Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 666/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2571/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.04.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der Behinderung (GdB) der 1964 geborenen Klägerin streitig.
Die Klägerin beantragte am 13.02.2006 die Feststellung ihres GdB. Das Landratsamt B. (LRA) holte den Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. M. vom 02.06.2006 ein, der den Ärztlichen Entlassungsbericht der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 über die stationäre Behandlung vom 11.01.2006 bis zum 08.02.2006 und den Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin 3 des R.-Krankenhauses St. (RBK) vom 10.03.2006 über die stationäre Behandlung vom 08.03.2006 bis zum 10.03.2006 mit Laborwerten und Herzkatheterprotokoll beifügte. Dr. M. führte aus, zunächst hätten jedenfalls seit 1994 Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit einem Wurzelreizsyndrom L3/L4 und L4/L5 sowie einem 1997 operativ behandelten medialen Bandscheibenprolaps L4/L5 im Vordergrund gestanden. Im weiteren Verlauf habe sich eine Fußheberschwäche rechts entwickelt. Im Dezember 2005 sei eine akute Blockade im Bereich der Brustwirbelsäule Th 2/3 mit Schmerzausstrahlung und einer zusätzlichen kardialen Problematik aufgetreten. Es habe sich ein kardialer Gefäßspasmus gezeigt, welcher im RBK behandelt worden sei. Dr. K. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2006 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes (Teil-GdB 30) sowie eine Herzleistungsminderung und einen abgelaufenen Herzinfarkt (Teil-GdB 30) und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Hierauf gestützt stellte das LRA mit Bescheid vom 14.06.2006 den GdB mit 40 seit 13.02.2006 fest.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte die Arztbriefe der Abteilung für Innere Medizin 3 des RBK vom 12.05.2006, 29.06.2006 und 26.09.2006 vor. Dr. M. hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.10.2006 an der bisherigen Beurteilung fest. Sodann wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2007 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.01.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie legte ein von ihr geführtes Beschwerde-Tagebuch vor.
Das SG hörte Dr. O., Ärztlicher Direktor an der Herz-Kreislauf-Klinik M., die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M.-F. und Prof. Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin III des RBK schriftlich als sachverständige Zeugen.
Dr. O. führte unter dem 22.05.2007 aus, der GdB der Klägerin sei in kardialer Hinsicht mit 40 zu bewerten. Das derzeitige Dauerbelastungsniveau liege bei 50 Watt, wobei keine kardialen Beschwerden aufträten. Dies entspreche einer mittelschweren körperlichen Belastung. Höhergradige Belastungen seien medizinisch aufgrund der Funktionsminderung des linken Ventrikels nicht sinnvoll, auch wenn diese kurzfristig toleriert würden. Es wäre zu befürchten, dass es zu einer zunehmenden Vergrößerung der linken Herzkammer kommen könne, was zu klinischer Herzinsuffizienz führen dürfte. Im Belastungs-Echokardiogramm bestehe eine Belastbarkeit bis 100 Watt bei klinischer Beschwerdefreiheit, allerdings mit überproportionalem Herzfrequenzverhalten, was ein ungünstiger Parameter für Dauerbelastung auf diesem Niveau sei.
Dr. M.-F. führte unter dem 26.05.2007 unter Vorlage unter anderem des ärztlichen Entlassungsberichts der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.04.2007 über die stationäre Behandlung vom 20.03.2007 bis zum 10.04.2007, der Arztbriefe der Abteilung für Innere Medizin 3 des RBK vom 16.02.2006 und 18.04.2006 mit Herzkatheterprotokollen, der Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie des RBK vom 22.02.2006, der Abteilung für Kardiologie/kardiale Magnetresonanztomographie des RBK vom 07.03.2006 und der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des RBK vom 12.01.2006 aus, die körperliche Belastbarkeit der Klägerin sei nach wie vor eingeschränkt. Es bestünden weiterhin Koronarspasmen. Die linksventrikuläre Funktion sei mittelgradig eingeschränkt. Wegen der weiterhin auftretenden Koronarspasmen sei der GdB in kardialer Hinsicht höher als bisher zu bewerten.
Prof. Dr. S. führte unter dem 06.07.2007 unter Vorlage unter anderem der Arztbriefe der Abteilung für Kardiologie/kardiale Magnetresonanztomographie des RBK vom 20.12.2005, der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des RBK vom 12.01.2006, des Pathologen Prof. Dr. B. vom 16.03.2006, des Pathologen Prof. Dr. K. vom 23.03.2006 und des Echokardiographie-Berichts des RBK vom 28.02.2007 aus, die Koronarspasmen seien zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung am 28.02.2007 als leicht bis mittelschwer einzustufen. Bei der letzten Vorstellung habe die Klägerin weniger thorakale Schmerzen als bei der Voruntersuchung am 25.09.2006 angegeben. Die Herzleistungsminderung bei Zustand nach Herzinfarkt sei unter entsprechender Medikation als geringfügig einzustufen. Echokardiographisch zeige sich eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Funktion. Die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes sei zutreffend. Aufgrund einer medikamentös kompensierten Herzleistungsminderung nach abgelaufenem Myokardinfarkt sei von einem Teil-GdB von 30 auszugehen.
Dr. G. gelangte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.10.2007 zu der Einschätzung, die von Dr. O. und Dr. M.-F. vorgeschlagene Höherbewertung der Herzleistungsminderung und der Beschwerden in Verbindung mit den Koronarspasmen sei nicht ausreichend nachvollziehbar. Die pektanginösen Beschwerden im Sinne von Koronarspasmen seien nach Aktenlage im Verlauf seit dem Jahr 2006 deutlich rückläufig. Der ärztliche Entlassungsbericht der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.04.2007 dokumentiere eine ergometrische Belastbarkeit bis 100 Watt ohne Anhalt für eine Belastungskoronarinsuffizienz. Eine aktuelle Echokardiographie sei in der Herz-Kreislauf-Klinik M. nicht durchgeführt worden. Dr. O. sei bei seiner Beurteilung vom Vorliegen einer mittelgradigen Funktionseinschränkung der linken Herzkammer ausgegangen. Im Rahmen der ambulanten Vorstellung in der kardiologischen Abteilung des RBK am 28.02.2007 sei echokardiographisch nur noch eine leicht eingeschränkte Funktion der linken Herzkammer mit einer Auswurffraktion von 50 % festgestellt worden. Das Belastungs-Echokardiogramm vom 28.02.2007 habe eine Maximalbelastbarkeit bis 170 Watt ohne pektanginöse Beschwerden und ohne inadäquate Atemnot gezeigt. Prof. Dr. S. gehe insgesamt von einer geringfügigen Herzleistungsminderung aus und bestätige die bisherige Bewertung. Die übrigen Unterlagen hätten keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Mit Urteil vom 21.04.2008 verurteilte das SG den Beklagten, unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2007 den GdB der Klägerin ab 13.02.2006 mit 50 festzusetzen. Vor dem Hintergrund der aktenkundigen Ergometerdaten, der Ejektionsfraktion, des sich hieraus ergebenden klinischen Bildes und der funktionellen Einschränkungen im Alltag komme für die Herzerkrankung der Klägerin die Zuerkennung eines höheren GdB als 30 nicht in Betracht. Von den beklagten Koronarspasmen gehe keine andauernde Leistungsbeeinträchtigung aus. Auch die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Hieraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen seien vorliegend voneinander unabhängig und beträfen verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens, weshalb sich der für die Wirbelsäulenerkrankung zuerkannte Teil-GdB erhöhend auswirke. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass sich beide Teil-GdB-Werte sicherlich nicht im oberen Bereich des Vertretbaren bewegten.
Gegen das ihm am 15.05.2008 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 30.05.2008 Berufung eingelegt. Er hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 27.05.2008 vorgelegt. Bei den aktenkundigen Funktionsparametern von Seiten des Herzens müsse der bisherige diesbezügliche Teil-GdB von 30 als überhöht angesehen werden und betrage real maximal 20. Bei einem Teil-GdB von 30 auf orthopädischem Gebiet und von 20 für die Herzleistungsminderung bei abgelaufenem Herzinfarkt wäre somit der bisherige Gesamt-GdB von 40 weiterhin völlig ausreichend.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.04.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Bewertung der Herzkrankheit mit einem Teil-GdB von 30 bewege sich am unteren Ende der möglichen Bewertung.
Der Senat hat das internistisch-kardiologische Gutachten des Prof. Dr. N., Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten am K.hospital St., vom 06.12.2008 erhoben. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgelegten Berichts des Kardiologen Dr. M. über eine vom 11.08.2008 bis zum 12.08.2008 durchgeführte Langzeit-Echokardiographie und des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. A., Ärztlicher Direktor der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am K.hospital St. vom 14.10.2008 ausgeführt, die Funktionsstörungen entsprächen auf kardiologischem Gebiet einem leicht- bis allenfalls mittelschweren Schweregrad. Aus dem aktenkundigen Krankheitsverlauf ergebe sich auf kardiologischem Gebiet ein GdB von 40 bis und ein GdB von 30 ab März 2006. Die angegebenen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und kardiologischem Fachgebiet überschnitten sich doch deutlich. Unter Berücksichtigung aller erhobenen Befunde sei damit ein Gesamt-GdB von maximal 40 seit März 2006 anzusetzen. Die abweichenden Einschätzungen des Dr. O. und der Dr. M.-F. würden nicht geteilt.
Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, die im radiologischen Zusatzgutachten des Prof. Dr. A. beschriebenen Brustwirbelsäulen-Veränderungen seien bislang nicht berücksichtigt worden. Der Beklagte hat dargelegt, Prof. Dr. A. habe lediglich röntgenologisch leichte degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule festgestellt. Allein aus einem radiologischen Befund könne nicht auf eine tatsächliche Funktionseinbuße der Wirbelsäule geschlossen werden. Im Übrigen sei auch unter Zugrundelegung der Einschätzung des Prof. Dr. N. für das Herzleiden durchgehend kein höherer GdB als 30 anzunehmen, da in dem möglicherweise schlechteren Herzbefund im Zeitraum von Dezember 2005 bis März 2006 jedenfalls kein Dauerzustand zu sehen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weitern Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin mit 50 festzustellen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).
Für die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin kommt kein höherer GdB als 30 in Betracht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 beträgt für Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40, mit besonders schweren Auswirkungen (zum Beispiel Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [zum Beispiel Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab circa 70 Grad nach Cobb]) der GdB 50 bis 70 sowie bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit der GdB 80 bis 100.
Bei der Klägerin liegen ausweislich des ärztlichen Befundberichts des Dr. M. vom 02.06.2006 Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit einem Wurzelreizsyndrom L3/L4 und L4/L5, ein operativ behandelter medialer Bandscheibenprolaps L4/L5 sowie Brustwirbelsäulenbeschwerden im Zusammenhang mit der kardialen Symptomatik vor. Dabei handelt es sich keinesfalls um schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, welche nach den VG mit einem GdB von 40 zu bewerten wären. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist keine schwergradige Funktionseinschränkung seitens der Brustwirbelsäule dokumentiert. Insoweit hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, Prof. Dr. A. habe lediglich röntgenologisch leichte degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule festgestellt und allein aus einem radiologischen Befund könne nicht auf eine tatsächliche Funktionseinbuße der Wirbelsäule geschlossen werden. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass in den ärztlichen Entlassungsberichten der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 und 13.04.2007 keine gravierenden Befunde auf dem orthopädischen Fachgebiet beschrieben werden. Daher sieht der Senat auch davon ab, der Fußheberschwäche rechts eine GdB-erhöhende Relevanz beizumessen
Für die kardialen Beschwerden der Klägerin kommt ebenfalls kein höherer GdB als 30 in Betracht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 beträgt bei einer Einschränkung der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (zum Beispiel sehr schnelles Gehen [7 bis 8 km/h], schwere körperliche Arbeit), ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung der GdB 0 bis 10, bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (zum Beispiel forsches Gehen [5 bis 6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 20 bis 40, bei einer Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (zum Beispiel Spazierengehen [3 bis 4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 50 bis 70, mit gelegentlich auftretenden, vorübergehend schweren Dekompensationserscheinungen der GdB 80 sowie bei einer Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, zum Beispiel auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie) der GdB 90 bis 100.
Beurteilungsgrundlage für die Bewertung der kardialen Symptomatik sind die Artbriefe des RBK, die ärztlichen Entlassungsberichte der Herz-Kreislauf-Klinik M., die sachverständige Zeugenauskunft des Prof. Dr. S. vom 06.07.2007 und das ausführliche und in sich schlüssige Gutachten des Prof. Dr. N. vom 06.12.2008.
Bei der Klägerin trat im Dezember 2005 ein subakuter Myokardinfarkt auf. Eine koronare Herzkrankheit, eine Arteriitis und eine Vaskulitis wurden im RBK als Ursache hierfür ausgeschlossen. Infolge des Infarktes ist eine linksventrikuläre Funktionseinschränkung eingetreten. Diese ist im Dezember 2005 im RBK magnetresonanztomographisch und echokardiographisch als mittel- bis hochgradig bewertet worden. Im Januar 2006 ist von der Herz-Kreislauf-Klinik M. eine mittelmäßige körperliche Belastbarkeit und echokardiographisch eine mittelgradige Reduzierung beschrieben worden. Im März 2006 ist im RBK nach einer Herzkatheteruntersuchung, einem ACH-Test und einer kardialen Magnetresonanztomographie eine deutliche Besserung nachgewiesen worden. Im Februar 2007 ist im RBK echokardiographisch nur noch eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Funktion erhoben worden. In der Echokardiographie im Februar 2007 im RBK ist eine maximale Belastung von 170 Watt ohne eine Angina-pectoris-Symptomatik, Dyspnoe oder signifikante Veränderungen erreicht worden. Im Juli 2007 ist in der Herz-Kreislauf-Klinik M. echokardiographisch eine Belastbarkeit bis 100 Watt und eine maximale Herzfrequenz bis 150/min angegeben worden. Im August 2008 ist durch Dr. M. echokardiographisch eine Belastung bis 125 Watt ohne Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz und in der Langzeit-Echokardiographie kein gravierender Befund erhoben worden. Im Oktober 2008 hat sich im K.hospital St. echokardiographisch eine leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion gezeigt.
Aus diesen Messdaten und dem zeitlichen Verlauf hat der Sachverständige Prof. Dr. N. zwar den Schluss gezogen, dass der GdB auf kardiologischem Fachgebiet 40 bis März 2006 betragen hat und 30 ab März 2006 beträgt. Diese Einschätzung erklärt sich zunächst dadurch, dass bei der Klägerin ab Dezember 2005 eine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung vorgelegen hat, mit der am 06.03.2006 im RBK durchgeführten kardialen Magnetresonanztomographie eine deutliche Besserung der linksventrikulären Funktion dokumentiert worden ist und sich dieser Zustand ausweislich der danach erfolgten Untersuchungen gefestigt hat und der Sachverständige deshalb den durch die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 eröffneten GdB-Rahmen von 20 bis 40 bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung nur bis März 2006 nach oben ausgeschöpft hat. Allerdings hat der Sachverständige, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt, dass der GdB nach den VG, Teil A, Nr. 2 f Satz 1 eine nicht nur vorübergehende und damit eine sich über sechs Monate erstreckende Gesundheitsstörung voraussetzt und dementsprechend bei abklingenden Gesundheitsstörungen der Wert festzusetzen ist, der dem über sechs Monate hinaus verbliebenen Schaden entspricht. Mithin ist nach Überzeugung des Senats der GdB der Klägerin auf kardiologischem Fachgebiet durchgehend nicht höher als mit 30 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Zum Einen überschneiden sich die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und kardiologischem Fachgebiet – entgegen der Einschätzung des SG – doch beträchtlich. Hierauf hat der Sachverständige Prof. Dr. N. zutreffend hingewiesen, indem er ausgeführt hat, dass die Notwendigkeit von Pausen im Tagesablauf und die Beeinträchtigung beim Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten nicht nur durch die Lendenwirbelsäulenbeschwerden, sondern auch kardiologisch begründet sind. Zum Anderen sind die beiden GdB-Werte doch eher hoch angesiedelt. So hat Prof. Dr. N. den GdB auf kardiologischem Fachgebiet mit 30 bewertet, obwohl die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung einen GdB-Rahmen von 20 bis 40 eröffnen und die Untersuchungsergebnisse ab März 2006 lediglich eine leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion gezeigt haben. Auch erscheint dem Senat der vom Beklagten angenommene GdB von 30 auf orthopädischem Fachgebiet als großzügig bemessen, zumal diesbezüglich lediglich der ärztliche Befundbericht des Dr. M. vom 02.06.2006 ohne detaillierte Beschreibung der Funktionsbehinderungen und ohne Messdaten vorliegt und im Übrigen aus den ärztlichen Entlassungsberichten der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 und 13.04.2007 keine gravierenden Befunde auf dem orthopädischen Fachgebiet beschrieben werden.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung und bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Zu Unrecht hat daher das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin mit 50 festzustellen.
Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der Behinderung (GdB) der 1964 geborenen Klägerin streitig.
Die Klägerin beantragte am 13.02.2006 die Feststellung ihres GdB. Das Landratsamt B. (LRA) holte den Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. M. vom 02.06.2006 ein, der den Ärztlichen Entlassungsbericht der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 über die stationäre Behandlung vom 11.01.2006 bis zum 08.02.2006 und den Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin 3 des R.-Krankenhauses St. (RBK) vom 10.03.2006 über die stationäre Behandlung vom 08.03.2006 bis zum 10.03.2006 mit Laborwerten und Herzkatheterprotokoll beifügte. Dr. M. führte aus, zunächst hätten jedenfalls seit 1994 Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit einem Wurzelreizsyndrom L3/L4 und L4/L5 sowie einem 1997 operativ behandelten medialen Bandscheibenprolaps L4/L5 im Vordergrund gestanden. Im weiteren Verlauf habe sich eine Fußheberschwäche rechts entwickelt. Im Dezember 2005 sei eine akute Blockade im Bereich der Brustwirbelsäule Th 2/3 mit Schmerzausstrahlung und einer zusätzlichen kardialen Problematik aufgetreten. Es habe sich ein kardialer Gefäßspasmus gezeigt, welcher im RBK behandelt worden sei. Dr. K. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2006 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes (Teil-GdB 30) sowie eine Herzleistungsminderung und einen abgelaufenen Herzinfarkt (Teil-GdB 30) und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Hierauf gestützt stellte das LRA mit Bescheid vom 14.06.2006 den GdB mit 40 seit 13.02.2006 fest.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte die Arztbriefe der Abteilung für Innere Medizin 3 des RBK vom 12.05.2006, 29.06.2006 und 26.09.2006 vor. Dr. M. hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.10.2006 an der bisherigen Beurteilung fest. Sodann wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2007 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.01.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie legte ein von ihr geführtes Beschwerde-Tagebuch vor.
Das SG hörte Dr. O., Ärztlicher Direktor an der Herz-Kreislauf-Klinik M., die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M.-F. und Prof. Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin III des RBK schriftlich als sachverständige Zeugen.
Dr. O. führte unter dem 22.05.2007 aus, der GdB der Klägerin sei in kardialer Hinsicht mit 40 zu bewerten. Das derzeitige Dauerbelastungsniveau liege bei 50 Watt, wobei keine kardialen Beschwerden aufträten. Dies entspreche einer mittelschweren körperlichen Belastung. Höhergradige Belastungen seien medizinisch aufgrund der Funktionsminderung des linken Ventrikels nicht sinnvoll, auch wenn diese kurzfristig toleriert würden. Es wäre zu befürchten, dass es zu einer zunehmenden Vergrößerung der linken Herzkammer kommen könne, was zu klinischer Herzinsuffizienz führen dürfte. Im Belastungs-Echokardiogramm bestehe eine Belastbarkeit bis 100 Watt bei klinischer Beschwerdefreiheit, allerdings mit überproportionalem Herzfrequenzverhalten, was ein ungünstiger Parameter für Dauerbelastung auf diesem Niveau sei.
Dr. M.-F. führte unter dem 26.05.2007 unter Vorlage unter anderem des ärztlichen Entlassungsberichts der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.04.2007 über die stationäre Behandlung vom 20.03.2007 bis zum 10.04.2007, der Arztbriefe der Abteilung für Innere Medizin 3 des RBK vom 16.02.2006 und 18.04.2006 mit Herzkatheterprotokollen, der Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie des RBK vom 22.02.2006, der Abteilung für Kardiologie/kardiale Magnetresonanztomographie des RBK vom 07.03.2006 und der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des RBK vom 12.01.2006 aus, die körperliche Belastbarkeit der Klägerin sei nach wie vor eingeschränkt. Es bestünden weiterhin Koronarspasmen. Die linksventrikuläre Funktion sei mittelgradig eingeschränkt. Wegen der weiterhin auftretenden Koronarspasmen sei der GdB in kardialer Hinsicht höher als bisher zu bewerten.
Prof. Dr. S. führte unter dem 06.07.2007 unter Vorlage unter anderem der Arztbriefe der Abteilung für Kardiologie/kardiale Magnetresonanztomographie des RBK vom 20.12.2005, der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des RBK vom 12.01.2006, des Pathologen Prof. Dr. B. vom 16.03.2006, des Pathologen Prof. Dr. K. vom 23.03.2006 und des Echokardiographie-Berichts des RBK vom 28.02.2007 aus, die Koronarspasmen seien zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung am 28.02.2007 als leicht bis mittelschwer einzustufen. Bei der letzten Vorstellung habe die Klägerin weniger thorakale Schmerzen als bei der Voruntersuchung am 25.09.2006 angegeben. Die Herzleistungsminderung bei Zustand nach Herzinfarkt sei unter entsprechender Medikation als geringfügig einzustufen. Echokardiographisch zeige sich eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Funktion. Die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes sei zutreffend. Aufgrund einer medikamentös kompensierten Herzleistungsminderung nach abgelaufenem Myokardinfarkt sei von einem Teil-GdB von 30 auszugehen.
Dr. G. gelangte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.10.2007 zu der Einschätzung, die von Dr. O. und Dr. M.-F. vorgeschlagene Höherbewertung der Herzleistungsminderung und der Beschwerden in Verbindung mit den Koronarspasmen sei nicht ausreichend nachvollziehbar. Die pektanginösen Beschwerden im Sinne von Koronarspasmen seien nach Aktenlage im Verlauf seit dem Jahr 2006 deutlich rückläufig. Der ärztliche Entlassungsbericht der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.04.2007 dokumentiere eine ergometrische Belastbarkeit bis 100 Watt ohne Anhalt für eine Belastungskoronarinsuffizienz. Eine aktuelle Echokardiographie sei in der Herz-Kreislauf-Klinik M. nicht durchgeführt worden. Dr. O. sei bei seiner Beurteilung vom Vorliegen einer mittelgradigen Funktionseinschränkung der linken Herzkammer ausgegangen. Im Rahmen der ambulanten Vorstellung in der kardiologischen Abteilung des RBK am 28.02.2007 sei echokardiographisch nur noch eine leicht eingeschränkte Funktion der linken Herzkammer mit einer Auswurffraktion von 50 % festgestellt worden. Das Belastungs-Echokardiogramm vom 28.02.2007 habe eine Maximalbelastbarkeit bis 170 Watt ohne pektanginöse Beschwerden und ohne inadäquate Atemnot gezeigt. Prof. Dr. S. gehe insgesamt von einer geringfügigen Herzleistungsminderung aus und bestätige die bisherige Bewertung. Die übrigen Unterlagen hätten keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Mit Urteil vom 21.04.2008 verurteilte das SG den Beklagten, unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2007 den GdB der Klägerin ab 13.02.2006 mit 50 festzusetzen. Vor dem Hintergrund der aktenkundigen Ergometerdaten, der Ejektionsfraktion, des sich hieraus ergebenden klinischen Bildes und der funktionellen Einschränkungen im Alltag komme für die Herzerkrankung der Klägerin die Zuerkennung eines höheren GdB als 30 nicht in Betracht. Von den beklagten Koronarspasmen gehe keine andauernde Leistungsbeeinträchtigung aus. Auch die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Hieraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen seien vorliegend voneinander unabhängig und beträfen verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens, weshalb sich der für die Wirbelsäulenerkrankung zuerkannte Teil-GdB erhöhend auswirke. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass sich beide Teil-GdB-Werte sicherlich nicht im oberen Bereich des Vertretbaren bewegten.
Gegen das ihm am 15.05.2008 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 30.05.2008 Berufung eingelegt. Er hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 27.05.2008 vorgelegt. Bei den aktenkundigen Funktionsparametern von Seiten des Herzens müsse der bisherige diesbezügliche Teil-GdB von 30 als überhöht angesehen werden und betrage real maximal 20. Bei einem Teil-GdB von 30 auf orthopädischem Gebiet und von 20 für die Herzleistungsminderung bei abgelaufenem Herzinfarkt wäre somit der bisherige Gesamt-GdB von 40 weiterhin völlig ausreichend.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.04.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Bewertung der Herzkrankheit mit einem Teil-GdB von 30 bewege sich am unteren Ende der möglichen Bewertung.
Der Senat hat das internistisch-kardiologische Gutachten des Prof. Dr. N., Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten am K.hospital St., vom 06.12.2008 erhoben. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgelegten Berichts des Kardiologen Dr. M. über eine vom 11.08.2008 bis zum 12.08.2008 durchgeführte Langzeit-Echokardiographie und des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. A., Ärztlicher Direktor der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am K.hospital St. vom 14.10.2008 ausgeführt, die Funktionsstörungen entsprächen auf kardiologischem Gebiet einem leicht- bis allenfalls mittelschweren Schweregrad. Aus dem aktenkundigen Krankheitsverlauf ergebe sich auf kardiologischem Gebiet ein GdB von 40 bis und ein GdB von 30 ab März 2006. Die angegebenen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und kardiologischem Fachgebiet überschnitten sich doch deutlich. Unter Berücksichtigung aller erhobenen Befunde sei damit ein Gesamt-GdB von maximal 40 seit März 2006 anzusetzen. Die abweichenden Einschätzungen des Dr. O. und der Dr. M.-F. würden nicht geteilt.
Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, die im radiologischen Zusatzgutachten des Prof. Dr. A. beschriebenen Brustwirbelsäulen-Veränderungen seien bislang nicht berücksichtigt worden. Der Beklagte hat dargelegt, Prof. Dr. A. habe lediglich röntgenologisch leichte degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule festgestellt. Allein aus einem radiologischen Befund könne nicht auf eine tatsächliche Funktionseinbuße der Wirbelsäule geschlossen werden. Im Übrigen sei auch unter Zugrundelegung der Einschätzung des Prof. Dr. N. für das Herzleiden durchgehend kein höherer GdB als 30 anzunehmen, da in dem möglicherweise schlechteren Herzbefund im Zeitraum von Dezember 2005 bis März 2006 jedenfalls kein Dauerzustand zu sehen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weitern Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin mit 50 festzustellen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).
Für die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin kommt kein höherer GdB als 30 in Betracht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 beträgt für Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40, mit besonders schweren Auswirkungen (zum Beispiel Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [zum Beispiel Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab circa 70 Grad nach Cobb]) der GdB 50 bis 70 sowie bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit der GdB 80 bis 100.
Bei der Klägerin liegen ausweislich des ärztlichen Befundberichts des Dr. M. vom 02.06.2006 Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit einem Wurzelreizsyndrom L3/L4 und L4/L5, ein operativ behandelter medialer Bandscheibenprolaps L4/L5 sowie Brustwirbelsäulenbeschwerden im Zusammenhang mit der kardialen Symptomatik vor. Dabei handelt es sich keinesfalls um schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, welche nach den VG mit einem GdB von 40 zu bewerten wären. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist keine schwergradige Funktionseinschränkung seitens der Brustwirbelsäule dokumentiert. Insoweit hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, Prof. Dr. A. habe lediglich röntgenologisch leichte degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule festgestellt und allein aus einem radiologischen Befund könne nicht auf eine tatsächliche Funktionseinbuße der Wirbelsäule geschlossen werden. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass in den ärztlichen Entlassungsberichten der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 und 13.04.2007 keine gravierenden Befunde auf dem orthopädischen Fachgebiet beschrieben werden. Daher sieht der Senat auch davon ab, der Fußheberschwäche rechts eine GdB-erhöhende Relevanz beizumessen
Für die kardialen Beschwerden der Klägerin kommt ebenfalls kein höherer GdB als 30 in Betracht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 beträgt bei einer Einschränkung der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (zum Beispiel sehr schnelles Gehen [7 bis 8 km/h], schwere körperliche Arbeit), ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung der GdB 0 bis 10, bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (zum Beispiel forsches Gehen [5 bis 6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 20 bis 40, bei einer Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (zum Beispiel Spazierengehen [3 bis 4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 50 bis 70, mit gelegentlich auftretenden, vorübergehend schweren Dekompensationserscheinungen der GdB 80 sowie bei einer Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, zum Beispiel auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie) der GdB 90 bis 100.
Beurteilungsgrundlage für die Bewertung der kardialen Symptomatik sind die Artbriefe des RBK, die ärztlichen Entlassungsberichte der Herz-Kreislauf-Klinik M., die sachverständige Zeugenauskunft des Prof. Dr. S. vom 06.07.2007 und das ausführliche und in sich schlüssige Gutachten des Prof. Dr. N. vom 06.12.2008.
Bei der Klägerin trat im Dezember 2005 ein subakuter Myokardinfarkt auf. Eine koronare Herzkrankheit, eine Arteriitis und eine Vaskulitis wurden im RBK als Ursache hierfür ausgeschlossen. Infolge des Infarktes ist eine linksventrikuläre Funktionseinschränkung eingetreten. Diese ist im Dezember 2005 im RBK magnetresonanztomographisch und echokardiographisch als mittel- bis hochgradig bewertet worden. Im Januar 2006 ist von der Herz-Kreislauf-Klinik M. eine mittelmäßige körperliche Belastbarkeit und echokardiographisch eine mittelgradige Reduzierung beschrieben worden. Im März 2006 ist im RBK nach einer Herzkatheteruntersuchung, einem ACH-Test und einer kardialen Magnetresonanztomographie eine deutliche Besserung nachgewiesen worden. Im Februar 2007 ist im RBK echokardiographisch nur noch eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Funktion erhoben worden. In der Echokardiographie im Februar 2007 im RBK ist eine maximale Belastung von 170 Watt ohne eine Angina-pectoris-Symptomatik, Dyspnoe oder signifikante Veränderungen erreicht worden. Im Juli 2007 ist in der Herz-Kreislauf-Klinik M. echokardiographisch eine Belastbarkeit bis 100 Watt und eine maximale Herzfrequenz bis 150/min angegeben worden. Im August 2008 ist durch Dr. M. echokardiographisch eine Belastung bis 125 Watt ohne Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz und in der Langzeit-Echokardiographie kein gravierender Befund erhoben worden. Im Oktober 2008 hat sich im K.hospital St. echokardiographisch eine leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion gezeigt.
Aus diesen Messdaten und dem zeitlichen Verlauf hat der Sachverständige Prof. Dr. N. zwar den Schluss gezogen, dass der GdB auf kardiologischem Fachgebiet 40 bis März 2006 betragen hat und 30 ab März 2006 beträgt. Diese Einschätzung erklärt sich zunächst dadurch, dass bei der Klägerin ab Dezember 2005 eine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung vorgelegen hat, mit der am 06.03.2006 im RBK durchgeführten kardialen Magnetresonanztomographie eine deutliche Besserung der linksventrikulären Funktion dokumentiert worden ist und sich dieser Zustand ausweislich der danach erfolgten Untersuchungen gefestigt hat und der Sachverständige deshalb den durch die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 eröffneten GdB-Rahmen von 20 bis 40 bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung nur bis März 2006 nach oben ausgeschöpft hat. Allerdings hat der Sachverständige, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt, dass der GdB nach den VG, Teil A, Nr. 2 f Satz 1 eine nicht nur vorübergehende und damit eine sich über sechs Monate erstreckende Gesundheitsstörung voraussetzt und dementsprechend bei abklingenden Gesundheitsstörungen der Wert festzusetzen ist, der dem über sechs Monate hinaus verbliebenen Schaden entspricht. Mithin ist nach Überzeugung des Senats der GdB der Klägerin auf kardiologischem Fachgebiet durchgehend nicht höher als mit 30 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Zum Einen überschneiden sich die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und kardiologischem Fachgebiet – entgegen der Einschätzung des SG – doch beträchtlich. Hierauf hat der Sachverständige Prof. Dr. N. zutreffend hingewiesen, indem er ausgeführt hat, dass die Notwendigkeit von Pausen im Tagesablauf und die Beeinträchtigung beim Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten nicht nur durch die Lendenwirbelsäulenbeschwerden, sondern auch kardiologisch begründet sind. Zum Anderen sind die beiden GdB-Werte doch eher hoch angesiedelt. So hat Prof. Dr. N. den GdB auf kardiologischem Fachgebiet mit 30 bewertet, obwohl die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung einen GdB-Rahmen von 20 bis 40 eröffnen und die Untersuchungsergebnisse ab März 2006 lediglich eine leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion gezeigt haben. Auch erscheint dem Senat der vom Beklagten angenommene GdB von 30 auf orthopädischem Fachgebiet als großzügig bemessen, zumal diesbezüglich lediglich der ärztliche Befundbericht des Dr. M. vom 02.06.2006 ohne detaillierte Beschreibung der Funktionsbehinderungen und ohne Messdaten vorliegt und im Übrigen aus den ärztlichen Entlassungsberichten der Herz-Kreislauf-Klinik M. vom 13.02.2006 und 13.04.2007 keine gravierenden Befunde auf dem orthopädischen Fachgebiet beschrieben werden.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung und bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Zu Unrecht hat daher das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin mit 50 festzustellen.
Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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