Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1469/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1206/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Die in § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG genannte Vermeidung von Hilfebedürftigkeit ist nach der gesetzlichen Systematik allein auf die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft des Anspruchstellers zu beziehen (Anschluss an LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - L 13 BK 1/10 - veröffentlicht in Juris).
2) Für Pflegekinder besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BKGG.
2) Für Pflegekinder besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BKGG.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für zwei im Haushalt des Klägers lebende Pflegekinder.
Der 1959 geborene Kläger lebt mit seiner 1978 geborenen Ehefrau Andrea E. sowie den (eigenen) Kindern Michelle (geboren 1994), Cay-Laurent (geboren 1998), Giovane (geboren 2001) und Laith-Michele (geboren 2004) in häuslicher Bedarfsgemeinschaft. Am 6. März 2008 nahmen der Kläger und seine Frau die 2004 geborenen Kinder Leon und Raphael Franke als (Vollzeit-) Pflegekinder in ihren Haushalt auf. Die Kinder verblieben dort bis Ende Dezember 2008; am 1. Januar 2009 kehrten sie zu ihrer leiblichen Mutter zurück.
Der Kläger hatte bereits für die Monate Februar und Mai 2008 einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG bezogen (Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2008); für die Monate März und April 2008 sowie für die Zeit ab Juni 2008 war der Antrag auf Kinderzuschlag mit Bescheid vom 6. Juni 2008 wegen übersteigenden Einkommens abgelehnt worden. Am 24. September 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf eine erfolgte Gesetzesänderung erneut die Gewährung eines Kinderzuschlags; die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unverändert. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, das zu berücksichtigende Einkommen betrage 1.659,23 EUR und übersteige damit den Bedarf (1.538,56 EUR). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21. Oktober 2008 Widerspruch. Er trug vor, die Angaben im angefochtenen Bescheid könne er nicht nachvollziehen; eine Berechnung des Einkommens sei dem Bescheid nicht beigefügt gewesen. Mit (Teil-) Abhilfebescheid vom 23. Oktober 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009 einen Kinderzuschlag für die Kinder Michelle, Cay-Laurent, Giovane und Laith-Michele in Höhe von insgesamt 218,00 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolge unter Vorbehalt; dem Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen. Wegen geänderter Einkommensverhältnisse berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2009 den Kinderzuschlag für die Monate September bis Dezember 2008 neu und bewilligte die Leistungen (für die vier leiblichen Kinder) endgültig. Für den Monat September ergab sich nunmehr ein Zuschlag in Höhe von 329,00 EUR, für Oktober 2008 in Höhe von 318,00 EUR und für Dezember 2008 in Höhe von 342,00 EUR. Für den Monat November 2008 ergab sich hingegen kein Leistungsanspruch. In der Folge rügte der Kläger, die Pflegekinder Leon und Raphael Franke seien bei der Berechnung nach wie vor unberücksichtigt geblieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nur für Kinder, die mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebten; dies sei bei Pflegekindern nicht der Fall.
Mit der am 27. April 2009 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, entgegen der Ansicht der Beklagten dürften Pflegekinder nicht aus dem Anwendungsbereich des § 6a BKGG ausgenommen werden. Die entgegenstehende Rechtsauffassung der Beklagten sei mit der Gesetzesbegründung nicht vereinbar und widerspreche der zu dieser Frage in der Literatur vertretenen Rechtsansicht. Mit Urteil vom 17. November 2009 hat sich das SG dieser Auffassung angeschlossen und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16. Oktober 2008, geändert durch Bescheide vom 23. Oktober 2008 und vom 5. Februar 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2009 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG für die Kinder Leon und Raphael zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, maßgeblich für die Anspruchsberechtigung nach § 6a BKGG sei allein das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz. Ein solcher Anspruch sei bei den Pflegekindern des Klägers gegeben. Unerheblich sei hingegen, dass diese nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört hätten.
Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 24. Februar 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunkts am 11. März 2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie vertritt unter Hinweis auf ihre internen Dienstanweisungen weiterhin die Auffassung, dass für Pflegekinder kein Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Er hält das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, (661/074646), die Klageakten des SG (S 2 AS 1469/09) und die Berufungsakten des Senats (L 13 AS 1206/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anwendbaren ab 1. April 2008 geltenden Fassung). Ausweislich der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Berechnung (Bl. 19 bis 42 der Berufungsakte), die der Senat sich nach eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen macht, beträgt der begehrte Kinderzuschlag für den Monat Oktober 2008 253,34 EUR (2 x 126,67 EUR), für den Monat November 2008 231,66 EUR (2 x 115,83 EUR) und für den Monat Dezember 2008 283,34 EUR (2 x 141,67 EUR), insgesamt also 768,34 EUR. Da das SG der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, ergibt sich für die Beklagte eine Beschwer in dieser Höhe; der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt damit die maßgebliche Grenze von 750,00 EUR. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig; denn sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist letztlich auch begründet; das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag auf Kinderzuschlag für die Zeit ab Oktober 2008 zunächst ganz ablehnende Bescheid vom 16. Oktober 2008, geändert durch die Bewilligungsbescheide vom 23. Oktober 2008 und vom 5. Februar 2009, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2009. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist, nachdem das Sozialgericht nur über einen Anspruch auf Kinderzuschlag für die Pflegekinder Leon und Raphael entschieden und nur die Beklagte das Urteil des SG (insoweit) mit der Berufung angefochten hat, nur der dem Grunde nach geltend gemachte Anspruch auf Kinderzuschlag für die beiden Pflegekinder. Soweit die Beklagte einen solchen Anspruch abgelehnt hat, erweisen sich die angegriffenen Bescheide entgegen der Ansicht des SG als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend; dem Kläger steht der mit Klage und Berufung geltend gemachte Anspruch auf Kinderzuschlag für die Kinder Leon und Raphael nicht zu.
Der streitige Anspruch richtet sich nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BKGG in der hier anzuwendenden ab 1. Oktober 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 24. September 2008 (BGBl. I S. 1854). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn (1.) sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 BKGG haben, (2.) sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, (3.) sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 und 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und (4.) durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Bezogen auf die während der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 im Haushalt des Klägers lebenden Pflegekindern Leon und Raphael Franke lagen - was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird - die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 3 BKGG vor. Demgegenüber ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKGG nicht erfüllt; durch den begehrten Kinderzuschlag kann Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden werden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sind das Einkommen und Vermögen der Eltern bei unverheirateten Kindern zu berücksichtigen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dies sind die natürlichen und die Adoptiveltern, nicht aber die Pflege- oder Stiefeltern. Pflegekinder sind keiner der in § 7 Abs. 3 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - L 13 BK 1/10; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. September 2010 - L 5 BK 1/10 B - beide veröffentlicht in Juris; ebenso Kühl in jurisPK -SGB II, 3. Auflage 2011 § 6a BKGG Rdnr. 30). Der Kläger, seine Ehefrau und die eigenen Kinder lebten daher nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den beiden in der Zeit vom 6. März bis 31. Dezember 2008 in Vollzeitpflege aufgenommenen Pflegekindern (vgl. dazu auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. November 2008 - B 14/7b AS 4/07 R - veröffentlicht in Juris). Da eine Bedarfsgemeinschaft mit den beiden Pflegekindern nicht bestanden hat, konnte der Kläger nicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II durch Berücksichtigung seines Einkommens beim Bedarf der Pflegekinder hilfebedürftig werden. Das LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) hat (zum vergleichbaren Rechtsverhältnis zwischen Vormund und Mündel) hierzu Folgendes ausgeführt:
"Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6a BKGG liegt darin, dass Eltern nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld angewiesen sein sollen (BT-Drucks. 15/1516, S. 83). Es soll Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung nach dem SGB II und mithin der Bezug von Leistungen nach dem SGB II vermieden werden. Auf Personen, die vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen sind, kann die Bestimmung des § 6a BKGG - auch wenn Anspruch auf Kindergeld besteht - folglich nicht entsprechend angewandt werden. Zweck des § 6a BKGG ist es nach alledem, zu verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines Arbeitsanreizes. Für diese Eltern soll, sofern der Kinderzuschlag Bedürftigkeit vermeiden kann, allein die Kindergeldkasse zuständig sein (BT-Drucks., a.a.O.). Mithin greift der Zweck des § 6a BKGG in Fällen nicht, in denen ein Leistungsanspruch nach den Bestimmungen des SGB II bereits aus anderen Gründen ausscheidet (so bereits Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 KG 1/09 R - juris Rn. 12 ff.; ferner Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2010 - L 1 BK 1/10 B - juris Rn. 5, sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Februar 2009 - L 19 AS 52/08 - Rn. 22 - sämtlich zur Situation bei Asylbewerbern).
Die Argumentation des Sozialgerichts Stade im Urteil vom 15. Juli 2010 setzt bei der faktischen und rechtlichen Stellung des Vormunds, die derjenigen leiblicher Eltern vergleichbar sei, und beim Normzweck des § 6 a BKGG an. Vom zutreffenden Ausgangspunkt ausgehend - dem Normzweck des § 6a BKGG, zu verhindern, dass Familien allein wegen der finanziellen Belastung durch ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld angewiesen seien, unter Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Führung der Vormundschaft - beachtet das Sozialgericht in seinem Urteil indes nicht, dass zwar die Belastungen und Armutsrisiken durch die Aufnahme des Mündels denen leiblicher Eltern entsprechen, nicht aber die Folgen für die Bewilligung staatlicher Transferleistungen in Fällen, in denen diese Risiken sich realisieren. Deswegen trifft auch die Schlussfolgerung, ein Mündel müsse den leiblichen Kindern gleichgestellt werden, nicht zu. Wie das Sozialgericht nicht verkennt, ist entscheidender Anknüpfungspunkt die Auslegung des Passus der "dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen" im gesetzlichen Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ... Ein für die Bewilligung von Kinderzuschlag relevanter hypothetischer Leistungsanspruch nach den Bestimmungen des SGB II, der durch den Kinderzuschlag vermieden werden könnte, scheitert indes vorliegend daran, dass zwischen dem Kläger und seinem Mündel entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts Stade im Urteil vom 15. Juli 2010 keine Bedarfsgemeinschaft besteht.
Zunächst kann aufgrund der bereits vom SG Stade angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7 b AS 8/07 R - veröffentlicht in Juris) als in der Rechtsprechung geklärt angesehen werden, dass Pflegekinder keiner der in den Nr. 1 bis 4 des § 7 Abs. 3 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen sind und mithin nicht zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Pflegeeltern zählen. Kinder im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II sind demnach nur leibliche und angenommene Kinder der in § 7 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 genannten Personen. Das Bundessozialgericht ist in seiner Argumentation indes darüber hinaus gegangen und hat u. a. ausdrücklich auch Enkelkinder in die Betrachtung einbezogen, indem es ausgeführt hat: Eine Erweiterung der Regeln über die Bedarfsgemeinschaft auf Kinder, die als Pflegekinder oder Enkelkinder dauerhaft in den Haushalt aufgenommen seien - solche Fälle regelten z. B. § 56 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch und § 48 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - fehle im SGB II. Es ergebe sich kein systematischer Ansatzpunkt dafür, im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichend von den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuches zur Auslegung des Begriffes "Kind" nicht auf die Vorschriften über die Verwandtschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern auf §§ 32 Abs. 1, 63 Einkommensteuergesetz bzw. § 2 Abs. 1 BKGG abzustellen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 8/07 R – juris Rn. 14, entgegen Hänlein, in: Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juni 2008, § 7 SGB II Rn. 58c; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2008, § 9 Rn. 91; gegen die Leistungsberechtigung von Pflegekindern nach dem SGB II ferner auch BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 9/09 R - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14/7b AS 4/07 R - juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 12/06 R - juris Rn. 14).
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Auslegung des Begriffes "Kind" auf die Vorschriften über die Verwandtschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch abzustellen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - a.a.O.). Hieraus ergibt sich aber zugleich, dass auch der Fall eines Mündels nach der Systematik des SGB II nicht abweichend zu behandeln ist, da es auch hier an der Voraussetzung fehlt, dass es sich um leibliche oder angenommene Kinder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten handeln muss. Das Bestehen einer eigenständigen, erweiternden, über die Vorschriften in Bezug auf den Verwandtenunterhalt nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches hinausgehenden Interpretationsmöglichkeit hat das Bundessozialgericht in seiner genannten Entscheidung umfassend verneint. Die dort genannte Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ist nach der gesetzlichen Systematik allein auf die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft des Anspruchstellers zu beziehen (Knels, in: GK–SGB II, Stand November 2010, § 6a BKGG, Rn. 27; Schwitzky, in: Münder (Hrsg.), LPK–SGB II, 3. Aufl. 2008, Anhang zu § 12a, Rn. 7). Die Überlegung, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ggf. durch jegliche staatliche Transferleistungen an die Bedarfsgemeinschaft, welche deren Einkommenssituation stärken können, auch für ihr nicht angehörende Personen (wie die Nichte des Klägers) vermieden werden kann, muss ebenso außerhalb der Betrachtung bleiben wie ein möglicher eigenständiger Anspruch des am 15. Dezember 1994 geborenen Mündels auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II; ein solcher käme nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 1 SGB II ab dem 15. Dezember 2009 – dem Tage der Vollendung des 15. Lebensjahres – in Betracht. Indes können derartige Überlegungen nach dem genannten Zweck des Kinderzuschlages und der gesetzlichen Systematik eine Anspruchsberechtigung des Klägers auf eine solche Leistung nicht begründen. Gerade beim Kläger und seinen Angehörigen (im Sinne der Bedarfsgemeinschaft) soll hiernach Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II zu vermeiden gesucht werden, und zwar nur aufgrund solcher Leistungen, die auch auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogen sind; allein hierauf kann nach der Zielrichtung des § 6a BKGG abgestellt werden (vgl. auch Schwitzky, a. a. O., Rn. 24 f.). Die Erwägung, dass anderweitige Sozialleistungen bzw. staatliche Transferleistungen als gerade solche nach dem SGB II - etwa Sozialhilfeleistungen, die zugunsten ... (hier: der Pflegekinder) ... zu erbringen wären - durch die Zahlung von Kinderzuschlag vermieden werden könnten, genügt nach dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut des § 6a BKGG für die Bejahung einer Anspruchsberechtigung des Klägers nach dieser Vorschrift nicht. Auch aus der Überlegung des Sozialgerichts, nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 BKGG sei entscheidender Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Kinderzuschlag unter anderem die Kindergeldberechtigung des Antragstellers für das jeweilige Kind, folgt nichts anderes. Die Argumentation, wenn nicht auch für das Recht der Grundsicherung Mündel den leiblichen Kindern gleichgestellt würden, so könne dies zumindest für den Bereich des BKGG erfolgen, da dieses Gesetz eine eigenständige, vom SGB II zu unterscheidende Materie regele, lässt außer Acht, dass gerade der Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG eine besondere Verknüpfung mit der Regelungsmaterie des SGB II aufweist und vom Gesetzgeber allein zu dem Zweck geschaffen worden ist, die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach den Bestimmungen des SGB II bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz näher bezeichneter Umstände zu vermeiden. Eine vom SGB II losgelöste und diesem gegenüber eigenständige Interpretation der Vorschrift ist vor diesem Hintergrund nicht sachgerecht."
Diesen Ausführung schließt sich der erkennende Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung an und nimmt auf diese zur weiteren Begründung vollinhaltlich Bezug. Die begehrte Gewährung eines Kinderzuschlags für die Pflegekinder Leon und Raphael kommt danach entgegen der Entscheidung des SG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für zwei im Haushalt des Klägers lebende Pflegekinder.
Der 1959 geborene Kläger lebt mit seiner 1978 geborenen Ehefrau Andrea E. sowie den (eigenen) Kindern Michelle (geboren 1994), Cay-Laurent (geboren 1998), Giovane (geboren 2001) und Laith-Michele (geboren 2004) in häuslicher Bedarfsgemeinschaft. Am 6. März 2008 nahmen der Kläger und seine Frau die 2004 geborenen Kinder Leon und Raphael Franke als (Vollzeit-) Pflegekinder in ihren Haushalt auf. Die Kinder verblieben dort bis Ende Dezember 2008; am 1. Januar 2009 kehrten sie zu ihrer leiblichen Mutter zurück.
Der Kläger hatte bereits für die Monate Februar und Mai 2008 einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG bezogen (Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2008); für die Monate März und April 2008 sowie für die Zeit ab Juni 2008 war der Antrag auf Kinderzuschlag mit Bescheid vom 6. Juni 2008 wegen übersteigenden Einkommens abgelehnt worden. Am 24. September 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf eine erfolgte Gesetzesänderung erneut die Gewährung eines Kinderzuschlags; die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unverändert. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, das zu berücksichtigende Einkommen betrage 1.659,23 EUR und übersteige damit den Bedarf (1.538,56 EUR). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21. Oktober 2008 Widerspruch. Er trug vor, die Angaben im angefochtenen Bescheid könne er nicht nachvollziehen; eine Berechnung des Einkommens sei dem Bescheid nicht beigefügt gewesen. Mit (Teil-) Abhilfebescheid vom 23. Oktober 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009 einen Kinderzuschlag für die Kinder Michelle, Cay-Laurent, Giovane und Laith-Michele in Höhe von insgesamt 218,00 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolge unter Vorbehalt; dem Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen. Wegen geänderter Einkommensverhältnisse berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2009 den Kinderzuschlag für die Monate September bis Dezember 2008 neu und bewilligte die Leistungen (für die vier leiblichen Kinder) endgültig. Für den Monat September ergab sich nunmehr ein Zuschlag in Höhe von 329,00 EUR, für Oktober 2008 in Höhe von 318,00 EUR und für Dezember 2008 in Höhe von 342,00 EUR. Für den Monat November 2008 ergab sich hingegen kein Leistungsanspruch. In der Folge rügte der Kläger, die Pflegekinder Leon und Raphael Franke seien bei der Berechnung nach wie vor unberücksichtigt geblieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nur für Kinder, die mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebten; dies sei bei Pflegekindern nicht der Fall.
Mit der am 27. April 2009 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, entgegen der Ansicht der Beklagten dürften Pflegekinder nicht aus dem Anwendungsbereich des § 6a BKGG ausgenommen werden. Die entgegenstehende Rechtsauffassung der Beklagten sei mit der Gesetzesbegründung nicht vereinbar und widerspreche der zu dieser Frage in der Literatur vertretenen Rechtsansicht. Mit Urteil vom 17. November 2009 hat sich das SG dieser Auffassung angeschlossen und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16. Oktober 2008, geändert durch Bescheide vom 23. Oktober 2008 und vom 5. Februar 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2009 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG für die Kinder Leon und Raphael zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, maßgeblich für die Anspruchsberechtigung nach § 6a BKGG sei allein das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz. Ein solcher Anspruch sei bei den Pflegekindern des Klägers gegeben. Unerheblich sei hingegen, dass diese nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört hätten.
Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 24. Februar 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunkts am 11. März 2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie vertritt unter Hinweis auf ihre internen Dienstanweisungen weiterhin die Auffassung, dass für Pflegekinder kein Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Er hält das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, (661/074646), die Klageakten des SG (S 2 AS 1469/09) und die Berufungsakten des Senats (L 13 AS 1206/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. November 2009 hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anwendbaren ab 1. April 2008 geltenden Fassung). Ausweislich der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Berechnung (Bl. 19 bis 42 der Berufungsakte), die der Senat sich nach eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen macht, beträgt der begehrte Kinderzuschlag für den Monat Oktober 2008 253,34 EUR (2 x 126,67 EUR), für den Monat November 2008 231,66 EUR (2 x 115,83 EUR) und für den Monat Dezember 2008 283,34 EUR (2 x 141,67 EUR), insgesamt also 768,34 EUR. Da das SG der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, ergibt sich für die Beklagte eine Beschwer in dieser Höhe; der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt damit die maßgebliche Grenze von 750,00 EUR. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig; denn sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist letztlich auch begründet; das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag auf Kinderzuschlag für die Zeit ab Oktober 2008 zunächst ganz ablehnende Bescheid vom 16. Oktober 2008, geändert durch die Bewilligungsbescheide vom 23. Oktober 2008 und vom 5. Februar 2009, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2009. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist, nachdem das Sozialgericht nur über einen Anspruch auf Kinderzuschlag für die Pflegekinder Leon und Raphael entschieden und nur die Beklagte das Urteil des SG (insoweit) mit der Berufung angefochten hat, nur der dem Grunde nach geltend gemachte Anspruch auf Kinderzuschlag für die beiden Pflegekinder. Soweit die Beklagte einen solchen Anspruch abgelehnt hat, erweisen sich die angegriffenen Bescheide entgegen der Ansicht des SG als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend; dem Kläger steht der mit Klage und Berufung geltend gemachte Anspruch auf Kinderzuschlag für die Kinder Leon und Raphael nicht zu.
Der streitige Anspruch richtet sich nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BKGG in der hier anzuwendenden ab 1. Oktober 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 24. September 2008 (BGBl. I S. 1854). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn (1.) sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 BKGG haben, (2.) sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, (3.) sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 und 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und (4.) durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Bezogen auf die während der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 im Haushalt des Klägers lebenden Pflegekindern Leon und Raphael Franke lagen - was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird - die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 3 BKGG vor. Demgegenüber ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKGG nicht erfüllt; durch den begehrten Kinderzuschlag kann Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden werden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sind das Einkommen und Vermögen der Eltern bei unverheirateten Kindern zu berücksichtigen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dies sind die natürlichen und die Adoptiveltern, nicht aber die Pflege- oder Stiefeltern. Pflegekinder sind keiner der in § 7 Abs. 3 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - L 13 BK 1/10; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. September 2010 - L 5 BK 1/10 B - beide veröffentlicht in Juris; ebenso Kühl in jurisPK -SGB II, 3. Auflage 2011 § 6a BKGG Rdnr. 30). Der Kläger, seine Ehefrau und die eigenen Kinder lebten daher nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den beiden in der Zeit vom 6. März bis 31. Dezember 2008 in Vollzeitpflege aufgenommenen Pflegekindern (vgl. dazu auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. November 2008 - B 14/7b AS 4/07 R - veröffentlicht in Juris). Da eine Bedarfsgemeinschaft mit den beiden Pflegekindern nicht bestanden hat, konnte der Kläger nicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II durch Berücksichtigung seines Einkommens beim Bedarf der Pflegekinder hilfebedürftig werden. Das LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) hat (zum vergleichbaren Rechtsverhältnis zwischen Vormund und Mündel) hierzu Folgendes ausgeführt:
"Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6a BKGG liegt darin, dass Eltern nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld angewiesen sein sollen (BT-Drucks. 15/1516, S. 83). Es soll Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung nach dem SGB II und mithin der Bezug von Leistungen nach dem SGB II vermieden werden. Auf Personen, die vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen sind, kann die Bestimmung des § 6a BKGG - auch wenn Anspruch auf Kindergeld besteht - folglich nicht entsprechend angewandt werden. Zweck des § 6a BKGG ist es nach alledem, zu verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines Arbeitsanreizes. Für diese Eltern soll, sofern der Kinderzuschlag Bedürftigkeit vermeiden kann, allein die Kindergeldkasse zuständig sein (BT-Drucks., a.a.O.). Mithin greift der Zweck des § 6a BKGG in Fällen nicht, in denen ein Leistungsanspruch nach den Bestimmungen des SGB II bereits aus anderen Gründen ausscheidet (so bereits Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 KG 1/09 R - juris Rn. 12 ff.; ferner Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2010 - L 1 BK 1/10 B - juris Rn. 5, sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Februar 2009 - L 19 AS 52/08 - Rn. 22 - sämtlich zur Situation bei Asylbewerbern).
Die Argumentation des Sozialgerichts Stade im Urteil vom 15. Juli 2010 setzt bei der faktischen und rechtlichen Stellung des Vormunds, die derjenigen leiblicher Eltern vergleichbar sei, und beim Normzweck des § 6 a BKGG an. Vom zutreffenden Ausgangspunkt ausgehend - dem Normzweck des § 6a BKGG, zu verhindern, dass Familien allein wegen der finanziellen Belastung durch ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld angewiesen seien, unter Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Führung der Vormundschaft - beachtet das Sozialgericht in seinem Urteil indes nicht, dass zwar die Belastungen und Armutsrisiken durch die Aufnahme des Mündels denen leiblicher Eltern entsprechen, nicht aber die Folgen für die Bewilligung staatlicher Transferleistungen in Fällen, in denen diese Risiken sich realisieren. Deswegen trifft auch die Schlussfolgerung, ein Mündel müsse den leiblichen Kindern gleichgestellt werden, nicht zu. Wie das Sozialgericht nicht verkennt, ist entscheidender Anknüpfungspunkt die Auslegung des Passus der "dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen" im gesetzlichen Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ... Ein für die Bewilligung von Kinderzuschlag relevanter hypothetischer Leistungsanspruch nach den Bestimmungen des SGB II, der durch den Kinderzuschlag vermieden werden könnte, scheitert indes vorliegend daran, dass zwischen dem Kläger und seinem Mündel entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts Stade im Urteil vom 15. Juli 2010 keine Bedarfsgemeinschaft besteht.
Zunächst kann aufgrund der bereits vom SG Stade angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7 b AS 8/07 R - veröffentlicht in Juris) als in der Rechtsprechung geklärt angesehen werden, dass Pflegekinder keiner der in den Nr. 1 bis 4 des § 7 Abs. 3 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen sind und mithin nicht zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Pflegeeltern zählen. Kinder im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II sind demnach nur leibliche und angenommene Kinder der in § 7 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 genannten Personen. Das Bundessozialgericht ist in seiner Argumentation indes darüber hinaus gegangen und hat u. a. ausdrücklich auch Enkelkinder in die Betrachtung einbezogen, indem es ausgeführt hat: Eine Erweiterung der Regeln über die Bedarfsgemeinschaft auf Kinder, die als Pflegekinder oder Enkelkinder dauerhaft in den Haushalt aufgenommen seien - solche Fälle regelten z. B. § 56 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch und § 48 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - fehle im SGB II. Es ergebe sich kein systematischer Ansatzpunkt dafür, im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichend von den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuches zur Auslegung des Begriffes "Kind" nicht auf die Vorschriften über die Verwandtschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern auf §§ 32 Abs. 1, 63 Einkommensteuergesetz bzw. § 2 Abs. 1 BKGG abzustellen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 8/07 R – juris Rn. 14, entgegen Hänlein, in: Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juni 2008, § 7 SGB II Rn. 58c; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2008, § 9 Rn. 91; gegen die Leistungsberechtigung von Pflegekindern nach dem SGB II ferner auch BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 9/09 R - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14/7b AS 4/07 R - juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 12/06 R - juris Rn. 14).
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Auslegung des Begriffes "Kind" auf die Vorschriften über die Verwandtschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch abzustellen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - a.a.O.). Hieraus ergibt sich aber zugleich, dass auch der Fall eines Mündels nach der Systematik des SGB II nicht abweichend zu behandeln ist, da es auch hier an der Voraussetzung fehlt, dass es sich um leibliche oder angenommene Kinder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten handeln muss. Das Bestehen einer eigenständigen, erweiternden, über die Vorschriften in Bezug auf den Verwandtenunterhalt nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches hinausgehenden Interpretationsmöglichkeit hat das Bundessozialgericht in seiner genannten Entscheidung umfassend verneint. Die dort genannte Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ist nach der gesetzlichen Systematik allein auf die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft des Anspruchstellers zu beziehen (Knels, in: GK–SGB II, Stand November 2010, § 6a BKGG, Rn. 27; Schwitzky, in: Münder (Hrsg.), LPK–SGB II, 3. Aufl. 2008, Anhang zu § 12a, Rn. 7). Die Überlegung, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ggf. durch jegliche staatliche Transferleistungen an die Bedarfsgemeinschaft, welche deren Einkommenssituation stärken können, auch für ihr nicht angehörende Personen (wie die Nichte des Klägers) vermieden werden kann, muss ebenso außerhalb der Betrachtung bleiben wie ein möglicher eigenständiger Anspruch des am 15. Dezember 1994 geborenen Mündels auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II; ein solcher käme nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 1 SGB II ab dem 15. Dezember 2009 – dem Tage der Vollendung des 15. Lebensjahres – in Betracht. Indes können derartige Überlegungen nach dem genannten Zweck des Kinderzuschlages und der gesetzlichen Systematik eine Anspruchsberechtigung des Klägers auf eine solche Leistung nicht begründen. Gerade beim Kläger und seinen Angehörigen (im Sinne der Bedarfsgemeinschaft) soll hiernach Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II zu vermeiden gesucht werden, und zwar nur aufgrund solcher Leistungen, die auch auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogen sind; allein hierauf kann nach der Zielrichtung des § 6a BKGG abgestellt werden (vgl. auch Schwitzky, a. a. O., Rn. 24 f.). Die Erwägung, dass anderweitige Sozialleistungen bzw. staatliche Transferleistungen als gerade solche nach dem SGB II - etwa Sozialhilfeleistungen, die zugunsten ... (hier: der Pflegekinder) ... zu erbringen wären - durch die Zahlung von Kinderzuschlag vermieden werden könnten, genügt nach dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut des § 6a BKGG für die Bejahung einer Anspruchsberechtigung des Klägers nach dieser Vorschrift nicht. Auch aus der Überlegung des Sozialgerichts, nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 BKGG sei entscheidender Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Kinderzuschlag unter anderem die Kindergeldberechtigung des Antragstellers für das jeweilige Kind, folgt nichts anderes. Die Argumentation, wenn nicht auch für das Recht der Grundsicherung Mündel den leiblichen Kindern gleichgestellt würden, so könne dies zumindest für den Bereich des BKGG erfolgen, da dieses Gesetz eine eigenständige, vom SGB II zu unterscheidende Materie regele, lässt außer Acht, dass gerade der Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG eine besondere Verknüpfung mit der Regelungsmaterie des SGB II aufweist und vom Gesetzgeber allein zu dem Zweck geschaffen worden ist, die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach den Bestimmungen des SGB II bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz näher bezeichneter Umstände zu vermeiden. Eine vom SGB II losgelöste und diesem gegenüber eigenständige Interpretation der Vorschrift ist vor diesem Hintergrund nicht sachgerecht."
Diesen Ausführung schließt sich der erkennende Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung an und nimmt auf diese zur weiteren Begründung vollinhaltlich Bezug. Die begehrte Gewährung eines Kinderzuschlags für die Pflegekinder Leon und Raphael kommt danach entgegen der Entscheidung des SG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved