Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 48/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 104/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Frage, ob ein Lohnsteuerklassenwechsel bei der Bestimmung des Leistungsentgelts zu berücksichtigen ist, ist nicht auf die tatsächliche Auswirkung des Steuerklassenwechsels auf die zu zahlende Lohnsteuer abzustellen, das heißt auf eine eventuell vorliegende steuerrechtliche Zweckmäßigkeit, sondern es ist zu prüfen, wie hoch der gemeinsame Lohnsteuerabzug wäre, wenn beide Ehegatten beziehungsweise der arbeitslose Ehegatte das der (jeweiligen) Entgeltersatzleistung "zugrunde liegende" Entgelt zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels weiter erzielen würde.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte der Klägerin nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV bei der Bemessung ihres Arbeitslosengeldes.
Die 1965 geborene verheiratete Klägerin war vom 22. August 1994 bis 30. Juni 2008 als Arzthelferin beschäftigt. Zu Beginn des Jahres 2008 waren auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin die Lohnsteuerklasse V und 1,0 Kinderfreibeträge eingetragen. Zum 1. April 2008 wechselte sie in die Lohnsteuerklasse IV. Am 8. Mai 2008 kündigte sie zum 30. Juni 2008 ihr Arbeitsverhältnis. Am 9. Mai 2008 meldete sie sich mit Wirkung zum 1. Juli 2008 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2008 forderte die Beklagte die Eheleute zur Erklärung des Lohnsteuerklassenwechsels gemäß § 133 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) auf. Mit Bescheid vom 13. November 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2008 unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V. Mit Bescheiden vom 14. November 2008 erfolgte die weitergehende Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 29. Oktober 2008 unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2008 zurückgewiesen. Der im April 2008 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel könne nicht berücksichtigt werden, weil die Änderung in der Wahl der Lohnsteuerklassen durch einen Lohnsteuerklassenwechsel leistungsrechtlich unbeachtlich sei. Nur wenn die neu eingetragene Lohnsteuerklasse in Kombination dem Verhältnis der Arbeitsentgelte beider Ehegatten entspräche, das heißt wenn sie im Monat ihrer erstmaligen Wirksamkeit zum geringsten Lohnsteuerabzug führe, sei der Steuerklassenwechsel in dieser Kombination zweckmäßig und daher leistungsrechtlich zu beachten. Bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V sei dies der Fall, wenn das monatliche Arbeitsentgelt des geringer Verdienenden einen Betrag in Höhe von 40 von Hundert des gemeinsamen Arbeitsentgeltes nicht übersteige. Die Klägerin habe ein Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 879,54 EUR erzielt, der Ehegatte ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 3.133,93 EUR. Damit entspräche die geänderte Steuerklassenkombination IV/IV nicht dem Verhältnis der Arbeitslöhne.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Januar 2009 Klage erhoben und begehrt, ihr Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV zu bewilligen. Man habe mit der gewählten Steuerklassenkombination IV/IV vermeiden wollen, dass es zur Steuernachzahlungen komme. Dies sei ihr so vom Finanzamt empfohlen worden. Die Steuernachzahlungen seien infolge des Wegfalls der Entfernungspauschale sowie der abzusetzenden Handwerkerleistungen zu befürchten gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2012 abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage des Steuerklassenwechsels sei die von der Beklagten getroffene Entscheidung zur Nichtberücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV nach § 133 Abs. 2 SGB III zutreffend. Zwar sei es ausreichend, wenn die Ehegatten eine Steuerklassenkombination wählten, die zu einem geringeren Steuerabzug führe als zuvor. Jedoch sei auf das Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne zueinander abzustellen. Es komme somit nicht auf eine Jahresbetrachtung an mit dem Ziel, eine Steuernachzahlung zu vermeiden. Diese Motive seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu berücksichtigen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 18. September 2000 – B 11 AL 147/00 B –). Nach der Tabelle zur Steuerklassenwahl würde bei der Klägerin der geringstmögliche Abzug bei der Steuerklassenkombination III/V erreicht.
Gegen das ihr am 16. August 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. September 2012 Berufung eingelegt. Auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verweisend trägt sie vor, dass ihr und ihrem Ehegatten aufgrund des Wegfalls von steuerrechtlichen Vergünstigungen, wie zum Beispiel der Entfernungspauschale, zur Vermeidung von Steuernachzahlungen der Wechsel in die Steuerklassenkombination IV/IV empfohlen worden sei. Zum Zeitpunkt des Wechsels der Steuerklasse sei die Arbeitslosigkeit nicht vorhersehbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10. August 2012 aufzuheben sowie die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 13. November 2008, 14. November 2008 und 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2008 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels zu bewilligen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Unter Zugrundlegung der Maßstäbe des § 133 SGB III sei zu prüfen gewesen, ob der zum April 2008 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel für den Leistungsanspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld beachtlich sei. Die Entscheidungen in den angefochtenen Bescheiden seien jedoch nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2012 die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. November 2008, 14. November 2008 und 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2008 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 29. Oktober 2008 unter Berücksichtigung des zum 1. April 2008 vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels von Lohnsteuerklasse V in Lohnsteuerklasse IV.
Rechtsgrundlage für die Bestimmung des Leistungsentgeltes ist § 133 SGB III in der vom 1. Januar 2005 bis zum 24. Dezember 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848] sowie Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 19. November 2004 [BGBl. I S. 2902]). Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. war Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge waren nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. 1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 von Hundert des Bemessungsentgeltes, 2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium für Finanzen aufgrund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommenssteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 des Einkommenssteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden war, ergab und 3. der Solidaritätszuschlag.
Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war.
Nach § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F. wurden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen in Fällen, in denen Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt hatten, von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam wurden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen oder 2. sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergab, das geringer war, als das Arbeitslosengeld, das sich ohne Wechsel der Lohnsteuerklassen ergeben hätte. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründete, blieb bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F.).
Unter Anwendung dieser Vorschrift war die neu eingetragene Lohnsteuerklasse IV nicht zu berücksichtigen. Denn weder ergab sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklasse ein geringeres Arbeitslosengeld (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a. F.), noch entsprachen die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen der Klägerin und ihres Ehegatten dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III a. F.).
Eine neu eingetragene Lohnsteuerklasse entspricht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels, wenn die neu gewählte Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führt beziehungsweise ohne die Entgeltersatzleistung führen würde als die bisherige Kombination. Zwar hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 4. September 2001 entschieden, dass die gewählte Steuerklassenkombination nicht zu dem geringsten Lohnsteuerabzug führen muss (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2001 – B 7 AL 84/00 R – BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 21). Jedoch hat bei einem Steuerklassenwechsel im laufenden Kalenderjahr, wie vorliegend, eine Günstigkeitsprüfung stattzufinden, die nur entfallen kann, wenn der Wechsel der Lohnsteuerklasse zu einer niedrigeren Leistung führt, weil darin keine Manipulation zu Lasten der Arbeitslosenversicherung liegen kann. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung reicht es somit aus, dass die neu gewählte Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führt beziehungsweise ohne die Entgeltersatzleistung führen würde als die bisherige Kombination. Nur dann "entsprechen" die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten zueinander. Abzustellen ist dabei auf das Arbeitsentgelt der Ehegatten am Tag des Eintritts der Steuerklassenänderung (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2001, a. a. O., Rdnr. 16, m. w. N.), hier also zum 1. April 2008. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Ehemann der Klägerin über ein monatliches Arbeitsentgelt von 3.133,93 EUR. Die Klägerin selbst erzielte aus ihrer Tätigkeit als Arzthelferin ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 879,54 EUR. Auf dieses Entgelt ist abzustellen, da die Klägerin gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F. so zu stellen ist, als ob sie das der Entgeltersatzleistung "zugrunde liegende" Entgelt weiter erzielen würde (BSG, Urteil vom 4. September 2001, a. a. O., m. w. N.). Unter Beachtung dessen entsprach der vorgenommene Steuerklassenwechsel, wie die Gegenüberstellung der beiden Arbeitsentgelte zum 1. April 2008 ergibt, nicht dem Verhältnis der Arbeitslöhne, so dass die neu gewählte Steuerklasse durch die Beklagte nicht herangezogen werden durfte. Leistungsrechtlich zweckmäßig wäre die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragene Kombination der Steuerklasse V bei der Klägerin und III bei ihrem Ehemann, da sie zum geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug führte. Dies war im Übrigen bei der Kombination III/IV nur dann der Fall, wenn das monatliche Arbeitsentgelt des geringer Verdienenden einen Betrag von 40 von Hundert des gemeinsamen Arbeitsentgelts nicht überstieg.
Unbeachtlich ist der Einwand der Klägerin, dass bei ihrer Wahl der Steuerklassenkombination, auf das Jahr gesehen, der Lohnsteuerabzug geringer gewesen wäre. Es ist nämlich nicht auf die tatsächliche Auswirkung des Steuerklassenwechsels auf die zu zahlende Lohnsteuer abzustellen, das heißt auf eine eventuell vorliegende steuerrechtliche Zweckmäßigkeit, sondern es ist zu prüfen, wie hoch der gemeinsame Lohnsteuerabzug wäre, wenn beide Ehegatten beziehungsweise hier der arbeitslose Ehegatte das der (jeweiligen) Entgeltersatzleistung "zugrunde liegende" Entgelt zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels, hier zum 1. April 2008, weiter erzielen würde. Insoweit fordert das Bundessozialgericht eine arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeitsprüfung (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2002 – B 7 AL 46/01 R – JURIS-Dokument Rdnr. 21; BSG, Urteil vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 R – BSGE 922, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 19 ff.). Danach sind nicht die steuerrechtlichen Vorschriften, sondern das Arbeitsförderungsrecht maßgebend. Steuerrechtliche Zielsetzungen und Wünsche dahingehend dass die gemeinsam veranlagten Ehegatten auf das Kalenderjahr 2008 gesehen mit einer geringeren Steuerbelastung rechnen durften oder, wie vorliegend, gar nur mit einer geringeren Steuernachzahlung, sind deshalb unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte der Klägerin nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV bei der Bemessung ihres Arbeitslosengeldes.
Die 1965 geborene verheiratete Klägerin war vom 22. August 1994 bis 30. Juni 2008 als Arzthelferin beschäftigt. Zu Beginn des Jahres 2008 waren auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin die Lohnsteuerklasse V und 1,0 Kinderfreibeträge eingetragen. Zum 1. April 2008 wechselte sie in die Lohnsteuerklasse IV. Am 8. Mai 2008 kündigte sie zum 30. Juni 2008 ihr Arbeitsverhältnis. Am 9. Mai 2008 meldete sie sich mit Wirkung zum 1. Juli 2008 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2008 forderte die Beklagte die Eheleute zur Erklärung des Lohnsteuerklassenwechsels gemäß § 133 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) auf. Mit Bescheid vom 13. November 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2008 unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V. Mit Bescheiden vom 14. November 2008 erfolgte die weitergehende Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 29. Oktober 2008 unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2008 zurückgewiesen. Der im April 2008 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel könne nicht berücksichtigt werden, weil die Änderung in der Wahl der Lohnsteuerklassen durch einen Lohnsteuerklassenwechsel leistungsrechtlich unbeachtlich sei. Nur wenn die neu eingetragene Lohnsteuerklasse in Kombination dem Verhältnis der Arbeitsentgelte beider Ehegatten entspräche, das heißt wenn sie im Monat ihrer erstmaligen Wirksamkeit zum geringsten Lohnsteuerabzug führe, sei der Steuerklassenwechsel in dieser Kombination zweckmäßig und daher leistungsrechtlich zu beachten. Bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V sei dies der Fall, wenn das monatliche Arbeitsentgelt des geringer Verdienenden einen Betrag in Höhe von 40 von Hundert des gemeinsamen Arbeitsentgeltes nicht übersteige. Die Klägerin habe ein Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 879,54 EUR erzielt, der Ehegatte ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 3.133,93 EUR. Damit entspräche die geänderte Steuerklassenkombination IV/IV nicht dem Verhältnis der Arbeitslöhne.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Januar 2009 Klage erhoben und begehrt, ihr Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV zu bewilligen. Man habe mit der gewählten Steuerklassenkombination IV/IV vermeiden wollen, dass es zur Steuernachzahlungen komme. Dies sei ihr so vom Finanzamt empfohlen worden. Die Steuernachzahlungen seien infolge des Wegfalls der Entfernungspauschale sowie der abzusetzenden Handwerkerleistungen zu befürchten gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2012 abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage des Steuerklassenwechsels sei die von der Beklagten getroffene Entscheidung zur Nichtberücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV nach § 133 Abs. 2 SGB III zutreffend. Zwar sei es ausreichend, wenn die Ehegatten eine Steuerklassenkombination wählten, die zu einem geringeren Steuerabzug führe als zuvor. Jedoch sei auf das Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne zueinander abzustellen. Es komme somit nicht auf eine Jahresbetrachtung an mit dem Ziel, eine Steuernachzahlung zu vermeiden. Diese Motive seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu berücksichtigen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 18. September 2000 – B 11 AL 147/00 B –). Nach der Tabelle zur Steuerklassenwahl würde bei der Klägerin der geringstmögliche Abzug bei der Steuerklassenkombination III/V erreicht.
Gegen das ihr am 16. August 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. September 2012 Berufung eingelegt. Auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verweisend trägt sie vor, dass ihr und ihrem Ehegatten aufgrund des Wegfalls von steuerrechtlichen Vergünstigungen, wie zum Beispiel der Entfernungspauschale, zur Vermeidung von Steuernachzahlungen der Wechsel in die Steuerklassenkombination IV/IV empfohlen worden sei. Zum Zeitpunkt des Wechsels der Steuerklasse sei die Arbeitslosigkeit nicht vorhersehbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10. August 2012 aufzuheben sowie die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 13. November 2008, 14. November 2008 und 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2008 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels zu bewilligen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Unter Zugrundlegung der Maßstäbe des § 133 SGB III sei zu prüfen gewesen, ob der zum April 2008 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel für den Leistungsanspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld beachtlich sei. Die Entscheidungen in den angefochtenen Bescheiden seien jedoch nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2012 die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. November 2008, 14. November 2008 und 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2008 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 29. Oktober 2008 unter Berücksichtigung des zum 1. April 2008 vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels von Lohnsteuerklasse V in Lohnsteuerklasse IV.
Rechtsgrundlage für die Bestimmung des Leistungsentgeltes ist § 133 SGB III in der vom 1. Januar 2005 bis zum 24. Dezember 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848] sowie Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 19. November 2004 [BGBl. I S. 2902]). Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. war Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge waren nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. 1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 von Hundert des Bemessungsentgeltes, 2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium für Finanzen aufgrund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommenssteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 des Einkommenssteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden war, ergab und 3. der Solidaritätszuschlag.
Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war.
Nach § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F. wurden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen in Fällen, in denen Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt hatten, von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam wurden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprachen oder 2. sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergab, das geringer war, als das Arbeitslosengeld, das sich ohne Wechsel der Lohnsteuerklassen ergeben hätte. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründete, blieb bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F.).
Unter Anwendung dieser Vorschrift war die neu eingetragene Lohnsteuerklasse IV nicht zu berücksichtigen. Denn weder ergab sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklasse ein geringeres Arbeitslosengeld (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a. F.), noch entsprachen die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen der Klägerin und ihres Ehegatten dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III a. F.).
Eine neu eingetragene Lohnsteuerklasse entspricht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels, wenn die neu gewählte Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führt beziehungsweise ohne die Entgeltersatzleistung führen würde als die bisherige Kombination. Zwar hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 4. September 2001 entschieden, dass die gewählte Steuerklassenkombination nicht zu dem geringsten Lohnsteuerabzug führen muss (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2001 – B 7 AL 84/00 R – BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 21). Jedoch hat bei einem Steuerklassenwechsel im laufenden Kalenderjahr, wie vorliegend, eine Günstigkeitsprüfung stattzufinden, die nur entfallen kann, wenn der Wechsel der Lohnsteuerklasse zu einer niedrigeren Leistung führt, weil darin keine Manipulation zu Lasten der Arbeitslosenversicherung liegen kann. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung reicht es somit aus, dass die neu gewählte Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führt beziehungsweise ohne die Entgeltersatzleistung führen würde als die bisherige Kombination. Nur dann "entsprechen" die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten zueinander. Abzustellen ist dabei auf das Arbeitsentgelt der Ehegatten am Tag des Eintritts der Steuerklassenänderung (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2001, a. a. O., Rdnr. 16, m. w. N.), hier also zum 1. April 2008. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Ehemann der Klägerin über ein monatliches Arbeitsentgelt von 3.133,93 EUR. Die Klägerin selbst erzielte aus ihrer Tätigkeit als Arzthelferin ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 879,54 EUR. Auf dieses Entgelt ist abzustellen, da die Klägerin gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F. so zu stellen ist, als ob sie das der Entgeltersatzleistung "zugrunde liegende" Entgelt weiter erzielen würde (BSG, Urteil vom 4. September 2001, a. a. O., m. w. N.). Unter Beachtung dessen entsprach der vorgenommene Steuerklassenwechsel, wie die Gegenüberstellung der beiden Arbeitsentgelte zum 1. April 2008 ergibt, nicht dem Verhältnis der Arbeitslöhne, so dass die neu gewählte Steuerklasse durch die Beklagte nicht herangezogen werden durfte. Leistungsrechtlich zweckmäßig wäre die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragene Kombination der Steuerklasse V bei der Klägerin und III bei ihrem Ehemann, da sie zum geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug führte. Dies war im Übrigen bei der Kombination III/IV nur dann der Fall, wenn das monatliche Arbeitsentgelt des geringer Verdienenden einen Betrag von 40 von Hundert des gemeinsamen Arbeitsentgelts nicht überstieg.
Unbeachtlich ist der Einwand der Klägerin, dass bei ihrer Wahl der Steuerklassenkombination, auf das Jahr gesehen, der Lohnsteuerabzug geringer gewesen wäre. Es ist nämlich nicht auf die tatsächliche Auswirkung des Steuerklassenwechsels auf die zu zahlende Lohnsteuer abzustellen, das heißt auf eine eventuell vorliegende steuerrechtliche Zweckmäßigkeit, sondern es ist zu prüfen, wie hoch der gemeinsame Lohnsteuerabzug wäre, wenn beide Ehegatten beziehungsweise hier der arbeitslose Ehegatte das der (jeweiligen) Entgeltersatzleistung "zugrunde liegende" Entgelt zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels, hier zum 1. April 2008, weiter erzielen würde. Insoweit fordert das Bundessozialgericht eine arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeitsprüfung (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2002 – B 7 AL 46/01 R – JURIS-Dokument Rdnr. 21; BSG, Urteil vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 R – BSGE 922, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 19 ff.). Danach sind nicht die steuerrechtlichen Vorschriften, sondern das Arbeitsförderungsrecht maßgebend. Steuerrechtliche Zielsetzungen und Wünsche dahingehend dass die gemeinsam veranlagten Ehegatten auf das Kalenderjahr 2008 gesehen mit einer geringeren Steuerbelastung rechnen durften oder, wie vorliegend, gar nur mit einer geringeren Steuernachzahlung, sind deshalb unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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