Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 1828/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 10.1.2013 in der Fassung des Bescheids vom 15.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2013 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1082,71 EUR.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 23.5.2011 zum 5.3.2012 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2010 bei der Klägerin, die ein Design-Unternehmen betreibt, durch. Beanstandet wurde die Einstufung der Tätigkeit der im Jahre 1963 geborenen und am XX.XX.2013 verstorbenen Frau C. als selbstständige Raumreinigungs-Dienstleisterin für die Zeit von März 2007 bis April 2010. Eine schriftliche vertragliche Basis für diese Tätigkeit war nicht vorhanden. Frau C. putzte weder an Feiertagen noch in ihrem Urlaub, so dass die Rechnungsbeträge entsprechend unterschiedlich ausfielen. Putzmittel wurden von der Klägerin gestellt. Frau C. verfügte nicht über eigene Geschäftsräume und beschäftigte keine Arbeitnehmer. Sie meldete am 20.11.2006 ein entsprechendes Gewerbe an.
Gemäß ihrer Auskunft vom 15.6.2011 und 14.12.2011 wurde die Einhaltung regelmäßiger Arbeitszeiten nicht vereinbart. Frau C. habe diese vielmehr jederzeit frei einteilen können. Weiter habe sie Werbung in Form der Verteilung von eigenen Visitenkarten sowie einer gut funktionierenden Mundpropaganda für ihre Tätigkeit betrieben. Die Arbeiten waren in den Räumlichkeiten der Klägerin auszuführen. Sie habe eigene Hilfskräfte einsetzen können, sei weisungsfrei tätig gewesen und habe eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Zahlung sei pro Auftrag oder pauschal bei monatlicher Abrechnung erfolgt. Bei Erkrankung hätte sie bei entsprechendem Gesuch des Auftraggebers einen Ersatz aus ihrem Bekanntenkreis gestellt. Den Namen einer Ersatzkraft gab sie nicht an.
Frau C. gab weitere fünf Auftragsverhältnisse (private und betriebliche Auftraggeber) mit einem Verdienst in der Größenordnung von 8.800 EUR jährlich an. Eingesetzte Betriebsmittel wurden gelistet als KfZ, Staubsauger, Laptop und Material.
Zudem sei sie von der Entrichtung von Umsatzsteuer befreit worden.
Mit Anhörung vom 11.1.2012 wurde auf die beabsichtigte Nachforderung hingewiesen. Frau C. sei abhängig beschäftigt gewesen, da typische Arbeitnehmereigenschaften bei völligem Fehlen von unternehmerischem Risiko gegeben seien. Schon die Vergütung pro Einsatz sowie die aufgrund von Urlaub und Feiertagen schwankenden Beträge würden gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Denn bei einem selbstständigen Reini-gungsunternehmen würde ein vereinbarter Betrag unabhängig von Urlaub oder Feiertagen anfallen, da Ersatzkräfte die Arbeiten in diesen Zeiten ausführen würden.
Die Klägerin hat am 16.1.2012 ihre Verwunderung über die Anhörung telefonisch zum Ausdruck gebracht, da Frau C. Rechnungen gestellt habe und die Abrechnung nach Stunden (circa 15 EUR pro Stunde) erfolgt sei. Weiter wurde von ihrem Bevollmächtigten vorgetragen, dass Frau C. als Reinigungskraft für mehrere Unternehmer und Privathaus-halte tätig gewesen sei. Es habe keine persönliche Abhängigkeit bzgl. ihrer Tätigkeit für die Klägerin vorgelegen. Ein in gewisser Art und Weise vorliegendes Weisungsrecht der Klägerin sei dem Auftragsverhältnis geschuldet. Hierbei würde sich der Inhalt des Auftrags aus den Anweisungen des Auftraggebers ergeben; die Art der Durchführung sei von Frau C. alleine bestimmt worden. Die schwankenden Beträge bei Urlaub und Feiertagen würden darauf beruhen, dass in dieser Zeit der Geschäftsbetrieb ruhte. Frau C. habe ein unternehmerisches Risiko gehabt, da der Wegfall einzelner Auftraggeber nicht durch Zuteilung von anderen Tätigkeiten automatisch kompensiert worden sei. Desweiteren sei sie nach außen im Markt aufgetreten und habe Werbung betrieben.
Mit Bescheid vom 10.1.2013 wurde daran festgehalten, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt und entsprechend Sozialversicherungsbeiträge in oben genannter Höhe nachzuentrichten seien. Hierbei wurden im Wesentlichen die Argumente der Anhörung wiederholt.
Die Klägerin erhob am 16.1.2013 Widerspruch. Sie habe erfolglos versucht, auch andere größere Reinigungsunternehmen zu beauftragen. Dies sei entweder am geringen Umfang der Reinigungsarbeiten oder an der fehlenden Flexibilität dieser Firmen gescheitert, da einige Räume (Anprobenraum) teils häufig und dann wieder lange Zeit nicht zu reinigen sind. Sie habe dann einen mündlichen Vertrag mit Frau C. abgeschlossen, wobei eine persönliche Leistungserbringung nicht vereinbart war. Nach ihrer Erinnerung sei sie auch von ihrer Tochter vertreten worden. Aus hygienischen Gründen (der Sohn der Klägerin, der sich häufig in den Geschäftsräumen aufhält, leidet unter Asthma und Neurodermitis) müssten bestimmte Putzmittel verwendet werden, die die Klägerin auch für eigene Putzaktivitäten anschaffte und über die Buchhaltung laufen ließ. Allein schon an der Höhe der Vergütung von anfänglich 12,50 EUR und dann 15 EUR die Stunde ließe sich erkennen, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegen würde. Angestellte Putzfrauen würden höchstens 8,40 EUR die Stunde erhalten. Frau C. habe ordnungsgemäße Rechnungen gestellt. Geschäftsräume seien für sie nicht zwingend notwendig gewesen, da die Tätigkeit durchgehend in den Räumlichkeiten der Auftraggeber zu verrichten war.
Mit Abänderungsbescheid vom 15.5.2013 wurde die Nachforderung auf 1082,71 EUR reduziert. Nunmehr wurden lediglich Pauschalbeiträge für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nachgefordert, da der bei der Klägerin erzielte Verdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2013 wurde der Widerspruch im übrigen zurückge-wiesen. Bei der Tätigkeit als Reinigungskraft gegen eine zeitabhängige Vergütung würde schon nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine abhängige Beschäftigung vorliegen. Die Abrechnung würde bei Reinigungsunternehmen auf der Grundlage der gereinigten Flächen, nicht aber nach der dafür aufgewendeten Arbeitszeit erfolgen. Alle für die Durchführung der Reinigungsarbeiten erforderlichen Putzmittel und -geräte würden vom Reinigungsunternehmen beschafft. Sofern bestimmte Mittel und Geräte verwendet wer-den sollen, dann würde dies in dem Reinigungsvertrag festgelegt.
Frau C. habe aber nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Sie sei zwar nicht an feste Arbeitszeiten gebunden gewesen, habe sich aber doch an die Verfügbarkeit der Räume halten müssen. Zum Teil sei sie auch auf Abruf tätig gewesen, etwa bei der Reinigung des nur gelegentlich genutzten großen Anproberaums. Eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit sei auch bei Beschäftigten nicht unüblich und kein Indiz für das Vorliegen von Selbstständigkeit. Der Stundenlohn von 12,50 EUR und dann 15 EUR würde aus den Rechnungen nicht hervorgehen und sei auch nicht verifizierbar, da die Rechnungsbeträge weder durch den einen noch durch den anderen Betrag teilbar seien. Ein Stundensatz in dieser Höhe sei auch nicht ausreichend, um alle Kosten, die bei einem selbstständigen Reinigungsunternehmen anfallen würden (Personal, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Fahrzeug, Geräte, Putzmittel) abzudecken. Auch eine Vergütung auf Stundenlohnbasis sei bei Reinigungsunternehmen absolut unüblich.
Die Klägerin erhob am 29.8.2013 Klage zum Sozialgericht München. Sie wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich Frau C. ihre Arbeitszeit frei einteilen konnte und die Klägerin auch nicht eine bestimmte Arbeitszeit von Frau C. gefordert habe. Auch habe sich Frau C. tatsächlich vertreten lassen, wenn sie persönlich die Arbeitsleistung nicht habe erbringen können. Frau C. sei nach außen mit eigenem Firmenlogo und Briefkopf aufgetreten und habe Werbung für Unternehmen gemacht. Die Zahlungen für ihre Tätig-keit seien auf ein Betriebskonto eingegangen. Frau C. sei nicht in den betrieblichen Ablauf der Klägerin eingebunden gewesen und habe Investitionen, insbesondere die Anschaffung eines KfZ, getätigt. Auch dass Frau C. über weitere Auftraggeber verfügt habe, spreche in der Gesamtschau für eine selbständige Tätigkeit. Mit einer Vergütung von erst 12 EUR und dann 15 EUR sei es Frau C. möglich gewesen, für den Fall der Erwerbsminderung und für ihre Altersvorsorge vorzusorgen und sich für den Fall der Krankheit abzusichern.
In der Mündlichen Verhandlung führte die Klägerin aus, dass der Stundenlohn von zuerst 12,50 EUR und dann 15 EUR tatsächlich vereinbart gewesen sei. Frau C. habe Stundenzettel auf dieser Basis ausgefüllt, die die Klägerin aber nicht mehr habe. Sie habe alleine die Rechnungen behalten. Der Umstand, dass die Rechnungen nicht glatt durch 12,50 EUR oder durch 15 EUR teilbar seien, erklärte sie damit, dass Frau C. auch Reinigungsmittel etc. in Rechnung stellte. Frau C. sei nicht nur durch ihre Tochter, sondern auch durch andere Personen vertreten worden. Diese habe sie teilweise gar nicht kennengelernt, da diese zu Zeiten putzten, als die Klägerin nicht im Büro war. Frau C. habe ihr nur telefonisch vorab mitgeteilt, dass eine Ersatzkraft kommen werde. Dies sei für sie - die Klägerin - in Ordnung gewesen, da sie Frau C. extrem vertraut habe. Einmal habe sich eine Ersatzkraft als die Tochter von Frau C. bei ihr vorgestellt, als sie zufällig auch im Büro anwesend war. Ansonsten habe sie von der eigentlichen Arbeit von Frau C. häufig aufgrund Abwesenheit gar nichts mitbekommen. Frau C. sei auch nicht auf Abruf tätig gewesen. Vielmehr habe sie bei Bedarf angerufen, und Frau C. habe ihr mitgeteilt, ob sie den Auftrag übernehmen könne oder nicht. Es sei auch vorgekommen, dass Frau C. nicht konnte, dann habe sie (die Klägerin) versucht, über den Studentendienst jemanden zu finden. Die Putzutensilien wie Staubsauger und Putzmittel habe sie gestellt. Letztlich habe sie Frau C. nur gesagt, was zu putzen ist, z.B. ob auch das große Ankleidezimmer gereinigt werden müsse oder ob die Fensterreinigung anstehe. Daher habe das Auftragsvolumen auch stark variiert. Sie könne bestätigen, dass Frau C. Werbung betrieben habe, da sie diese erst über eine Anzeige in einer Stadtzeitung gefunden habe. Zuvor habe sie auch größere gewerbliche Reinigungsfirmen beauftragen wollen, diese hätten aufgrund des variierenden Auftragsvolumen bei ihr nicht reinigen wollen. Für sie sei Frau C. nicht zu ersetzen gewesen; heute müsse sie selbst putzen, weil sie niemanden gefunden habe, der so fle-xibel einsetzbar sei.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid vom 10.1.2013 in der Fassung des Bescheids vom 15.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2013 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäf-tigung geschehe hauptsächlich über das Unternehmerrisiko. Es müsse bei Selbstständigen ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgehen würde, kein Entgelt zu erzielen. Die Vergütung von Frau C. sei nach festen Stundensätzen und nicht nach dem Ergebnis der Arbeitsleistung (zum Beispiel Abrechnung nach geputzten Quadratmetern) erfolgt. Für Frau C. habe daher keine Gefahr bestanden, ihre Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. Sie habe lediglich nur dann kein Geld erhalten, wenn sie nicht arbeitete, und damit nur ein Einkommensrisiko, nicht aber ein Unternehmerrisiko getragen. Die Tatsache, dass sie bei mehreren Auftraggebern geputzt habe, spreche nicht für eine selbständige Tätigkeit, da auch ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten ausüben könne. Bei geringfügig tätigen Beschäftigten sei es der Regelfall, dass bis zur Geringfügigkeitsgrenze mehrere Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt würden.
Es sei zuzugeben, dass Frau C. weitgehend weisungsfrei habe arbeiten können und sie sich ihre Tätigkeit frei habe einteilen können. Jedoch sei eine engere Kontrolle der Arbeiten während der Ausführung eher unüblich. Die freie Zeiteinteilung von Frau C. sei im Vergleich mit geringfügig tätigen Putzkräften von eher untergeordneter Bedeutung. Auch die Kriterien wie Gewerbeanmeldung, Abführung von Mehrwertsteuer, Entrichtung von Einkommensteuer, fehlendem Urlaubsanspruch und Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien kein Indiz für das Vorliegen von Selbstständigkeit, da in Fällen, in de-nen beide Seiten die Bestimmungen über die Versicherungspflicht umgehen wollen, hierzu die formellen Voraussetzungen geschaffen werden würden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die vorliegende Prozessakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Klage ist auch im übrigem zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 10.1.2013 in der Fassung des Bescheids vom 15.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Frau C. war nicht im Rahmen einer Beschäftigung für die Klägerin tätig, so dass die Nacherhebung der Beiträge im Rahmen der streitgegenständlichen Betriebsprüfung fehlerhaft ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Ar-beitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist da-her zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt die Kammer unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass Frau C. im streitigen Zeitraum als Reinigungskraft keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV) ausübte.
Das Gericht kann weder eine Weisungsgebundenheit noch eine tiefergehende Eingliederung in den Geschäftsbetrieb der Klägerin erkennen. Die Beklagte hat selbst bereits ein-geräumt, dass eine weitgehende Weisungsfreiheit bestand. Dieser Eindruck aus der Aktenlage wurde in der Mündlichen Verhandlung seitens der glaubwürdigen Klägerin bestätigt.
Angesichts der zeitlichen Flexibilität von Frau C. ist auch eine tiefergehende Eingliederung in die Arbeitsorganisation (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV) nicht zu erblicken. Für eine Eingliederung spricht vorliegend alleine die Tatsache, dass die Klägerin die Putzutensilien (Staubsauger, Putzmittel) stellte bzw. bezahlte. Da Frau C. aber über ihre eigene Arbeitskraft frei verfügen konnte, insbesondere Aufträge ablehnen konnte und dies auch tat-sächlich machte, und ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten konnte, sprechen die überwiegenden Tatsachen für Selbständigkeit. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass bei niederen Arbeiten wie Putzen nur eine geringe Einweisung vonnöten ist und sich die selbständige Durchführung der Tätigkeit (d.h. die Entscheidung über die Handhabung des Putzvorgangs) quasi aus der Tätigkeit selbst ergibt. Zu berücksichtigen ist aber, dass beim vorliegenden Vertragsverhältnis zur freien Gestaltung der Tätigkeit auch die Möglichkeit gehörte, eine Ersatzkraft stellen zu dürfen und dies auch tatsächlich so gelebt wurde. Das Gesetz gibt keinen Anhalt, dass die selbständige Durchführung von niederen Arbeiten a priori nicht möglich ist.
Daher ist zwar das Stellen der Arbeitsmittel seitens der Klägerin ein Indiz, das für abhängige Tätigkeit spricht, vorliegend kann die Kammer aber den Ausführungen der Klägerin folgen, dass dies vorwiegend aus Praktikabilitätsgründen erfolgte und daher die Natur der Tätigkeit nicht wesentlich zu verändern vermag.
Glaubwürdig war auch die Aussage der Klägerin, dass sie einen Stundenlohn von 12,50 EUR bis 15 EUR auszahlte, auch wenn sich dies aus den Rechnungen nicht unmittelbar ergibt. Damit wurde Frau C. aber ein Entgelt gewährt, das weit über dem branchenüblichen Stundenlohn liegt (vgl. berufenet der Arbeitsagentur: ca. 9,31 EUR bis 9,90 EUR tariflicher Stundenlohn für eine Reinigungskraft). Mit dieser Vergütung ist zumindest eine gewisse unter-nehmerische Chance gegeben, mit dem Arbeitseinsatz ein höheres Verdienst zu erlangen als in einer abhängigen Beschäftigung. Dass Ein-Mann-Unternehmen im Reinigungsbereich nur wenig Kapitaleinsatz benötigen, ist branchenbedingt, so dass hieraus auch das geringe unternehmerische Risiko von Frau C. folgt. Dies gilt aber genauso für viele Bereiche des Dienstleistungssektors, so dass die Kammer das fehlende Unternehmerrisiko zwar vorliegend als Argument pro Beschäftigung gewichtet, dies aber letztlich nicht den Ausschlag zu vergeben vermag. Für ein letztendlich vorliegendes Unternehmertum spricht in diesem Kontext auch die Tatsache, dass Frau C. Werbung betrieben hat, wie die An-zeige beweist, aufgrund derer die Klägerin Frau C. überhaupt erst kontaktieren und beauftragen konnte.
Verfehlt ist nach Auffassung der Kammer hingegen der von der Beklagten vorgenommene Vergleich der Tätigkeit von Frau C. mit der von größeren Reinigungsunternehmen, die tatsächlich mit einem in Rechnung gestellten Stundenlohn Personal, Sozialversicherungsbeiträge, Fahrzeuge, Geräte und Putzmittel refinanzieren müssen. Denn hätte Frau C. einen Betrieb mit mehreren Angestellten unterhalten, wäre es nicht zur Beitragsnacherhebung gekommen. Richtiger Vergleichsmaßstab kann nur der Vergleich der Tätigkeit von Frau C. mit der einer angestellten Putzfrau sein. Bzgl. dieses Vergleichsmaßstabs fällt auf, dass Frau C. eine größere zeitliche Flexibilität innehatte als dies Mitarbeitern einer größeren Reinigungsfirma in der Regel eingeräumt wird. Zudem sprechen gerade die schwankenden Einnahmen aufgrund von Urlaub und Feiertagen für Selbständigkeit, da ein Arbeitnehmer mit fester Monatsvergütung solche Schwankungen nicht hinzu-nehmen hätte.
Ein weiteres gewichtiges Argument pro Selbständigkeit ist, dass Frau C. insgesamt sechs Auftraggeber hatte. Eine solche Anzahl von Beauftragungen ist in Beschäftigungsverhältnissen (mit entsprechendem Weisungsrecht der sechs Arbeitgeber im Hinblick auf die zeitliche Anwesenheitspflicht von Frau C.) nicht leistbar. Auch der Vergleich mit der (möglichen, aber nicht notwendigen) Flexibilität von Minijobs geht fehl, da wegen Überschreitens der 450 EUR -Grenze die gleichzeitige Aufnahme von sechs geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (unter der Prämisse, dass Frau C. ihren Lebensunterhalt mit ihrer Putztätigkeit bestritt) rechtlich nicht möglich ist. Die Erfüllung einer solchen Menge an Aufträgen ist daher unter lebensnaher Betrachtung nur mit der Flexibilität einer Selbständigen möglich.
Letztlich ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R , Rn. 17 ff. unter Juris) auch der Parteiwille zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn nicht - wie vorliegend - die überwiegenden Umstände für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Sowohl Frau C. als auch die Klägerin wollten aber das Vertragsverhältnis mit der Flexibilität einer Selbständigen leben, was neben dem oben Ausgeführten auch in der Gewerbeanmeldung von Frau C. zum Ausdruck kommt.
Das in der Mündlichen Verhandlung vorgelegte Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4.8.2011 (S 12 R 874/10) vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Denn einmal erhielt bzgl. des dort streitigen Vertragsverhältnisses die Reinigungskraft ein wesentlich geringeres Entgelt (zunächst 8 EUR, dann 10 EUR pro Stunde). Zum anderen vermag es die Kammer nicht zu überzeugen, dass auch Ein-Mann-Unternehmen, wie dort gefordert, eine Rahmenvereinbarung abzuschließen hätte, "in der beispielsweise die zu putzenden Flächen in Quadratmetern festgehalten werden, der Leistungskatalog im Einzelnen beschrieben wird und auch die Häufigkeit bestimmt wird, in der die Arbeiten zu verrichten sind". Es widerspricht der Lebenswirklichkeit, dass sich bei Vertragsverhältnissen mit einem geringen Leistungsumfang wie dem vorliegenden die Vertragsparteien die Mühe machen, solche dezidierte Verträge aufzusetzen. Dies ist angesichts der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit, die auch mündliche Verträge umfasst, auch rechtlich nicht geboten. Daher ist eine mündliche Leistungsvereinbarung auf Stundenbasis nicht a priori als sozialversicherungsrechtlich schädlich im Sinne des Klageziels der Klägerin anzusehen, zumal auch größere Reinigungsfirmen durchaus Abrechnungen nach Stunden (auf Regiebasis) vereinbaren. Richtig ist indes, dass das Vorhandensein eines solchen Rahmenvertrages noch eindrücklicher für eine selbständige Tätigkeit sprechen würde. Das Fehlen eines solchen kann aus genannten Gründen hingegen nicht gegen die Klägerin gewendet werden.
Nach allem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 S. 2 VwGO.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1082,71 EUR.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 23.5.2011 zum 5.3.2012 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2010 bei der Klägerin, die ein Design-Unternehmen betreibt, durch. Beanstandet wurde die Einstufung der Tätigkeit der im Jahre 1963 geborenen und am XX.XX.2013 verstorbenen Frau C. als selbstständige Raumreinigungs-Dienstleisterin für die Zeit von März 2007 bis April 2010. Eine schriftliche vertragliche Basis für diese Tätigkeit war nicht vorhanden. Frau C. putzte weder an Feiertagen noch in ihrem Urlaub, so dass die Rechnungsbeträge entsprechend unterschiedlich ausfielen. Putzmittel wurden von der Klägerin gestellt. Frau C. verfügte nicht über eigene Geschäftsräume und beschäftigte keine Arbeitnehmer. Sie meldete am 20.11.2006 ein entsprechendes Gewerbe an.
Gemäß ihrer Auskunft vom 15.6.2011 und 14.12.2011 wurde die Einhaltung regelmäßiger Arbeitszeiten nicht vereinbart. Frau C. habe diese vielmehr jederzeit frei einteilen können. Weiter habe sie Werbung in Form der Verteilung von eigenen Visitenkarten sowie einer gut funktionierenden Mundpropaganda für ihre Tätigkeit betrieben. Die Arbeiten waren in den Räumlichkeiten der Klägerin auszuführen. Sie habe eigene Hilfskräfte einsetzen können, sei weisungsfrei tätig gewesen und habe eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Zahlung sei pro Auftrag oder pauschal bei monatlicher Abrechnung erfolgt. Bei Erkrankung hätte sie bei entsprechendem Gesuch des Auftraggebers einen Ersatz aus ihrem Bekanntenkreis gestellt. Den Namen einer Ersatzkraft gab sie nicht an.
Frau C. gab weitere fünf Auftragsverhältnisse (private und betriebliche Auftraggeber) mit einem Verdienst in der Größenordnung von 8.800 EUR jährlich an. Eingesetzte Betriebsmittel wurden gelistet als KfZ, Staubsauger, Laptop und Material.
Zudem sei sie von der Entrichtung von Umsatzsteuer befreit worden.
Mit Anhörung vom 11.1.2012 wurde auf die beabsichtigte Nachforderung hingewiesen. Frau C. sei abhängig beschäftigt gewesen, da typische Arbeitnehmereigenschaften bei völligem Fehlen von unternehmerischem Risiko gegeben seien. Schon die Vergütung pro Einsatz sowie die aufgrund von Urlaub und Feiertagen schwankenden Beträge würden gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Denn bei einem selbstständigen Reini-gungsunternehmen würde ein vereinbarter Betrag unabhängig von Urlaub oder Feiertagen anfallen, da Ersatzkräfte die Arbeiten in diesen Zeiten ausführen würden.
Die Klägerin hat am 16.1.2012 ihre Verwunderung über die Anhörung telefonisch zum Ausdruck gebracht, da Frau C. Rechnungen gestellt habe und die Abrechnung nach Stunden (circa 15 EUR pro Stunde) erfolgt sei. Weiter wurde von ihrem Bevollmächtigten vorgetragen, dass Frau C. als Reinigungskraft für mehrere Unternehmer und Privathaus-halte tätig gewesen sei. Es habe keine persönliche Abhängigkeit bzgl. ihrer Tätigkeit für die Klägerin vorgelegen. Ein in gewisser Art und Weise vorliegendes Weisungsrecht der Klägerin sei dem Auftragsverhältnis geschuldet. Hierbei würde sich der Inhalt des Auftrags aus den Anweisungen des Auftraggebers ergeben; die Art der Durchführung sei von Frau C. alleine bestimmt worden. Die schwankenden Beträge bei Urlaub und Feiertagen würden darauf beruhen, dass in dieser Zeit der Geschäftsbetrieb ruhte. Frau C. habe ein unternehmerisches Risiko gehabt, da der Wegfall einzelner Auftraggeber nicht durch Zuteilung von anderen Tätigkeiten automatisch kompensiert worden sei. Desweiteren sei sie nach außen im Markt aufgetreten und habe Werbung betrieben.
Mit Bescheid vom 10.1.2013 wurde daran festgehalten, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt und entsprechend Sozialversicherungsbeiträge in oben genannter Höhe nachzuentrichten seien. Hierbei wurden im Wesentlichen die Argumente der Anhörung wiederholt.
Die Klägerin erhob am 16.1.2013 Widerspruch. Sie habe erfolglos versucht, auch andere größere Reinigungsunternehmen zu beauftragen. Dies sei entweder am geringen Umfang der Reinigungsarbeiten oder an der fehlenden Flexibilität dieser Firmen gescheitert, da einige Räume (Anprobenraum) teils häufig und dann wieder lange Zeit nicht zu reinigen sind. Sie habe dann einen mündlichen Vertrag mit Frau C. abgeschlossen, wobei eine persönliche Leistungserbringung nicht vereinbart war. Nach ihrer Erinnerung sei sie auch von ihrer Tochter vertreten worden. Aus hygienischen Gründen (der Sohn der Klägerin, der sich häufig in den Geschäftsräumen aufhält, leidet unter Asthma und Neurodermitis) müssten bestimmte Putzmittel verwendet werden, die die Klägerin auch für eigene Putzaktivitäten anschaffte und über die Buchhaltung laufen ließ. Allein schon an der Höhe der Vergütung von anfänglich 12,50 EUR und dann 15 EUR die Stunde ließe sich erkennen, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegen würde. Angestellte Putzfrauen würden höchstens 8,40 EUR die Stunde erhalten. Frau C. habe ordnungsgemäße Rechnungen gestellt. Geschäftsräume seien für sie nicht zwingend notwendig gewesen, da die Tätigkeit durchgehend in den Räumlichkeiten der Auftraggeber zu verrichten war.
Mit Abänderungsbescheid vom 15.5.2013 wurde die Nachforderung auf 1082,71 EUR reduziert. Nunmehr wurden lediglich Pauschalbeiträge für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nachgefordert, da der bei der Klägerin erzielte Verdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2013 wurde der Widerspruch im übrigen zurückge-wiesen. Bei der Tätigkeit als Reinigungskraft gegen eine zeitabhängige Vergütung würde schon nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine abhängige Beschäftigung vorliegen. Die Abrechnung würde bei Reinigungsunternehmen auf der Grundlage der gereinigten Flächen, nicht aber nach der dafür aufgewendeten Arbeitszeit erfolgen. Alle für die Durchführung der Reinigungsarbeiten erforderlichen Putzmittel und -geräte würden vom Reinigungsunternehmen beschafft. Sofern bestimmte Mittel und Geräte verwendet wer-den sollen, dann würde dies in dem Reinigungsvertrag festgelegt.
Frau C. habe aber nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Sie sei zwar nicht an feste Arbeitszeiten gebunden gewesen, habe sich aber doch an die Verfügbarkeit der Räume halten müssen. Zum Teil sei sie auch auf Abruf tätig gewesen, etwa bei der Reinigung des nur gelegentlich genutzten großen Anproberaums. Eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit sei auch bei Beschäftigten nicht unüblich und kein Indiz für das Vorliegen von Selbstständigkeit. Der Stundenlohn von 12,50 EUR und dann 15 EUR würde aus den Rechnungen nicht hervorgehen und sei auch nicht verifizierbar, da die Rechnungsbeträge weder durch den einen noch durch den anderen Betrag teilbar seien. Ein Stundensatz in dieser Höhe sei auch nicht ausreichend, um alle Kosten, die bei einem selbstständigen Reinigungsunternehmen anfallen würden (Personal, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Fahrzeug, Geräte, Putzmittel) abzudecken. Auch eine Vergütung auf Stundenlohnbasis sei bei Reinigungsunternehmen absolut unüblich.
Die Klägerin erhob am 29.8.2013 Klage zum Sozialgericht München. Sie wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich Frau C. ihre Arbeitszeit frei einteilen konnte und die Klägerin auch nicht eine bestimmte Arbeitszeit von Frau C. gefordert habe. Auch habe sich Frau C. tatsächlich vertreten lassen, wenn sie persönlich die Arbeitsleistung nicht habe erbringen können. Frau C. sei nach außen mit eigenem Firmenlogo und Briefkopf aufgetreten und habe Werbung für Unternehmen gemacht. Die Zahlungen für ihre Tätig-keit seien auf ein Betriebskonto eingegangen. Frau C. sei nicht in den betrieblichen Ablauf der Klägerin eingebunden gewesen und habe Investitionen, insbesondere die Anschaffung eines KfZ, getätigt. Auch dass Frau C. über weitere Auftraggeber verfügt habe, spreche in der Gesamtschau für eine selbständige Tätigkeit. Mit einer Vergütung von erst 12 EUR und dann 15 EUR sei es Frau C. möglich gewesen, für den Fall der Erwerbsminderung und für ihre Altersvorsorge vorzusorgen und sich für den Fall der Krankheit abzusichern.
In der Mündlichen Verhandlung führte die Klägerin aus, dass der Stundenlohn von zuerst 12,50 EUR und dann 15 EUR tatsächlich vereinbart gewesen sei. Frau C. habe Stundenzettel auf dieser Basis ausgefüllt, die die Klägerin aber nicht mehr habe. Sie habe alleine die Rechnungen behalten. Der Umstand, dass die Rechnungen nicht glatt durch 12,50 EUR oder durch 15 EUR teilbar seien, erklärte sie damit, dass Frau C. auch Reinigungsmittel etc. in Rechnung stellte. Frau C. sei nicht nur durch ihre Tochter, sondern auch durch andere Personen vertreten worden. Diese habe sie teilweise gar nicht kennengelernt, da diese zu Zeiten putzten, als die Klägerin nicht im Büro war. Frau C. habe ihr nur telefonisch vorab mitgeteilt, dass eine Ersatzkraft kommen werde. Dies sei für sie - die Klägerin - in Ordnung gewesen, da sie Frau C. extrem vertraut habe. Einmal habe sich eine Ersatzkraft als die Tochter von Frau C. bei ihr vorgestellt, als sie zufällig auch im Büro anwesend war. Ansonsten habe sie von der eigentlichen Arbeit von Frau C. häufig aufgrund Abwesenheit gar nichts mitbekommen. Frau C. sei auch nicht auf Abruf tätig gewesen. Vielmehr habe sie bei Bedarf angerufen, und Frau C. habe ihr mitgeteilt, ob sie den Auftrag übernehmen könne oder nicht. Es sei auch vorgekommen, dass Frau C. nicht konnte, dann habe sie (die Klägerin) versucht, über den Studentendienst jemanden zu finden. Die Putzutensilien wie Staubsauger und Putzmittel habe sie gestellt. Letztlich habe sie Frau C. nur gesagt, was zu putzen ist, z.B. ob auch das große Ankleidezimmer gereinigt werden müsse oder ob die Fensterreinigung anstehe. Daher habe das Auftragsvolumen auch stark variiert. Sie könne bestätigen, dass Frau C. Werbung betrieben habe, da sie diese erst über eine Anzeige in einer Stadtzeitung gefunden habe. Zuvor habe sie auch größere gewerbliche Reinigungsfirmen beauftragen wollen, diese hätten aufgrund des variierenden Auftragsvolumen bei ihr nicht reinigen wollen. Für sie sei Frau C. nicht zu ersetzen gewesen; heute müsse sie selbst putzen, weil sie niemanden gefunden habe, der so fle-xibel einsetzbar sei.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid vom 10.1.2013 in der Fassung des Bescheids vom 15.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2013 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäf-tigung geschehe hauptsächlich über das Unternehmerrisiko. Es müsse bei Selbstständigen ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgehen würde, kein Entgelt zu erzielen. Die Vergütung von Frau C. sei nach festen Stundensätzen und nicht nach dem Ergebnis der Arbeitsleistung (zum Beispiel Abrechnung nach geputzten Quadratmetern) erfolgt. Für Frau C. habe daher keine Gefahr bestanden, ihre Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. Sie habe lediglich nur dann kein Geld erhalten, wenn sie nicht arbeitete, und damit nur ein Einkommensrisiko, nicht aber ein Unternehmerrisiko getragen. Die Tatsache, dass sie bei mehreren Auftraggebern geputzt habe, spreche nicht für eine selbständige Tätigkeit, da auch ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten ausüben könne. Bei geringfügig tätigen Beschäftigten sei es der Regelfall, dass bis zur Geringfügigkeitsgrenze mehrere Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt würden.
Es sei zuzugeben, dass Frau C. weitgehend weisungsfrei habe arbeiten können und sie sich ihre Tätigkeit frei habe einteilen können. Jedoch sei eine engere Kontrolle der Arbeiten während der Ausführung eher unüblich. Die freie Zeiteinteilung von Frau C. sei im Vergleich mit geringfügig tätigen Putzkräften von eher untergeordneter Bedeutung. Auch die Kriterien wie Gewerbeanmeldung, Abführung von Mehrwertsteuer, Entrichtung von Einkommensteuer, fehlendem Urlaubsanspruch und Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien kein Indiz für das Vorliegen von Selbstständigkeit, da in Fällen, in de-nen beide Seiten die Bestimmungen über die Versicherungspflicht umgehen wollen, hierzu die formellen Voraussetzungen geschaffen werden würden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die vorliegende Prozessakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Klage ist auch im übrigem zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 10.1.2013 in der Fassung des Bescheids vom 15.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Frau C. war nicht im Rahmen einer Beschäftigung für die Klägerin tätig, so dass die Nacherhebung der Beiträge im Rahmen der streitgegenständlichen Betriebsprüfung fehlerhaft ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Ar-beitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist da-her zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt die Kammer unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass Frau C. im streitigen Zeitraum als Reinigungskraft keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV) ausübte.
Das Gericht kann weder eine Weisungsgebundenheit noch eine tiefergehende Eingliederung in den Geschäftsbetrieb der Klägerin erkennen. Die Beklagte hat selbst bereits ein-geräumt, dass eine weitgehende Weisungsfreiheit bestand. Dieser Eindruck aus der Aktenlage wurde in der Mündlichen Verhandlung seitens der glaubwürdigen Klägerin bestätigt.
Angesichts der zeitlichen Flexibilität von Frau C. ist auch eine tiefergehende Eingliederung in die Arbeitsorganisation (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV) nicht zu erblicken. Für eine Eingliederung spricht vorliegend alleine die Tatsache, dass die Klägerin die Putzutensilien (Staubsauger, Putzmittel) stellte bzw. bezahlte. Da Frau C. aber über ihre eigene Arbeitskraft frei verfügen konnte, insbesondere Aufträge ablehnen konnte und dies auch tat-sächlich machte, und ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten konnte, sprechen die überwiegenden Tatsachen für Selbständigkeit. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass bei niederen Arbeiten wie Putzen nur eine geringe Einweisung vonnöten ist und sich die selbständige Durchführung der Tätigkeit (d.h. die Entscheidung über die Handhabung des Putzvorgangs) quasi aus der Tätigkeit selbst ergibt. Zu berücksichtigen ist aber, dass beim vorliegenden Vertragsverhältnis zur freien Gestaltung der Tätigkeit auch die Möglichkeit gehörte, eine Ersatzkraft stellen zu dürfen und dies auch tatsächlich so gelebt wurde. Das Gesetz gibt keinen Anhalt, dass die selbständige Durchführung von niederen Arbeiten a priori nicht möglich ist.
Daher ist zwar das Stellen der Arbeitsmittel seitens der Klägerin ein Indiz, das für abhängige Tätigkeit spricht, vorliegend kann die Kammer aber den Ausführungen der Klägerin folgen, dass dies vorwiegend aus Praktikabilitätsgründen erfolgte und daher die Natur der Tätigkeit nicht wesentlich zu verändern vermag.
Glaubwürdig war auch die Aussage der Klägerin, dass sie einen Stundenlohn von 12,50 EUR bis 15 EUR auszahlte, auch wenn sich dies aus den Rechnungen nicht unmittelbar ergibt. Damit wurde Frau C. aber ein Entgelt gewährt, das weit über dem branchenüblichen Stundenlohn liegt (vgl. berufenet der Arbeitsagentur: ca. 9,31 EUR bis 9,90 EUR tariflicher Stundenlohn für eine Reinigungskraft). Mit dieser Vergütung ist zumindest eine gewisse unter-nehmerische Chance gegeben, mit dem Arbeitseinsatz ein höheres Verdienst zu erlangen als in einer abhängigen Beschäftigung. Dass Ein-Mann-Unternehmen im Reinigungsbereich nur wenig Kapitaleinsatz benötigen, ist branchenbedingt, so dass hieraus auch das geringe unternehmerische Risiko von Frau C. folgt. Dies gilt aber genauso für viele Bereiche des Dienstleistungssektors, so dass die Kammer das fehlende Unternehmerrisiko zwar vorliegend als Argument pro Beschäftigung gewichtet, dies aber letztlich nicht den Ausschlag zu vergeben vermag. Für ein letztendlich vorliegendes Unternehmertum spricht in diesem Kontext auch die Tatsache, dass Frau C. Werbung betrieben hat, wie die An-zeige beweist, aufgrund derer die Klägerin Frau C. überhaupt erst kontaktieren und beauftragen konnte.
Verfehlt ist nach Auffassung der Kammer hingegen der von der Beklagten vorgenommene Vergleich der Tätigkeit von Frau C. mit der von größeren Reinigungsunternehmen, die tatsächlich mit einem in Rechnung gestellten Stundenlohn Personal, Sozialversicherungsbeiträge, Fahrzeuge, Geräte und Putzmittel refinanzieren müssen. Denn hätte Frau C. einen Betrieb mit mehreren Angestellten unterhalten, wäre es nicht zur Beitragsnacherhebung gekommen. Richtiger Vergleichsmaßstab kann nur der Vergleich der Tätigkeit von Frau C. mit der einer angestellten Putzfrau sein. Bzgl. dieses Vergleichsmaßstabs fällt auf, dass Frau C. eine größere zeitliche Flexibilität innehatte als dies Mitarbeitern einer größeren Reinigungsfirma in der Regel eingeräumt wird. Zudem sprechen gerade die schwankenden Einnahmen aufgrund von Urlaub und Feiertagen für Selbständigkeit, da ein Arbeitnehmer mit fester Monatsvergütung solche Schwankungen nicht hinzu-nehmen hätte.
Ein weiteres gewichtiges Argument pro Selbständigkeit ist, dass Frau C. insgesamt sechs Auftraggeber hatte. Eine solche Anzahl von Beauftragungen ist in Beschäftigungsverhältnissen (mit entsprechendem Weisungsrecht der sechs Arbeitgeber im Hinblick auf die zeitliche Anwesenheitspflicht von Frau C.) nicht leistbar. Auch der Vergleich mit der (möglichen, aber nicht notwendigen) Flexibilität von Minijobs geht fehl, da wegen Überschreitens der 450 EUR -Grenze die gleichzeitige Aufnahme von sechs geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (unter der Prämisse, dass Frau C. ihren Lebensunterhalt mit ihrer Putztätigkeit bestritt) rechtlich nicht möglich ist. Die Erfüllung einer solchen Menge an Aufträgen ist daher unter lebensnaher Betrachtung nur mit der Flexibilität einer Selbständigen möglich.
Letztlich ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R , Rn. 17 ff. unter Juris) auch der Parteiwille zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn nicht - wie vorliegend - die überwiegenden Umstände für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Sowohl Frau C. als auch die Klägerin wollten aber das Vertragsverhältnis mit der Flexibilität einer Selbständigen leben, was neben dem oben Ausgeführten auch in der Gewerbeanmeldung von Frau C. zum Ausdruck kommt.
Das in der Mündlichen Verhandlung vorgelegte Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4.8.2011 (S 12 R 874/10) vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Denn einmal erhielt bzgl. des dort streitigen Vertragsverhältnisses die Reinigungskraft ein wesentlich geringeres Entgelt (zunächst 8 EUR, dann 10 EUR pro Stunde). Zum anderen vermag es die Kammer nicht zu überzeugen, dass auch Ein-Mann-Unternehmen, wie dort gefordert, eine Rahmenvereinbarung abzuschließen hätte, "in der beispielsweise die zu putzenden Flächen in Quadratmetern festgehalten werden, der Leistungskatalog im Einzelnen beschrieben wird und auch die Häufigkeit bestimmt wird, in der die Arbeiten zu verrichten sind". Es widerspricht der Lebenswirklichkeit, dass sich bei Vertragsverhältnissen mit einem geringen Leistungsumfang wie dem vorliegenden die Vertragsparteien die Mühe machen, solche dezidierte Verträge aufzusetzen. Dies ist angesichts der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit, die auch mündliche Verträge umfasst, auch rechtlich nicht geboten. Daher ist eine mündliche Leistungsvereinbarung auf Stundenbasis nicht a priori als sozialversicherungsrechtlich schädlich im Sinne des Klageziels der Klägerin anzusehen, zumal auch größere Reinigungsfirmen durchaus Abrechnungen nach Stunden (auf Regiebasis) vereinbaren. Richtig ist indes, dass das Vorhandensein eines solchen Rahmenvertrages noch eindrücklicher für eine selbständige Tätigkeit sprechen würde. Das Fehlen eines solchen kann aus genannten Gründen hingegen nicht gegen die Klägerin gewendet werden.
Nach allem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 S. 2 VwGO.
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