L 11 KR 2499/09 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2499/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragszahlung des Klägers zur Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) und dabei insbesondere seine Versicherungspflicht in der KVdL streitig.

Der 1972 geborene Kläger pachtete zum 30. September 1994 den Hof seiner Eltern mit Ackerland, Weidefläche, Hoffläche und Wiese (Pachtvertrag vom 28. September 1994). Mit Bescheid vom 14. Oktober 1994 stellte die B. Landwirtschaftliche Krankenkasse, Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Versicherungspflicht des Klägers in der KVdL fest und nahm den Kläger ab 30. September 1994 als Mitglied auf. Nachdem der Kläger eine Ausbildung beim Landwirtschaftsamt begonnen hatte und in das Beamtenverhältnis aufgenommen wurde, beendete die B. Landwirtschaftliche Krankenkasse seine Mitgliedschaft mit dem 31. Oktober 1998 (Bescheid vom 16. November 1998). Nach Beendigung der Ausbildung und Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nahm die B. Landwirtschaftliche Krankenkasse den Kläger erneut ab 1. Mai 2000 als Mitglied auf (Bescheid vom 11. Mai 2000).

Während der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten und den anderen Trägern der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung kam es wiederholt zu Beitragsrückständen und Vollstreckungen. Infolge von Streitigkeiten des Klägers mit der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft B.-W. (BG) im Frühjahr 2005 bezahlte der Kläger auch seine Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 teilte die Beklagte dem Kläger den neuen Beitrag zur Krankenversicherung ab 1. Mai 2005 in Höhe von 310 EUR monatlich und dessen Berechnung auf der Grundlage des Flächenwerts des Hofes mit.

Im Rahmen eines vom Kläger geführten Klageverfahrens gegen die BG vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG), welches dort unter dem Aktenzeichen S 5 U 3179/05 geführt wurde, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2006, er erhebe auch gegen seinen Beitrag zur KVdL Klage und werde ihn in Zukunft nicht mehr entrichten. Mit einem weit geringeren Beitrag könne er sich privat versichern. Dies stehe jedem Selbständigen nach fünf Pflichtversicherungsjahren zu. Also müsse dies auch in der Landwirtschaft möglich sein oder werden. Das SG führte die Klage unter dem Aktenzeichen S 9 KR 107/06. Die Beklagte wies den in der Klage enthaltenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 zurück. Hierbei legte sie die rechtlichen Grundlagen und die Berechnung des Beitrags ausführlich dar. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid (Aktenstück 100 der Verw.-Akten) Bezug genommen. Die Kammervorsitzende des SG erörterte den Sach- und Streitstand mit dem Kläger und teilte dabei mit, es sei beabsichtigt, mit Gerichtsbescheid zu entscheiden. Zuvor hatte der Kläger ausgeführt, dass es ihm maßgeblich um die Frage der Beitragspflicht in der KVdL gehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 9. Dezember 2008 Bezug genommen (AS 25/26 der SG-Akte).

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei als landwirtschaftlicher Unternehmer pflichtversichert. Gegen die Pflichtversicherung bei der Beklagten bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Mit zwei Gerichtsbescheiden vom gleichen Tag wies das SG auch zwei weitere Klagen des Klägers (S 9 KR 1565/07 und S 9 KR 1036/08) ab, mit denen er die Verurteilung der Beklagten, die rückständigen Beiträge zu stunden, begehrt hatte.

Der Kläger legte gegen den ihm am 29. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid im Verfahren S 9 KR 107/06 am 26. Februar 2009 Berufung ein (L 11 KR 905/09). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er könne sich nicht erinnern, einer schriftlichen Verhandlung zugestimmt zu haben. Bereits beim Studium sei er von der Beklagten abgezockt worden und habe jeden Monat 800 DM an Beiträgen bezahlen müssen, während die Beitragspflicht anderer Studenten nur 50 DM betragen habe. Die Krankenkasse solle endlich einmal das Einkommen mit 15 % besteuern und keine fiktiven Hektarsätze verwenden; dies sei nicht mehr zeitgemäß. Die Beklagte trat der Berufung entgegen und verwies auf den Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 und die Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Auch gegen die Gerichtsbescheide in den Verfahren S 9 KR 1565/07 und S 9 KR 1036/08 legte der Kläger am 29. Januar 2009 Berufung ein (L 11 KR 906/09 und L 11 KR 907/09). Über die drei Berufungen ist bisher noch nicht entschieden worden.

Am 3. Juni 2009 hat der Kläger - "um den Vorgang zu beschleunigen" - im Verfahren L 11 KR 905/09 Eilantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich gegen den Eilantrag gewandt. Sie hält den Erfolg der Berufung nicht für wahrscheinlich und sieht auch keine besondere Härte beim Kläger. Im Erörterungstermin vor dem SG habe dieser die Zwangsbetreibungen trotz Hinweises auf die zusätzlichen Kosten begrüßt, da er dadurch mit der Beitragszahlung keine Arbeit habe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz der genannten Klagen, die Akte des Eilverfahrens sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag des Klägers, der als solcher auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid auszulegen ist, ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Gericht der Hauptsache ist hier das Landessozialgericht, denn der Rechtsstreit befindet sich bereits in der Berufungsinstanz.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 20. März 2006, L 8 AS 369/06 ER-B und 21. November 2006, L 8 AS 4680/06 ER-B). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen keine Positionen eingeräumt werden, die im Hauptsacheverfahren erkennbar nicht standhalten. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Bescheide ist deshalb die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs die Anordnung hingegen abzulehnen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden. Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2003, 2 BvR 1198/03, BVerfGE 108, 238 = NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.).

Der Senat hegt - nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung - derzeit keine Zweifel daran, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Das SG durfte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache im Hinblick darauf, dass es dem Kläger vornehmlich um das Bestehen einer Versicherungspflicht geht, keinen besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dem Kläger wurde dies ausweislich der Niederschrift vom 9. Dezember 2008 auch angekündigt. Er hatte im Erörterungstermin Gelegenheit, sich zu dieser Verfahrensweise (und zur Sache selbst) zu äußern. Er hätte, wenn er sich hierzu nicht unmittelbar in der Lage gesehen hätte, ein Schriftsatzrecht verlangen können, was aber nicht geschah. Das genügt den Anforderungen an eine Anhörung nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG. Einer Zustimmung des Klägers zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid bedurfte es hingegen nicht.

Nach § 37 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) werden die Mittel für die landwirtschaftliche Krankenversicherung u. a. durch Beiträge aufgebracht. Dabei werden bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist, der Beitragsbemessung u. a. Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft zugrunde gelegt. Nach § 40 Abs. 1 KVLG 1989 werden die Beiträge nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KVLG 1989 nach Beitragsklassen festgesetzt. Die Satzung bestimmt die Beitragsklassen für die versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Wirtschaftswert, dem Arbeitsbedarf oder einem anderen angemessenen Maßstab. Bei Anwendung eines anderen angemessenen Maßstabs bestimmt nach § 40 Abs. 5 KVLG 1989 die Satzung das Verfahren. Nach § 44 Abs. 1 der Satzung der Beklagten im hier maßgeblichen Gültigkeitszeitraum erfolgt die Beitragsberechnung nach den unwidersprochenen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 für landwirtschaftliche Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 nach dem korrigierten Flächenwert. Eine derartige Beitragsbemessung ist in der Rechtsprechung auch als zulässig anerkannt worden (siehe nur LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2008, L 1 KR 141/07 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 31. Juli 1980, 11 RK 7/79, SozR 5420 § 65 Nr. 4).

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung der Beiträge allein mit dem Argument, er sei in der KVdL nicht versicherungspflichtig bzw. von der Versicherung in der KVdL zu befreien. Die Versicherungspflicht steht aber aufgrund der Bescheide vom 14. Oktober 1994 und 11. Mai 2000 bestandskräftig und damit auch für den Kläger bindend (§ 77 SGG) fest. Der Kläger hat auch keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht, wie ihn etwa §§ 4, 5 KVLG 1989 vorsehen, gestellt und die Beklagte hat hierüber positiv nicht entschieden. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch er mit dem BSG (vgl. Urteil vom 30. März 2006, B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr. 1) keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Pflichtversicherung landwirtschaftlicher Unternehmer in der KVdL hat.

Hinsichtlich der Höhe des Beitrages hat der Kläger keine substantiellen Einwendungen erhoben. Die Berechnung des Beitrags nach dem korrigierten Flächenwert und nicht etwa nach anderen, dem steuerrechtlich maßgeblichen Gesamteinkommen entsprechenden Werten (wie etwa für freiwillig Versicherte in § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch geregelt), ist in § 40 Abs. 1 Satz 2 KVLG 1989 in Verbindung mit den maßgeblichen Vorschriften der Satzung der Beklagten vorgeschrieben. Im Übrigen verweist der Senat entsprechend § 153 Abs. 1, § 136 Abs. 3 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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