Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 450/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1952/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 23. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 23.04.2015, mit dem sein Antrag, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen "aG" zu zuerkennen, abgelehnt wurde.
Bei dem am 21.07.1973 geborenen Antragsteller stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 16.02.1998 den GdB mit 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" fest.
Am 24.03.2014 beantragte der Antragsteller beim zwischenzeitlich zuständigen Landratsamt R. (LRA) die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG". Mit Bescheid vom 10.07.2014 stellte das LRA wegen einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke und einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 50) sowie eines Diabetes mellitus (GdB 30) den GdB mit 60 seit dem 23.03.2014 neu fest. Gleichzeitig wurde unter Beibehaltung der Feststellung des Merkzeichens "G" die Feststellung des Merkzeichens "aG" abgelehnt.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 12.07.2014 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Bewertung des Diabetes und die Nichtberücksichtigung einer diabetischen Polyneuropathie, die ihm dauerhafte Schmerzen bereite, sowie einer Hypertonie wandte. Sein Rückenleiden habe sich deutlich verschlimmert. Der GdB sei deswegen auf 80 zu erhöhen und ihm unter Berücksichtigung der Polyneuropathie das Merkzeichen "aG" zu zuerkennen. Es sei ihm nicht möglich, mit den Hilfen des Schwerbehindertenausweises seine Arzttermine und physikalischen Behandlungen wahrzunehmen. Bei starken Rückenschmerzen und durch die neuropathischen Schmerzen sei das Gehen kaum möglich. Im Juli 2014 sei sogar ein Hausbesuch wegen offener Beine erforderlich gewesen, da er Dr. W. in seiner Praxis nicht habe aufsuchen können.
Außerdem stellte der Antragsteller beim SG am 13.07.2014 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (S 6 SB 1./14 ER). Er trug zur Begründung vor, aufgrund der Polyneuropathie sei teilweise so, dass er sich nur mit Hilfe fortbewegen könne. Aufgrund der Medikamente könne er momentan nicht selbst fahren. Er sei auf ein Taxi bzw. Behindertenfahrdienste angewiesen.
Das SG hörte vom Antragsteller benannte Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der vom Antragsteller als Hausarzt benannte Dr. W. schätzte in seiner Stellungnahme vom 29.07.2014 beim Antragsteller den GdB auf 30 bis 40 ein und verneinte das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Dr. W. legte medizinische Befundunterlagen vor. Der Internist und Diabetologe Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.09.2014 die von ihm erhobenen Befunde mit. Beim Antragsteller bestehe eine gewisse Gehbehinderung. Das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung müsse durch einen entsprechenden Facharzt der Orthopädie festgestellt werden.
Mit Beschluss vom 25.09.2014 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruches hinsichtlich der Gewährung des Merkzeichens "aG" nicht glaubhaft gemacht. Außerdem bestehe kein Anordnungsgrund. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Erhöhung des GdB bei offen gelassenem Anordnungsanspruch. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller keine Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2015 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des LRA vom 10.07.2014 zurück.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 28.02.2015 beim SG Klage (S 6 SB 4./15). Gleichzeitig beantragte er das "Eilverfahren". Er machte zur Begründung einen Diabetes mellitus, eine psychische Erkrankung, kardiologische Probleme, eine Diabetes Ulcera an den Füßen sowie eine chronische Schmerzsymptomatik geltend und berief sich auf Befunde aus einem anhängigen Verfahren gegen die deutsche R. B ... Er machte - auch im Wege der einstweiligen Anordnung - einen GdB von 80 sowie die Gewährung des Merkzeichens "aG" geltend.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 23.04.2015 den Eilantrag des Antragstellers ab. Es könne offen bleiben, ob das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht worden sei. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsgrund hinsichtlich des Merkzeichens "aG" geltend gemacht. Ein Anordnungsgrund fehle auch bezüglich der Erhöhung des GdB.
Gegen den dem Antragsteller am 25.04.2014 zugestellten Beschluss hat er am 05.05.2015 beim SG Beschwerde eingelegt, die dem LSG zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Er hat sich zur Begründung gegen die Bewertung des Diabetes gewandt. Ihm sei des Weiteren nicht möglich, längere Gehstrecken zu gehen und ohne fremde Hilfe (Taxi oder Krankentransport) seinen Arzt bzw. behandelnde Fachärzte zu erreichen bzw. aufzusuchen.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beim SG angefallenen Akten sowie die Senatsakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Dies ist bei einer Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dann der Fall, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Eine auf die Zuerkennung eines höheren GdB sowie des Nachteilsausgleiches "aG" gerichtete Berufung ist aber nicht (nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) ausgeschlossen. Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet.
Der vom Antragsteller am 28.02.2015 beim SG zusammen mit seiner Klage (S 6 4./15) hinsichtlich des Bescheides des LRA vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2015 erneut gestellte "Eilantrag" ist bereits aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 (S 6 SB 1./14 ER) unzulässig.
Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwachsen in Ansehung der Vorschriften der §§ 172, 177 SGG in formelle Rechtskraft. Darüber hinaus ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass sie auch der materiellen Rechtskraft (entsprechend § 141 SGG) fähig sind (vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 27.06.2014 - L 8 AL 3./14 WA -). Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem der wiederholte Streit der Beteiligten über dieselbe Streitsache mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verhindert wird. Ein derartiges Bedürfnis besteht auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung. Ein wiederholter, auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichteter Antrag ist deshalb im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls bei unveränderter Sach- und Rechtslage unzulässig. Eine derartige Identität des Streitgegenstandes ist gegeben, wenn das Rechtsschutzbegehren, das durch den erhobenen prozessualen Anspruch, d.h. den im Rahmen des gestellten Antrags dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt, bestimmt wird, gleichgeblieben ist und sich auch hinsichtlich der entscheidungserheblichen Rechtslage, d.h. vor allem bezüglich der der früheren Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, keine Änderung ergeben hat (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.09.2010 - L 7 SO 3./10 ER-B -, veröffentlicht in juris und im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de, m.w.N., dem sich der Senat anschließt; Roos/Wahrendorf, SGG, § 86b, RdNrn. 166, 167 m.w.N.).
Vorliegend steht dem erneuten "Eilantrag" des Antragstellers die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 (S 6 SB 1./14 ER-B) entgegen. Das jetzige einstweilige Rechtsschutzbegehren fußt auf demselben Lebenssachverhalt. Neue, erst nach Abschluss des vorgenannten Verfahrens eingetretene Tatsachen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller strebt weiterhin an, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen "aG" zuzusprechen. Dieses Begehren hatte das SG bereits mit Beschluss vom 25.09.2014 - auch - mangels eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Neue, erst nach dem Beschluss vom 25.09.2014 eingetretene Tatsachen, die einen Anordnungsgrund begründen, hat der Antragsteller im wiederholten "Eilantrag" vom 28.02.2015 nicht glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsteller eine Verschlimmerung kardiologischer Probleme geltend macht, betrifft dieses Vorbringen lediglich den Anordnungsanspruch und nicht den Anordnungsgrund. Allerdings ist nach dem Ergehen des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 hinsichtlich des Merkzeichens "aG" eine Änderung der Rechtlage dahin eingetreten, dass mit der am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX (i.d.F. vom 07.01.2015) eine Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" geschaffen wurde. Danach sind vorübergehend bis zum Erlass der neuen, auf § 70 Abs. 2 SGB IX beruhenden Verordnung die Bewertungsmaßstäbe der bisherigen VG Teil D unmittelbar als gesetzliche Regelung anzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 7./13 -, veröffentlicht in juris und im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de). Diese Rechtsänderung betrifft aber ebenfalls den Anordnungsanspruch und nicht den Anordnungsgrund, weshalb durch die genannte Rechtsänderung eine entscheidungserhebliche Änderung nicht eingetreten ist. Der im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreites erneut gestellte "Eilantrag" des Antragstellers ist deshalb unzulässig.
Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen zur vorläufigen Feststellung des Merkzeichens "aG" sowie eines GdB von 80 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor dem SG auch in der Sache weiterhin nicht vor.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Haupt-sacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
In Verfahren nach dem SGB IX sind Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz nicht grundsätzlich ausgeschlossen, unterliegen allerdings besonderen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Denn grundsätzlich ist es Antragstellern, insbesondere denjenigen, für die - wie beim Antragsteller - bereits die Schwerbehinderung festgestellt ist, zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das gilt im Grundsatz auch, wenn Merkzeichen geltend gemacht werden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt erst dann in Betracht, wenn über die bloße Beschleunigung hinaus besondere Interessen des Antragstellers zu berücksichtigen sind.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall weiterhin nicht erfüllt, wie das SG im angefochtenen Beschluss vom 23.04.2015 zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis, worauf er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG - analog -).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Dass dem Antragsteller hinsichtlich des Merkzeichens "aG" als Anordnungsgrund schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile dadurch entstehen, dass er notwendige Arzttermine nicht wahrnehmen könne, wie er geltend macht, ist nicht glaubhaft gemacht. Zwar kann durch die noch zu treffende Entscheidung in der Hauptsache der Nachteil, dass der Antragsteller derzeit keinen Behindertenparkplatz benutzen darf, nicht mehr nachträglich beseitigt werden. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Widerspruchsverfahren machte der Hausarzt des Antragstellers Dr. W., falls nötig, jedoch Hausbesuche. Weiter ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller unbedingt notwendige Arzttermine deshalb nicht wahrnehmen kann, weil ihm kein entsprechender Behindertenparkplatz, zu dessen Benützung das Merkzeichen "aG" berechtigt, zur Verfügung steht. Abgesehen davon, dass für den Senat auch nicht ersichtlich ist, weshalb die Notwendigkeit der Nutzung von Behindertenparkplätzen zur Wahrnehmung von Arztterminen gegeben sein soll, da neben behandelbarer Akuterkrankung nach ärztlicher Aussage eine ausreichende Gehfähigkeit für Nutzung allgemein zugänglicher Parkflächen besteht, ist die gegebene Begründung auch unplausibel. Der Antragsteller hat vorgetragen, derzeit wegen der akuten Erkrankung an den Füssen zum Führen eines Kraftfahrzeuges selbst nicht in der Lage zu sein. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, und er deshalb auf einen Transport durch Dritte (Taxi bzw. Behindertenfahrdienste) angewiesen sein sollte, würde dies durch die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht beeinflusst, weshalb die vom Antragsteller begehrte vorläufige Regelung hinsichtlich des Merkzeichens "aG" letztendlich "ins Leere" ginge.
Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die Feststellung des GdB mit 80 ist nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann offen bleiben, ob das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die Neufeststellung des GdB mit 80 (statt 60) grundsätzlich ausgeschlossen ist. Denn für die Neufeststellung des GdB mit 80 ist beim Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht ersichtlich. Es ist nicht zu erkennen, dass bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache der Antragsteller wesentliche Nachteile erleidet. Sollte sich im Hauptsacheverfahren ergeben, dass beim Antragsteller tatsächlich einen GdB von 80 festzustellen ist, kann dieser GdB - gegebenenfalls - rückwirkend ab Änderung der Verhältnisse festgestellt werden.
Dem Antragsteller ist deshalb zuzumuten, sowohl hinsichtlich des Merkzeichens "aG" wie auch hinsichtlich des GdB den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 23.04.2015, mit dem sein Antrag, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen "aG" zu zuerkennen, abgelehnt wurde.
Bei dem am 21.07.1973 geborenen Antragsteller stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 16.02.1998 den GdB mit 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" fest.
Am 24.03.2014 beantragte der Antragsteller beim zwischenzeitlich zuständigen Landratsamt R. (LRA) die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG". Mit Bescheid vom 10.07.2014 stellte das LRA wegen einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke und einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 50) sowie eines Diabetes mellitus (GdB 30) den GdB mit 60 seit dem 23.03.2014 neu fest. Gleichzeitig wurde unter Beibehaltung der Feststellung des Merkzeichens "G" die Feststellung des Merkzeichens "aG" abgelehnt.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 12.07.2014 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Bewertung des Diabetes und die Nichtberücksichtigung einer diabetischen Polyneuropathie, die ihm dauerhafte Schmerzen bereite, sowie einer Hypertonie wandte. Sein Rückenleiden habe sich deutlich verschlimmert. Der GdB sei deswegen auf 80 zu erhöhen und ihm unter Berücksichtigung der Polyneuropathie das Merkzeichen "aG" zu zuerkennen. Es sei ihm nicht möglich, mit den Hilfen des Schwerbehindertenausweises seine Arzttermine und physikalischen Behandlungen wahrzunehmen. Bei starken Rückenschmerzen und durch die neuropathischen Schmerzen sei das Gehen kaum möglich. Im Juli 2014 sei sogar ein Hausbesuch wegen offener Beine erforderlich gewesen, da er Dr. W. in seiner Praxis nicht habe aufsuchen können.
Außerdem stellte der Antragsteller beim SG am 13.07.2014 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (S 6 SB 1./14 ER). Er trug zur Begründung vor, aufgrund der Polyneuropathie sei teilweise so, dass er sich nur mit Hilfe fortbewegen könne. Aufgrund der Medikamente könne er momentan nicht selbst fahren. Er sei auf ein Taxi bzw. Behindertenfahrdienste angewiesen.
Das SG hörte vom Antragsteller benannte Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der vom Antragsteller als Hausarzt benannte Dr. W. schätzte in seiner Stellungnahme vom 29.07.2014 beim Antragsteller den GdB auf 30 bis 40 ein und verneinte das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Dr. W. legte medizinische Befundunterlagen vor. Der Internist und Diabetologe Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.09.2014 die von ihm erhobenen Befunde mit. Beim Antragsteller bestehe eine gewisse Gehbehinderung. Das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung müsse durch einen entsprechenden Facharzt der Orthopädie festgestellt werden.
Mit Beschluss vom 25.09.2014 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruches hinsichtlich der Gewährung des Merkzeichens "aG" nicht glaubhaft gemacht. Außerdem bestehe kein Anordnungsgrund. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Erhöhung des GdB bei offen gelassenem Anordnungsanspruch. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller keine Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2015 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des LRA vom 10.07.2014 zurück.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 28.02.2015 beim SG Klage (S 6 SB 4./15). Gleichzeitig beantragte er das "Eilverfahren". Er machte zur Begründung einen Diabetes mellitus, eine psychische Erkrankung, kardiologische Probleme, eine Diabetes Ulcera an den Füßen sowie eine chronische Schmerzsymptomatik geltend und berief sich auf Befunde aus einem anhängigen Verfahren gegen die deutsche R. B ... Er machte - auch im Wege der einstweiligen Anordnung - einen GdB von 80 sowie die Gewährung des Merkzeichens "aG" geltend.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 23.04.2015 den Eilantrag des Antragstellers ab. Es könne offen bleiben, ob das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht worden sei. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsgrund hinsichtlich des Merkzeichens "aG" geltend gemacht. Ein Anordnungsgrund fehle auch bezüglich der Erhöhung des GdB.
Gegen den dem Antragsteller am 25.04.2014 zugestellten Beschluss hat er am 05.05.2015 beim SG Beschwerde eingelegt, die dem LSG zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Er hat sich zur Begründung gegen die Bewertung des Diabetes gewandt. Ihm sei des Weiteren nicht möglich, längere Gehstrecken zu gehen und ohne fremde Hilfe (Taxi oder Krankentransport) seinen Arzt bzw. behandelnde Fachärzte zu erreichen bzw. aufzusuchen.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beim SG angefallenen Akten sowie die Senatsakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Dies ist bei einer Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dann der Fall, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Eine auf die Zuerkennung eines höheren GdB sowie des Nachteilsausgleiches "aG" gerichtete Berufung ist aber nicht (nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) ausgeschlossen. Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet.
Der vom Antragsteller am 28.02.2015 beim SG zusammen mit seiner Klage (S 6 4./15) hinsichtlich des Bescheides des LRA vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2015 erneut gestellte "Eilantrag" ist bereits aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 (S 6 SB 1./14 ER) unzulässig.
Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwachsen in Ansehung der Vorschriften der §§ 172, 177 SGG in formelle Rechtskraft. Darüber hinaus ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass sie auch der materiellen Rechtskraft (entsprechend § 141 SGG) fähig sind (vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 27.06.2014 - L 8 AL 3./14 WA -). Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem der wiederholte Streit der Beteiligten über dieselbe Streitsache mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verhindert wird. Ein derartiges Bedürfnis besteht auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung. Ein wiederholter, auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichteter Antrag ist deshalb im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls bei unveränderter Sach- und Rechtslage unzulässig. Eine derartige Identität des Streitgegenstandes ist gegeben, wenn das Rechtsschutzbegehren, das durch den erhobenen prozessualen Anspruch, d.h. den im Rahmen des gestellten Antrags dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt, bestimmt wird, gleichgeblieben ist und sich auch hinsichtlich der entscheidungserheblichen Rechtslage, d.h. vor allem bezüglich der der früheren Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, keine Änderung ergeben hat (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.09.2010 - L 7 SO 3./10 ER-B -, veröffentlicht in juris und im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de, m.w.N., dem sich der Senat anschließt; Roos/Wahrendorf, SGG, § 86b, RdNrn. 166, 167 m.w.N.).
Vorliegend steht dem erneuten "Eilantrag" des Antragstellers die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 (S 6 SB 1./14 ER-B) entgegen. Das jetzige einstweilige Rechtsschutzbegehren fußt auf demselben Lebenssachverhalt. Neue, erst nach Abschluss des vorgenannten Verfahrens eingetretene Tatsachen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller strebt weiterhin an, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen "aG" zuzusprechen. Dieses Begehren hatte das SG bereits mit Beschluss vom 25.09.2014 - auch - mangels eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Neue, erst nach dem Beschluss vom 25.09.2014 eingetretene Tatsachen, die einen Anordnungsgrund begründen, hat der Antragsteller im wiederholten "Eilantrag" vom 28.02.2015 nicht glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsteller eine Verschlimmerung kardiologischer Probleme geltend macht, betrifft dieses Vorbringen lediglich den Anordnungsanspruch und nicht den Anordnungsgrund. Allerdings ist nach dem Ergehen des Beschlusses des SG vom 25.09.2014 hinsichtlich des Merkzeichens "aG" eine Änderung der Rechtlage dahin eingetreten, dass mit der am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX (i.d.F. vom 07.01.2015) eine Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" geschaffen wurde. Danach sind vorübergehend bis zum Erlass der neuen, auf § 70 Abs. 2 SGB IX beruhenden Verordnung die Bewertungsmaßstäbe der bisherigen VG Teil D unmittelbar als gesetzliche Regelung anzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 7./13 -, veröffentlicht in juris und im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de). Diese Rechtsänderung betrifft aber ebenfalls den Anordnungsanspruch und nicht den Anordnungsgrund, weshalb durch die genannte Rechtsänderung eine entscheidungserhebliche Änderung nicht eingetreten ist. Der im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreites erneut gestellte "Eilantrag" des Antragstellers ist deshalb unzulässig.
Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen zur vorläufigen Feststellung des Merkzeichens "aG" sowie eines GdB von 80 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor dem SG auch in der Sache weiterhin nicht vor.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Haupt-sacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
In Verfahren nach dem SGB IX sind Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz nicht grundsätzlich ausgeschlossen, unterliegen allerdings besonderen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Denn grundsätzlich ist es Antragstellern, insbesondere denjenigen, für die - wie beim Antragsteller - bereits die Schwerbehinderung festgestellt ist, zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das gilt im Grundsatz auch, wenn Merkzeichen geltend gemacht werden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt erst dann in Betracht, wenn über die bloße Beschleunigung hinaus besondere Interessen des Antragstellers zu berücksichtigen sind.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall weiterhin nicht erfüllt, wie das SG im angefochtenen Beschluss vom 23.04.2015 zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis, worauf er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG - analog -).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Dass dem Antragsteller hinsichtlich des Merkzeichens "aG" als Anordnungsgrund schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile dadurch entstehen, dass er notwendige Arzttermine nicht wahrnehmen könne, wie er geltend macht, ist nicht glaubhaft gemacht. Zwar kann durch die noch zu treffende Entscheidung in der Hauptsache der Nachteil, dass der Antragsteller derzeit keinen Behindertenparkplatz benutzen darf, nicht mehr nachträglich beseitigt werden. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Widerspruchsverfahren machte der Hausarzt des Antragstellers Dr. W., falls nötig, jedoch Hausbesuche. Weiter ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller unbedingt notwendige Arzttermine deshalb nicht wahrnehmen kann, weil ihm kein entsprechender Behindertenparkplatz, zu dessen Benützung das Merkzeichen "aG" berechtigt, zur Verfügung steht. Abgesehen davon, dass für den Senat auch nicht ersichtlich ist, weshalb die Notwendigkeit der Nutzung von Behindertenparkplätzen zur Wahrnehmung von Arztterminen gegeben sein soll, da neben behandelbarer Akuterkrankung nach ärztlicher Aussage eine ausreichende Gehfähigkeit für Nutzung allgemein zugänglicher Parkflächen besteht, ist die gegebene Begründung auch unplausibel. Der Antragsteller hat vorgetragen, derzeit wegen der akuten Erkrankung an den Füssen zum Führen eines Kraftfahrzeuges selbst nicht in der Lage zu sein. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, und er deshalb auf einen Transport durch Dritte (Taxi bzw. Behindertenfahrdienste) angewiesen sein sollte, würde dies durch die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht beeinflusst, weshalb die vom Antragsteller begehrte vorläufige Regelung hinsichtlich des Merkzeichens "aG" letztendlich "ins Leere" ginge.
Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die Feststellung des GdB mit 80 ist nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann offen bleiben, ob das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die Neufeststellung des GdB mit 80 (statt 60) grundsätzlich ausgeschlossen ist. Denn für die Neufeststellung des GdB mit 80 ist beim Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht ersichtlich. Es ist nicht zu erkennen, dass bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache der Antragsteller wesentliche Nachteile erleidet. Sollte sich im Hauptsacheverfahren ergeben, dass beim Antragsteller tatsächlich einen GdB von 80 festzustellen ist, kann dieser GdB - gegebenenfalls - rückwirkend ab Änderung der Verhältnisse festgestellt werden.
Dem Antragsteller ist deshalb zuzumuten, sowohl hinsichtlich des Merkzeichens "aG" wie auch hinsichtlich des GdB den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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