L 3 R 169/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 R 3561/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 169/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Streitig ist die Vormerkung einer Beitragszeit vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

Der 1938 in G geborene Kläger hält sich seit Dezember 1962 in der Bundesrepublik Deutschland auf ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens legte er 1983 bei der Beklagten unter anderem seine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1981 vor. Dort war mit Schreibmaschine eine Beschäftigung bei den T W der Stadt S (TWS) vom 01. Januar 1981 bis zum 31. Dezember 1981 mit Angaben zu Bruttoverdienst, Lohnsteuer, Kirchensteuer sowie Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung und Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung eingetragen. Der Beginn der Beschäftigung war handschriftlich auf "20.7." geändert worden. Auf eine Nachfrage der Beklagten zum Beginn der Beschäftigung teilten die TWS mit Schreiben vom 11. Juli 1983 mit, der Kläger sei dort im Jahr 1981 vom 01. September 1981 bis zum 31. Dezember 1981 mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt i. H. v. 12.241,00 DM beschäftigt gewesen. Daraufhin merkte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Juli 1983 u. a. für die Zeit vom 01. September 1981 bis zum 31. Dezember 1981 vier Monate Pflichtbeiträge mit einem Entgelt von 12.241,00 DM vor.

Im Juli 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente, die ihm mit Bescheid vom 18. November 2003 ab dem 01. November 2003 gewährt wurde. Bei der Rentenberechnung waren für den Zeitraum vom 01. August 1981 bis zum 31. August 1981 acht Monate freiwillige Beiträge und für den Zeitraum vom 01. September 1981 bis zum 31. Dezember 1981 vier Monate Pflichtbeiträge berücksichtigt worden. Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens legte der Kläger erneut die Lohnsteuerkarte für das Jahr 1981 vor und machte eine zusätzliche (Pflicht)Beitragszeit vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981 geltend. Nachdem die Beklagte hierzu auf die Bestandskraft des Bescheides vom 11. Juli 1983 verwiesen hatte, stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch (SGB X), den die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2004 ablehnte.

Auf den Widerspruch des Klägers richtete die Beklagte eine Anfrage an die Techniker Krankenkasse (TK) S als die im Jahr 1981 zuständige Einzugsstelle für den Gesamt-sozialversicherungsbeitrag. Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 teilte die TK mit, für den Kläger sei erst ab dem 01. September 1981 eine Meldung zur Sozialversicherung gespeichert.

Aufgrund der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Rentenbescheid vom 18. November 2003 ermittelten weiteren rentenrechtlichen Zeiten stellte die Be-klagte die Regelaltersrente mit Bescheid vom 15. März 2005 neu fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005). Der Wi-derspruch des Klägers gegen den Überprüfungsbescheid vom 27. September 2004 wurde unter Verweis auf die Auskunft der TK mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 ebenfalls zurückgewiesen.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren fortgeführt und sich weiter auf die Lohnsteuerkarte für das Jahr 1981 gestützt. Er hat darüber hinaus u. a. Kopien eines Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 18. Mai 1981 bezüglich einer beab-sichtigten Beschäftigung in der Forschung am H-M-Institut in B vom 09. Mai 1981 bis zum 11. August 1981 sowie eine Kopie eines Bescheides des Arbeitsamts Svom 14. August 1981, mit dem ein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 12. Mai 1981 abgelehnt worden war, vorgelegt.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 01. Oktober 2009 abgewiesen. Der Kläger ha-be keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2005. Der Bescheid vom 21. Juli 1983 sei nicht rechtswidrig und daher auch nicht gemäß § 44 Abs. 1 SGB X aufzuhe-ben, denn die streitige Beitragsentrichtung für den Zeitraum vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981 sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Sowohl die zeitnahen Ermittlungen beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers – den TWS – als auch die spätere Anfrage bei der zuständigen Einzugsstelle hätten ergeben, dass erst ab dem 01. September 1981 Beiträge entrichtet worden seien. Zum Beweis einer früheren Beitragsentrichtung könne der Kläger sich nicht auf die Lohnsteuerkarte be-ziehen. Die dortigen Eintragungen dienten nur steuerlichen Zwecken. Außerdem habe der Arbeitgeber ausdrücklich eine Beitragsentrichtung erst ab dem 01. September 1981 bestätigt. Die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen machten keinerlei Aus-sagen über eine Beitragsentrichtung bereits ab dem 20. Juli 1981. Eine Beitragsent-richtung vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981 sei auch nicht glaubhaft gemacht worden, denn nach § 203 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei hier-für die Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und der Zah-lung entsprechender Beiträge erforderlich. Unter Berücksichtigung der zeitnahen Aus-kunft des Arbeitgebers und der Auskunft der Einzugsstelle könnten insoweit weder das Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch die Entrichtung von Beiträgen als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden. Der Kläger habe wei-terhin nicht glaubhaft gemacht, dass der auf ihn entfallende Beitrag vom Arbeitsentgelt abgezogen worden sei (§ 203 Abs. 2 SGB VI), denn dies würde etwa die Vorlage ei-ner entsprechenden Gehaltsabrechung voraussetzen, was nicht der Fall sei.

Mit seiner Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, das Urteil des SG sei nicht rich-tig. Er habe einen Beginn des Beschäftigungsverhältnisses im Juli 1981 durch die Ein-tragung in der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1981 nachgewiesen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, in der Lohnsteuerkarte zutreffende Eintragungen zu machen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der damalige Arbeitgeber einen Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 20. Juli1981 hätte bestätigen sollen, sofern das Arbeitsverhältnis tatsächlich erst am 01. September 1981 begonnen hätte. Im Übrigen lege er ein Schreiben des dama-ligen Arbeitgebers vom 20. Juli 1981 vor, aus dem sich ergebe, dass er – der Kläger – für den Zeitraum vom 20. Juli 1981 bis zum 15. Oktober 1981 als Zeitangestellter bei den TWS eingestellt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. Oktober 2009 sowie den Bescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme des Bescheides vom 21. Juli 1983 zu verurteilen, die Zeit vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981 als Beitragszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die vorgelegte Lohnsteuer-karte beweise nicht, dass eine beitragspflichtige Beschäftigung bereits ab dem 20. Juli 1981 ausgeübt worden sei. Ausweislich der Lohnsteuerkarte seien vom damaligen Arbeitgeber Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 1.132,25 DM gezahlt worden. Unter Zugrundelegung des damals geltenden Beitragssatzes von 18,5% - welcher hälftig vom Arbeitgeber und hälftig vom Arbeitnehmer zu tragen gewesen sei - ent-spreche dies einem Lohn von 12.241,00 DM, und somit genau dem Betrag, den die TWS mit Schreiben vom 11. Juli 1983 bestätigt hätten. Aus dem vorgelegten Schrei-ben der TWS vom 20. Juli 1981 lasse sich eine beitragspflichtige Beschäftigung ab dem 20. Juli 1981 nicht entnehmen.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 14. April 2010 und 03. Juni 2010 ihr Einver-ständnis mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 i. V. m. 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung durch Urteil ent-scheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2, 155 Abs. 3, 4 SGG), ist zulässig, aber unbegrün-det. Der Kläger hat, wie das SG zutreffend festgestellt hat, keinen Anspruch auf Fest-stellung weiterer (Pflicht)Beitragszeiten für den Zeitraum vom 20. Juli 1981 bis zum 31. August 1981.

Der angefochtene Bescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 21. Juni 1005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seien Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Vormerkungsbe-scheides vom 21. Juli 1983 nach § 44 Abs. 1 SGB X, denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegan-gen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 01. Oktober 2009 an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Verdeutlichend ist – nochmals – darauf hinzuweisen, dass für den Nachweis von Bei-tragszeiten der Nachweis der Entrichtung der Beiträge erforderlich ist. Beitragszeiten sind – sowohl nach § 27 Abs. 1 a) des 1983 maßgeblichen Angestelltenversiche-rungsgesetzes (AVG) als auch nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundes-recht (oder früheren Vorschriften) Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten. Der Nachweis des Bestehens eines - sozialversicherungspflichtigen - Beschäf-tigungsverhältnisses ist zwar denknotwendige Voraussetzung, um die Entrichtung von Beiträgen überhaupt annehmen zu können. Das Bestehen eines Beschäftigungsver-hältnisses allein ist jedoch nicht hinreichend, um die Beitragsentrichtung nachzuwei-sen. Der Nachweis i. S. d. Vollbeweises ist dann geführt, wenn das Gericht sich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen, d. h. hier der Beitragsentrichtung, machen kann. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Bundessozialge-richt (BSG) in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

Dies ist hier nicht der Fall, denn sowohl der ehemalige Arbeitgeber des Klägers – die TWS – als auch die zuständige Einzugsstelle haben auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten mitgeteilt, dass erst ab dem 01. September 1981 Beiträge zur Rentenversi-cherung wegen eines Beschäftigungsverhältnisses entrichtet worden sind. Daran än-dert auch die Vorlage des Schreibens der TWS vom 20. Juli 1981 nichts, denn eine Beitragsentrichtung ist hierin nicht dokumentiert. Fraglich ist schon, ob sich hieraus überhaupt die tatsächliche Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zum 20. Juli 1981 ergibt, denn eine Unterschrift des Klägers wie bei einem Arbeitsvertrag findet sich nicht. Auch liegen mit den vorgelegten Kopien eines Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 18. Mai 1981 bezüglich einer beabsichtigten Beschäftigung in der Forschung am H-M-Institut in B vom 09. Mai 1981 bis zum 11. August 1981 sowie eines Bescheides des Arbeitsamts S vom 14. August 1981, mit dem ein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 12. Mai 1981 abgelehnt worden war, Unterlagen vor, die das Bestehen eines rechtsgültigen Beschäftigungsverhältnisses bei den TWS ab dem 20. Juli 1981 fraglich erscheinen lassen. Der Kläger hat weder Arbeitsverträge noch Gehaltsabrechnungen oder Meldungen zur Sozialversicherung vorlegen können, aus welchen sich Hinweise für eine tatsächliche Aufnahme eines Beschäftigungsver-hältnisses ab dem 20. Juli 1981 sowie für die Entrichtung von (Pflicht-)Beiträge bereits ab dem 20. Juli 1981 ergeben könnten. Zutreffend hat die Beklagte letztlich darauf hingewiesen, dass die in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung letztlich auf das sozialversicherungspflichtige Bruttoentgelt schließen lassen, dass die TWS in ihrem Schreiben vom 11. Juli 1983 gemäß § 123 AVG gemeldet haben. Aufgrund der Angaben der TWS nach § 123 AVG in diesem Schreiben sowie der Auskunft der TK vom 11. Januar 2005 kommt letztlich auch eine Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung nach § 203 SGB VI nicht in Betracht.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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