Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 367/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 26/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Beigeladene zu 1) als Zahnarzthelferin bei ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 2), ab 1. Juli 1995 abhängig beschäftigt ist.
Der Beigeladene zu 2) ist Zahnarzt. Die Beigeladene zu 1) schloss 1991 eine dreijährige Ausbildung zur Zahnarzthelferin ab. Sie war ab 1. Juli 1995 als Zahnarzthelferin beim Beigeladenen zu 2) tätig und wurde zur Sozialversicherung angemeldet. Seit 1998 sind die Beigeladenen verheiratet. Die Beigeladene zu 1) erhielt bzw. erhält die Bezüge regelmäßig. Es wurde Lohnsteuer abgeführt, das Entgelt wurde als Betriebsausgabe gebucht. Im Jahre 2000 nahm die Beigeladene zu 1) ein Darlehen über 80.800,- DM auf, dass sie der Zahnarztpraxis zur Verfügung stellte, um Zahlungsausfälle zu überbrücken.
Mit Schreiben vom 30. September 2002 kündigte der Beigeladene zu 2) das "Arbeitsverhältnis" der Beigeladenen zu 1) "als Zahnarzthelferin ( ...) zum 31. Oktober 2002". Mit Wirkung vom 1. November 2002 meldete sich die Beigeladene zu 1) bei der Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3) arbeitslos. Noch im November 2002 teilte sie dem Arbeitsamt mit, sie nehme ab 1. Januar 2003 ihr berufliche Tätigkeit als Zahnarzthelferin bei dem Beigeladenen zu 2) wieder auf. Zum 1. April 2004 meldete sie ein (nebenberufliches) Gewerbe des Handels mit Mundhygieneartikeln an. Am 29. September 2004 beantragte die Beigeladene zu 1) erneut Arbeitslosengeld. Seit Oktober 2004 ist die Beigeladene zu 1) erneut für ihren Ehemann als "Zahnarzthelferin/Verwaltung" bzw. Praxismanagerin tätig.
Mit Schreiben vom 20. September 2005 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung, seit 1. Januar 1995 nicht sozialversicherungspflichtig tätig zu sein. Im beigefügten Feststellungsbogen, der auch vom Beigeladenen zu 2) unterschrieben ist, war als Tätigkeit Zahnarzthelferin und kaufmännische Leiterin, sowie ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt von 2.820,- Euro brutto und als ausgeübte Tätigkeit "kaufmännische Leitung der Praxis; Revision; Buchhaltung; Mitarbeiterführung; etc." angegeben. Die Tätigkeit werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt, die Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb eingegliedert, ohne ihre Mitarbeit müsse eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Sie sei nicht weisungsgebunden und könne die Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Sie wirke bei der Führung des Betriebes mit. Die Mitarbeit sei auch durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht. Das Arbeitsentgelt entspreche dem tariflichen bzw. ortsüblichen Lohn/Gehalt, werde aber je nach betrieblicher Ertragslage gezahlt. Die Beigeladene zu 1) führte im Antragsschreiben ferner aus, sie habe sich am 30. September 2002 durch ihren Ehemann kündigen lassen, damit die (weiteren) Mitarbeiter weiterhin angestellt hätten sein können.
Die Beklagte stellte zunächst mit Bescheid vom 30. Dezember 2005 fest, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Beschäftigung bei ihrem Ehemann versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei.
Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Sie sei im Sinne der Rechtsprechung nicht in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert. Sie sei von diesem nicht persönlich abhängig. Die betrieblichen Aufgaben würden vielmehr familientypisch gleichberechtigt arbeitsteilig gestaltet. Auch würde ein normaler abhängig beschäftigter Arbeitnehmer kein Darlehen über rund 80.000,- DM aufnehmen und seinem Arbeitgeber zur Verfügung stellen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtigte, dem Widerspruch abzuhelfen. Diese widersprach der angedachten versicherungsrechtlichen Beurteilung mit Schreiben vom 9. Mai 2006.
Mit Abhilfebescheid vom 17. Mai 2006 stellte die Beklagte rückwirkend zum 1. Juli 1995 fest, dass die Beigeladene zu 1) selbständig tätig gewesen sei. Gleichzeitig teilte sie dieser mit, dass sie der versicherungsrechtlichen Beurteilung nicht zugestimmt habe.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 (Eingang: 23. Juni 2006) reichte die Beklagte einen Erstattungsantrag der Beigeladenen zu 1) und des Beigeladenen zu 2) sowie eine Kopie des Bescheides vom 17. Mai 2006 bei der Klägerin ein. Diese teilte den Beigeladenen zu 1) und zu 2) mit Schreiben vom 5. Juli 2006 mit, dass weitere Ermittlungen angestellt werden müssten, weil sie der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beklagten nicht zustimme.
Sie hat am 18. August 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Zu deren Begründung hat sie unter anderem darauf hingewiesen, dass die steuerrechtliche Beurteilung ein maßgebliches Gewicht auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe. Die Beigeladene zu 1) hat dem widersprochen: Sämtliche Beteiligten seien nämlich damals von einem unzutreffenden Status ausgegangen.
Das SG hat den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 17. Mai 2006 aufgehoben. Aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände sei hier davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1) bei ihrem Ehemann abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei. Es liege weder eine bloße familienhafte Mithilfe vor, noch sei sie Mitunternehmerin. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien jahrelang von einem Beschäftigungsverhältnis ausgegangen. Im September 2002 habe der Beigeladen zu 2) ausdrücklich das Arbeitsverhältnis gekündigt. Also seien die Beteiligten damals gerade nicht von einem unzutreffenden Status quo ausgegangen. Das dem Beigeladenen zu 2) gegebene Darlehen bedeute zwar eine Relativierung des typischen Interessengegensatzes zwischen Arbeitsgeber und Arbeitnehmer. Andererseits sei ein solches Vorgehen bei Ehepaaren, bei welchem einer der Ehegatten Unternehmer sei, verbreitet und typisch. Die Aufhebung des Bescheides sei auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen. § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte nicht, weil die Klägerin als Dritte im Sinne des § 49 SGB X gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen zu 1). Die Klage sei bereits unzulässig. Sie hätte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides erfolgen müssen. Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid auch gar nicht beschwert, da sie künftige Rentenleistungen einspare. In der Sache habe das SG nicht geprüft, ob sie in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei. Zudem habe das Gericht lediglich spekuliert, in dem es als Motiv für die Darlehensgabe steuerliche Erwägungen angenommen habe. Auch habe es der Möglichkeit, neben der Beschäftigung bei dem Beigeladnen zu 2) ein eigenes Gewerbe auszuüben, fehlerhaft keine Bedeutung zugemessen.
Die Beigeladenen zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter allein nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Das SG hat der Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu Recht stattgegeben.
Vor Klageerhebung bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist. Die Klagefrist hat hier nicht einen Monat gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nach Bekanntgabe betragen. Die Monatsfrist beginnt nämlich gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 eine Jahresfrist seit der Bekanntgabe gegolten. Der hier streitgegenständliche Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1) ist der Klägerin mit dem Schreiben vom 20. Juni 2006 bekannt gegeben worden.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 SGG beschwert und deshalb zur Klage befugt. Sie kann wie alle anderen Versicherungsträger ihre Belange gegenüber der Einzugsstelle wahrnehmen. Speziell für die hier betroffene Rentenversicherung kommt hinzu, dass ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und diese durch etwaige Schadensersatzansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle nicht gesichert wird (vgl. ausführlich BSG, U. v. 01.07.1999 –B 12 KR 2/99R- BSGE 84, 136,139ff).
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen zu 1) und 2) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nicht rückerstatten zu müssen) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17.04.2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSGE 80, 41, 43f mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird. Hier fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Die Klägerin hat die Beigeladenen zu 1) und 2) zeitnah mit Schreiben vom 5. Juli 2006 darüber informiert, dass sie der Rechtsauffassung der Beklagten in deren Abhilfebescheid vom 17. Mai 2006 nicht zustimme. Zum anderen fehlt es auch an einer Vertrauensbetätigung.
Die Klage ist begründet:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zur Einschätzung eines Unternehmensrisikos durch die Zurverfügungstellung eines privat aufgenommenen Darlehens von beträchtlicher Höhe.
Für abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Beigeladenen über Jahre gegenüber dem Arbeitsamt und gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bzw. einer lohnsteuerpflichtige Beschäftigung ausgegangen sind. Von der Integration in den Betriebsablauf ist bei einer Zahnarzthelferin und/oder Praxismanagerin ohne weiteres auszugehen. Der Erlaubnis bzw. dem Umstand, dass die Beigeladene auch ein Gewerbe des Vertriebes von Mundhygieneartikeln ausübt, kommt keine Bedeutung zu. Auch Arbeitnehmer können daneben selbstständig tätig sein. Auch der Senat durch den erkennenden Richter geht weiter davon aus, dass die steuerliche Behandlung des Beschäftigungsverhältnisses als normales Arbeitsverhältnis den rechtlichen Gegebenheiten entsprochen hat. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hatten und haben kein gemeinsames Zahnarztunternehmen. Angesichts der regelmäßigen Einnahmen kann auch nicht von bloßer familienhafter Mithilfe ausgegangen werden. Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln, ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben, auch wenn –wie hier- auch gewichtige Umstände für eine Selbstständigkeit sprechen.
Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Beigeladene zu 1) als Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Beigeladene zu 1) als Zahnarzthelferin bei ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 2), ab 1. Juli 1995 abhängig beschäftigt ist.
Der Beigeladene zu 2) ist Zahnarzt. Die Beigeladene zu 1) schloss 1991 eine dreijährige Ausbildung zur Zahnarzthelferin ab. Sie war ab 1. Juli 1995 als Zahnarzthelferin beim Beigeladenen zu 2) tätig und wurde zur Sozialversicherung angemeldet. Seit 1998 sind die Beigeladenen verheiratet. Die Beigeladene zu 1) erhielt bzw. erhält die Bezüge regelmäßig. Es wurde Lohnsteuer abgeführt, das Entgelt wurde als Betriebsausgabe gebucht. Im Jahre 2000 nahm die Beigeladene zu 1) ein Darlehen über 80.800,- DM auf, dass sie der Zahnarztpraxis zur Verfügung stellte, um Zahlungsausfälle zu überbrücken.
Mit Schreiben vom 30. September 2002 kündigte der Beigeladene zu 2) das "Arbeitsverhältnis" der Beigeladenen zu 1) "als Zahnarzthelferin ( ...) zum 31. Oktober 2002". Mit Wirkung vom 1. November 2002 meldete sich die Beigeladene zu 1) bei der Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3) arbeitslos. Noch im November 2002 teilte sie dem Arbeitsamt mit, sie nehme ab 1. Januar 2003 ihr berufliche Tätigkeit als Zahnarzthelferin bei dem Beigeladenen zu 2) wieder auf. Zum 1. April 2004 meldete sie ein (nebenberufliches) Gewerbe des Handels mit Mundhygieneartikeln an. Am 29. September 2004 beantragte die Beigeladene zu 1) erneut Arbeitslosengeld. Seit Oktober 2004 ist die Beigeladene zu 1) erneut für ihren Ehemann als "Zahnarzthelferin/Verwaltung" bzw. Praxismanagerin tätig.
Mit Schreiben vom 20. September 2005 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung, seit 1. Januar 1995 nicht sozialversicherungspflichtig tätig zu sein. Im beigefügten Feststellungsbogen, der auch vom Beigeladenen zu 2) unterschrieben ist, war als Tätigkeit Zahnarzthelferin und kaufmännische Leiterin, sowie ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt von 2.820,- Euro brutto und als ausgeübte Tätigkeit "kaufmännische Leitung der Praxis; Revision; Buchhaltung; Mitarbeiterführung; etc." angegeben. Die Tätigkeit werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt, die Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb eingegliedert, ohne ihre Mitarbeit müsse eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Sie sei nicht weisungsgebunden und könne die Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Sie wirke bei der Führung des Betriebes mit. Die Mitarbeit sei auch durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht. Das Arbeitsentgelt entspreche dem tariflichen bzw. ortsüblichen Lohn/Gehalt, werde aber je nach betrieblicher Ertragslage gezahlt. Die Beigeladene zu 1) führte im Antragsschreiben ferner aus, sie habe sich am 30. September 2002 durch ihren Ehemann kündigen lassen, damit die (weiteren) Mitarbeiter weiterhin angestellt hätten sein können.
Die Beklagte stellte zunächst mit Bescheid vom 30. Dezember 2005 fest, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Beschäftigung bei ihrem Ehemann versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei.
Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Sie sei im Sinne der Rechtsprechung nicht in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert. Sie sei von diesem nicht persönlich abhängig. Die betrieblichen Aufgaben würden vielmehr familientypisch gleichberechtigt arbeitsteilig gestaltet. Auch würde ein normaler abhängig beschäftigter Arbeitnehmer kein Darlehen über rund 80.000,- DM aufnehmen und seinem Arbeitgeber zur Verfügung stellen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtigte, dem Widerspruch abzuhelfen. Diese widersprach der angedachten versicherungsrechtlichen Beurteilung mit Schreiben vom 9. Mai 2006.
Mit Abhilfebescheid vom 17. Mai 2006 stellte die Beklagte rückwirkend zum 1. Juli 1995 fest, dass die Beigeladene zu 1) selbständig tätig gewesen sei. Gleichzeitig teilte sie dieser mit, dass sie der versicherungsrechtlichen Beurteilung nicht zugestimmt habe.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 (Eingang: 23. Juni 2006) reichte die Beklagte einen Erstattungsantrag der Beigeladenen zu 1) und des Beigeladenen zu 2) sowie eine Kopie des Bescheides vom 17. Mai 2006 bei der Klägerin ein. Diese teilte den Beigeladenen zu 1) und zu 2) mit Schreiben vom 5. Juli 2006 mit, dass weitere Ermittlungen angestellt werden müssten, weil sie der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beklagten nicht zustimme.
Sie hat am 18. August 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Zu deren Begründung hat sie unter anderem darauf hingewiesen, dass die steuerrechtliche Beurteilung ein maßgebliches Gewicht auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe. Die Beigeladene zu 1) hat dem widersprochen: Sämtliche Beteiligten seien nämlich damals von einem unzutreffenden Status ausgegangen.
Das SG hat den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 17. Mai 2006 aufgehoben. Aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände sei hier davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1) bei ihrem Ehemann abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei. Es liege weder eine bloße familienhafte Mithilfe vor, noch sei sie Mitunternehmerin. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien jahrelang von einem Beschäftigungsverhältnis ausgegangen. Im September 2002 habe der Beigeladen zu 2) ausdrücklich das Arbeitsverhältnis gekündigt. Also seien die Beteiligten damals gerade nicht von einem unzutreffenden Status quo ausgegangen. Das dem Beigeladenen zu 2) gegebene Darlehen bedeute zwar eine Relativierung des typischen Interessengegensatzes zwischen Arbeitsgeber und Arbeitnehmer. Andererseits sei ein solches Vorgehen bei Ehepaaren, bei welchem einer der Ehegatten Unternehmer sei, verbreitet und typisch. Die Aufhebung des Bescheides sei auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen. § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte nicht, weil die Klägerin als Dritte im Sinne des § 49 SGB X gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen zu 1). Die Klage sei bereits unzulässig. Sie hätte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides erfolgen müssen. Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid auch gar nicht beschwert, da sie künftige Rentenleistungen einspare. In der Sache habe das SG nicht geprüft, ob sie in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei. Zudem habe das Gericht lediglich spekuliert, in dem es als Motiv für die Darlehensgabe steuerliche Erwägungen angenommen habe. Auch habe es der Möglichkeit, neben der Beschäftigung bei dem Beigeladnen zu 2) ein eigenes Gewerbe auszuüben, fehlerhaft keine Bedeutung zugemessen.
Die Beigeladenen zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter allein nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Das SG hat der Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu Recht stattgegeben.
Vor Klageerhebung bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist. Die Klagefrist hat hier nicht einen Monat gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nach Bekanntgabe betragen. Die Monatsfrist beginnt nämlich gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 eine Jahresfrist seit der Bekanntgabe gegolten. Der hier streitgegenständliche Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1) ist der Klägerin mit dem Schreiben vom 20. Juni 2006 bekannt gegeben worden.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 SGG beschwert und deshalb zur Klage befugt. Sie kann wie alle anderen Versicherungsträger ihre Belange gegenüber der Einzugsstelle wahrnehmen. Speziell für die hier betroffene Rentenversicherung kommt hinzu, dass ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und diese durch etwaige Schadensersatzansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle nicht gesichert wird (vgl. ausführlich BSG, U. v. 01.07.1999 –B 12 KR 2/99R- BSGE 84, 136,139ff).
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen zu 1) und 2) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nicht rückerstatten zu müssen) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17.04.2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSGE 80, 41, 43f mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird. Hier fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Die Klägerin hat die Beigeladenen zu 1) und 2) zeitnah mit Schreiben vom 5. Juli 2006 darüber informiert, dass sie der Rechtsauffassung der Beklagten in deren Abhilfebescheid vom 17. Mai 2006 nicht zustimme. Zum anderen fehlt es auch an einer Vertrauensbetätigung.
Die Klage ist begründet:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zur Einschätzung eines Unternehmensrisikos durch die Zurverfügungstellung eines privat aufgenommenen Darlehens von beträchtlicher Höhe.
Für abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Beigeladenen über Jahre gegenüber dem Arbeitsamt und gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bzw. einer lohnsteuerpflichtige Beschäftigung ausgegangen sind. Von der Integration in den Betriebsablauf ist bei einer Zahnarzthelferin und/oder Praxismanagerin ohne weiteres auszugehen. Der Erlaubnis bzw. dem Umstand, dass die Beigeladene auch ein Gewerbe des Vertriebes von Mundhygieneartikeln ausübt, kommt keine Bedeutung zu. Auch Arbeitnehmer können daneben selbstständig tätig sein. Auch der Senat durch den erkennenden Richter geht weiter davon aus, dass die steuerliche Behandlung des Beschäftigungsverhältnisses als normales Arbeitsverhältnis den rechtlichen Gegebenheiten entsprochen hat. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hatten und haben kein gemeinsames Zahnarztunternehmen. Angesichts der regelmäßigen Einnahmen kann auch nicht von bloßer familienhafter Mithilfe ausgegangen werden. Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln, ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben, auch wenn –wie hier- auch gewichtige Umstände für eine Selbstständigkeit sprechen.
Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Beigeladene zu 1) als Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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