L 15 SF 397/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 397/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
In der Regel ist eine testpsychologische Untersuchung mit 0,5 Std./Test zu vergüten, bei außergewöhnlich schwierigen Probanden kann aber abweichend davon die tatsächlich erforderliche Untersuchungszeit gewährt werden.
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Fertigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 20.10.2009 wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 913,33 EUR festgesetzt. Der Antragstellerin sind 89,25 EUR nachzuentrichten.

Gründe:

I.

In dem am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängigen Rechtsstreit M. S. gegen Kommunaler Sozialverband Sachsen (KSV Sachsen) mit Az.: L 15 VG 21/08 ist Priv.-Doz. Dr.S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Hierfür hat die Antragstellerin das testpsychologische Zusatzgutachten vom 20.10.2009 gefertigt (Akten-Bl.119 bis 139).

Die Kostennote der Antragstellerin vom 20.10.2009 mit Kenn-Nr.7083/09 über
2.023,00 EUUR ist mit Nachricht der Kostenbeamtin des BayLSG vom 04.11.2009 auf 824,08 EUR gekürzt worden. Berücksichtigungsfähig sei nicht der geltend gemachte Zeitaufwand von 19,5 Stunden, sondern gerundet ein Zeitaufwand von nur 13 Stunden. Hierfür sei eine Honorierung nach der Honorargruppe M1 und nicht nach M3 angemessen.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 13.11.2009 hervorgehoben, das testpsychologische Zusatzgutachten sei im Rahmen des Auftrags zum Gutachten nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) erstellt worden, wofür die Entschädigung nach der Honorargruppe M3 (Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad) vorgesehen sei. In solchen Verfahren würden testpsychologische Zusatzgutachten immer nach dieser Honorargruppe abgerechnet, weil der Schwierigkeitsgrad eines Gutachtens nicht durch das Fachgebiet, in dem es erstattet werde, sondern durch den konkreten Gegenstand, also die Fragestellung des Gutachtens, bestimmt werde. Damit könne der erforderliche Schwierigkeitsgrad auch in einem testpsychologischen Zusatzgutachten gegeben sein, insbesondere wenn dieses wie im vorliegenden Fall u.a. auf die Befunde höherer testpsychologischer Untersuchungen eingehe und einen Vergleich zwischen aktuellen Ergebnissen und früheren Befunden vollziehe und so eine detaillierte Persönlichkeitsbeschreibung und auch Persönlichkeitsprognose abgebe. - Bezüglich der Kürzung der Untersuchungszeit sei anzumerken, dass die Untersuchungsdauer bei einer Person mit einer Intelligenzminderung im Allgemeinen länger als bei durchschnittlich Intelligenten sei, wie es auch im Fall des Klägers (Gesamt-IQ von 53) gewesen sei. Neben dieser nur geringfügig längeren Untersuchungszeit sei auch zu berücksichtigen, dass die Durchführung einiger Testverfahren mindestens eine Stunde, in der Regel 1,5 bis zwei Stunden betrage und dies ohne Auswertung und Interpretation. Insofern entspreche eine pauschale Ansetzung von 0,5 Stunden pro Testverfahren nicht den reellen Gegebenheiten. - Für die Abfassung, Diktat und Durchsicht des Gutachtens werde, wie auch im psychiatrischen Gutachten, die tatsächlich aufgewendete Zeit in Rechnung gestellt.

Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Begehren der Antragstellerin nicht abgeholfen und den Vorgang dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs.1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn die Berechtigte dies wie hier mit Schriftsatz vom 13.11.2009 beantragt. Die Entschädigung für das gefertigte testpsychologische Zusatzgutachten vom 20.10.2009 ist auf 913,33 EUR festzusetzen. Der Antragstellerin sind 89,25 EUR nachzuentrichten.

Entsprechend der Grundsatzentscheidung des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko hat der Präsident des BayLSG mit Schreiben vom 25.05.2007 neue Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung für in erster Linie medizinische Gutachten nach dem JVEG verfügt. Danach ist für das Aktenstudium 100 Blatt pro Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten bei mindestens 25 % medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt anzusetzen. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt pro Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im Einzelfall zugebilligte und davon abweichende Aktenstudium bleibt natürlich davon unberührt, z.B. nur eine bis zwei Stunden bei einem testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG.

Dementsprechend sind, wie beantragt, für das Aktenstudium hier zwei Stunden vergütungsfähig.

Weiterhin hat der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat in ständiger Rechtsprechung zuletzt mit Beschluss vom 02.01.2007 - L 16 R 443/03.Ko - bestätigt, dass je testpsychologischer Untersuchung 0,5 Stunden anzusetzen sind. Es handelt sich hierbei um eine pauschalierende Betrachtungsweise, die grundsätzlich Abweichungen nach unten und oben im konkreten Einzelfall ausgleicht. Wenn die Kostenbeamtin des BayLSG hier für insgesamt neun Tests nur 4,5 Stunden angesetzt hat, entspricht dies zwar der ständigen Kostenrechtsprechung des 15. Senats. In diesem besonderen Fall sind jedoch die tatsächlich erbrachten sechs Stunden an Untersuchung zu berücksichtigen. Denn bereits im Vorfeld ist mit dem Gutachter Priv.-Doz. Dr.S. erörtert worden, dass es sich um einen außergewöhnlich schwierigen Probanden handelt, der aufgrund der bei ihm bestehenden Funktionseinschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet stationär zu begutachten gewesen ist. Diese Ausnahmesituation rechtfertigt und gebietet es hier in Abweichung von der ständigen Kostenrechtsprechung, die tatsächlich erforderlichen sechs Stunden an Untersuchung zu berücksichtigen.

Im Übrigen hält der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass bei der Fertigung testpsychologischer Zusatzgutachten für die Abfassung des Gutachtens bei objektiv drei Seiten Beurteilung auch drei Stunden zu vergüten sind (vgl. Beschluss des Kostensenats des BayLSG vom 14.07.1998 - L 3 U 297/93.Ko).

Der Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht des insgesamt 20 Seiten umfassenden testpsychologischen Zusatzgutachtens ist mit 3,3 Stunden in Ansatz zu bringen. Denn der
15. Senat des BayLSG hat mit Grundsatzentscheidung vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko ausgeführt, dass für Diktat und Durchsicht eine Stunde für je sechs Seiten zugrunde zu legen sind, wobei auch hier jeweils für eine ganze Seite 1.800 Anschläge
(30 Zeilen x 60 Anschläge) nach DIN 1422 auszugehen ist.

Zu vergüten sind somit 14,3 Stunden, die gemäß § 8 Abs.2 Satz 2 JVEG auf 14,5 Stunden aufzurunden sind.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfolgt hierfür keine Vergütung nach der Honorargruppe M3 (= 85,00 EUR pro Stunde), sondern nach der Honorargruppe M1
(= 50,00 EUR je Stunde). Denn die Antragstellerin hat kein medizinisches oder psychologisches Gutachten im Sinne von § 9 Abs.1 JVEG gefertigt, sondern nur ein testpsychologisches Zusatzgutachten, das im Wesentlichen durch entsprechende Testungen gekennzeichnet ist. Im System der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG sind testpsychologische Zusatzuntersuchungen einfachen gutachterlichen Beurteilungen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung vergleichbar. - Im Übrigen gibt es auch keinen Grundsatz dahingehend, dass die Honorierung des testpsychologischen Zusatzgutachtens immer der Honorierung des Hauptgutachtens (hier: M3) zu folgen hat. - Bei insgesamt
14,5 Stunden vergütungsfähiger Tätigkeit ergibt sich bei einem Stundensatz von
50,00 EUR je Stunde nach der Honorargruppe M1 eine Vergütung von 725,00 EUR.

Zuzüglich Schreibgebühren (27,00 EUR), hier einer entschädigungsfähigen Kopie des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 20.10.2009 für den Hauptgutachter in Höhe von 10,50 EUR und Portokosten in Höhe von 5,00 EUR beträgt die Netto-Vergütung der Antragstellerin 767,50 EUR. Zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 145,83 EUR ergibt sich eine Gesamtvergütung in Höhe von 913,33 EUR. Hierauf hat die Antragstellerin bereits 824,08 EUR erhalten, so dass ihr 89,25 EUR nachzuentrichten sind.

Hierüber hat das BayLSG gemäß § 4 Abs.7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Eine Übertragung auf den Senat gemäß § 4 Abs.7 Satz 2 JVEG ist nicht geboten gewesen, weil nur aufgrund der Besonderheiten dieses Einzelfalles für neun Testungen die tatsächlich aufgewandten sechs Stunden als vergütungsfähig erachtet worden sind.

Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs.8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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