L 23 SO 106/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 SO 158/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 106/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 6/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Maßgeblich für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist, ob die Wohnform als solche eine Form des betreuten Wohnens ist, nicht ob der Betroffene die in dieser Wohnform angebotenen Teilhabeleistungen auch in Anspruch nimmt
Bemerkung
BSG: Urteile des SG und LSG aufgehoben
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Leistungsfall G E H, geb. 1940 in L (P), in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.660,61 Euro – für zugunsten der Hilfeempfängerin G E H in der Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 aufgewendete Sozialhilfe - zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und die Beklagte 3/4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der Berufung noch die Zahlung von 24.660,61 Euro für in der Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Oktober 2010 für Frau G E H - Hilfeempfängerin (HE) - aufgewendete Mittel der Sozialhilfe sowie die Übernahme des Leistungsfalls der HE in die Zuständigkeit der Beklagten.

Die 1940 in P geborene, geistig behinderte HE lebte in der Zeit vom 4. Dezember 1973 bis zum 27. Februar 2005 in der Landeshauptstadt P. Sie leidet an der Alzheimer-Krankheit, hat einen GdB von 100 und besitzt seit März 1999 die Pflegestufe III. Am 27. Februar 2005 zog sie in ein von ihr angemietetes Zimmer in der Wohngemeinschaft für demenzerkrankte Menschen in der F Straße in N.

In dem Gebäude F Straße leben 18 an Demenz erkrankte Menschen in drei Wohngemeinschaften zu sechs Personen, die jeweils Einzelmietverträge geschlossen haben und die vom Verein V B e.V. – Sozialstation N – gepflegt und rund um die Uhr ambulant betreut werden. Die Hilfeempfängerin schloss mit dem Verein am 4. März 2005, beginnend am 28. Februar 2005, einen "Pflegevertrag". Gemäß § 3 ("Leistungsumfang") des Pflegevertrags ergeben sich Art, Inhalt und Umfang der zu erbringenden Leistungen aus der dem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Nach dieser werden folgende Leistungen erbracht: Leistungskomplex (LK) 1 (kleine Körperpflege), LK 2 (große Körperpflege), LK 3 (Unterstützung bei Ausscheidungen – kleine Hilfe –), LK 4 (Unterstützung bei Ausscheidungen – erweiterte Hilfe –), LK 5 (Lagerung/Betten), LK 6 (Haarewaschen), LK 7 (Hilfe bei der Nahrungsaufnahme), LK 8 (Sondenkost bei implant. Magensonde), LK 10 (Begleitung bei Aktivitäten - "bei Bedarf"), LK 12 (Grundreinigung der Wohnung), LK 13 (Teilreinigung der Wohnung), LK 14 (Wechsel/Waschen der Wäsche und Kleidung), LK 16 (Vorratseinkauf), LK 17 (Besorgung).

Am 3. März 2005 (Formantrag 15. März 2005) beantragte die HE beim Kläger Sozialhilfe in der Form der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Der Kläger gewährte der HE ab März 2005 Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61 ff. SGB XII, von denen er aufgrund vorhandenen Vermögens der Hilfeempfängerin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid im Wesentlichen die Leistungen für die Zeit bis Ende 2006 zurückforderte (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 29. Januar 2008, Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009). In der Zeit von Februar 2008 bis März 2009 kam die HE erneut selbst für die Pflegekosten auf.

Für den Zeitraum von Januar 2007 bis Januar 2008 und wieder ab April 2009 bis Oktober 2010 gewährte der Kläger der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII i.H.v. 46.675,37 Euro und zwar in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2008 insgesamt 22.014,76 Euro, in der Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Oktober 2010 unter Anrechnung von Einnahmen 24.660,61 Euro.

Die Leistungsgewährung erfolgte zuletzt mit Bescheid vom 8. September 2009, mit dem der HE vorläufig gemäß § 43 SGB I Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII ab 1. April 2009 bewilligt wurde, und mit Bescheid vom 30. September 2010, mit dem der Kläger der HE vorläufig gemäß § 43 SGB I Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ab dem 1. Oktober 2010 bewilligte. Gewährt wurden ihr die Leistungskomplexe LK 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und LK 12-19 täglich bzw. wöchentlich und LK 8 (Sonderkost bei implantierter Magensonde) und LK 10 (Begleitung bei Aktivitäten) "bei Bedarf". In der Zeit davor hatte der Kläger der HE mit Bescheid vom 7. Juli 2005 "zusätzliche Pflegesachleistungen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII" mit denselben LK für die Zeit ab 15. März 2005 gewährt. Mit – bestandskräftigen - Bescheiden vom 29. Januar 2008 sind diese Leistungen in Höhe von 20.109,52 Euro zurückgefordert und die Leistungserbringung ab 1. Februar 2008 eingestellt worden.

Mit Schreiben vom 28. und 29. Januar 2008 bat der Kläger die Beklagte um Übernahme des Leistungsfalls G E H in die eigene Zuständigkeit und um Kostenerstattung.

Unter dem 7. Februar 2008 (Eingang 14. Februar 2008) lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, dass die HE in einer von ihr selbst angemieteten Wohnung ambulant betreut werde. Daher sei der tatsächliche Aufenthaltsort entscheidend und eine Zuständigkeit der Stadt Potsdam nicht gegeben.

Am 27. Dezember 2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Neuruppin erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 46.675,37 Euro und zur Übernahme des Leistungsfalls G E H in die eigene Zuständigkeit sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die gegenüber der HE seit dem 1. November 2010 rechtmäßig erbrachten und bis zur Übernahme des Leistungsfalls durch die Beklagte noch zu erbringenden rechtmäßigen Sozialhilfeleistungen zu erstatten.

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, sein Erstattungsanspruch folge aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Örtlich zuständig sei die Beklagte. Die Betreuungsleistungen würden seit dem 28. Februar 2005 von der Sozialstation N der V B e.V. entsprechend dem Betreuungskonzept "Wohngemeinschaft von Menschen mit Demenz – Konzeptentwurf einer ambulanten Betreuung durch die Sozialstation N der V B e. V. Kreisverband N" und einer "Checkliste für selbstverantwortlich geführte Wohnformen mit Pflege- und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste der V Landesverband B e. V." (Stand 31. März 2010) erbracht. Die Leistungen seien auf die Verwirklichung einer selbstständigen Lebensführung ausgerichtet. Eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen sei nicht notwendig, liege hier aber sogar vor. Das Zimmer in der Wohngemeinschaft sei von der Erbringerin der Betreuungsleistung, der Sozialstation N der V B e. V., zur Verfügung gestellt worden. Der Kläger hat die zitierte "Checkliste für selbstverantwortlich geführte Wohnformen" zur Akte gereicht, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 35 bis 47 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kläger hat ferner eine Pflegeplanung und Pflegedokumentation betreffend die Hilfeempfängerin zur Akte gereicht, insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Blatt 48 bis 79 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger hat ferner eine Auflistung der in der Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Januar 2013 an die HE geleisteten Sozialhilfe in Höhe von per Saldo 9.947,72 Euro zur Akte gereicht und vor dem SG den Antrag gestellt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 56.623,09 Euro zu zahlen. 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Leistungsfall G E H, geb. 1940 in L (P) in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die gegenüber der Leistungsberechtigten G E H, geb 1940 in L (P) seit dem 01. Februar 2013 rechtmäßig erbrachten und bis zur Übernahme des Leistungsfalls durch die Beklagte noch zu erbringenden rechtmäßigen Sozialhilfeleistungen zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass bei ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII eine Verknüpfung zwischen Wohnungsgewährung und ambulanter Hilfeleistung vorliegen müsse. Außerdem müsse die Hauptzielrichtung der Betreuung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein, und nicht eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung. Im vorliegenden Fall würden nur Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer Wohnung oder Wohngemeinschaft gewährt, so dass § 98 Abs. 5 SGB XII für die Zuständigkeit nicht einschlägig sei. Das SG hat die Pflegedienstleiterin bei der V, Frau M D, und die Pflegefachkraft in der Wohngemeinschaft der HE, Frau A M, in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2013 als Zeuginnen vernommen, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen 1 und 2 zur Sitzungsniederschrift (Gerichtsakte Blatt 183 bis 186) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 56.623,09 Euro zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Leistungsfall der HE in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen und dem Kläger die gegenüber der HE seit dem 01. Februar 2013 rechtmäßig erbrachten und bis zur Übernahme des Leistungsfalls noch zu erbringenden rechtmäßigen Sozialhilfeleistungen zu erstatten.

Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Die örtliche Zuständigkeit beurteile sich gemäß § 98 Abs. 5 SOB XII.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer für die HE bei der Betreuung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Vordergrund. Dies ergebe sich insbesondere aus der Zeugenaussage von Frau M in der mündlichen Verhandlung am 27. März 2013. Aus ihrer Aussage ergebe sich, dass nach Durchführung der pflegerischen Verrichtungen gemäß § 14 Abs. 4 SGB XI die Förderung der Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben in der Wohngemeinschaft und der näheren Umgebung im Vordergrund stehe. So werde die HE in der Form in den täglichen Tagesablauf integriert, dass sie, auch wenn sie meistens nicht mehr selbst esse, an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten teilnehme, sich tagsüber im gemeinschaftlichen Wohnzimmer aufhalte, von den Mitbewohnerinnen begrüßt, angesprochen, beteiligt werde. Dies werde durch die 24-stündige Präsenz von Pflege- und Betreuungskräften realisiert. Ohne diese Unterstützung könnte sie nicht mehr am Leben mit anderen Menschen teilnehmen. Die Teilnahme am Gemeinschaftsleben erlebe die HE über ihre Augen, die Ansprache durch die Anderen und Berührungen. Aus den Zeugenaussagen, der Pflegedokumentation, dem Konzept ergebe sich, dass Betreuung zur Teilhabe im Vordergrund der Leistungserbringung stehe und nicht die grundpflegerische Versorgung. Die Beklagte hat gegen das ihr am 9. April 2013 zugestellte Urteil am 8. Mai 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 98 Abs. 5 SGB XII lägen nicht vor. Die HE erhalte keine Leistungen "in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten" im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII, die Zuständigkeit regle sich gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII.

Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 25. August 2011 (B 8 SO 7/10 R) ausgeführt, dass es sich bei der Betreuung nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln dürfe, Hauptzielrichtung der Betreuung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Bei Würdigung der Aussagen der Zeuginnen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2013, deren Vernehmung zudem für die Beklagte überraschend erfolgt sei, lasse sich die Annahme des Gerichts, der Schwerpunkt der Hilfeleistung gegenüber der HE seien Teilhabeleistungen, nicht nachvollziehen. Die HE sei 73 Jahre alt, leide an der Alzheimer Krankheit und sei schwerstpflegebedürftig. Sie könne nicht sprechen, sei auf den Rollstuhl angewiesen, könne sich nicht selbst bewegen, habe seit dem Jahr 1999 die Pflegestufe drei und werde seit über acht Jahren mithilfe einer Magensonde ernährt. Eine qualifizierte pflegerische Versorgung beinhalte stets auch Elemente von Zuwendung und mitmenschlichen Kontakten. Dies führe jedoch nicht dazu, diese pflegerische Versorgung als Leistung der Eingliederungshilfe qualifizieren zu können. Das Hauptziel der Betreuung bleibe angesichts des gesundheitlichen Zustands der Hilfeempfängerin die Pflege. Letzteres gehe auch aus dem zwischen der HE, vertreten durch ihre Betreuerin, und der V B e.V., Sozialstation N, abgeschlossen Pflegevertrag vom 4. März 2005 nebst Anlagen hervor.

Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe es sich bei der Betreuung in der Wohnform "ambulante betreute Wohnmöglichkeit" im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln, Zielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Die HE habe jedoch ausschließlich Hilfe zur Pflege im Sinne des § 61 SGB XII und keine Eingliederungshilfe im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII erhalten. Zu den Pflegeleistungen gehöre auch die Hilfe bei der Einnahme von Mahlzeiten. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass die HE innerhalb der ersten Zeit für einen gewissen Zeitraum auf die Magensonde habe verzichten können, so spreche dieser Umstand für eine gute Qualität der Pflegeleistung, damit werde jedoch die Pflegeleistung nicht zur Eingliederungshilfe. Für die Annahme von Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bedürfe es ihrer Auffassung nach einer qualifizierten Leistung. Es genüge nicht dass die HE wie vorliegend lediglich an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten teilnehme und sich tagsüber in den Gemeinschaftsräumen aufhalte. Das Leben in einer Wohngemeinschaft bringe sicher mehr Kontakte mit sich, als ein Allein-Leben in einer Wohnung. Könnte bereits aufgrund dieses Umstands von Teilhabeleistungen als Voraussetzung des § 98 Abs. 5 SGB XII gesprochen werden, wäre die Anwendbarkeit des § 98 Abs. 5 SGB XII in allen Fällen gegeben, bei denen mehrere Pflegebedürftige zusammen in einer Wohnung lebten.

Ein Zuständigkeitswechsel im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB X liege nicht vor. Die HE habe sich seit 1999 bis zum 27. Februar 2005 in stationären Pflegeeinrichtungen in P aufgehalten, ab März 2005 seien ihr Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zur Pflege durch den Kläger erbracht worden. Dieser habe sich erstmals mit Schreiben vom 28. Januar 2008 an die Beklagte mit der Bitte um Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit und Kostenerstattung gewandt. Der Kläger hätte, folge man seiner Auffassung allenfalls als unzuständiger Sozialleistungsträger gehandelt. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch müsse sich nach § 105 SGB X richten. Gemäß § 105 Abs. 3 SGB X könne der Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger erst ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, von dem an diesem bekannt sei, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht vorlagen. Dies wäre vorliegend frühestens ab dem 1. Februar 2008 der Fall gewesen. Mit dieser Problematik habe sich das SG Neuruppin nicht auseinandergesetzt.

Auch die Höhe der geltend gemachten Kostenerstattung werde vorsorglich bestritten. Der Klägervertreter habe in der mündlichen Verhandlung bezüglich der Sozialhilfeausgaben ab Dezember 2010 lediglich eine Auflistung übergeben, die in keiner Weise überprüfbar gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger erklärt, er begehre mit der Leistungsklage nur noch die Erstattung von 24.660,61 Euro für zu Gunsten der HE in der Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 aufgewendete Sozialhilfe. Im Übrigen werde die Leistungsklage hier nicht weiter verfolgt, er behalte sich die Geltendmachung der Leistungsansprüche für nachfolgende Zeiträume ab 1. November 2010 ausdrücklich vor. An dem Feststellungsantrag zu 3) im erstinstanzlichen Rechtsstreit halte er ebenfalls nicht fest.

Soweit die Klage aufrechterhalten wird, macht der Kläger geltend, die der HE gewährte Leistung gehe über reine Pflegeleistungen hinaus und sei auf eine Teilhabe der HE am Leben in der Gesellschaft ausgerichtet. Es handele sich somit um ein ambulant betreutes Wohnen im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Er hat hierzu eine aktuelle Fassung des Leitfadens der Alzheimer Gesellschaft B e.V. zur Akte gereicht, in der das Leben in der N Wohngemeinschaft der V dargestellt werde und in der auf Seite 15 auch die HE ("G H.") erwähnt werde. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf Blatt 121 bis 156 der Gerichtsakte Bezug genommen. Er hat ferner verwiesen auf die bereits zur Akte gereichte Dokumentation zur HE, die ergebe dass das Ziel, der HE eine Teilnahme am Leben der Gemeinschaft zu ermöglichen, erfolgreich umgesetzt worden sei. Die HE habe in den ersten Jahren des Aufenthalts in der Wohngemeinschaft wieder selbst essen und trinken können und somit aktiv an den gemeinsamen Mahlzeiten teilgenommen. Erst später sei sie aufgrund der fortschreitenden Demenz wieder mit einer Magensonde ernährt worden. Auf Blatt Nr. 2 der Dokumentation für 2010 sei als Maßnahme ausdrücklich angegeben worden, dass die HE in alle Gruppenaktivitäten in der Wohngemeinschaft einbezogen werden solle und dass das Ziel die Integration mit allen Mitbewohnern sei. Dies ergebe auch die vom Sozialgericht durchgeführte Beweisaufnahme durch Anhörung der zwei Mitarbeiterinnen der V. Die Hilfeempfängerin könne zwar aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr sprechen, kommuniziere aber mit Mimik und Gestik mit den übrigen Bewohnern bzw. Pflegekräften.

Der Kläger hat ferner Bezug genommen auf den Auszug aus der Konzeption der Sozialstation der V. Aus diesem ergebe sich, dass kein Pflegeheim vorliege, sondern ein ambulant betreutes Wohnen für Personen, die an Demenz erkrankt sind, bei der das Ziel der Hilfen gerade nicht eine rein pflegerische Betreuung sei, sondern die Teilhabe der Betroffenen am Leben in der Gemeinschaft.

Von § 98 Abs. 5 SGB XII würden auch Leistungen der Hilfe zur Pflege in ambulant betreuten Wohnformen erfasst, dies habe auch das LSG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 18. März 2013 (L 9 SO 26/11 B ER) entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Beklagte zur Übernahme des Leistungsfalls G E H in die eigene Zuständigkeit und zur Erstattung der vom Kläger zugunsten der HE im – mit der Berufung nur noch geltend gemachten - Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 aufgewendeten Sozialhilfe verurteilt.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte als dem sachlich und örtlich zuständigen Leistungsträger auf Erstattung erbrachter Sozialhilfeleistungen in dem mit der Berufung noch geltend gemachten Umfang zu.

Soweit das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte darüber hinaus verurteilt bzw. Feststellungen getroffen hat, hat der Kläger die Klage zurückgenommen und ist die Entscheidung des SG gegenstandslos geworden. Der Tenor war insoweit aus Gründen der Klarstellung neu zu fassen.

Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung der im Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau H ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Bescheide und Leistungsabrechnungen in Höhe von 24.660,61 Euro erbrachten Sozialhilfeleistungen - Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - folgt aus § 102 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (Abs. 2).

Der Erstattungsanspruch setzt damit voraus, dass ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften - also rechtmäßig - vorläufige Sozialleistungen erbracht hat. Dies erfordert zunächst, dass der Wille des Erstattung begehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar wird (BSG, Urteil vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - BSGE 58,119).

Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall für die Zeit ab April 2009 gegeben. Der Kläger leistete ab 1. April 2009 (mit Bescheiden vom 8. September 2009 und 30. September 2010) im Hinblick auf den Zuständigkeitsstreit mit der Beklagten ausdrücklich nur vorläufig nach § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I).

Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB I lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann der zuerst angegangene Leistungsträger – hier der Kläger – vorläufig Leistungen erbringen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht - hier der Anspruch der HE auf Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61 ff. SGB XII - und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistungen und deren Höhe werden von der Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Beklagte war auch zuständiger Leistungsträger für den streitgegenständlichen Hilfefall. Die Voraussetzungen des hierfür allein in Betracht kommenden § 98 Abs. 5 SGB XII liegen vor.

Gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII ist für die Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Dies war die Beklagte, da die HE von P kommend am 27. Februar 2005 in die F Straße in N umgezogen ist.

Es liegt im vorliegenden Fall auch eine Leistungsgewährung in der Wohnform "ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten" im Sinne des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII vor.

Was unter "Formen ambulanter betreute Wohnmöglichkeiten" zu verstehen ist, wird weder in § 98 noch an anderer Stelle des SGB XII definiert. Lediglich der Gesetzesbegründung zur einschlägigen Entwurfsfassung (Entwurf Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 5.9.2003 Art. 1 § 93, BT-Drs. 15/1514, S. 67) kann entnommen werden, dass sich der Begriff der "betreuten Wohnmöglichkeiten" an dem des § 55 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX – orientiert. Demzufolge erfasst die Regelung jedenfalls solche Fälle, in denen ein freier Träger dem Hilfebedürftigen nicht nur die bloße Möglichkeit des Wohnens anbietet, sondern darüber hinaus organisatorische Vorkehrungen für die dortige ambulante Betreuung des Hilfesuchenden bereitstellt (s. zum Meinungsstand Mrozynski, SGB IX, 2. Aufl., 2011, Teil I, § 55 Rn 39 ff; Wiegand in Wiegand/Dalichau, Handkommentar SGB IX, , Stand Mai 2013, § 55 Rn 36; Lachwitz in Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar SGB IX, § 55 Rn 66; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage, 2010 § 98 Rn. 126).

Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, ist Sinn der Betreuungsleistungen beim Betreuten-Wohnen "die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung" (BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R - juris, Rn 15; Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 16/11 R –, juris Rn 16).

Das BSG hat hierbei als zentralen Gesichtspunkt der Hilfeleistung des Betreuten-Wohnens das "Ziel der Verselbstständigung der nachfragenden Personen, das letztlich gerade darauf ausgerichtet ist, das Wohnen in der eigenen Häuslichkeit möglichst selbstbestimmt bewältigen zu können" bezeichnet (BSG a.a.O.). Danach geht es bei den betreuten Wohnmöglichkeiten um die wohnbezogene Betreuung des Menschen. Dieser solle so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter erreichen können (Söhngen in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 98 SGB XII Rn 52 ff m.w.N.).

Bei der näheren Bestimmung der "betreuten Wohnmöglichkeiten" ist nach Sinn und Zweck der Leistung auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen abzustellen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln, sondern diese müssen in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet ist (BSG a.a.O.; Söhngen a.a.O. Rn 54).

Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist ausreichend, dass der Betroffene in einer Wohnform lebt, in deren Rahmen grundsätzlich Leistungen nach § 55 SGB IX als Leistungen der Teilhabe angeboten werden (§ 54 Abs. 1 SGB XII).

Dies ist vorliegend der Fall. Nach der vom Kläger eingereichten Konzeption ("Checkliste für selbstverantwortlich geführte Wohnformen" und "Konzeptentwurf einer ambulanten Betreuung ") handelt es sich bei der von der HE bewohnten Wohngemeinschaft in der F-Straße in N um eine Wohngemeinschaft, in der die Leistungsform des ambulant betreuten Wohnens i.S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bzw. § 98 Abs. 5 SGB XII verwirklicht bzw. angeboten wird.

Nach diesen Unterlagen handelt es sich um eine - im Rahmen der den an Demenz erkrankten Bewohnern noch gegebenen Möglichkeiten - selbstverantwortlich geführte Wohnform, wobei Angehörige und gegebenenfalls Betreuer der Bewohner - insbesondere als Mitglieder der so genannten Auftraggebergemeinschaft - in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Hierzu heißt es in der "Checkliste": "die Struktur des Lebensalltags in einer Wohngemeinschaft entspricht dem Leben in der eigenen Häuslichkeit als Einzelperson. Ziel der Wohngemeinschaft ist es, dem Mieter eine Normalität im Alltag zu gewährleisten. Jeder Mieter entscheidet selbst über die von ihm gewählte Tagesstruktur. Die Auftraggebergemeinschaft legt fest, welche regelmäßigen Aktivitäten in der Wohngemeinschaft in den Tagesablauf integriert werden. Jeder Mieter entscheidet jedoch selbst, ob er diese Aktivitäten nutzt ... Als mögliche Aktivitäten, die durch die Auftraggebergemeinschaft festgelegt werden, werden benannt: "Freizeitangebote: Gespräche führen, gemeinsam lesen, gemeinsam fernsehen, singen, allgemein kreatives Gestalten, spazieren gehen, ausrichten von Feierlichkeiten; Alltagshandlungen: Zimmerreinigung, Wäschepflege, Einkauf, Mitwirkung bei der Nahrungszubereitung, Begleitung der Nahrungsaufnahme. Regelung von Behördenangelegenheiten, Arztbesuch." Unter 3.5. Pflegevertrag – Aktivitäten des Pflegedienstes wird unter anderem ausgeführt "besondere Berücksichtigung finden diejenigen Leistungen, die über den Kontext des Pflegebedürftigkeitsbegriffs des SGB XI hinausgehen. Hierzu gehören: Maßnahmen, die der Erhaltung und Förderung der Alltagskompetenz dienen, spezielle Angebote zur Orientierung, Maßnahmen der Krisenintervention, Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der kommunikativen Kompetenz "

In dem "Konzeptentwurf einer ambulanten Betreuung durch die Sozialstation der V B e. V. - Wohngemeinschaft von Menschen mit Demenz" (vorgelegt vom Institut für Gerontologie und Bildung Dr. phil. Johannes Plümpe [Stand 15.10.2004]) heißt es insoweit unter Punkt "2.2 Alltagsgestaltung innerhalb der Wohngemeinschaft": "Innerhalb der Wohngemeinschaft gelingt es den Mitgliedern, ihren Alltag entsprechend ihrer Kompetenzen eigenständig zu gestalten. Dabei werden sie unterstützt durch ihre Angehörigen und Betreuer Insoweit die gemeinsamen Ressourcen nicht ausreichen, um diesem Auftrag gerecht zu werden, nehmen die Mitglieder vor dem Hintergrund ihres individuellen Hilfebedarfs ergänzend professionelle Hilfeleistungen durch eine Sozialstation in Anspruch." Weiter heißt es unter "4.2. Struktur des Leistungsangebots" ". sollen die ambulant bereitgestellten professionellen Hilfeleistungen die Pflegebedürftigen darin unterstützen, trotz Ihrer Kompetenzeinbußen, ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes sowie würdevolles Leben zu führen. Es wird angestrebt, die geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten. Die Leistungserbringung der Sozialstation entspricht insbesondere dem Auftrag des SGB XI die Leistungsempfänger in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zu unterstützen oder zu beaufsichtigen oder anzuleiten, mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen."

Für den Senat besteht daher kein Zweifel, dass die Pflege- und Betreuungsleistungen durch die ambulanten Pflegedienste des V e.V. in den Wohngemeinschaften der F-Straße neben der medizinischen und pflegerischen Betreuung auf die Verwirklichung einer selbstständigen Lebensführung ausgerichtet sind, wie es das BSG auch für den Bereich der nicht institutionell verknüpften Betreuungsleistungen gefordert hat.

In Anwendung dieser Maßstäbe liegt im Fall der von der HE bewohnten Wohngemeinschaft in der F Straße eine Wohnform des betreuten Wohnens - mit der Zielrichtung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung – vor und handelt es sich bei der den Bewohnern dort gewährten Betreuung der Art nach nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung. Wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die zu fordernde Zielrichtung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung gerade an den jeweiligen individuellen Fähigkeiten orientieren muss, an die speziell beim Krankheitsbild einer Demenz aber auch schon altersbedingt keine hohen Anforderungen gestellt werden können.

Ob der in einer "Wohnform des betreuten Wohnens" lebenden HE selbst – neben den ihr gewährten Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII – Leistungen der Eingliederungshilfe gewährt werden bzw. ob sie derartige Leistungen anzunehmen in der Lage ist, ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 98 SGB XII in Fällen wie dem vorliegenden, in denen in einer "Wohnform" gelebt wird, unerheblich.

Besteht nicht bereits eine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnungsgewährung und (ambulanter) Betreuung im Sinne der Eingliederungshilfe, dienen die vom Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 25. August 2011 (B 8 SO 7/10 R, BSGE 109, 56 ff., bestätigt durch Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 16/11 R –, juris) entwickelten Maßstäbe der Bestimmung von "betreuten Wohnmöglichkeiten" anhand der Art und Zielsetzung der dem Betroffenen konkret gewährten Betreuungsleistungen der Definition der Wohnform in § 98 Abs. 5 SGB XII. In einem solchen Fall, in dem durch eine externe Betreuung in der eigenen Häuslichkeit keine institutionelle "Wohnform" unabhängig von den konkret gewährten Leistungen besteht, bedarf es der Qualifizierung der individuellen Wohnform im eigenen Wohn- und Lebensbereich als "ambulant betreuter Wohnform" anhand der individuell gewährten wohnbezogenen Betreuungsleistungen. Nur in einem solchen Fall ist die neben reinen Pflegeleistungen zusätzliche Gewährung qualifizierter Teilhabeleistungen – im Sinne von Leistungen der Eingliederungshilfe durch geschulte Kräfte – als Abgrenzungskriterium erforderlich.

Auch dann ist jedoch für die Frage der Zuständigkeit bei der Anwendung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII nach einem Umzug weiterhin grundsätzlich auf den Eintritt in die Wohnform als solche und nicht auf den Beginn der Betreuung abzustellen (BSG v. 25.08.2001 – B 8 SO 7/10 R – a.a.O., Rn. 17), so dass es für die Zuständigkeit auf die Wohnform und nicht auf die konkret erbrachten Betreuungsleistungen ankommt.

Dass bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII allein auf die vom HE gewählte "Wohnform" abzustellen ist (BSG, a.a.O.), ergibt sich weiter auch aus dem Wortlaut in Satz 1 der Regelung, wonach die Zuständigkeit "für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, " begründet wird. Dies beinhaltet nach dem Wortlaut, dass auch ausschließlich nach dem Siebten Kapitel SGB XII erbrachte Leistungen, soweit sie in der "besonderen Wohnform" erbracht werden, in die begründete Zuständigkeit fallen. Eine Verknüpfung der konkret erbrachten Leistungen mit der Zuständigkeit des Trägers nimmt § 98 Abs. 5 SGB XII gerade nicht vor.

Diese Auslegung wird durch Sinn und Zweck des § 98 Abs. 5 SGB XII gestützt. Denn die Sonderregelung der örtlichen Zuständigkeit zielt auf eine gewisse Kostenentlastung derjenigen örtlichen Träger der Sozialhilfe ab, in deren Gebiet der Anbieter solcher Formen der Eingliederungshilfe seinen Sitz hat. Der von Absatz 5 vor allem intendierten Förderung des Auf- und Ausbaus ambulanter Strukturen stünde entgegen, den Ort der betreuten ambulanten Wohnform mit den Kosten der Hilfe zu belasten (Hohm a.a.O., Rn 126; ausführlich BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R a.a.O. m.w.N.). Ein Abstellen auf die Aufenthaltsverhältnisse des Leistungsempfängers vor Beginn der ambulant betreuten Wohnmöglichkeit erweitert den Schutz der Orte, die entsprechende Möglichkeiten anbieten, ein Regelungsziel, das (auch) der Zuständigkeitsbestimmung bei stationären Leistungen in § 98 Abs. 2 SGB XII zugrunde liegt.

Zudem würde ein Abstellen bei der Definition der "ambulanten betreuten Wohnmöglichen" auf die dem HE konkret erbrachten Leistungen dazu führen, dass bei einer Veränderung der Art der Betreuung ein Wechsel einer einmal begründeten Zuständigkeit nicht ausgeschlossen wäre, was der gesetzgeberischen Intention der Zuständigkeitsregelungen widerspräche, auch für den HE eine verlässliche, auch ansonsten grundsätzlich an den Aufenthaltsort anknüpfende Zuständigkeit zu begründen.

Es brauchte daher nicht entschieden zu werden, ob bei der Frage, ob eine möglichst selbstständige und selbstbestimmten Lebensführung verwirklicht wird, im Falle von an Alzheimer erkrankten Personen verstärkt auf deren Angehörige und Betreuer abzustellen ist, so dass mit der vorliegenden streitgegenständlichen Wohnform auch für die HE eine – im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in Abgrenzung zu einer durch Institutionen vorgegebenen Alltagsgestaltung - selbstbestimmte Lebensführung verwirklicht wird. Hierfür könnten die Ausführungen in der "Konzeption der Wohngemeinschaften F - Straße " in N sprechen, in denen es insoweit heißt "in den drei Wohnungen leben die Menschen mit Demenz in struktureller Unabhängigkeit. Da sie nicht mehr in der Lage sind, selbstständig Entscheidungen zu treffen, werden sie in allen Lebensbezügen von ihren Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern vertreten Die Gestaltung des Alltags orientiert sich an den individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen und Interessen der Mitglieder und erfolgt mithilfe der Angehörigen und Begleiterinnen weitgehend eigenständig. Der Grundsatz ist Normalität. Diese und die kleine Räumlichkeit und Überschaubarkeit der Wohnung, sowie die Kontinuität der Betreuung bewirken, dass sich die Menschen mit Demenz sicher und wohl fühlen." Ob es für die Eigenständigkeit ausreicht, auf die Angehörigen oder gesetzlichen Betreuer abzustellen und nicht auf die - zudem im Laufe ihres Lebens in der Wohngemeinschaft abnehmenden – Fähigkeiten der Bewohner selbst, bedurfte jedoch keiner Entscheidung.

Ebenfalls keiner Wertung durch den Senat bedurfte die Auffassung des Sozialgerichts, dass allein durch die tägliche Anwesenheit der Hilfeempfängerin im Wohnzimmer der Wohngemeinschaft, wo sie von den Mitbewohnerinnen begrüßt, angesprochen und berührt wird, eine Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben der Wohngemeinschaft stattfinde und somit auch von einer Förderung der Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben gesprochen werden könnte. Unentschieden bleiben konnte auch die Frage, ob ein solches Mindestmaß an Teilhabe die Anforderungen, die unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG an die qualifizierten Teilhabeleistungen des ambulant betreuten Wohnens, im Sinne von "Teilhabeleistungen mit dem Ziel eines selbstbestimmten Lebens", zu stellen sind, erfüllen kann.

Denn maßgeblich für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist, wie ausgeführt, ob die "Wohnform" als solche eine Form des betreuten Wohnens ist, nicht aber, ob der betroffene Hilfeempfänger die in dieser Wohnform angebotenen Teilhabeleistungen auch in Anspruch nimmt.

2. Die Beklagte ist nach den obigen Ausführungen der gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe und verpflichtet, den Leistungsfall der Frau Herford in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Soweit der Kläger seine Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen hat, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 155 Abs. 2 VwGO), im Übrigen fallen die Kosten der Beklagten als Unterliegender zur Last (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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