L 7 AS 490/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 536/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 490/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zunächst erfolgt eine Bedürftigkeitsberechnung nach den Regeln der §§ 9, 11 und 12 SGB II. Dabei ist der Unterkunftsbedarf, wie er sich nach dem SGB II ergibt, und der Regelleistungsbedarf nach SGB II zu Grunde zu legen.
2. Diesem Bedarf ist das anrechenbare Einkommen des Studenten und gegebenenfalls das horizontal zurechenbare Einkommen anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen.
3. Bei der Bereinigung des BAföG-Einkommens ist nach dem Urteil des BSG vom 17.03.2009 (B 14 AS 61/07, dort Rn. 28) für den ausbildungsbedingten Bedarf 20 % des vom Gesetzgeber festgesetzten Gesamtbedarfs der entsprechenden Ausbildungsform für einen Auszubildenden abzuziehen, der seine gesamten Ausbildungskosten decken muss und nicht bei seinen Eltern wohnt. Maßgeblich ist somit der Höchstbetrag für die jeweilige Art der Ausbildung. Für einen Studenten ergibt sich ab 01.08.2008 nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 BAföG ein Betrag von 584,- Euro (366,- plus 146,- plus 72,- Euro). Hiervon 20 % sind 116,80 Euro.
4. Der dann noch verbleibende ungedeckte Unterkunftsbedarf wird gedeckelt durch die Differenz zwischen dem Unterkunftsbedarf nach SGB II und dem in der bewiilligten Ausbildungsförderung enthaltenen Unterkunftsanteil.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 23. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob dem Antragsteller vorläufig ein Zuschuss zu den Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren ist.

Der 1987 geborene Antragsteller ist seit Sommer 2007 Student und erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Er bewohnt zusammen mit seinen Eltern eine Mietwohnung von 99 qm, für die ab September 2009 eine Kaltmiete von 505,- Euro und Betriebskosten von 185,- Euro anfallen. In den Betriebskosten sind die Heizkosten einschließlich Warmwasserkosten enthalten. Zu Wohnung gehört auch ein Stellplatz.

Der Antragsteller erhält BAföG in Höhe von monatlich 414,- Euro (darin enthalten 48,- Euro für Unterkunft), Wohngeld in Höhe von 131,- Euro und Kindergeld in Höhe von 184,- Euro. Seine Eltern beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II von der Antragsgegnerin.

Am 20.10.2009 beantragte der Antragsteller den Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II und zugleich die Überprüfung von Leistungsansprüchen seit 01.10.2007. Mit Bescheid vom 13.11.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Mit dem nachgewiesenen Einkommensverhältnissen könne der Antragsteller die Kosten für Unterkunft und Heizung mit eigenen Mitteln bestreiten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde nach einer einvernehmlichen Aussetzung des Verfahrens bis zur einschlägigen Entscheidung des Bundessozialgerichts mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 zurückgewiesen. Dagegen wurde am 10.06.2010 Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben (Aktenzeichen S 8 AS 538/10).

Ebenfalls am 10.06.2010 wurde ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht Regensburg gestellt, wonach ab 01.07.2010 einen Zuschuss in Höhe von monatlich 132,42 EUR pro Monat zu bezahlen sei. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 23.06.2010 zurückgewiesen. Der Antragsteller verfüge über ausreichendes eigenes Einkommen.

Am 01.07.2010 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Der Antragsteller habe ein Recht auf ein unbeschwertes Studium und unbelastete Deckung seiner tatsächlichen angemessenen Unterkunftskosten. Der Antragsteller sei schlechter gestellt als ein Studierender mit eigener Wohnung und denselben Unterkunftskosten. Das Sozialgericht habe den Anspruch auf Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II falsch berechnet. Von den Einnahmen (BAföG, Wohngeld und Kindergeld) seien der Regelleistungsbedarf aus dem BAföG-Gesetz (366,- Euro) und alle zweckgebundenen Ausgaben in Abzug zu bringen, also die Pauschale für den Studienaufwand von 20 %, die Studiengebühren, die Versicherungspauschale, die GEZ-Gebühren und die Unterkunftskosten.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 23.06.2010 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin vorläufig zu verpflichten, ab 01.07.2010 einen Zuschuss zu den Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 132,42 Euro pro Monat zu bezahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Antragsgegnerin, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Im vorliegenden Fall ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund erkennbar.

Für einen Anordnungsanspruch müsste ein Anspruch auf Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II bestehen. Der Antragsteller gehört zwar zum begünstigten Personenkreis, weil er Leistungen nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BAföG erhält, jedoch übersteigt sein anrechenbares Einkommen den nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 39/09 R) zu berechnenden Bedarf.

Nach diesem Urteil des BSG ist der Zuschuss wie folgt zu berechnen:

Zunächst erfolgt eine Bedürftigkeitsberechnung nach den Regeln der §§ 9, 11 und 12 SGB II. Dabei ist der Unterkunftsbedarf, wie er sich nach dem SGB II ergibt, und der Regelleistungsbedarf nach SGB II (BSG a.a.O. Rn. 33) zu Grunde zu legen. Diesem Bedarf ist das anrechenbare Einkommen des Studenten und gegebenenfalls das horizontal zurechenbare Einkommen anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen. Der dann noch verbleibende ungedeckte Unterkunftsbedarf wird gedeckelt durch die Differenz zwischen dem Unterkunftsbedarf nach SGB II und dem in der bewilligten Ausbildungsförderung enthaltenen Unterkunftsanteil.

Bei der Bereinigung des BAföG-Einkommens ist nach dem Urteil des BSG vom 17.03.2009 (B 14 AS 61/07, dort Rn. 28) für den ausbildungsbedingten Bedarf 20 % des vom Gesetzgeber festgesetzten Gesamtbedarf der entsprechenden Ausbildungsform für einen Auszubildenden abzuziehen, der seine gesamten Ausbildungskosten decken muss. Es ist von einem Auszubildenden auszugehen, der nicht bei seinen Eltern wohnt, weil sich die Kosten für die Ausbildung selbst durch das Zusammenleben mit den Eltern nicht verringern. Es ist also nicht der tatsächliche BAföG-Anspruch maßgeblich, sondern der Höchstbetrag für die jeweilige Art der Ausbildung. Für einen Studenten ergibt sich ab 01.08.2008 nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 BAföG ein Betrag von 584,- Euro (366,- plus 146,- plus 72,- Euro). Hiervon 20 % sind 116,80 Euro.

Nach dieser Bedarfsberechnung ist ein Anspruch auf den Zuschuss nicht erkennbar.

Der Bedarf des Antragstellers umfasst die Regelleistung von 281,- Euro (80 % von 359,- Euro) und ein Drittel des angemessenen Unterkunftsbedarfs. Von den Kosten der Unterkunft ist die Warmwasserpauschale und - sofern abtrennbar - die Stellplatzmiete abzuziehen und mit der Angemessenheitsgrenze abzugleichen. Der Einfachheit halber wird im einstweiligen Rechtsschutz ein Betrag von 660,- Euro für die Berechnung angesetzt. Hievon entfallen 220,- Euro auf den Antragsteller. Sein Gesamtbedarf beträgt demnach 501,- Euro.

Diesem Bedarf steht die BAföG-Leistung mit 414,- Euro, um 116,80 Euro bereinigt dann 297,20 Euro gegenüber. Hinzu kommt Kindergeld von 184,- Euro und Wohngeld von 131,- Euro (die Eltern sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Wohngeldgesetz ausgeschlossen). Abzuziehen ist die Versicherungspauschale von 30,- Euro. Es ergibt sich ein bereinigtes Einkommen von insgesamt 582,20 Euro. Dieses Einkommen ist nach § 9 Abs. 2 SGB II nicht mit den Eltern zu teilen.

Für einen Abzug der vom Antragsteller genannten Studiengebühren und GEZ-Gebühren gibt es keine Rechtsgrundlage. Nach dem Urteil des BSG vom 17.03.2009 (B 14 AS 61/07, dort Rn. 28) enthält die 20 %-Pauschale die Kosten der Ausbildung einschließlich Studiengebühren, Ausgaben für Bücher und Lehrmaterial, Arbeitskleidung, Fahrtkosten etc. Im Übrigen enthält Art. 71 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 Bayerisches Hochschulgesetz eine Härtefallregelung für eine Befreiung von den Studienbeiträgen und Abs. 7 dieser Vorschrift Regelungen zu einem Studienbeitragsdarlehen.

Damit steht dem Bedarf von 501,- Euro ein bereinigtes Einkommen von 582,20 Euro gegenüber. Ein Anspruch nach § 22 Abs. 7 SGB II besteht nicht.

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch kein Anordnungsgrund erkennbar ist. Ein Vergleich der BAföG-Bescheide ergibt, dass das dort anrechenbare Vermögen des Antragstellers auch ohne Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II von 2.049,- Euro laut Bescheid vom 31.07.2008 auf rund 4.290,- Euro laut Bescheid vom 09.10.2009 gestiegen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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