motor Deutschland in L ... unter Beweis gestellt, dass allein das Zerlegen, Reinigen und Neueinstellen der Vergaseranlage des vom Kläger gefahrenen Motorradtyps eine Richtzeit von 2 1/2 Stunden beansprucht. Insoweit hat der Zeuge F ... vor dem Senat glaubhaft geschildert, dass die vom Kläger geschilderten Auffälligkeiten auf einen Fehler im Vergaser bzw. in der Elektrik hingedeutet hätten und nach einer Probefahrt zunächst eine Demontage der Motorradverkleidung sowie der Sitzbank und des Tanks erforderlich gewesen wäre, um an den Vergaser bzw. an die elektrische Anlage des Motorrads zu gelangen. Allein für diese Demontagearbeiten war nach seinen Bekundungen ein Zeitaufwand von 3/4 Stunde anzusetzen. Hinzu gekommen wären dann nach der Fehlersuche an Vergaser bzw. Elektrik die eigentlichen Reparaturarbeiten sowie die Remontage von Verkleidung, Tank und Sitzbank mit abschließender Probefahrt. Wenn der Zeuge weiter dargelegt hat, dass ggf. auch noch Ersatzteile hätte besorgt werden müssen, folgt daraus, dass eine Aufenthaltsdauer des Klägers von deutlich mehr als 2 Stunden erforderlich war, bevor mit der Übergabe des wieder funktionsfähigen Motorrades gerechnet werden konnte.
Soweit die Beklagte im Widerspruchs- und Klageverfahren unter Hinweis auf die schriftliche Auskunft des Herrn F ... die Auffassung vertreten hat, es wären keine hinreichend sicheren Angaben über die mutmaßliche Reparaturdauer möglich, und eine Reparaturdauer von mehr als 2 Stunden sei bei den vorhandenen Defektzeichen am Motorrad des Klägers rein spekulativ, ist diese nicht näher begründete Auffassung durch die präzisen und nachvollziehbaren Angaben des sachkundigen Zeugen F ..., die die Beklagte letztlich auch nicht mehr in Zweifel gezogen hat, widerlegt.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten kommt nach der Rechtsansicht des Senats dem Umstand, dass dem Kläger im Zeitpunkt des Unfalls die voraussichtliche Aufenthaltsdauer in der Werkstatt in K ... nicht bekannt war, keine entscheidende Bedeutung zu. Naturgemäß kann bei Unfällen auf Wegen zum dritten Ort nie im Sinne des Vollbeweises bewiesen werden, wie lange der Versicherte sich dort aufgehalten hätte. Dementsprechend hat - worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat - das BSG schon im Urteil vom 10.12.1964 (a.a.O.) auf die beabsichtigte Dauer des privaten Zwecken dienenden Aufenthaltes in der Wohnung der Schwiegereltern des dortigen Versicherten abgestellt. Im Urteil des BSG vom 05.05.1998 (a. a. O.) ist gleichfalls davon Rede, dass von einem dritten Ort erst dann gesprochen werden könne, wenn sich der Versicherte dort mindestens 2 Stunden aufhält bzw. aufhalten will. Wenn insoweit maßgebend auf die Handlungstendenz des Versicherten abgestellt wird, kann dies hier nicht deshalb zur Versagung des Versicherungsschutzes führen, weil der Kläger hinsichtlich der Verweildauer im Unfallzeitpunkt keine konkrete Vorstellung hatte. Der Kläger wollte - wie oben dargelegt - durch die Fahrt nach K ... und das Aufsuchen der Werkstatt sicherstellen, dass der Defekt an seinem Motorrad umgehend beseitigt wurde. Diesbezüglich hatte er auch aufgrund des Telefonates mit dem Zeugen F ... berechtigten Anlass anzunehmen, dass dieser die entsprechenden Reparaturarbeiten erfolgreich durchführen könne. Dass man in derartigen Fällen zudem immer wieder mit Wartezeiten rechnen muss, insbesondere dann, wenn der Fehler erst gesucht werden muss, um ihn dann zu beseitigen, ist im übrigen jedem Kraftfahrer bekannt und entspricht damit auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Senat hält es deshalb allein für sachgerecht, auf die Aufenthaltsdauer abzustellen, die für die Fehlersuche und Reparatur des Motorrades objektiv erforderlich war. Insoweit kann - da es sich um ein hypothetisches Geschehen handelt - auch nur der Wahrscheinlichkeitsnachweis gefordert werden (so auch Benz, Die Bedeutung des sog. dritten Ortes bei Wegeunfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung - BG 1983 S. 721, 723).
Nach alledem befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf der Fahrt zu einem dritten Ort. Da diese Wegstrecke nicht nur nicht länger, sondern kürzer war als die sonst übliche von der Arbeitsstelle zur häuslichen Wohnung spielt - im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten - das Motiv für das Aufsuchen des dritten Ortes als ein Kriterium für die Eingrenzung des Versicherungsschutzes (vgl. dazu m.w.N. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. Rdnr. 12.22; Brackmann/Krasney, a.a.O. Rd.Nr. 196) keine maßgebende Rolle. Unabhängig davon war der Weg des Klägers davon geprägt, von der versicherten Tätigkeit in die Privatsphäre zu gelangen um dann - nach erfolgreicher Motorradreparatur - den Rest des Weges nach Hause fortzusetzen. Auf diesem Weg hätte dann allerdings Versicherungsschutz nicht mehr bestanden.
Dass im Übrigen Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII - Instandhaltung von Arbeitsgerät - hier ebensowenig wie nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wegen eines unvorhergesehenen Defektes mit der Notwendigkeit einer sofortigen Reparatur des Motorrades in Betracht kommt, hat die Beklagte zu treffend dargelegt. Dass die dafür nach der Rechtsprechung des BSG notwendigen Anspruchsvoraussetzungen hier nicht erfüllt sind, hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen.
Nach alledem ist die Beklagte daher zur Gewährung von Entschädigungsleistungen verpflichtet, weil der Verkehrsunfall des Klägers vom 19.06.1998 einen Arbeitsunfall darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen.
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