L 16 LW 29/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 92/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 29/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 14/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht aus § 84 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz ALG umfaßt auch die sich aus § 1 Abs. 3 ALG ergebende Versicherungspflicht.
2) Zwischen der Befreiungsmöglichkeit gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz ALG und der Versicherungspflicht aus § 1 Abs. 3 ALG besteht ein Wertungswiderspruch, der durch sachliche Gesichtspunkte nicht zu rechtfertigen ist.
3) Diese auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhende Gesetzeslücke kann durch die Rechtsprechung geschlossen werden.
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.02.1998 und die Bescheide der Beklagten vom 25.03.1996 sowie vom 08. und 23.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1997 abgeändert. Die Klägerin wird ab 01.06.1999 auf Dauer von der Versicherungspflicht bei der Beklagten befreit.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts auf Dauer ab 01.06.1999 streitig. Die am ...1965 geborene Klägerin übernahm mit Pachtvertrag vom 16.05.1984 das landwirtschaftliche Anwesen ihres Vaters mit einer Größe von 14,34 ha (landwirtschaftliche Fläche 12,59 ha, forstwirtschaftliche Fläche 1,74 ha). Die Klägerin wurde daraufhin mit Bescheid der Beklagten vom 16. November 1984 in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten als landwirtschaftliche Unternehmerin aufgenommen. Am 20.05.1989 hat die Klägerin den Dipl.-Kfm ... geheiratet. Mit Schreiben vom 03.12.1991 erklärten Edmund und Rosemarie ... gegenüber der Beklagten verbindlich, daß die überwiegende Leitung des landwirtschaftlichen Unternehmens ab dem 01.01.1992 dem Ehegatten ... obliege ... beantragte zugleich die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse, da eine Pflichtmitgliedschaft bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bestehe und bereits für mehr als 60 Monate Beiträge entrichtet seien. Mit Bescheid vom 12.02.1992 wurde die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten mit Wirkung ab 01.01.1992 aufgehoben. Mit Schreiben vom 06.02.1994 hat die Klägerin erklärt, daß sie die Entrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL fortsetzen wolle. Mit Bescheid vom 11.02.1994 hat die Beklagte aufgrund der Erklärung der Klägerin zur Weiterversicherung die Beitragspflicht der Klägerin ab 01.01.1992 festgestellt. Mit Schreiben vom 15.08.1995 begehrte die Klägerin verbindliche Auskunft darüber, ob sie bis zum 31.12.1995 aufgrund der Änderungen durch das Agrarsozialreformgesetz eine Befreiung zum 30.04.1999 beantragen könne, um dann durch die Erfüllung der 15jährigen Mindestbeitragszeit später auch rentenberechtigt zu sein. Das Schreiben enthält den Vermerk "Telefonisch erledigt". Mit Schreiben vom 08.08.1995 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, daß sie aufgrund der Versicherungspflicht als Ehegatte eines Landwirts gemäß § 1 Abs.3 ALG Ende Dezember 1994 als Weiterversicherte nach § 27 GAL gestrichen wird. Mit Bescheid vom 23.08.1995 hat die Beklagte festgestellt, daß für die Zeit ab 01.01.1995 für die Klägerin Versicherungspflicht bei der Beklagten besteht. Mit Schreiben vom 17.09.1995 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 08.08.1995 und 23.08.1995 Widerspruch eingelegt und die Befreiung von der Beitragspflicht zur Beklagten zum 31.05.1999 beantragt. Mit weiterem Schreiben vom 21.12.1995 hat die Klägerin die im Jahre 1992 gemäß § 27 GAL abgegebene Erklärung widerrufen. Weiterhin hat sie beantragt, sie nach § 1 Abs.3 ALG von der Beitragspflicht als versicherte Ehegattin zu befreien, da der Ehemann Edmund bereits nach § 14 GAL von der Beitragspflicht befreit sei, der Wirtschaftswert des Betriebes unter 20.000 DM liege und der Ehemann jährlich mehr als 40.000 DM außerlandwirtschaftlich verdiene. Ferner beantragte sie die freiwillige Weiterversicherung nach dem ALG für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1995. Mit Bescheid vom 25.03.1996 wurde der Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Beitragspflicht abgelehnt. Eine Befreiung gemäß § 85 Abs.3 a ALG sei nicht möglich, weil die Klägerin am 31.12.1994 versicherungspflichtig gemäß § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - GAL - gewesen sei. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Der von der Beklagten zitierte § 85 Abs.3 a ALG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 1997 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Befreiungsmöglichkeit nach § 85 Abs.3 a ALG sei nicht gegeben, weil die Klägerin am 31.12.1994 als Weiterversicherte gemäß § 27 GAL beitragspflichtig gewesen sei. Soweit sie die Erklärung über die freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL widerrufen habe, sei darauf hinzuweisen, daß nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.11.1978, Az.: 11 RLw 6/77 - bestätigt durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.09.1982 - die Erklärung, nach § 27 GAL Beiträge weiter entrichten zu wollen, unwiderruflich sei. Durch das Agrarsozialreformgesetz sei die Klägerin ab 01.01.1995 als Ehegattin eines Landwirts nach § 1 Abs.3 ALG versicherungspflichtig geworden. Diese vorrangige Versicherungspflicht habe die bisherige freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL nur zum Ruhen gebracht. Der Widerruf der Erklärung zur Weiterentrichtung von Beiträgen sei zu ihren Gunsten als Befreiungsantrag nach § 84 Abs.2 ALG gewertet worden. Hiergegen richtet sich die Klage vom 22. April 1997 zum Sozialgericht Landshut (SG). Mit Bescheid vom 02.10.1997 wurde die Klägerin ab 01.09.1997 gemäß § 3 Abs.1 Nr.2 ALG für die Dauer der Erziehung des Kindes Peter Patrick ... von der Versicherungspflicht befreit. Der Bescheid enthält zudem den Hinweis, daß die Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 ALG nicht mehr auflebt, da die Wartezeit für eine Altersrente mit anrechenbaren Zeiten gemäß § 17 Abs.1 Nr.1 ALG erfüllt wird. Das SG hat mit Urteil vom 3. Februar 1998 die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen zur Befreiung gemäß § 85 Abs.3 a ALG. Die Klägerin sei zum 31.12.1994 beitragspflichtig gewesen. Die Verpflichtungserklärung vom 06.02.1994 gemäß § 27 GAL sei unwiderruflich. Die bisher nach § 27 GAL Weiterversicherten würden nach § 84 Abs.1 Satz 1 ALG auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes versicherungspflichtig bleiben. Nach Sinn und Zweck des § 27 GAL setze sich die Unwiderruflichkeit der abgegebenen Weiterversicherungserklärung über den 31.12.1994 hinaus fort. Solange die Versicherungspflicht nach § 1 Abs.3 ALG bestehe, ruhe die Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG. Die Regelung des § 85 Abs.3 a ALG stelle auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 Abs.2 ALG keine planwidrige Lücke dar. Die nach § 27 GAL begründete Beitragspflicht stelle eine besonders starke Bindung dar, weil sie nach Abgabe der Erklärung nicht mehr beendet werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Beitragspflicht freiwillig übernommen worden sei und daß für die Abgabe der Erklärung eine Überlegungsfrist von zwei Jahren zur Verfügung gestanden habe. Gesetzeszweck des § 1 Abs.3 ALG sei die Erweiterung des versicherungspflichtigen Personenkreises um die Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen. Die Befreiungsmöglichkeiten hiervon seien Ausnahmeregelungen, die grundsätzlich eng auszulegen seien. Es müsse vermieden werden, daß durch eine allzu weite Auslegung der Ausnahmebestimmungen oder durch deren analoge Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers schließlich in ihr Gegenteil verkehrt werde. Hiergegen richtet sich die Berufung. Die Beklagte verkenne mit ihrer Ablehnung der Befreiung gemäß § 85 Abs.3, Abs.3 a ALG, daß der Klägerin nach § 84 Abs.2 ALG ein dauerhaftes Befreiungsrecht eingeräumt worden sei. Der Gesetzgeber habe offensichtlich nicht bedacht, daß die Befreiung nach § 84 Abs.2 ALG dann ins Leere laufe, wenn die Befreite im Zeitpunkt der Befreiung als Ehegattin eines Landwirts der Versicherungspflicht nach § 1 Abs.3 ALG unterliege. Dieses Ergebnis lasse sich jedoch mit dem Grundziel der Agrarsozialreform zur eigenständigen Versicherungspflicht für Landwirtsehegattinnen nicht in Einklang bringen. Wenn die Klägerin am 31.05.1999 die 15jährige Beitragszeit im Sinne von § 84 Abs.2 ALG erfüllt habe, stehe ihr eine adäquate soziale Absicherung zur Verfügung. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müsse ihr eine endgültige Befreiung gewährt werden. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.08.1998 Stellung genommen. Rechtssystematisch handele es sich bei der Weiterversicherung nach § 27 GAL um einen Fall der Versicherungspflicht im Sinne des § 2 Abs.1 SGB IV. Die bisher nach § 27 GAL Weiterversicherten würden nach § 84 Abs.2 Satz 1 ALG grundsätzlich auch nach Inkrafttreten des ALG versicherungspflichtig bleiben. Nach Sinn und Zweck des § 27 GAL setze sich die Unwiderruflichkeit der abgegebenen Weiterversicherungserklärung über den 31.12.1994 hinaus fort. Wegen der Neuregelung des ALG, wonach eine ununterbrochene Beitragszahlung mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorausgesetzt werde, sei die Möglichkeit der Befreiung von der frewilligen Weiterversicherung in § 84 Abs.2 Satz 1, 2. Halbsatz ALG eingeführt worden. Der mit Schreiben vom 21.12.1995 abgegebene Widerruf der Erklärung nach § 27 GAL sei als Antrag nach § 84 Abs.2 ALG gewertet worden. Die Befreiung nach § 84 Abs.2 ALG beziehe sich aber auf die Versicherung nach § 27 GAL, die Möglichkeit des § 85 Abs.3 a ALG auf die vorrangige Versicherung nach § 1 Abs.3 ALG. Die in der Berufungsbegründung dargelegte Auffassung, mit der Ablehnung der beantragten Befreiung gemäß § 85 Abs.3 a ALG werde das Befreiungsrecht der Klägerin nach § 84 Abs.2 ALG ignoriert, könne nicht geteilt werden. Insbesondere liege keine planwidrige Gesetzeslücke vor. Die Voraussetzungen für die Ausfüllung von Regelungslücken im Urteil des BSG vom 12.02.1998, Az.: B 10 LW 2/97.R würden nicht vorliegen. Die bestehende Rechtslage verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Hierzu hat der Klägervertreter nochmals mit Schriftsatz vom 01.10.1998 Stellung genommen. Die Tatsache, daß das Gesetz Versicherten, welche eine Beitragszeit von 180 Kalendermonaten erfüllt haben, die Befreiungsmöglichkeit nach § 84 Abs.2 ALG einräume, zeige, daß der Gesetzgeber das Vorliegen einer ausreichenden sozialen Absicherung bejahe. Damit entfalle jedoch denknotwendig auch die Rechtfertigung der Pflichtversicherung gemäß § 1 Abs.3 ALG.

Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.02.1998 und die Bescheide der Beklagten vom 25.03.1996 sowie vom 08. und 23.08.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1997 abzuändern und festzustellen, daß die Klägerin ab 01.06.1999 von der Versicherungspflicht bei der Beklagten befreit ist.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakten hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Die Klägerin ist mit Wirkung ab 01.06.1999 von jeglicher Versicherungspflicht bei der Beklagten zu befreien. Entsprechend waren das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.02.1998 und die angegriffenen Bescheide der Beklagten abzuändern. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfällt nicht deswegen, weil die Klägerin ab 01.09.1997 gemäß § 3 Abs.1 Nr.2 ALG für die Dauer der Erziehung ihres Kindes von der Versicherungspflicht befreit ist. Denn ihr Rechtsschutzbegehren zielt auf eine dauerhafte Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts gemäß § 1 Abs.3 ALG ab. Zwischen den Beteiligten ist zunächst nicht streitig, daß die Klägerin ab 01.01.1995 zwei Tatbestände erfüllt, die grundsätzlich ihre Versicherungs- und Beitragspflicht bei der Beklagten begründen. Die Klägerin ist zum einen als Ehegattin des Landwirts ... gemäß § 1 Abs.3 ALG kraft Gesetzes versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Die Ehegattenpflichtversicherung ist auch in den Fällen verfassungsrechtlich unbedenklich, in denen die Ehegatten in keiner Weise im landwirtschaftlichen Unternehmen des Landwirts mitarbeiten (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 25.11.1998, B 10 LW 5/98 R). Zum anderen ist die Klägerin auch als ehemalige Landwirtin, die sich gemäß § 27 GAL für die Weiterversicherung entschieden hat, gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG ab 01.01.1995 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Über das Verhältnis beider Versicherungstatbestände zueinander enthält das ALG keine ausdrückliche Regelung. In rechtssystematischer Hinsicht besteht ein Unterschied zwischen beiden Versicherungen nur hinsichtlich des Zugangs zur Versicherung. Diese erfolgte bei der Weiterversicherung gemäß § 27 GAL als ehemaliger Landwirt auf freiwilliger Basis, wobei diese Versicherung nunmehr gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG kraft Gesetzes fortgeführt wird, während die Versicherung gemäß § 1 Abs.3 ALG als Ehegattin eines Landwirts kraft Gesetzes eintritt. In beiden Fällen werden aber Pflichtversicherungsverhältnisse im Sinne des § 2 Abs.1 SGB IV begründet, die sich nach der inhaltlichen Ausgestaltung der Rechte und Pflichten nicht unterscheiden. Die Pflichtversicherungen bestehen ab 01.01.1995 nebeneinander fort, wobei daraus aber keine Pflicht zur doppelten Beitragszahlung folgt. In Fortentwicklung des Urteils des BSG vom 29.10.1985 (SozR 5850 § 27 GAL Nr.6) erscheint es gerechtfertigt, die Pflicht zur Beitragszahlung aus § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG auch hinter die Beitragspflicht aus § 1 Abs.3 ALG zurücktreten zu lassen. Das Versicherungs- und Beitragsverhältnis der Klägerin zur Beklagten aus § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG ist inzwischen beendet. Gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG endet das Versicherungsverhältnis der Klägerin aus § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG mit Ablauf des Monats, in dem die Wartezeit für eine Altersrente gemäß § 11 Abs.1 ALG (= 15 Jahre) erfüllt ist. Dies war unter Berücksichtigung der von der Klägerin vom 01.05.1984 bis 31.08.1997 zurückgelegten Beitragszeiten (160 Monate) bei der Beklagten und der bei der LVA Niederbayern/Oberpfalz zurückgelegten 36 Monate Pflichtbeitragszeiten grundsätzlich bereits ab 01.01.1996 der Fall. Die Beklagte hat die Klägerin in dem Bescheid vom 02.10.1997 unter anderen darauf hingewiesen, daß die Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.1 ALG nicht mehr auflebt und hat sie damit ab 01.09.1997 von der Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG befreit. Die Beklagte ist dabei davon ausgegangen, daß vor dem 01.09.1997 die Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 1. Halbsatz ohnehin von der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG verdrängt wird.

Die Klägerin war darüber hinaus aber auch von der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG zu befreien. Der Beklagten ist soweit Recht zu geben, daß die Klägerin keine der im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten von der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG erfüllt. Dies gilt insbesondere für die Befreiungsvorschrift des § 85 Abs.3a ALG. Gemäß § 85 Abs.3a ALG sind Versicherte nach § 1 Abs.3, die die Voraussetzung nach Abs.3 Satz 2 Nr.1 erfüllen, ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn 1. sie am 31.12.1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind, 2. der Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft nach den betrieblichen Verhältnissen am 01.01.1995 20.000,00 DM nicht überschritten hat, 3. der befreite Unternehmer im Jahre 1994 Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,00 DM erzielt hat und 4. die Befreiung bis zum 30.06.1996 bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Voraussetzung gemäß § 85 Abs.3a Satz 1 Nrn.1 bis 4 erfüllt, jedenfalls gehört sie nicht zu den Versicherten, die die Voraussetzungen nach Abs.3 Satz 2 Nr.1 ALG erfüllen, weil sie am 31.12.1994 beitragspflichtig war. Die Klägerin war zunächst selbst in der Zeit vom 01.05.1984 bis 31.12.1991 für 92 Monate als selbständige Unternehmerin bei der Beklagten versichert (§ 14 Abs.1a GAL). Die Klägerin hat später die Weiterversicherungserklärung nach § 27 GAL abgegeben, weswegen sie in der Zeit vom 01.01. 1992 bis 31.12.1994 für weitere 36 Monate als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin bei der LAK weiterversichert war. Der von der Klägerin zweimal getätigte Widerruf der Weiterverpflichtungserklärung gemäß § 27 GAL ist rechtlich unzulässig (vgl. BSG SozR 5850 § 27 GAL Nr.6). Diese sogenannten Weiterentrichter nach dem GAL bleiben gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz solange versicherungspflichtig, bis die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist. Eine Befreiung von der Weiterversicherung vor dem 01.01.1995 ist dagegen nicht möglich. Ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht aus § 1 Abs.3 ALG ergibt sich direkt auch nicht aus § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG, weil sich diese Vorschrift grundsätzlich auf die Versicherungspflicht aus den §§ 27 GAL, 84 Abs.1 ALG bezieht. Nach Auffassung des Senats steht der Klägerin in analoger Anwendung des § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG aber ein Befreiungsrecht auch für die Versicherung aus § 1 Abs.3 ALG zu. Zwischen der Befreiungsmöglichkeit gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG und der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG besteht nämlich ein Wertungswiderspruch, der durch sachliche Gesichtspunkte nicht zu rechtfertigen ist. Während § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG für Weiterversicherte gemäß §§ 27 GAL, 84 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz ALG erstmalig ab 01.01.1995 eine vorher nicht bestehende, allerdings bis 31.12.1995 befristete Befreiungsmöglichkeit vorsieht, wenn und sobald eine ausreichende soziale Absicherung erlangt ist, unterwirft § 1 Abs.3 ALG die Klägerin ab 01.01.1995 erstmalig der Versicherungspflicht, um ihr eine soziale Absicherung zu ermöglichen. Eine solche Zwangsversicherung verliert aber dort ihren Sinn und ihre Rechtfertigung, wo der Versicherte in eigener Person gegen denselben Versicherungsträger bereits die soziale Absicherung erlangt hat, die mit der Pflichtversicherung erst geschaffen werden soll. Die Klägerin hat als ehemalige Landwirtin bereits die soziale Absicherung in eigener Person erlangt, die ihr nun als Fiktivunternehmerin durch eine weitere Pflichtversicherung ermöglicht werden soll. Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber diesen Personenkreis und diese Fallkonstellation nicht mitbedacht, so daß hier eine auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhende Gesetzeslücke vorliegt, die durch die Rechtsprechung geschlossen werden kann (vgl. zur Befugnis der Schließung von Regelungslücken durch die Gerichte: BSG, Urteil vom 12.02.1998, B 10 LW 2/97 R). Das BSG hat sich schon früher mit der Frage der Auswirkung und Reichweite einer Befreiung von einer Versicherungspflicht auf andere die Pflichtversicherung begründende Tatbestände beschäftigt. In dem Urteil vom 12.11.1969, 4 RJ 531/68, hat das BSG entschieden, daß ein Handwerker, der nach Art.2 § 52 Abs.3 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) von der Versicherungspflicht befreit worden war, weil er mindestens 180 Kalendermonate Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung entrichtet hatte, wegen seiner Tätigkeit als Hausgewerbetreibender nicht der Versicherungspflicht nach § 1227 Abs.1 Nr.3 RVO unterworfen werden konnte. Der Befreiungsvorschrift des Art.2 § 52 Abs.3 AnVNG, die gemäß § 7 Abs.2 HWVG auch für die Zeit nach Inkrafttreten des HWVG weiter galt, wurde aus historischen und systematischen Gründen eine befreiende Wirkung nicht nur für den Bereich des Handwerkerversicherungsgesetzes, sondern für das ganze Gebiet der Rentenversicherungen beigemessen. In dem Urteil vom 01.07.1966 - 5 RKn 32/63 - hat das BSG die Befreiung eines Versicherten von der Angestelltenversicherung wegen Abschluß einer privaten Lebensversicherung auf den Bereich der knappschaftlichen Versicherung ausgedehnt, nachdem der Kläger durch einen Berufs- und Arbeitgeberwechsel der knappschaftlichen Rentenversicherungspflicht unterlag. Das BSG ging seinerzeit davon aus, daß der Gesetzgeber es versehentlich unterlassen hatte, eine Wanderversicherungsvorschrift im weiteren Sinne zu erlassen, die die Wirkung der von der BfA ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenrentenversicherung bei einem Wechsel des Angestellten von der Angestelltenversicherung zur knappschaftlichen Versicherung auch für den Bereich der knappschaftlichen Versicherung anordnet. In beiden Fällen hat das BSG also die Befreiung von der Versicherungspflicht in einem bestimmten Versicherungszweig auf die Versicherungspflicht in einem ganz anderen Versicherungszweig erstreckt. Umso mehr muß eine solche Möglichkeit in den Fällen ins Auge gefaßt werden, wo die Befreiung von der Versicherungspflicht in einem Versicherungszweig angeordnet ist und daneben eine weitere Vorschrift die Versicherungspflicht in demselben Versicherungszweig anordnet. Noch mehr gilt dies aber in dem hier vorliegenden speziellen Fall des Zusammentreffens einer Befreiung von der Pflichtversicherung eines ehemaligen Landwirts und der Pflichtversicherung eines fiktiven Landwirts.

Die vorliegende Regelungslücke ist dadurch zu schließen, daß die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG auf die Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG erstreckt wird. Die Klägerin konnte also mit einer entsprechenden Antragstellung bis 31.12.1995 die Befreiung von der Versicherungspflicht auch gemäß § 1 Abs.3 ALG erwirken mit Wirkung vom Ablauf des Monats an, in dem die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist. Der Senat hat entsprechend der prozessualen Beschränkung des Antrags durch die Klägerin im Termin vom 28.04.1999 die Befreiung der Klägerin auf Dauer von der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs.3 ALG ab 01.06.1999 ausgesprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen. Es ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt, in welchem Verhältnis die Pflichtversicherungstatbestände des § 84 Abs.1 Satz 1 1. Halbsatz ALG einerseits und § 1 Abs.3 ALG andererseits stehen und ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 2. Halbsatz ALG auch die Versicherungspflicht nach § 1 Abs.3 ALG mitumfaßt.
Rechtskraft
Aus
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