L 8 KR 110/12 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 294/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 110/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach den Vorgaben der Richtlinie 89/105/EWG (sog. Transparentrichtlinie) und den Gesetzesmaterialien sowie im Hinblick auf die Lenkungsfunktion des Pharmarabatts nach § 130a SGB V liegen besondere Gründe, unter denen pharmazeutische Unternehmen
Abweichungen vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt verlangen
können, unter anderem dann vor, wenn das pharmazeutische Unternehmen in einem
Ausnahmefall (einer besonderen Marktsituation) gerade durch die Rabattpflicht unzumutbar belastet wird. Eine unzumutbare Belastung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit droht.

2. Die wirtschaftliche Situation des antragstellenden Unternehmens ist in einem solchen Fall einer umfassenden unternehmensbezogenen Betrachtung zu unterziehen, die bei konzernverbundenen Unternehmen unter Einschluss der Konzernstrukturen und der finanziellen Situation der übrigen konzernzugehörigen Unternehmen zu erfolgen hat, soweit diese für die wirtschaftliche Situation des antragstellenden Unternehmens relevant
sein können. Dies gilt insbesondere wenn und soweit Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass konzernintern Kosten auf das antragstellende Unternehmen verlagert sind, die wirtschaftlich ganz oder teilweise anderen Unternehmen des Konzerns zuzuordnen sind.

3. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist in solchen Fällen berechtigt, nähere Daten zur finanziellen Situation der übrigen konzernangehörigen Unternehmen und Gesellschaften anzufordern und im Falle der Nichtvorlage den Antrag auf Befreiung vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt abzulehnen.

4. Mit der Befreiungsmöglichkeit des § 130a Abs. 4 SGB V von dem Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt sind die Vorgaben des Art. 4 Richtlinie 89/105/EWG umgesetzt worden, hiernach ausgesprochene Befreiungen stellen daher keine Beihilfe
i.S.v. Art. 107 AEUV dar.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2012 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen endgültig auf 2.500.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Befreiung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22. Dezember 2012 (AMRabG), welches im Rahmen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG, BGBl. 2010, 2262 ff, dort Art. 11a) verabschiedet wurde.

Die Antragstellerin, die in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert ist, ist die deutsche Vertriebsorganisation der XY-1. Letztere bezeichnet sich als einer der europäischen Top Player auf dem Gebiet der GG.behandlung. Die Antragstellerin vertreibt ausschließlich Präparate der XY-1 für die HH.therapie und -diagnostik und keine sonstigen Arzneimittel. Präparate zur Injektion (subkutane Behandlung) bzw. zur Aufnahme per Tropfen (sublinguale Therapie) zählen zu den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auf die Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen Anspruch auf Versorgung haben. Hersteller der FF.präparate ist die in Q-Stadt, Q-Land, ansässige XY-2, die nach Q-ländischem Recht als Rechtsperson (Gesellschaft) mit beschränkter Haftung ausgestaltet ist. Sie produziert und fakturiert die FF.präparate und gibt diese zu Verrechnungspreisen an die XY-1 und damit auch an die Antragstellerin ab. Die XY-2 beschäftigte im Jahr 2010 nach den Angaben der Antragstellerin ca. 150 Mitarbeiter. Im Jahr 2009 hatte die XY-1 im "WW. Q-Stadt" einen zweistelligen Millionenbetrag in einen Fabrikationsneubau mit angegliedertem Forschungs- und Entwicklungsgebäude investiert. Auch Abteilungen für die Bereiche internationales Marketing, Vertrieb sowie Finanzen und HR (Human Ressource) sind in diesem Gebäudekomplex untergebracht. Die Finanzierung der Investition erfolgte über einen langfristigen Kredit der TT-Bank, für den die Antragstellerin als Bürge mithaftet.

Alle Gesellschaftsanteile der Produktionsgesellschaft XY-2 sind in Händen der XY-3, die als reine Holding-Gesellschaft fungiert und deren einziges Personal aus dem Management Board (im Jahr 2010 jahresdurchschnittlich ca. 3,4 Personen) besteht. Die Gesellschafter der XY-3 und die Gesellschafter der Antragstellerin (XY-1) sind identisch, auch in Bezug auf die Höhe der jeweiligen Gesellschaftsanteile. Hauptgesellschafter der beiden Gesellschaften ist seit 2007 mit einem Gesellschaftsanteil von jeweils x % die UU-1 GmbH, A-Stadt. Die übrigen Gesellschaftsanteile werden jeweils gehalten von der OO-1-GmbH, BP. (x %), Herrn EE., A-Stadt (x %), Frau ZZ-4, R-Stadt (x %), Herrn ZZ-1., BP. (x %), Herrn ZZ-2, BP. (x %) sowie Frau ZZ-3, BP. (x %).

Alleingesellschafter der dominanten UU-1 GmbH ist die PP-1 GmbH. Laut Handelsregistereintrag ist Gegenstand dieses Unternehmens das Halten und Verwalten von Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen aller Rechtsformen und Geschäftszweigen. An der PP-1 GmbH ist wiederum zu 100% die PP-2 AG beteiligt. Diese charakterisiert sich in ihrem Internetauftritt als Spezialist für die Umsetzung von Wachstumsstrategien. Die PP-1 GmbH tätigt "Direct Investments" mit Eigenkapital in Konzerntöchter und mittelständische Unternehmen in "Special Situations". Ziel sei es, die Beteiligungen langfristig im Portfolio zu halten und weiterzuentwickeln.

In dem von der SS. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellten Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der Antragstellerin für das Geschäftsjahr 2010 heißt es im Anhang: Die Gesellschaft wird in den Konzernabschluss des Mehrheitsanteileigners, der PP-2 AG A-Stadt, einbezogen. Sie ist Mitbürge aus gesamtschuldnerischen Darlehensverbindlichkeiten der XY-3 i. H. von x Mio. EUR. Die personelle Zusammensetzung des Führungspersonals der XY-1 und der PP-2 stellt sich wie folgt dar: Der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer der Antragstellerin ist ÜÜ., der zugleich als CFO (Chief Financial Officer) Mitglied des Executive Board der XY-3 ist und des weiteren dem Management –Team der PP-2 angehört (Internetauftritt der PP-2).

Die Antragstellerin beantragte am 29. Juli 2010 beim Bundesministerium für Gesundheit die Freistellung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V für alle von ihr vertriebenen Arzneimittel für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Dezember 2013. Sie begründete dies damit, dass diese Maßnahmen in Verbindung mit der Präparate-Verordnung eine besondere Situation darstellten, die innerhalb von kurzer Zeit für das Unternehmen zu existenzgefährdenden Folgen führe. Sie sei im Jahr 2009 mit einem Umsatz von x Millionen Euro und einem Ergebnis vor Steuern von x Millionen Euro der drittgrößte Anbieter von Präparaten in Deutschland gewesen. Durch die Präparate-Verordnung aus dem Jahr 2008 sei erstmals eine Zulassung von Präparaten erforderlich geworden. Der Aufwand für die zur Zulassung notwendigen Studien betrage in den nächsten Jahren x Millionen Euro und davon entfielen auf die Jahre 2010 bis 2013 x Millionen Euro. Durch die Maßnahmen des Herstellerrabatts und des Preismoratoriums erleide sie eine erhebliche Umsatz- und Ergebnisminderung. Durch das Zusammentreffen der Maßnahmen gerate sie ab 2012 in eine existenzgefährdende Situation. Sie sei dominierender Teil der XY-1, Q-Land. Im Jahr 2009 habe der Umsatz der XY-4 x Millionen Euro und das Ergebnis vor Steuer x Millionen Euro betragen. Durch die Maßnahmen ergäbe sich eine Existenzbedrohung für die XY-4 insgesamt. Zu diesem Antrag legte die Antragstellerin ihre Unternehmensplanungen für die Jahre 2010 bis 2013 mit und ohne Berücksichtung der gesetzlichen Maßnahmen durch das GKV- Änderungsgesetz und eine entsprechende gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfer AA. BA. CA. vom 29. Juli 2010 vor.

Das Bundesministerium für Gesundheit leitete die Unterlagen der Antragstellerin an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Bearbeitung weiter. Mit Schreiben vom 27. April 2011 erweiterte die Antragstellerin ihren Antrag um den Antrag auf Freistellung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 vom Großhandelsabschlag nach Art. 11b AMNOG. Dazu legte sie eine angepasste Antragsbegründung mit ihren Unternehmungsplanungen für die Jahre 2011 bis 2013 mit und ohne Berücksichtigung der Auswirkungen des GKV-Änderungsgesetzes und des AMNOG vor und reichte eine gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft SS. AG zu ihren Plandaten für die Jahre 2011 bis 2013 ein. In der gutachtlichen Stellungnahme der SS. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 wird ausgeführt, die Abschläge nach § 130a SGB V und dem AMNOG seien ursächlich für eine wesentliche Verlustsituation der Antragstellerin. Diese Verlustsituation werde im Planungszeitraum zu einem kompletten Verzehr der Liquidität und in Folge zu einem vollständigen Verzehr des Eigenkapitals der Antragstellerin führen. Der wirtschaftliche Fortbestand der Gesellschaft erscheine durch die Einführung regulatorischer Zusatzbelastungen akut bedroht. Mittels der Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten könne die Antragstellerin in die Lage versetzt werden, leicht positive operative Ergebnisse zu erzielen. Im Jahr 2011 könne ausschließlich dank der (unterstellten) positiven Rückerstattungen des erhöhten Herstellerrabatts aus dem Jahr 2010 ein positives Ergebnis erzielt werden. Ohne diese Rückerstattungen würde sich ein planerischer Verlust in Höhe von x Euro ergeben. Allerdings sei es fraglich, ob der Fortbestand der Gesellschaft durch eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten mittelfristig gesichert sei. Die Ertragsplanung sei vor dem Hintergrund eines nur langsam wachsenden Marktes als tendenziell optimistisch zu beurteilen. Deshalb würden bereits geringe Plan-Ist-Abweichungen dazu führen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaft bedroht sei. In dem ausgefüllten Fragebogen zu ihrem Antrag vom 27. April 2011 verneinte die Antragstellerin eine Konzernzugehörigkeit und wies auf die Schwestergesellschaft XY-3 Q-Land hin. Sie legte ihren Handelsregisterauszug des Amtsgerichts A-Stadt sowie eine Liste ihrer Gesellschafter vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 wies das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Antragstellerin darauf hin, dass eine konzernbezogene Antragsprüfung vorzunehmen sei. Aus dem vorgelegten Jahresabschluss für das Jahr 2010 ergebe sich, dass die Antragstellerin in den Konzernabschluss der PP-2 AG einbezogen sei. Es werde daher um Angaben zur Konzernzugehörigkeit und um die Übersendung der Konzernabschlüsse für 2008 bis 2010 gebeten. Die Antragstellerin antwortete mit Schreiben vom 6. Juli 2011, ihre Hauptgesellschafterin, die UU-1, sei eine 100%ige Tochter der PP-2. Sie selbst habe aber keinen Zugang zu den Unterlagen ihrer Gesellschafter. Sie sei eine eigenständige Kapitalgesellschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag und trete am Markt als eigenständiges Familienunternehmen auf. Mit keinem ihrer Gesellschafter sei sie liquiditätsmäßig verbunden und erhalte von diesen keinerlei Gesellschafterdarlehen.

Das Bundesamt der Antragsgegnerin fragte hierauf mit Schreiben vom 3. August 2011 bei der Antragstellerin bezüglich gewährter Darlehen an die XY-3 nach und bat nochmals um die Vorlage von Unterlagen zur PP-2 AG. Beides lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. August 2011 ab und legte lediglich die Bilanz der XY-3 für das Jahr 2010 vor. Mit Schreiben vom 7. September 2011 führte die Antragstellerin weiter aus, eine Konzernprüfung sei nur bei einer Verlustübernahmeverpflichtung gerechtfertigt. Eine solche bestehe jedoch bei ihr nicht. Außerdem legte die Antragstellerin ihre vorläufige Bilanz für die Zeit von Januar bis August 2011 vor, die einen Verlust von x Millionen Euro ausweist.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte die Antragsgegnerin durch das BAFA den Antrag auf Reduzierung des Herstellerrabatts von 16% auf 0 % und die Befreiung vom Preismoratorium nach § 130a Abs. 4 SGB V ab. Für eine Ausnahme nach § 130a Abs. 4 SGB V sei grundsätzlich der Nachweis der Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens und ein Kausalzusammenhang mit der Erhöhung des Herstellerrabattes und/oder dem Preismoratorium erforderlich. Nach dem Merkblatt für Unternehmen, die einen Antrag auf Ausnahme von den gesetzlichen Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 4 und 9 SGB V stellen, sei eine konzernübergreifende Prüfung erforderlich. Dem Ersuchen, den Konzernabschluss der PP-2 AG A-Stadt zu übermitteln, in den die Antragstellerin laut Anlage I auf Seite 6 des Jahresabschlusses 2010 einbezogen werde, sei diese entgegen ihrer Mitwirkungspflicht aus § 26 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht nachgekommen. Die Prüfung des vom Gesetz geforderten Kausalzusammenhangs sei daher nicht möglich, weshalb der Antrag abzulehnen sei.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 Widerspruch ein.

Am 14. Oktober 2011 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das BAFA. Im Laufe des Verfahrens legte sie ihre Betriebsergebnisse für die Zeit vom 1. August 2010 bis 13. Oktober 2011 vor. Danach ist im Jahr 2010 ein Ergebnis vor Steuern von x Euro erzielt worden. Für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 13. Oktober 2011 wird ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von x Millionen Euro ausgewiesen, wobei nach den Angaben der Antragstellerin im Jahr 2011 Rabatte von insgesamt x Millionen Euro zu gewähren waren. Davon entfielen auf den Herstellerrabatt der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6% x Millionen Euro, auf die Erhöhung des Herstellerrabatts von 6% auf 16% x Millionen Euro und auf den Herstellerrabatt für die private Krankenversicherung x Millionen Euro. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass sie im Zeitpunkt der Umsatzerzielung zunächst den kompletten Bruttolistenpreis für die vertriebenen HH.präparate erhalte und Rabatte ihr erst im Nachhinein in Rechnung gestellt würden. Zum 13. Oktober 2011 seien deshalb Rückstellungen für Rabatte in Höhe von x Millionen Euro gebildet worden, die künftig eingefordert würden. Weiter legte die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung ohne Datum ihres Geschäftsführers ÜÜ. über die Richtigkeit der vorgelegten Betriebsergebnisse und Schätzungen vor.

Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erließ die Antragsgegnerin den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012, mit dem der Widerspruch als unbegründet zurückwiesen wurde. Dagegen erhob die Antragstellerin am 20. Januar 2012 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden (Az. S 2 KR 32/12), über die noch nicht entschieden ist.

Das Sozialgericht führte in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 23. Januar 2012 eine mündliche Verhandlung durch und entschied sodann mit Kammerbeschluss vom gleichen Tage wie folgt:

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die Antragstellerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 (Az. S 2 KR 32/12) für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1 a SGB V und für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V in Verbindung mit Artikel 11a Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zu befreien.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Zur Begründung führte es aus, der Antrag sei zulässig und beim örtlich zuständigen Sozialgericht Wiesbaden erhoben worden. Über die geltend gemachten Befreiungen entscheide das Bundesministerium für Gesundheit, das diese Aufgabe nach § 130a Abs. 4 Sätze 2 bis 7 SGB V auf das BAFA mit Sitz in Eschborn im Bezirk des Sozialgerichts übertragen habe.

Der Antrag sei auch begründet, es liege sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor.

Besondere Gründe, die zu einem Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und 3a SGB V führen, seien nach der Gesetzesbegründung auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährdeten (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Dies treffe im Fall der Antragstellerin zu. Die Antragstellerin sei nämlich zum Einen den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel ausgesetzt. Zum Anderen müsse sie gleichzeitig umfangreiche Studien für die durch die Präparate-Verordnung notwendig gewordene arzneimittelrechtliche Zulassung ihrer Präparate finanzieren, wobei deren Herstellung und Vertrieb ihren einzigen Geschäftszweig darstelle. Die Antragstellerin sei nach der vorgelegten schlüssigen und nachvollziehbaren Prognose der SS. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für die Befreiung von Preisabschlägen sei allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht, wie das BAFA unter Bezugnahme auf sein Merkblatt meine, zusätzlich auf die Situation etwaiger Gesellschafter des Unternehmens abzustellen. Weil der pharmazeutische Unternehmer die Befreiung von Preisabschlägen beantragen könne, sei davon auszugehen, dass auch hinsichtlich der Befreiungsvoraussetzungen auf ihn und nicht auf etwaige Gesellschafter des pharmazeutischen Unternehmers abzustellen sei. Aus der Gesetzesbegründung sei abzuleiten, dass die Befreiungsmöglichkeit dazu diene, die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation durch die Preisabschläge gefährdet würde (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Dabei gehe es nicht um die Situation der Gesellschafter, sondern ausschließlich um die Situation des Unternehmens selbst. Rechtlich komme es somit nicht darauf an, ob ein Gesellschafter willens oder in der Lage wäre, Verluste des pharmazeutischen Unternehmens, an dem er beteiligt ist, zu tragen. Dementsprechend sei auch für die Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung der Antragstellerin von den Preisabschlägen die Vorlage des Konzernabschlusses der PP-2 AG, wie sie von dem BAFA verlangt werde, nicht relevant. Die Vorlage dieser Unterlagen sei auch nicht erforderlich, um Missbrauchsfälle und Umgehungen auszuschließen. Hierfür genüge die Einreichung eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers. Bei der Antragstellerin bestünden auch keine Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, in deren Ausgestaltung die Ursache für eine Gefährdung deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit liegen könnte.

Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor. Die von der Antragstellerin vorgelegte schlüssige und nachvollziehbare Prognose der SS. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 weise nach, dass die Antragstellerin ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage sei, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Dies werde für den Zeitraum vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011 auch durch die tatsächliche Geschäftsentwicklung, die ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von x Millionen Euro aufweise, bestätigt.

Gegen den ihr am 21. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat das BAFA am 21. März 2012 mittels Telefaxschreiben Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 27. April 2012 klargestellt, dass als Antragsgegnerin nicht sie sondern die Bundesrepublik Deutschland zu führen ist. Dementsprechend ist das Rubrum geändert worden.

Die Antragsgegnerin trägt vor, die Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 89/105/EWG seien durch die Befreiungsvorschrift des § 130a Abs. 4 Satz 3 SGB V korrekt umgesetzt worden. Letztere Norm eröffne in der Rechtsfolge die Möglichkeit einer Abweichung von einem Preisstopp. Dementsprechend könnten es nur die im Einzelfall zu konstatierenden spezifischen Effekte des Preisstopps sein, welche eine Ausnahme von diesem rechtfertigten. Hingegen sei eine Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des vom Preisstopp betroffenen Unternehmens für sich genommen nicht ausreichend. Der Herstellerabschlag müsse gerade der Auslöser der Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit sein und zwar aufgrund marktbezogener Einzelfallumstände des Unternehmens. Das Sozialgericht missachte dies, da es ein kumulatives Zusammentreffen der finanziellen Auswirkungen der JJ. und der Regelungen des § 130a Abs. 1, Abs. 3a SGB V sowie des § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel annehme. Die von der SS. AG vorgelegten Zahlen belegten, dass die durch die JJ. vorgegebene Zulassungspflicht für Präparate und die dadurch notwendigen Studien Kosten für die Antragstellerin verursachten, die stets mehr als 1/3 der Gesamtbelastung durch verordnete Rabatte und Aufwendungen zur Umsetzung der JJ. ausmachten. § 130a Abs. 4 SGB V sei kein allgemeiner Befreiungstatbestand, der auch Kosten erfasse, welche infolge vom Unternehmerrabatt unabhängiger Faktoren entstünden. Eine andere Auslegung bewirke die Gewährung einer finanziellen Ausgleichsregelung, welche die JJ. nicht vorsehe. Diese sehe in § 3 allerdings Übergangsregelungen vor, die finanziell entlastend wirkten. Eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin sei nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sie als reine Vertriebsgesellschaft die externen Kosten für die Durchführung von Studien nach der JJ. vollständig zu tragen habe, da diese von der Produktionsgesellschaft XY-2 aufgrund konzerninterner Vereinbarung an sie weitergegeben würden. Unabhängig davon sei die Antragstellerin auch nach den von ihr vorgelegten Wirtschaftsdaten zum 31. Dezember 2011 noch leistungsfähig. Der angegebene Verlust könne angesichts des hohen Eigenkapitals verkraftet werden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts könne nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin abgestellt werden. Diese stehe in einem Konzernverbund, weshalb eine anlassunabhängige konzernbezogene Prüfung erforderlich sei. Andernfalls wäre es Arzneimittelkonzernen eröffnet, durch eine besondere Ausgestaltung ihrer Konzernstruktur Befreiungen nach § 130a Abs. 4 SGB V zu erlangen, obwohl der Konzern durchaus finanziell leistungsfähig wäre. Einer konzernbezogenen Prüfung habe sich die Antragstellerin entzogen, da sie die hierfür erforderlichen Unterlagen der PP-2 nicht vorgelegt habe. Schon aus verfahrensrechtlichen Gründen sei deshalb der Befreiungsantrag abzulehnen gewesen. Nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen hätten Gesellschafter einer Gesellschaft sowie Konzernunternehmen eine finanzielle Einstandspflicht und zwar auch unabhängig vom Vorliegen eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsbetrages. Im Falle der Antragstellerin gäbe es auch Anhaltspunkte dafür, dass die UU-1 GmbH als Hauptgesellschafterin der Antragstellerin und die weiteren mittelbaren Gesellschafter gegen das gesellschaftsrechtliche Schädigungsverbot verstoßen haben könnten. So sei auffällig, dass die Zinssätze welche die Antragstellerin für die an die XY-3 gewährten Darlehen erhalte, deutlich niedriger seien als die Zinssätze, welche der TT-Bank gezahlt würden. Weiter habe die Antragstellerin zu Gunsten der Schwestergesellschaft unentgeltlich eine Bürgschaft übernommen. Der Antragstellerin würden weiterhin die Kosten für ein Management Fee in Höhe von x Mio EUR sowie die Kosten für ein ERPSystem, das sie für den PP-3 betreibe, in Rechnung gestellt. Hierbei könnte es sich um treupflichtverletzende Konzernumlagen handeln, die Schadensersatzansprüche der Antragstellerin auslösen könnten.

Angesichts dessen, dass die Antragstellerin zum 31. Dezember 2011 noch über ein Eigenkapital von x Mio EUR verfüge, bestehe auch kein Anordnungsgrund.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2012 aufzuheben, die Anträge der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, die von der Antragsgegnerin vorgenommene einengende Auslegung des Befreiungstatbestands des § 130a Abs. 4 und des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG widerspräche dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie. Die behauptete Notwendigkeit einer konzernbezogenen Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin missachte, dass Schutzgut der Richtlinie die Freiheit von staatlichen Eingriffen sei, welche die Warenverkehrsfreiheit im innerstaatlichen Gebiet bedrohten. Eine Erschwerung der unionsautonomen Befreiung hätte nur durch Gesetz erfolgen können und könne nicht auf ein von der Antragsgegnerin erstelltes Merkblatt gestützt werden. Eine konzernbezogene Prüfung scheide aus, da es in Bezug auf die Antragstellerin keinerlei Benachteiligungsabsichten der konzernverbundenen Gesellschaften der PP-2 gäbe. Ihre wirtschaftliche Situation habe sich entsprechend den vorgelegten Prognosen weiter massiv verschlechtert. Seit August 2012 weise sie ein negatives Eigenkapital auf.

Mit zum hiesigen Verfahren eingereichtem Schriftsatz vom 22. Mai 2012 hat die DD. KG ihre Beiladung beantragt. Sie hat ausgeführt, sie sei ein deutsches, international tätiges, pharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Erforschung, Produktion und den Vertrieb von Produkten zur Diagnostik und Therapie von Allergenen spezialisiert habe. Sie unterliege ebenfalls dem Preismoratorium und den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs.1a und 3a SGB V. Sie stehe im direkten Wettbewerb mit der Antragstellerin, sowohl in Deutschland als auch in anderen Teilen der Welt. Deshalb habe sie ein wirtschaftliches und rechtliches Interesse am Verfahrensausgang. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei fehlerhaft. Dieses habe nicht beachtet, dass die Befreiung vom Herstellerrabatt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstelle. Eine staatliche Beihilfe dürfe aber gem. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nur dann gewährt werden, wenn die Kommission der Europäischen Union ihre Genehmigung hierzu erteilt habe. Daran fehle es.

Unter dem 24. Mai 2012 hat die DD. KG sodann mit gleicher Begründung eine Beschwerde an die Europäische Kommission gerichtet. Hierauf hat die Europäische Kommission - Generaldirektion Wettbewerb - die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union um die Abgabe einer Stellungnahme ersucht. Die Bundesregierung hat hierauf unter dem Datum 27. Juli 2012 eine 9 Seiten umfassende Mitteilung vorgelegt, in der dargelegt wird, eine Befreiungsentscheidung nach § 130a Abs. 4 SGB V stelle keine unzulässige staatliche Beihilfe dar.

Der Berichterstatter hat dem Bevollmächtigten der DD. KG am 22. August 2012 fernmündlich mitgeteilt, dass der Senat eine Beiladung nicht vornehmen werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (4 Bände) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung durch den Senat gewesen ist.

II.

Antragsgegnerin ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht das BAFA sondern die Bundesrepublik Deutschland. Nur ihr kommt im hiesigen Verfahren auf Antragstellerbzw. Klägerseite die Beteiligtenfähigkeit zu. Gemäß § 70 Nr. 3 SGG sind Behörden nur beteiligtenfähig, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Diese Norm verfolgt ebenso wie §§ 61 Nr. 3, 78 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Rechtsträgerprinzip als Grundsatz, der auf Bundesebene ausschließlich gilt. Somit ist im Falle des Handelns einer Bundesbehörde nicht diese sondern nur die Bundesrepublik Deutschland beteiligtenfähig, auch wenn sich letztere im sozialgerichtlichen Verfahren durch die Bundesbehörde vertreten lassen kann (vgl. Leitherer in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage § 70 Rz. 4). Dementsprechend war – dem Antrag der Antragsgegnerin entsprechend – das Rubrum zu korrigieren. Hierdurch wird die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Wiesbaden nic ht berührt. § 57 Abs. 5 SGG bestimmt, dass in Angelegenheiten nach § 130a Abs. 4 SGB V das Sozialgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat. § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V sieht zunächst vor, dass das Bundesgesundheitsministerium über Anträge pharmazeutischer Unternehmer auf Befreiung von der Rabattpflicht entscheidet. Nach Satz 8 dieses Absatzes kann das Bundesministerium für Gesundheit die Aufgaben nach den Sätzen 2 bis 7 auf eine Bundesoberbehörde übertragen. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es hierzu, von der Aufgabenübertragung soll unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Kompetenz zur Ermöglichung einer zeitnahen und sachgerechten Entscheidung Gebrauch gemacht werden (BT-DRs. 17/2170, S. 38). In Ansehung dieser Regelung hat das Bundesministerium für Gesundheit die Bearbeitung und Bescheidung von Freistellungsanträgen nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V auf das BAFA, das eine Bundesoberbehörde ist und seinen Sitz in Eschborn und damit im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Wiesbaden hat, übertragen. Damit greift die Regelung des § 57 Abs. 5 SGG und führt zur örtlichen Zuständigkeit des Vordergerichts. Unabhängig davon wäre, wenn das Sozialgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hätte, dies nach § 98 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) im Rechtsmittelverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens hinzunehmen und keiner weiteren Prüfung zu unterziehen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage § 57 Rz. 12).

Die form und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 172, 173 SGG). Sie ist auch in der Sache begründet.

Der Beschluss des Sozialgerichts vom 23. Januar 2012 war aufzuheben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG anzustellenden summarischen Prüfung, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Rabattierungspflicht nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht zusteht. Das Sozialgericht ist nämlich rechtsirrig davon ausgegangen, bei der Entscheidung über einen Antrag eines Pharmaunternehmens auf Befreiung von der Entrichtung der nach § 130a Abs.1, Abs.1a SGB V sowie nach § 1 AMRabG zu erbringenden Rabatte sei auch bei einer konzernverbundenen Gesellschaft nur isoliert auf deren finanzielle Situation und deren negative Beeinflussung durch die angeordneten Rabatte abzustellen. Damit hat es das Erstgericht abgelehnt, in die Prüfung einzubeziehen, ob Gesellschafter, welche unmittelbar oder mittelbar über Konzernstrukturen das den Befreiungsantrag stellende Pharmaunternehmen maßgeblich beherrschen, zur finanziellen Unterstützung in der Lage oder gar hierzu verpflichtet sind. Das BAFA der Antragsgegnerin hat hingegen zu Recht auf die Vorlage von Unterlagen durch die Antragstellerin bestanden, welche eine solche erweiterte Prüfung überhaupt ermöglichen. Hierzu gehören insbesondere Wirtschaftsdaten wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Unternehmenskennziffern zur Ertrags- und Liquiditätssituation der Schwestergesellschaft der Antragstellerin, nämlich der XY-3 sowie der Hauptgesellschafterin dieser beiden Gesellschaften, der UU-1 GmbH und deren Einbindung in die PP-1 GmbH und die PP-2 AG. Da sich die Antragstellerin beharrlich weigert, derartige Unterlagen vorzulegen, durfte das BAFA den Befreiungsantrag der Antragsstellerin gestützt auf § 24 VwVfG bereits wegen mangelnder Mitwirkung der Antragstellerin an der notwendigen Sachverhaltsaufklärung ablehnen. Damit steht der Antragstellerin der geltend gemachte Anordnungsanspruch auf Erteilung der begehrten Befreiung von den Rabattverpflichtungen nicht zu. Infolge des mangelnden Nachweises einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin kann auch nicht vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ausgegangen werden.

Im Rahmen der Entscheidung über einen Befreiungsantrag nach § 130a Abs. 4 SGB V ist von folgender Regelungssystematik auszugehen: Um die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel zu begrenzen, sind Apotheken seit Januar 2003 verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen auf die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers zu gewähren. Die pharmazeutischen Unternehmer sind wiederum verpflichtet, den Apotheken diesen Abschlag zu erstatten (§ 130a Abs. 1 Satz 1, 2 SGB V). Mit § 130a Abs. 1a SGB V in der Fassung vom 24. Juli 2010, die am 30. Juli 2010 in Kraft trat, bestimmte der Gesetzgeber, dass die pharmazeutischen Unternehmer den Krankenkassen für verschreibungspflichtige Arzneimittel anstelle des Abschlags von 6 % einen Abschlag von 16 % einräumen müssen.

§ 130a SGB V lautet auszugsweise:

(1) ...
(1a) Vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel abweichend von Absatz 1 16 Prozent. Satz 1 gilt nicht für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1. Die Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1 mindert die am 30. Juli 2010 bereits vertraglich vereinbarten Rabatte nach Absatz 8 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. August 2010 vorgenommen wird, mindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrags der Preissenkung, höchstens in Höhe der Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1; § 130a Absatz 3b Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(2) bis (3b) ...

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit hat nach einer Überprüfung der Erforderlichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 3a nach Maßgabe des Artikels 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme die Abschläge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Krankenversicherung, nicht mehr gerechtfertigt sind. Über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der in Satz 1 genannten Richtlinie auf Ausnahme von den nach den Absätzen 1, 1a und 3a vorgesehenen Abschlägen entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. § 34 Absatz 6 Satz 3 bis 5 und 7 gilt entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann Sachverständige mit der Prüfung der Angaben des pharmazeutischen Unternehmers beauftragen. Dabei hat es die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sicherzustellen ...

(5) bis (9) ...

Art. 4 der in Bezug genommenen Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme lautet auszugsweise:

(1) ...
(2) In Ausnahmefällen kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, eine Abweichung von einem Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß eine begründete Entscheidung über jeden derartigen Antrag innerhalb von neunzig Tagen getroffen und dem Antragsteller mitgeteilt wird. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, so teilen die zuständigen Behörden dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind, und treffen ihre Entscheidung innerhalb von neunzig Tagen nach Erhalt dieser zusätzlichen Einzelangaben. Wird die Ausnahme zugelassen, so veröffentlichen die zuständigen Behörden unverzüglich eine Bekanntmachung der genehmigten Preiserhöhung. Bei einer außergewöhnlich hohen Anzahl von Anträgen kann die Frist ein einziges Mal um sechzig Tage verlängert werden. Die Verlängerung ist dem Antragsteller vor Ablauf der ursprünglichen Frist mitzuteilen.

Durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG, BGBl 2010 Teil I Nr. 67, S. 2262) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2011 § 130a Absatz 1a SGB V dahingehend geändert, dass in Satz 1 nach dem Wort Arzneimittel die Wörter einschließlich Fertigarzneimittel in parenteraler Zubereitung sowie in Satz 4 nach dem Wort Mehrwertsteuer die Wörter gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009 eingefügt wurden. Ferner wurden die folgenden Sätze angefügt: Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2009 in den Markt eingeführt wurden, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Hat ein pharmazeutischer Unternehmer für ein Arzneimittel, das im Jahr 2010 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben wurde und das dem erhöhten Abschlag nach Satz 1 unterliegt, auf Grund einer Preissenkung ab dem 1. August 2010 nicht den Abschlag gezahlt, obwohl die Preissenkung nicht zu einer Unterschreitung des am 1. August 2009 geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers um mindestens 10 Prozent geführt hat, gilt für die im Jahr 2011 abgegebenen Arzneimittel abweichend von Satz 1 ein Abschlag von 20,5 Prozent. Das gilt nicht, wenn der pharmazeutische Unternehmer den nach Satz 6 nicht gezahlten Abschlag spätestens bis zu dem Tag vollständig leistet, an dem der Abschlag für die im Dezember 2010 abgegebenen Arzneimittel zu zahlen ist. Der erhöhte Abschlag von 20,5 Prozent wird durch eine erneute Preissenkung gegenüber dem am 1. August 2009 geltenden Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gemindert; Satz 4 gilt entsprechend.

§ 130a Abs. 1a in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung lautet wie folgt:

(1a) Vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel einschließlich Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen abweichend von Absatz 1 16 Prozent. Satz 1 gilt nicht für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1. Die Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1 mindert die am 30. Juli 2010 bereits vertraglich vereinbarten Rabatte nach Absatz 8 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, die ab dem 1. August 2010 vorgenommen wird, mindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrags der Preissenkung, höchstens in Höhe der Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1; § 130a Absatz 3b Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2009 in den Markt eingeführt wurden, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Hat ein pharmazeutischer Unternehmer für ein Arzneimittel, das im Jahr 2010 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben wurde und das dem erhöhten Abschlag nach Satz 1 unterliegt, auf Grund einer Preissenkung ab dem 1. August 2010 nicht den Abschlag gezahlt, obwohl die Preissenkung nicht zu einer Unterschreitung des am 1. August 2009 geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers um mindestens 10 Prozent geführt hat, gilt für die im Jahr 2011 abgegebenen Arzneimittel abweichend von Satz 1 ein Abschlag von 20,5 Prozent. Das gilt nicht, wenn der pharmazeutische Unternehmer den nach Satz 6 nicht gezahlten Abschlag spätestens bis zu dem Tag vollständig leistet, an dem der Abschlag für die im Dezember 2010 abgegebenen Arzneimittel zu zahlen ist. Der erhöhte Abschlag von 20,5 Prozent wird durch eine erneute Preissenkung gegenüber dem am 1. August 2009 geltenden Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gemindert; Satz 4 gilt entsprechend.

Die Fassung von § 130a Abs. 4 SGB V ist unverändert geblieben. Zu ihrem Aussagegehalt hat die 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts in dem Nichtannahmebeschluss vom 23. August 2010 (1 BvR 2002/10, zitiert nach juris) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung "besondere Gründe" einen unbestimmten Rechtsbegriff verwandt habe, der - wie andere unbestimmte Rechtsbegriffe auch - unter Rückgriff auf die übrige gesetzliche Systematik des § 130a SGB V auszulegen sei. Das Fehlen der Verwaltungsvorschriften, die nach § 130a Abs. 4 Satz 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 6 Satz 7 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassen sind, könne nicht zur Unanwendbarkeit der Ausnahmeregelung führen, die Verwaltungsvorschriften dienten nur dazu, Näheres zum erforderlichen Begründungsumfang des Antrags und der Art und Weise der einzureichenden Nachweise festzulegen. Solange sie fehlten, sei die zuständige Behörde verpflichtet, im Antragsfall das Ausmaß der Darlegungslasten unter Berücksichtigung von Art. 12 GG eigenständig zu bestimmen.

In der Kommentarliteratur werden die besonderen Gründe, unter denen pharmazeutische Unternehmer Abweichungen vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt verlangen können unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien dahingehend umschrieben, dass die Situation so beschaffen sein müsse, dass der erhöhte Abschlag aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde (so Murawski in: Hänlein/Kruse/Schuler, Sozialgesetzbuch V. Lehr – und Praxiskommentar, 4. Auflage 2012, § 130a Rn. 16). Nach Schneider (jurisPK-SGB V 2. Auflage 2012, § 130a Rn 26 unter Hinweis auf BT-Drs. 17/2170, S. 37, 38) setzt die Befreiung einen Ausnahmefall voraus. Der Konzern bzw. das pharmazeutische Unternehmen müsse durch die Rabattpflicht unzumutbar belastet sein. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit nicht mehr aus eigener Kraft verhindert werden könne.

Nach den Vorgaben der Richtlinie 89/ 105/ EWG und den Gesetzesmaterialien sowie im Hinblick auf die Lenkungsfunktion des Pharmarabatts nach § 130a SGB V liegen nach Auffassung des erkennenden Senats besondere Gründe, unter denen pharmazeutische Unternehmer Abweichungen vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt verlangen können, unter anderem dann vor, wenn das pharmazeutische Unternehmen in einem Ausnahmefall (einer besonderen Marktsituation) gegebenenfalls unter Berücksichtigung bestehender Konzernstrukturen gerade durch die Rabattpflicht unzumutbar belastet wird, was insbesondere anzunehmen ist, wenn der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit droht.

§ 130a SGB V bezweckt eine Beschränkung der von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu tragenden Arzneimittelkosten und eine Stabilisierung der finanziellen Situation der GKV durch entsprechende Beiträge der pharmazeutischen Industrie zusätzlich zu den in § 130 SGB V geregelten Apothekenrabatten. Dabei war für den Gesetzgeber maßgeblich, dass pharmazeutische Unternehmen in Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der EU – bei der Preisbestimmung frei sind (vgl. Luthe, Der Pharmarabatt nach § 130a SGB V (Teil I), SGb 2011, 316, 316). Das Bundesverfassungsgericht hat die Rabattregelung als verfassungsgemäß eingestuft und insbesondere die Legitimität des Kostensenkungsziels bestätigt. Rabattregelungen seien als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren und als solche ein legitimes Mittel zur Sicherstellung der der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung als einem überragend wichtigem Gemeinschaftsgut. Ihrer Eigenart nach handele es sich um einen "Mengenrabatt bzw. Großabnehmerrabatt" und jedenfalls nicht um eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende Sonderabgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn. "Nachdem der Gesetzgeber wiederum (vgl. bereits BVerfGE 68, 193, 219) überproportionale Ausgabensteigerungen in der Arzneimittelversorgung (BT-Drucks. 15/28, S. 12) und damit die Unzulänglichkeit früherer Kostendämpfungsmaßnahmen in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen musste, durfte er eine weitere Begrenzung der Arzneimittelausgaben für notwendig halten. Es entsprach seinem weiten wirtschafts- und sozialpolitischen Gestaltungsspielraum, dass er Beitragssatzsteigerungen, mit denen Einnahmeverbesserungen hätten erreicht werden können, unbedingt vermeiden wollte, um einen damit verbundenen Anstieg der Lohnnebenkosten zu verhindern" (BVerfGE 114, 196 ff).

Diesem gesetzgeberischen Gestaltungsziel wird bei der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Vorliegens eines Ausnahmefalles und der besonderen Gründe im Rahmen der Anwendung des Befreiungstatbestandes des § 130a Abs. 4 SGB V nur eine Auslegung gerecht, die eine unternehmensbezogene Betrachtungsweise der wirtschaftlichen Situation des Pharmaunternehmens, welches die Befreiung von der Rabattverpflichtung beantragt, anstellt und dabei auch die Stellung des Unternehmens in einem Konzernverbund und hierbei ungerechtfertigte Belastungen sowie hieraus eventuell erwachsende Ausgleichsansprüche gegenüber unmittelbar oder mittelbar beherrschenden konzernverbundenen Gesellschaften in die Prüfung einbezieht. Eine solche Vorgehensweise hat das Bundessozialgericht auch im Hinblick auf den strukturell ähnlich gelagerten Befreiungstatbestand des § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG für die Befreiung des Arbeitgebers von seiner Pflicht zur Erstattung von Arbeitslosengeld und hierauf entfallender Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung in Fällen der erfolgten Entlassung langjährig beschäftigter älterer Arbeitnehmer für geboten erachtet. Es hat hierzu in seinem Urteil vom 10. Mai 2007 (B 7a Al 14/06 R, zitiert nach juris) ausgeführt, dass eine durch die Erstattungspflicht nach § 128 Abs. 2 Nr. 2 Alt 2 AFG eintretende unzumutbare Belastung nicht schon damit begründet werden kann, dass allein auf die Ertragssituation des von der Beklagten betriebenen operativen Geschäfts abgestellt wird, ohne die Erträge aus Beteiligungen des Unternehmens zu berücksichtigen. Die unternehmensbezogene Betrachtungsweise mache stattdessen eine umfassende Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens erforderlich (BSGE 88, 31, 39 = SozR 3-4100 § 128 Nr. 12).

Eine umfassende Betrachtung der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin entspricht daher der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie auch des Bundesarbeitsgerichts, etwa zu § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz (BetrAVG) und den Regelungen über Kapitalgesellschaften nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Hiernach sind Anteile an verbundenen Unternehmen bzw. Beteiligungen in die Bilanz einzustellen (§ 266 HGB). Gleichzeitig sind Erträge aus Beteiligungen und Erträge aus anderen Wertpapieren ebenso wie Abschreibungen auf Finanz Anlagenbestandteile der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 HGB).

Vorliegend ergibt sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen zu den einzelnen Gesellschaften der XY-4 und deren Zugehörigkeit zum PP-3 ganz eindeutig, dass die Antragstellerin eine konzernverbundene Gesellschaft darstellt. Schon deswegen sind zur Beurteilung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nähere Daten zur finanziellen Situation der ebenfalls konzernzugehörigen Hauptgesellschafterin der Antragstellerin, mithin zur UU-1 GmbH sowie zur Schwestergesellschaft, der XY-3 unverzichtbar. Es kommt hinzu, dass es – wie die Antragsgegnerin zu Recht anführt - etliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass zu Lasten der Antragstellerin seitens konzernverbundener Gesellschaften Kosten auf diese verlagert und dadurch deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einer Schadensersatzansprüche auslösenden Weise beeinträchtigt worden sein könnte. Das BAFA hat hierzu substantiiert dargelegt, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Antragstellerin als reine Vertriebsgesellschaft die externen Kosten für die Durchführung von Studien nach der JJ. vollständig zu tragen habe. Diese Aufwendungen würden von der Produktionsgesellschaft XY-3 aufgrund konzerninterner Vereinbarung ohne Eigenanteil an die Antragstellerin weitergeleitet. Weiter sei auffällig, dass die Zinssätze welche die Antragstellerin für die an die XY-3 gewährten Darlehen erhalte, deutlich niedriger seien als die Zinssätze, welche der TT-Bank gezahlt würden. Auch habe die Antragstellerin zu Gunsten der Schwestergesellschaft unentgeltlich eine Bürgschaft übernommen. Der Antragstellerin würden weiterhin die Kosten für ein Management Fee in Höhe von x Mio EUR sowie die Kosten für ein ERP-System, das sie für den PP-3 betreibe, in Rechnung gestellt. Hierbei könnte es sich um treupflichtverletzende Konzernumlagen handeln, die Schadensersatzansprüche der Antragstellerin auslösen könnten.

Bei dieser Sachlage kann nicht beurteilt werden, ob die Belastung der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin gerade durch die Arzneimittelrabatte unzumutbar ist oder nicht, Die Antragsgegnerin durfte daher weitere Unterlagen zu den Verflechtungen der zur XY-4 und zum PP-3 gehörigen, die Antragstellerin mittelbar und unmittelbar beherrschenden Gesellschaften und Firmen verlangen und wegen deren Nichtvorlage den Befreiungsantrag bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen ablehnen.

Das von der dem BAFA erstellte Merkblatt zu Herstellerabgaben der pharmazeutischen Unternehmen, das eine konzernbezogene Prüfung vorgibt, steht – entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin - nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen in § 130a Abs. 4 SGB V, sondern konkretisiert diese Regelungen in sachgemäßer Weise. Auch Art 4 Richtlinie 89 / 105 EWG steht der von dem BAFA der Antragsgegnerin praktizierten Verfahrensweise nicht entgegen, sondern legt diese vielmehr nahe. Die Richtlinie verlangt gerade, um die zügige Entscheidungspflicht der Behörde zu begründen, zureichende Angaben zur Begründung des Antrags auf Abweichung von einem Preisstopp. Andererseits stellt die Befreiung von der Rabattverpflichtung nach § 130a Abs. 4 SGB V bereits deshalb keine nach EG-Recht unzulässige staatliche Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar, weil diese Vorschrift auf geltendem europäischem Recht beruht. Sie setzt Art. 4 der Richtlinie 81/105 EWG in nationales Recht um. Dies hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme für die EU-Kommission zutreffend dargelegt. Es bleibt somit festzuhalten, dass die summarische Prüfung ergibt, dass die im Bescheid und Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin ausgesprochene Versagung der beantragten Befreiung von der Rabattverpflichtung offensichtlich rechtmäßig ist. Damit besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die beantragte einstweilige Anordnung. Der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts konnte daher keinen Bestand haben.

Die Voraussetzungen für die Beiladung Dritter liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.

Die Bestimmung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für die Klägerin maßgeblich ist. Bei deren Bemessung folgt der Senat den Erwägungen, welche das Sozialgericht in seinem vorläufigen Streitwertbeschluss vom 4. Januar 2012 zu Grunde gelegt hat.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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