Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2240/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4594/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.07.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit vom 03.03.1975 bis 30.06.1990 die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Entgelte.
Der 1950 geborene Kläger legte im Februar 1975 erfolgreich die staatliche Abschlussprüfung an der Ingenieurhochschule Z. ab. Ihm wurde die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur verliehen. Nach der Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nach eigenen Angaben (Bl. 8 VA) in folgenden Funktionen tätig:
03.03.1975 - 31.01.1981 Bauleiter für E-Technik VEB Kraftwerksanlagenbau B ... 02.02.1981 - 31.03.1984 Abteilungsleiter VEB Zierporzellanwerke L. 01.04.1984 - 31.05.1990 Bauleiter Ausrüstung VEB Wasserversorgung S.
Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger für seine Tätigkeiten nicht.
Ab 01.06.1990 - und damit auch am 30.06.1990 - war er hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde N. in T ...
Am 30.03.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Mit Bescheid vom 08.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Insbesondere komme eine nachträgliche Einbeziehung in die AVItech nicht in Betracht, da der Kläger am 30.06.1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb (VEB) ausgeübt habe. Auch die Beschäftigungszeit im Juni 1990 als Bürgermeister könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zur AVSt berücksichtigt werden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013).
Deswegen hat der Kläger am 26.06.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Er sei zwar am 30.06.1990 Bürgermeister der Stadt N. gewesen, welche unbestritten kein VEB oder gleichgestellter Betrieb gewesen sei. Er berufe sich aber auf die so genannte Nachwirkungsfrist in § 2 Abs. 4 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die AVItech (2. DB zur VO-AVItech). Sinn dieser Norm sei es gewesen, Betroffene, die sich in ein öffentliches Amt begeben haben, vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben, dass sie nun nicht mehr in einem VEB tätig sind. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16.07.2014 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht in ein Versorgungssystem der AVItech tatsächlich einbezogen gewesen. Ein entsprechender Anspruch lasse sich vorliegend auch nicht aufgrund der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 1 AAÜG herleiten. Denn der Kläger sei am Stichtag 30.06.1990 nicht in einem Betrieb beschäftigt gewesen, der von der AVItech erfasst sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech. Die Vorschrift finde auf den Kläger keine Anwendung, weil er vor seiner Bürgermeistertätigkeit tatsächlich nicht in die AVItech einbezogen gewesen sei.
Gegen das ihm am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.11.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung dieser im Wesentlichen sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt.
Er beantragt (Bl. 2a LSG-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013 zu verpflichten, die Zeit vom 03.03.1975 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech schütze den Inhaber eines Anspruchs bzw. Inhaber einer Anwartschaft auf zusätzliche Altersversorgung vor dem Verlust einer erworbenen Rechtsposition. Eine solche rechtliche Stellung habe der Kläger jedoch vor seinem Wechsel in das Bürgermeisteramt nicht inne gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz als Pflichtbeitragszeiten sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte ablehnte, weil dieses Gesetz für den Kläger nicht anwendbar sei.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 a.a.O. bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG, Urteil vom 15.06.2010, B 5 RS 10/09 R, juris). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 10.04.2002, B 4 RA 34/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 3) der Fall, wenn am 01.08.1991 (Inkrafttreten des AAÜG) durch eine verbindliche Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelfallentscheidung, Einzelvertrag) eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt oder zuerkannt und rechtswidrig zurückgenommen worden war. Eine solche Einzelfallregelung bzw. deren Rücknahme liegt hier nicht vor.
Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 scheidet von vornherein aus. Denn ein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten.
Das BSG hat darüber hinaus in verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG entschieden (ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr 2), dass auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft "erworben" hatten, denen eine solche Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30.06.1990 hätte zuerkannt werden müssen. Dies war bei denjenigen der Fall, die am 30.06.1990 nach den Regeln des jeweiligen Versorgungssystems in die Versorgung einzubeziehen waren und denen eine Zusage auf Versorgung hätte erteilt werden müssen. Hintergrund des Stichtages 30.06.1990 ist die Tatsache, dass nach dem Recht der DDR und des Einigungsvertrages die Zusatzversorgungssysteme mit Wirkung vom 30.06.1990 geschlossen wurden und damit Neueinbeziehungen nicht mehr erfolgen konnten (BSG, Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 3/02 R in SozR aaO, Nr. 7). Bestand somit nach den Regeln der Versorgungssysteme ein Anspruch auf Einbeziehung, der - beispielsweise durch eine Versorgungszusage - noch nicht erfüllt war, war der 30.06.1990 der letzte Tag, diesen Anspruch zu realisieren. Dann aber mussten zu diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorliegen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2005, 1 BvR 1921/01 u.a.).
Doch auch diese Voraussetzungen sind - worauf das SG und die Beklagte zutreffend hingewiesen haben - beim Kläger nicht erfüllt. Denn er war am 01.08.1991 bezogen auf den Stichtag am 30.06.1990 nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft.
Ein Anspruch auf eine fingierte Versorgungsanwartschaft hängt nach der Rechtsprechung des BSG im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und der 2. DB von drei Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für (BSG, Urteil vom 29.07.2004, B 4 RA 12/04 R, juris) 1. Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, (persönliche Voraussetzung), und 2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (sog. betriebliche Voraussetzung).
Es kann dahin stehen, ob der Kläger die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllte. Denn in keinem Fall war am maßgeblichen Stichtag die betriebliche Voraussetzung verwirklicht.
Unstreitig war der Kläger am 30.06.1990 hauptamtlich als Bürgermeister für die Gemeinde N. tätig. Die AVItech erfasste jedoch keine Gemeinden. Dies hat das SG in seiner Entscheidung zutreffend und ausführlich unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG Brandenburg vom 06.10.2004 (L 2 RA 94/04, juris) dargelegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis ergibt sich entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht aus der Regelung in § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech. Danach erlosch der Anspruch auf Rente nicht für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.). Diese Vorschrift findet auf den Kläger bereits deswegen keine Anwendung, weil er vor dem 01.06.1990 tatsächlich nicht in die AVItech einbezogen war; mangels Einbeziehung besaß der Kläger auch keinen Anspruch auf Rente, der infolge seiner Beschäftigung bei der Gemeinde N. hätte erlöschen können (BSG, Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R a.a.O.; LSG Brandenburg a.a.O.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der "bisherige" Arbeitgeber, die Wasserversorgung S. , überhaupt noch ein volkseigener bzw. gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 VO-AVItech war; schließlich firmierte der bisherige Arbeitgeber des Klägers ausweislich des vom Kläger vorgelegten "Überleitungsvertrags" vom Juni 1990 zu diesem Zeitpunkt bereits als "Südthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung GmbH" (Bl. 37 SG-Akte). Ein in der Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen unterliegt gemäß der Rechtsprechung des BSG indes nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der 2. DB und damit der AVItech, weil es sich schon nicht um einen volkseigenen Betrieb handelte (Urteil vom 07.09.2006, B 4 RA 41/05 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit vom 03.03.1975 bis 30.06.1990 die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Entgelte.
Der 1950 geborene Kläger legte im Februar 1975 erfolgreich die staatliche Abschlussprüfung an der Ingenieurhochschule Z. ab. Ihm wurde die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur verliehen. Nach der Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nach eigenen Angaben (Bl. 8 VA) in folgenden Funktionen tätig:
03.03.1975 - 31.01.1981 Bauleiter für E-Technik VEB Kraftwerksanlagenbau B ... 02.02.1981 - 31.03.1984 Abteilungsleiter VEB Zierporzellanwerke L. 01.04.1984 - 31.05.1990 Bauleiter Ausrüstung VEB Wasserversorgung S.
Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger für seine Tätigkeiten nicht.
Ab 01.06.1990 - und damit auch am 30.06.1990 - war er hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde N. in T ...
Am 30.03.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Mit Bescheid vom 08.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Insbesondere komme eine nachträgliche Einbeziehung in die AVItech nicht in Betracht, da der Kläger am 30.06.1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb (VEB) ausgeübt habe. Auch die Beschäftigungszeit im Juni 1990 als Bürgermeister könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zur AVSt berücksichtigt werden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013).
Deswegen hat der Kläger am 26.06.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Er sei zwar am 30.06.1990 Bürgermeister der Stadt N. gewesen, welche unbestritten kein VEB oder gleichgestellter Betrieb gewesen sei. Er berufe sich aber auf die so genannte Nachwirkungsfrist in § 2 Abs. 4 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die AVItech (2. DB zur VO-AVItech). Sinn dieser Norm sei es gewesen, Betroffene, die sich in ein öffentliches Amt begeben haben, vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben, dass sie nun nicht mehr in einem VEB tätig sind. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16.07.2014 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht in ein Versorgungssystem der AVItech tatsächlich einbezogen gewesen. Ein entsprechender Anspruch lasse sich vorliegend auch nicht aufgrund der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 1 AAÜG herleiten. Denn der Kläger sei am Stichtag 30.06.1990 nicht in einem Betrieb beschäftigt gewesen, der von der AVItech erfasst sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech. Die Vorschrift finde auf den Kläger keine Anwendung, weil er vor seiner Bürgermeistertätigkeit tatsächlich nicht in die AVItech einbezogen gewesen sei.
Gegen das ihm am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.11.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung dieser im Wesentlichen sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt.
Er beantragt (Bl. 2a LSG-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013 zu verpflichten, die Zeit vom 03.03.1975 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech schütze den Inhaber eines Anspruchs bzw. Inhaber einer Anwartschaft auf zusätzliche Altersversorgung vor dem Verlust einer erworbenen Rechtsposition. Eine solche rechtliche Stellung habe der Kläger jedoch vor seinem Wechsel in das Bürgermeisteramt nicht inne gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2013, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz als Pflichtbeitragszeiten sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte ablehnte, weil dieses Gesetz für den Kläger nicht anwendbar sei.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 a.a.O. bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG, Urteil vom 15.06.2010, B 5 RS 10/09 R, juris). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 10.04.2002, B 4 RA 34/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 3) der Fall, wenn am 01.08.1991 (Inkrafttreten des AAÜG) durch eine verbindliche Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelfallentscheidung, Einzelvertrag) eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt oder zuerkannt und rechtswidrig zurückgenommen worden war. Eine solche Einzelfallregelung bzw. deren Rücknahme liegt hier nicht vor.
Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 scheidet von vornherein aus. Denn ein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten.
Das BSG hat darüber hinaus in verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG entschieden (ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr 2), dass auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft "erworben" hatten, denen eine solche Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30.06.1990 hätte zuerkannt werden müssen. Dies war bei denjenigen der Fall, die am 30.06.1990 nach den Regeln des jeweiligen Versorgungssystems in die Versorgung einzubeziehen waren und denen eine Zusage auf Versorgung hätte erteilt werden müssen. Hintergrund des Stichtages 30.06.1990 ist die Tatsache, dass nach dem Recht der DDR und des Einigungsvertrages die Zusatzversorgungssysteme mit Wirkung vom 30.06.1990 geschlossen wurden und damit Neueinbeziehungen nicht mehr erfolgen konnten (BSG, Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 3/02 R in SozR aaO, Nr. 7). Bestand somit nach den Regeln der Versorgungssysteme ein Anspruch auf Einbeziehung, der - beispielsweise durch eine Versorgungszusage - noch nicht erfüllt war, war der 30.06.1990 der letzte Tag, diesen Anspruch zu realisieren. Dann aber mussten zu diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorliegen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2005, 1 BvR 1921/01 u.a.).
Doch auch diese Voraussetzungen sind - worauf das SG und die Beklagte zutreffend hingewiesen haben - beim Kläger nicht erfüllt. Denn er war am 01.08.1991 bezogen auf den Stichtag am 30.06.1990 nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft.
Ein Anspruch auf eine fingierte Versorgungsanwartschaft hängt nach der Rechtsprechung des BSG im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und der 2. DB von drei Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für (BSG, Urteil vom 29.07.2004, B 4 RA 12/04 R, juris) 1. Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, (persönliche Voraussetzung), und 2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (sog. betriebliche Voraussetzung).
Es kann dahin stehen, ob der Kläger die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllte. Denn in keinem Fall war am maßgeblichen Stichtag die betriebliche Voraussetzung verwirklicht.
Unstreitig war der Kläger am 30.06.1990 hauptamtlich als Bürgermeister für die Gemeinde N. tätig. Die AVItech erfasste jedoch keine Gemeinden. Dies hat das SG in seiner Entscheidung zutreffend und ausführlich unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG Brandenburg vom 06.10.2004 (L 2 RA 94/04, juris) dargelegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis ergibt sich entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht aus der Regelung in § 2 Abs. 4 2. DB zur VO-AVItech. Danach erlosch der Anspruch auf Rente nicht für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.). Diese Vorschrift findet auf den Kläger bereits deswegen keine Anwendung, weil er vor dem 01.06.1990 tatsächlich nicht in die AVItech einbezogen war; mangels Einbeziehung besaß der Kläger auch keinen Anspruch auf Rente, der infolge seiner Beschäftigung bei der Gemeinde N. hätte erlöschen können (BSG, Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R a.a.O.; LSG Brandenburg a.a.O.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der "bisherige" Arbeitgeber, die Wasserversorgung S. , überhaupt noch ein volkseigener bzw. gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 VO-AVItech war; schließlich firmierte der bisherige Arbeitgeber des Klägers ausweislich des vom Kläger vorgelegten "Überleitungsvertrags" vom Juni 1990 zu diesem Zeitpunkt bereits als "Südthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung GmbH" (Bl. 37 SG-Akte). Ein in der Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen unterliegt gemäß der Rechtsprechung des BSG indes nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der 2. DB und damit der AVItech, weil es sich schon nicht um einen volkseigenen Betrieb handelte (Urteil vom 07.09.2006, B 4 RA 41/05 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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