L 13 AS 4621/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 3512/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4621/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung noch gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt. Erstinstanzlich hatte seine Ehefrau (damals Klägerin zu 2.; im Folgenden: Ehefrau) mit ihrem Vorgehen gegen ein Erinnerungsschreiben des Beklagten auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung durch Aufhebung dieses Schreibens bereits Erfolg.

Der in einer Bedarfsgemeinschaft mit Ehefrau und Tochter lebenden Kläger bezieht seit 2005 Grundsicherungsleistungen. Ausweislich der Aktenvermerke in der Verwaltungsakte des Beklagten sandte dieser dem Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 2013 eine beidseitige Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeit bis zum 19. August 2013 zur Unterschrift zu. Mit Erinnerungsschreiben vom 12. März 2013 bat der Beklagte den Kläger nochmals um Übersendung der unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung. Dem kam der Kläger nicht nach.

Daraufhin gab der Beklagte mit Schreiben vom 27. Mai 2013 gegenüber dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt mit Gültigkeit vom 27. Mai 2013 bis 19. August 2013 bekannt.

Mit Schreiben, datiert vom 5. Mai 2013, eingegangen bei dem Beklagten am 5. Juni 2013, widersprach der Kläger der "Forderung zur Abschließung einer Eingliederungsvereinbarung". Zur Begründung verwies er auf die bisher eingereichten Widersprüche samt ärztlicher Befunde sowie eine laufenden Rentenantragstellung und seinen daraus resultierenden Status.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2013 wies der Beklagte der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Da die Eingliederungsvereinbarung, die dem Kläger am 20. Februar 2013 zugesandt worden sei mit der Bitte um Sichtung und Unterschrift, nicht unterschrieben zurückgesendet worden sei, sei die Eingliederungsvereinbarung vom 27. Mai 2013 rechtmäßig durch Verwaltungsakt erlassen worden.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2013 - dem Beklagten am 5. Juni 2013 zugegangen - erhob ferner die Ehefrau des Klägers Widerspruch gegen das Erinnerungsschreiben des Beklagten vom 21. Mai 2013, mit dem sie erneut zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung aufgefordert wurde.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2013 verwarf der Beklagte den Widerspruch der Ehefrau als mangels Verwaltungsaktsqualität des Erinnerungsschreiben als unzulässig.

Am 20. Juni 2013 hat der Kläger unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbescheide vom 12. Juni 2013 für ihn und seine Ehefrau - seinerzeit als Klägerin zu 2.) - Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Kläger hat begehrt, die Forderung nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gegenüber ihm und der Ehefrau "zu unterlassen".

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2014 bezüglich der Ehefrau in Form eines Teilanerkenntnisses die Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 12. Juni 2013 erklärt.

Mit Teilanerkenntnis- und Schluss-Urteil vom 18. September 2014 hat das SG die Klage nach mündlicher Verhandlung vom gleichen Tag - unter teilweiser Stattgabe im Hinblick auf die Ehefrau- im Übrigen abgewiesen. Die ordnungsgemäß geladenen Kläger waren - bei Freistellung des persönlichen Erscheinens - nicht zum Termin erschienen.

Die Klage betreffend die Ehefrau sei als Anfechtungsklage zulässig und begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2014 (gemeint: 12. Juni 2013) habe den Widerspruch der Ehefrau zu Unrecht als unzulässig verworfen. Für den Erlass des Erinnerungsschreibens vom 21. Mai 2013 als Bescheid fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (Ermächtigungsgrundlage). Werde dennoch ein Verwaltungsakt erlassen, obwohl der Behörde die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes fehle, sei dieser materiell rechtswidrig. Der Beklagte habe dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2014 mittlerweile wirksam anerkannt, sodass der Beklagte gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) dementsprechend zu verurteilen gewesen sei.

Die Klage betreffend den Kläger bleibe demgegenüber ohne Erfolg. Sie sei grundsätzlich als Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 4 des SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift könne durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Eine solche Anfechtungsklage sei nach Satz 2 der Vorschrift zulässig, wenn ein Kläger behaupte, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein. Voraussetzung für die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage sei damit das tatsächliche Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Ein solcher liege mit dem hier auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützten Bescheid vom 27. Mai 2013 vor. Erfolge eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt des Grundsicherungsträgers, könne der erwerbsfähige Hilfebedürftige, soweit er mit den dortigen Regelungen nicht einverstanden sei, diesen Verwaltungsakt dementsprechend durch Anfechtung zur Überprüfung stellen.

Vorliegend habe sich der Bescheid vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2013 jedoch nach § 39 Abs. 2 SGB X mit Einhaltung der in der Eingliederungsvereinbarung geregelten Verpflichtung erledigt. Der Beklagte habe hierzu in der mündlichen Verhandlung nochmals zugesichert, dass eine Sanktionierung auf Grundlage der für den Zeitraum 27. Mai 2013 bis 19. August 2013 gültigen Eingliederungsvereinbarung nicht erfolgt sei und auch nicht mehr erfolgen werde.

Das Begehren des Klägers sei zu Überzeugung des SG nunmehr dahingehend auszulegen, dass er anstelle einer Aufhebung der erledigten Bescheide einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit stelle (vgl. § 131 Abs. 1 S. 3 SGG). Eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage sei jedoch unzulässig. Es fehle an dem für diese Feststellung erforderlichen schutzwürdigen Interesse. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses setze voraus, dass dem angestrebten gerichtlichen Ausspruch über die Rechtswidrigkeit des Bescheides eine rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Bedeutung zukomme, wobei es maßgeblich darauf ankomme, ob die angestrebte Entscheidung geeignet sein könne, die Position des Klägers zu verbessern. Die Rechtsprechung habe daher ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht bei Präjudizialität für Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche, bei Wiederholungsgefahr sowie bei dem Wunsch nach Rehabilitation. Für eine Präjudizialität der Entscheidung gebe es vorliegend keine Anhaltspunkte. Auch eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Diese setze eine ausreichend konkrete, in naher Zukunft oder doch absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr der Wiederholung des Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen voraus. Eine zeitlich ungewisse Möglichkeit, dass die Rechtsfrage wieder einmal Bedeutung erlangen werde, genüge dabei nicht. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte auch künftig von der Möglichkeit des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II Gebrauch mache und einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt erlassen werde. Diese allenfalls als generell zu bezeichnende Gefahr genüge jedoch für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II hänge stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Selbst wenn der Bescheid vom 27. Mai 2013 rechtswidrig gewesen sein sollte, müsse dies nicht zwangsläufig auch für die künftigen, Eingliederungsvereinbarungen ersetzenden Verwaltungsakte des Beklagten gelten. Dies sei umso mehr anzunehmen, als zwischenzeitlich mehr als ein Jahr vergangen und seit dem keine neue Eingliederungsvereinbarung gegenüber dem Kläger erlassen worden sei und der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Absehen von Eingliederungsvereinbarungen gegenüber dem Kläger bis auf weiteres mitgeteilt habe. Schließlich sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation abzulehnen, denn dem Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2013 komme bei objektiver Betrachtung keine diskriminierende, die Menschenwürde bzw. die Persönlichkeitsrechte oder das Ansehen erheblich beeinträchtigende Wirkung zu und verletze den Kläger darüber hinaus nicht in seinen Grundrechten.

Gegen das am 8. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat Kläger am 7. November 2014 Berufung eingelegt. Er macht u.a. sinngemäß geltend, dass Rechtsfehler vorlägen. Seine gesundheitliche Situation und die fehlende Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung müssten berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2013 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und dem erstinstanzlichen Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.

Soweit die Ehefrau erstinstanzlich nach Aufhebung des Bescheids vom 21. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 12. Juni 2013 sich nicht mehr dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ausgesetzt sieht, ist eine Berufung für sie auch nicht eingelegt worden. Diesbezügliche Ausführungen sind nicht ersichtlich. Eine solche wäre nach dem Teilanerkenntnis des Beklagte und der entsprechenden Verurteilung durch das SG mangels Beschwer zudem bereits unzulässig.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Der Bescheid vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Das SG hat die Sach- und Rechtslage zutreffend festgestellt und gewürdigt und ist zum überzeugenden Ergebnis gelangt, dass dieses Verwaltungshandeln nicht zu beanstanden ist. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus den vom SG getroffenen Erwägungen zur Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt.

Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 7. November 2014 entweder keinen Bezug zum hiesigen Streitgegenstand haben oder in der vorgetragenen Form unzutreffend sind.

Im Übrigen steht es dem SG bei Anberaumung der mündlichen Verhandlung frei, ob es das persönliche Erscheinen von Klägern für zweckdienlich hält und daher anordnet. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zwar, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündlicher Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung in Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 110 RdNr 11; BVerwG NVwZ-RR 1995, 549). Dies ist vorliegend der Fall gewesen.

Da das angefochtene Urteil demnach nicht zu beanstanden ist, weist Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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