L 5 KR 2847/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1092/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2847/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.06.2013 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 26.07.2013, 14.02.2014, 17.06.2014, 29.12.2014 und 03.08.2015 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der von ihm zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1956 geborene Kläger bezieht seit dem 01.08.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund eines mehrjährigen Aufenthaltes in A. (1983 bis 1994) erfüllte er die Vorversicherungszeiten für die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nicht. Dies wurde von der Beklagten mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.09.2011 festgestellt. Seit dem 01.11.2011 ist der Kläger bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegepflichtversichert.

Mit Bescheid vom 13.01.2012 forderte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - vom Kläger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, errechnet auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage von 851,67 EUR monatlich für die Monate November und Dezember 2011 und von 875 EUR für die Zeit ab dem 01.01.2012. Die für die Monate November und Dezember 2011 nachzuentrichtenden Beiträge beliefen sich auf insgesamt 291,48 EUR. Ab dem 01.01.2012 betrug der monatliche Beitrag 149,68 EUR (Krankenversicherung (KV) 132,61 EUR, Pflegeversicherung (PV) 17,07 EUR). Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit Bescheid vom 19.06.2012, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, setzte die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) die ab dem 01.07.2012 zu entrichtenden Beiträge fest (KV 132,66 EUR, PV 17,06 EUR, Gesamtbeitrag: 149,72 EUR). Der Bescheid ersetze den bisherigen Beitragsbescheid zum 01.07.2012.

Auf Anfrage des Betreuers des Klägers erläuterte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 12.07.2012 die Beitragsberechnung und wies darauf hin, dass die Beiträge, obwohl die Rente des Klägers bis zum 30.06.2012 nur 372,06 EUR und seit dem 01.07.2012 380,47 EUR betrage, auf der Grundlage der bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigenden Mindestbemessungsgrundlage zu erheben seien.

Zur Begründung des am 20.07.2012 erhobenen Widerspruchs machte der Betreuer des Klägers geltend, die Kläger habe ohne Verschulden die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung in der KVdR nicht erfüllen können. Er habe sich lange Zeit in A. aufgehalten und sei sich nicht bewusst gewesen, welche Folgen dies für seine spätere Krankenversicherung in Deutschland haben könne. Er sei nicht freiwillig versichert, sondern weil es seine gesetzliche Pflicht sei. Dass sich die Höhe der Versicherungsbeiträge an der Mindestbemessungsgrundlage orientiere, führe dazu, dass der Kläger mehr als ein Drittel der monatlichen Einkünfte für die Krankenversicherung ausgeben müsse. Sein finanzieller Ruin sei damit vorprogrammiert. Die Beiträge seien an seinem tatsächlichen Einkommen auszurichten. In der Unterscheidung von freiwilliger und Pflichtversicherung dürfte ein Widerspruch zu Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) vorliegen.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 17.12.2012 setzte die Beklagte zu 1) die ab dem 01.01.2013 zu entrichtenden Beiträge erneut unter Zugrundelegung der Mindestbemessungsgrundlage fest (KV 136,13 EUR, PV 18,42 EUR, Gesamtbeitrag: 154,55 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2013 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1) - gleichzeitig auch als Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 2) - den Widerspruch zurück. Bei der Beitragsfestsetzung sei die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage zu beachten.

Dagegen erhob der Kläger am 07.03.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung machte er geltend, durch die Höhe der Beiträge komme es zu einer finanziellen Überforderung und Benachteiligung. Die Erhebung von Beiträgen nach der Mindestbemessungsgrundlage sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbiete eine finanzielle Überforderung und Benachteiligung wegen einer Behinderung. Eine solche Benachteiligung liege mit der faktischen Überforderung des monatlichen finanziellen Budgets vor. Er sei als freiwilliges Mitglied nicht weniger schutzbedürftig. Die Beiträge seien aus dem Bruttobetrag der Rente zu berechnen.

Die Beklagte zu 1) trat der Klage entgegen. Da der Kläger die erforderlichen Vorversicherungszeiten für die KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch (SGB) V nicht erfüllt habe, komme für ihn eine "Aufnahme in die Pflichtversicherung" nicht in Betracht. Für die Beitragsbemessung in der freiwilligen Versicherung gelte § 240 SGB V, der in Absatz 4 Satz 1 vorsehe, dass als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße heranzuziehen sei. Diese Mindestbemessungsgrundlage könne auch nicht unterschritten werden, wenn die tatsächlichen Einkünfte des Versicherten geringer seien. Reichten die Einkünfte des Versicherten nicht aus, um neben dem allgemeinen Lebensbedarf auch die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu zahlen, könne Sozialhilfe beantragt werden. Gegebenenfalls könne der Beitrag zur Krankenversicherung ganz oder teilweise vom Sozialhilfeträger übernommen werden. Daneben bestehe kein Bedürfnis, von der Anwendung der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage abzuweichen und den Betrag der tatsächlich bezogenen Rente der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.06.2013 ab. Die Beklagte zu 1) habe zu Recht die Beiträge unter Zugrundelegung der Mindesteinnahmen festgesetzt. Nach § 240 Abs. 4 S. 1 SGB V gelte als beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Dieser eindeutigen gesetzlichen Vorgabe entsprechend habe die Beklagte zu 1) in den angefochtenen Bescheiden die zutreffend ermittelte Mindestbemessungsgrundlage in der Höhe des 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde gelegt. Insbesondere komme es nach der gesetzlichen Regelung auf die Gründe, aus denen eine freiwillige Versicherung begründet worden sei, nicht an. Die gesetzliche Regelung begegne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.05.2004 - B 12 P 6/03 R - m.w.N. in juris).

Gegen den seinem Betreuer am 15.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.07.2013 Berufung eingelegt. Er hält die Entscheidung des SG für unzutreffend. Der Betreuer des Klägers hat vorgetragen, es sei zu bezweifeln, ob die Beitragsbemessung im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen stehe. Wer nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, dürfe nicht in die Altersarmut gezwungen werden. Bei der Prüfung der Vorversicherungszeiten des Klägers sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass der Kläger seit seinem 14. Lebensjahr Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei. Es sei auch der Sinn der Regelung infrage zu stellen, warum nur die zweite Hälfte der Versicherungszeit maßgeblich sei. Da der Kläger nicht gewusst habe, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen sein Wegzug nach A. haben würde, sei es der Beklagten im Sinne von Vertrauensschutz zuzumuten, die Zeit in A. bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten nicht auszuklammern.

Mit weiteren Bescheiden vom 26.07.2013, 14.02.2014, 17.06.2014, 29.12.2014 und 03.08.2015 hat die Beklagte zu 1), jeweils auch im Namen der Beklagten zu 2), unter Berücksichtigung von Änderungen der Einkommenshöhe und Beitragssatzänderung die KV- und PV-Beiträge des Klägers in neuer Höhe festgesetzt (zuletzt: KV 138,49 EUR, PV 22,21 EUR, Gesamtbeitrag: 160,70 EUR).

Der Kläger beantragt nach sachdienlicher Auslegung,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.06.2013 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 13.01.2012, 19.06.2012 und 17.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2013 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26.07.2013, 14.02.2014, 17.06.2014, 29.12.2014 und 03.08.2015 insoweit aufzuheben, als die Beklagten ab 01.11.2011 monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch aus der Differenz der ihm gezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung und der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage fordern.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie halten die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten zu 1) sowie auf die Gerichtsakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Einer Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Kläger selbst bedurfte es nicht, da die Prozessführung nach - hier erfolgtem - Eintritt in den Prozess allein in den Händen des Betreuers lag (BSG, Beschluss vom 10.07.2013, - B 5 R 185/13 B -, in juris). Die Betreuung umfasst nach dem Betreuerausweis vom 10.11.2014 auch die gerichtliche Vertretung gegenüber Behörden.

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und zulässig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Bemessung der Beiträge des Klägers zur KV und PV ab dem 01.11.2011. Der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 13.01.2012, mit dem die Beiträge des Klägers ab dem Beginn seiner freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten zu 1) ab 01.11.2011 festgesetzt worden sind, ist auch Gegenstand des Verfahrens geworden, da dieser Bescheid mangels Rechtsbehelfsbelehrung zum Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs gegen die Beitragsfestsetzung am 20.07.2012 noch nicht bestandskräftig geworden und damit ebenfalls angefochten worden war. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens (wie des Klageverfahrens) sind damit die Beitragsbescheide vom 13.01.2012, 19.06.2012 und 17.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2013. Die nachfolgend ergangenen Beitragsbescheide vom 26.07.2013, 14.02.2014, 17.06.2014, 29.12.2014 und 03.08.2015 sind ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens (§§ 153 Abs. 1, 96 SGG); insoweit entscheidet der Senat auf Klage (vgl. BSG, Urt. v. 25.02.2010, - B 13 R 61/09 R -, in juris). Da der Kläger sowohl die Festsetzung von Kranken- wie von Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2)); das Rubrum ist (nur) entsprechend zu berichtigen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urt. v. 22.05.2015, - L 4 KR 1271/13 - n. v.).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage gegen die Beitragsbescheide der Beklagten zu 1) vom 13.01.2012, 19.06.2012 und 17.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2013 zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Kläger hat als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) nach § 240 SGB V zu berechnende Beiträge zu entrichten. Soweit der Betreuer des Klägers im Berufungsverfahren mit Verweis auf die Zugehörigkeit des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 14. Lebensjahr und unter Äußerung von Zweifeln an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in die KVdR den Versicherungsstatus des Klägers in Frage stellt, ist dieser nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Aufnahme des Klägers in der KVdR hat die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 15.09.2011 abgelehnt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden, da Widerspruch dagegen nicht erhoben wurde. Zwar hat der Betreuer des Klägers dagegen - lediglich - mit E-Mail vom 21.09.2011 eingewandt, dass der Kläger nach seiner Rückkehr aus A. seit 1994 wieder durchgehend bei der Beklagten zu 1) versichert gewesen sei. Diese hat daraufhin mit Schreiben vom 30.09.2011 nochmals die Voraussetzungen für die Aufnahme in die KVdR erläutert. Hierzu erfolgte keine weitere Äußerung seitens des Betreuers. Dessen Widerspruch vom 20.07.2012 richtete sich nicht gegen die Ablehnung der Aufnahme des Klägers in die KVdR, sondern ausschließlich gegen die Beitragsbemessung. Dies ergibt sich aus einem Vermerk in den Akten der Beklagten zu 1) über ein mit dem Betreuer am 09.11.2012 geführtes Telefonat, in welchem der Betreuer gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten zu 1) klargestellt hat, dass der Widerspruch nicht die Pflichtversicherung der Rentner betreffe, da der Kläger wegen der Zeiten in A. dafür die Voraussetzungen nicht erfülle. Auch der im Berufungsverfahren zuletzt noch vom Betreuer geltend gemachte Einwand, der Beklagten sei zuzumuten, die Zeit in A. nicht auszuklammern, da dem Kläger die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen des Aufenthaltes dort nicht bewusst gewesen seien, verfängt aufgrund der bestandskräftigen Ablehnung der Aufnahme des Klägers in die KVdR nicht.

Der Kläger hat seine Berufung im Übrigen mit der gleichen Argumentation wie im erstinstanzlichen Verfahren begründet. Er hat erneut auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit aus seiner geringen Rente verwiesen. Ergänzend weist der Senat deshalb noch darauf hin, dass die Berechnung der Beiträge aus der Differenz zwischen der Rente und der aus § 240 Abs. 4 SGB V folgenden Mindestbemessungsgrundlage auch vor dem Hintergrund der geringen Rentenzahlung des Klägers zutreffend ist. Denn der Mindestbetrag darf selbst dann nicht unterschritten werden, wenn die Einkünfte des Versicherten wesentlich niedriger sind oder er gar keine Einkünfte erzielt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist in diesem Fall unbeachtlich (vgl. Baier in Krauskopf, Kommentar zur Sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, § 240 SGB V, RdNr. 38 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Der Kläger muss sich daher, sofern er nicht in der Lage ist, die Beiträge aus anderen Mitteln als der Rente aufzubringen, auf die Inanspruchnahme des Leistungsträgers des SGB XII verweisen lassen. Darauf hat auch die Beklagte zu 1) bereits im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend hingewiesen.

Diese Ausführungen gelten auch mit Blick auf die mit Klage angefochtenen Bescheide vom 26.07.2013, 14.02.2014, 14.06.2014, 29.12.2014 und 03.08.2014, weshalb auch die Klage gegen diese Bescheide abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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