L 10 R 2946/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2000/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2946/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22.05.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der am 1963 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, legte später die Meisterprüfung ab und war bis 1998 in diesem Berufsbereich tätig. Er nahm sodann eine Tätigkeit im innerbetrieblichen Fahrdienst des Zentrums für Psychiatrie Z. auf, wo er zunächst in Vollzeit und von 2003 bis März 2009 in Teilzeit tätig war. Im Rahmen einer Teilzeittätigkeit war der Kläger dann erneut im Jahr 2010 beschäftigt, und zwar einige Monate in einem Betrieb des Autoteilehandels. Eine berufliche Tätigkeit hat der Kläger seither nicht mehr ausgeübt.

Der Kläger leidet seit Jahren an einem chronischen Schmerzsyndrom. Eine erste stationäre Maßnahme zur Rehabilitation absolvierte er im Dezember 2001/Januar 2002 in der Rehaklinik G. , aus der er arbeitsfähig und mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten entlassen wurde. Auch aus der im August 2003 in der R. Bad R. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger arbeitsfähig entlassen. Sein hiernach im März 2004 gestellter Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos, ebenso das deshalb geführte gerichtliche Verfahren S 10 R 3460/04. Im Rahmen dessen erstattete der Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie sowie Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. M. , Chefarzt der Abteilung Innere Medizin/ Rheumatologie der Federseeklinik Bad B. , im Jahr 2005 ein Gutachten über den Kläger und diagnostizierte eine chronische Schmerzerkrankung des Bewegungsapparates im Sinne einer Fibromyalgie, die er als mittelgradig ausgeprägt mit mäßigen Einschränkungen im körperlichen Bereich und etwas ausgeprägter im geistigen und seelischen Bereich beschrieb; leichte, gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten erachtete er bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen vollschichtig für möglich. Nachfolgend wurde der Kläger im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Juli/August 2007 in der Federseeklinik behandelt, wobei er für die zwischenzeitlich in Teilzeit ausgeübte Fahrertätigkeit für arbeitsfähig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten überwiegend im Gehen, Stehen oder Sitzen sechs Stunden und mehr für leistungsfähig erachtet wurde. Zu vermeiden seien fixierte Körperhaltungen und Zwangshaltungen unter Tragen von körperfernen Lasten, Tätigkeiten mit fixierter Haltearbeit der oberen Extremitäten, Nachtschicht, Akkord- und Fließbandarbeit sowie Tätigkeiten mit hoher zeitlicher Taktung.

Am 30.11.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste das Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. , die den Kläger im Januar 2010 untersuchte und folgende Diagnosen stellte: somatoforme Schmerzstörung/Fibromyalgie, neurasthenische Komponente, rezidivierende Weichteilreizung beider Schultergelenke (derzeit bis endgradig frei beweglich), Knorpelschäden beider Kniegelenke (freie Beweglichkeit), Osteochondrose C 5 bis C 7, Diskopathie C 6/7 mit möglicher Irritation der Wurzel C 7 links (derzeit ohne radikuläres Defizit, zervikogene Kopfschmerzen, Wirbelsäulenfehlstatik). Die Gutachterin fand keine Hinweise für einen Mindergebrauch der oberen und unteren Extremitäten und keine herabgesetzte Schmerzschwelle bei der Untersuchung. Die Beschwerdeschilderung des Klägers beschrieb sie als insgesamt eher diffus. Darüber hinaus habe sich eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Gefühl, nicht mehr zu können, und den vom Kläger geschilderten Alltagsaktivitäten sowie der Funktionalität gezeigt, weshalb sie eine gewisse neurasthene Komponente sah. Die letzte Fahrertätigkeit mit Hebebelastungen bis 20 kg erachtete sie im Umfang von drei bis unter sechs Stunden weiterhin für möglich, ebenso leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten, auch als Fahrer, im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich. Zu vermeiden seien häufige Zwangshaltungen, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen, Knien und Hocken, häufiges Heben und Tragen über 10 kg, Gefährdungen durch Kälte und Nässe sowie Nachtschicht. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 26.01.2011 und der Begründung ab, mit dem vorhandenen beruflichen Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich bestehe kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010).

Am 09.06.2010 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, auf Grund der Schwere und Unberechenbarkeit seiner Fibromyalgie-Erkrankung nicht mehr in der Lage zu sein, regelmäßig sechs Stunden täglich zu arbeiten. Er hat das an seine Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin V. vorgelegt, wonach ein zumindest mittelschweres bis schweres Fibromyalgiesyndrom mit chronischen Schmerzen und vor allem einer chronischen Erschöpfung vorliege. Seit der Begutachtung durch Dr. M. im Jahr 2005 hätten sich vor allem die Erschöpfung und Konzentrations- bzw. Gedächtnisstörungen deutlich verschlechtert.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Fachärztin für Anästhesiologie Dipl. Med. G. hat im Oktober 2010 über Vorstellungen seit April 2010 berichtet, wobei eine Verbesserung der Schmerzsituation nicht eingetreten sei. Der Facharzt für Allgemeinmedizin V. , der den Kläger seit Juni 2009 behandelt, hat von einer Verschlechterung seit 2005 berichtet, und insbesondere von einem mittelschweren bis eher schweren chronischen Schmerzsyndrom vom Typ der Fibromyalgie mit einem ausgeprägten Fatigue-Syndrom. Das SG hat sodann das Gutachten des Dr. M. eingeholt, der den Kläger im Oktober 2011 untersucht hat. Der Sachverständige ist von einer chronischen Schmerzsymptomatik entsprechend der Kriterien einer Fibromyalgie bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks links mehr als rechts sowie einer Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule ausgegangen und hat die Leistungsfähigkeit des Klägers auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschätzt. Im Vergleich zu den Vorgutachten (2005 und 2003 im Rahmen des Verfahrens S 2 SB 1946/01) sei eine deutliche weitere Schmerzchronifizierung eingetreten, die sich zwar nicht unbedingt im klinischen Befund und im direkten Vergleich der Fragebögen abspiele, jedoch zeige der mitgebrachte ausführliche Schmerzfragebogen eine extreme Chronifizierung in mehreren Dimensionen. Des Weiteren werde relativ erfolglos eine schmerztherapeutische und psychologische Behandlung umgesetzt, wobei Antidepressiva und Schmerzmedikamente der WHO-Stufe-2 eingenommen würden, so dass neben der zunehmenden Schmerzchronifizierung auch von einer zunehmenden Behandlungsresistenz auszugehen sei. Insofern unterscheide sich die jetzige Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens von der Voreinschätzung. Gegen die hiergegen in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte von Dr. G. erhobenen Einwendungen (Beurteilung unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Klägers, keine Überprüfung der angegebenen Medikation durch Bestimmung des Medikamentenspiegels) hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes ergänzend geäußert, wozu wiederum Dr. G. Stellung genommen hat. Das SG hat sodann das Gutachten des Internisten Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers im September 2012 eingeholt, der diagnostisch von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung ausgegangen ist. Der Sachverständige hat ein unauffälliges und im Wesentlichen flüssiges Bewegungsmuster bei der körperlichen Untersuchung, eine kräftige Beschwielung der Handflächen, eine deutliche Verhornung der Fingerbeeren beider Hände mit diversen Gebrauchsspuren sowie unauffällig verhornte Fußflächen beschrieben und dargelegt, er habe keinerlei Signale erlebter Schmerzen erkennen können. Der Zustand der Hände habe erkennen lassen, dass die tatsächlichen Aktivitäten die vom Kläger berichteten deutlich überschreiten dürften. Die Bestimmung des Tramadol-Spiegels habe im Übrigen keine nachweisbare Menge dieses Medikaments und damit auch keinen therapeutisch wirksamen Spiegel gezeigt. Der Sachverständige hat leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Stressbelastbarkeit zumindest sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG sodann das Gutachten des Dr. H. , Internist/Rheumatologie und Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, auf Grund Untersuchung des Klägers im Januar 2013 eingeholt. Der Sachverständige ist von einer schweren chronischen Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp und einer beginnenden Binnenschädigung des rechten Kniegelenks ausgegangen und hat den Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Bereits im Jahr 2009 habe ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten bestanden, das im Jahr 2011 auf weniger als drei Stunden täglich herabgesunken sei. Zu den hiergegen von Dr. G. für die Beklagte erhobenen Einwendungen hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Auffassung ergänzend geäußert, wozu wiederum Dr. G. Stellung genommen hat. Das SG hat schließlich das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. auf Grund Untersuchung des Klägers im Dezember 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Fibromyalgie) diagnostiziert und keine Gründe gesehen, weshalb der Kläger nicht in der Lage sein sollte, überwiegend leichte Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu den seitens des Klägers gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen hat sich der Sachverständige ergänzend geäußert und an seiner Einschätzung festgehalten.

Mit Urteil vom 22.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten des Dr. S. , des Dr. W. und des Dr. G. ist es zu der Einschätzung gelangt, dass die von der somatoformen Schmerzstörung bzw. dem Fibromyalgiesyndrom ausgehenden Beeinträchtigungen nicht derart schwerwiegend sind, dass sie der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen im Umfang von sechs Stunden täglich entgegen stünden. Die Auffassungen des Dr. M. und des Dr. H. überzeugten demgegenüber nicht. Dr. M. habe schon keine relevante Befundänderung im Vergleich zu seinem Gutachten aus dem Jahr 2005 festgestellt, ist gleichwohl nunmehr jedoch zu einer quantitativen Leistungseinschränkung gekommen, die er wiederum mit einer Chronifizierung der Schmerzen und einer Behandlungsresistenz begründet habe.

Am 14.07.2014 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er stützt sein Begehren auf die Einschätzungen der Sachverständigen Dr. M. und Dr. H ... Demgegenüber überzeugten die Beurteilungen des Dr. W. , des Dr. S. und der Dr. G. nicht. Seine Ansicht werde zudem durch die Ausführungen des Facharztes für Allgemeinmedizin V. in seiner Stellungnahme vom 09.09.2015, die er vorgelegt hat, bestätigt.

Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 14.01.2015),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22.05.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Soweit der Kläger insoweit einwendet, er sei mit einer Entscheidung durch Beschluss nicht einverstanden, ist darauf hinzuweisen, dass § 153 Abs. 4 SGG das Einverständnis der Beteiligten gerade nicht voraussetzt. Eine mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Der vorgebrachte Wunsch des Klägers, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, ändert hieran nichts. Es ist auch nicht erkennbar, welche weitergehenden Erkenntnisse eine mündliche Verhandlung erbringen soll. Der Senat hat vielmehr die vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen zu würdigen.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat vermag ebenso wenig wie das SG festzustellen, dass der Kläger im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen voll erwerbsgemindert ist und ihm deshalb Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das entsprechende Begehren des Klägers ablehnte.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es ist weder festzustellen, dass der Kläger in dem oben dargelegten Sinn voll erwerbsgemindert ist, noch dass er nicht mehr über ein zumindest sechsstündiges berufliches Leistungsvermögen verfügt und ihm mithin wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes volle Erwerbsminderungsrente zusteht. Ebenso wie das SG vermag sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers auf ein entsprechendes rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken ist. Der Nachteil der Nichterweislichkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Denn nach diesem Grundsatz hat jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.

Im Vordergrund der die Leistungsfähigkeit des Klägers beeinträchtigenden Erkrankungen steht ein Schmerzsyndrom, das nach den Angaben des Klägers sämtliche Körperregionen betrifft. Davon, dass beim Kläger ein derartiges Schmerzsyndrom vorliegt, gehen sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen aus, wenn auch diese das beklagte Schmerzsyndrom diagnostisch nicht einheitlich zuordnen. So bezeichnete die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogene Gutachterin Dr. G. diese Symptomatik als somatoforme Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie. Der Sachverständige Dr. M. hat die Erkrankung als chronische Schmerzsymptomatik entsprechend der Kriterien einer Fibromyalgie bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung beschrieben und der Sachverständige Dr. S. ist von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung ausgegangen. Die Sachverständigen Dr. H. und Dr. W. haben die Diagnosen einer chronischen Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und Fibromyalgie gestellt.

Der Senat kann vorliegend dahingestellt sein lassen, welcher konkreten Diagnose das vom Kläger beklagte Schmerzsyndrom zutreffender Weise zuzuordnen ist. Denn für die zu beurteilende Frage, inwieweit der Kläger durch die Auswirkungen dieser Erkrankung in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist nicht die diagnostische Zuordnung der vorhandenen Symptomatik von Bedeutung, sondern vielmehr die hiervon ausgehenden funktionellen Einschränkungen und die dem Kläger damit verbliebene Fähigkeit zur Ausübung von beruflichen Tätigkeiten. Dementsprechend bedarf es auch keinen weitergehenden Ausführungen zu dem vom Kläger im Berufungsverfahren erhobenen Einwand, dass der Sachverständige Dr. W. zu Unrecht eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert habe, weil er die definitionsgemäß erforderlichen emotionalen Konflikte oder psychosozialen Belastungen gerade nicht habe explorieren können. Dass allerdings auch der Sachverständige Dr. M. , auf dessen Gutachten sich der Kläger stützt, diagnostisch ebenfalls von einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen ist, bedarf daher gleichermaßen keiner Vertiefung. Schließlich lässt sich von der diagnostischen Zuordnung der Erkrankung nicht auf eine bestimmte Einschränkung der Leistungsfähigkeit schließen. Denn keine der aufgeführten Diagnosen begründet bereits aus sich heraus die Annahme einer rentenrelevanten Leistungsminderung. Vielmehr können die entsprechenden Krankheitsbilder in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen, weshalb im Einzelfall der Schweregrad der jeweils vorliegenden Beeinträchtigungen festzustellen ist.

Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass die beim Kläger vorhandene Schmerzsymptomatik eine Schwere erreicht, die selbst leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen in einem Umfang von sechs Stunden täglich nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Von einer derartigen Schwere des Schmerzsyndroms sind weder die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachterin Dr. G. noch die Sachverständigen Dr. S. und Dr. W. ausgegangen. Im Hinblick auf deren Darlegungen hat das SG vielmehr zu Recht ausgeführt, dass das vom Kläger geltend gemachte Ausmaß der Beeinträchtigungen und die deshalb vorhandene Inaktivität weder in Einklang steht mit den gegenüber Dr. M. geschilderten Aktivitäten (gelegentlich leichte Haus-, Hof- und Gartenarbeiten, einkaufen, Wäsche waschen und trocknen, Essen vorbereiten, Geschirr abwaschen, Staub saugen, Betten machen, um einige Häuserblocks gehen, Freunde und Verwandte besuchen, Auto fahren) noch mit der von diesen Sachverständigen beschriebenen Beschwielung von Händen und Füßen und der altersentsprechenden Muskulatur, welche wiederum auf Aktivitäten schließen lassen. Auffällig ist darüber hinaus gewesen - so zutreffend das SG - , dass die Gutachterin und die Sachverständigen Dr. S. und Dr. W. im Rahmen ihrer gutachtlichen Untersuchungen keine Hinweise für erlebte Schmerzen gefunden haben, weder im Rahmen der körperlichen Untersuchung noch anlässlich der anamnestischen Erhebungen. Dr. G. führte insoweit aus, dass eine herabgesetzte Schmerzschwelle nicht deutlich gewesen sei und sich eine Diskrepanz zwischen dem Gefühl des Klägers, nicht mehr zu können und den von ihm geschilderten Alltagsaktivitäten und der Funktionalität gezeigt habe, weshalb sie auch von einer gewissen Neurastheniekomponente ausging. Dr. S. hat keinerlei Signale erlebter Schmerzen erkennen können und auch Dr. W. hat dargelegt, dass während der gesamten Untersuchung keine schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen erkennbar gewesen seien, der Kläger vielmehr ohne Schwierigkeiten während der gesamten Untersuchung in einem Sessel und zuvor im Wartezimmer gesessen sei und auch die verschiedenen Untersuchungen ohne Schmerzentäußerung toleriert habe. Zutreffend hat er im Übrigen darauf hingewiesen, dass sich eine solche Situation ähnlich auch bei Dr. H. gezeigt habe. Denn in seinem Gutachten hat immerhin auch Dr. H. beschrieben, dass der Kläger eine Stunde ohne nennenswerte Einschränkung auf der Sitzfläche gesessen sei und lediglich danach beim Aufstehen etwas erschwert in Gang gekommen sei. Eine nachhaltige Veränderung des Muskelreliefs, was bei erheblichen schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen zu erwarten wäre, haben neben Dr. S. und Dr. W. im Übrigen auch Dr. M. und Dr. H. nicht beschrieben. Zutreffend hat das SG im Übrigen auch auf die Zweifelhaftigkeit der Angaben des Klägers hingewiesen, wonach er erfolglos alle Therapiemöglichkeit nutze. Denn trotz der Angabe des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. , seit einem Jahr regelmäßig morgens und abends das Medikament Tramadol einzunehmen, war dies bei der von dem Sachverständigen durchgeführten Bestimmung des Tramadolspiegels im Blut nicht nachweisbar, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Medikament in einer therapeutisch wirksamen Dosis eingenommen wird. Soweit der Kläger im Hinblick auf die biologische Halbwertszeit dieses Medikaments, die nach einer Internetrecherche bei 5 bis 10 Stunden liege, im Berufungsverfahren insoweit eingewandt hat, es dürfte bei einer Medikamenteneinnahme am Vorabend und einer vergessenen Einnahme am Morgen der Blutabnahme gleichwohl von einer therapeutisch wirksamen Medikamenteneinnahme auszugehen sein, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Kläger entgegen seiner Angabe, dieses Medikament regelmäßig einzunehmen, dieses am Morgen des Untersuchungstages gerade nicht eingenommen hat, was wiederum Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Angaben gegenüber den Sachverständigen begründet. Sofern er die Einnahme des Medikaments am Tag der Untersuchung tatsächlich vergessen haben sollte, wie er dies nunmehr gemutmaßt hat, hätte es nahegelegen, dies gegenüber dem Sachverständigen im Rahmen der Medikamentenanamnese so auch anzugeben. Dies hat der Kläger jedoch nicht getan, sondern vielmehr ausdrücklich bestätigt, es "noch nie weggelassen" zu haben, so dass weiterhin eine Diskrepanz zwischen seinen Angaben und dem erhobenen Medikamentenspiegel besteht und damit Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Angaben verbleiben.

Soweit der Kläger sich in seiner Auffassung durch die Gutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. H. bestätigt sieht, hat das SG zutreffend dargelegt, aus welchen Gründen es das Gutachten des Dr. M. gerade nicht für überzeugend erachtet. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Auch den Senat überzeugt es nicht, wenn Dr. M. bei im Wesentlichen gleichbleibendem Befund allein wegen der beschriebenen Chronifizierung der Schmerzsituation seit seiner Voruntersuchung im Jahr 2005 nunmehr von einem Leistungsvermögen von drei bis weniger als sechs Stunden täglich ausgeht, während er dies zuvor noch mit zumindest sechs Stunden täglich einschätzte. Zutreffend hat Dr. W. insoweit darauf hingewiesen, dass der Gesichtspunkt einer Chronifizierung zwar relevant ist, wenn prognostisch die Frage einer noch erreichbaren Besserung zu beurteilen ist, nicht jedoch, wenn aus dem erhobenen Befund das noch vorhandene Leistungsvermögens abzuleiten ist.

Auch das von dem Sachverständigen Dr. H. angenommene Leistungsvermögen überzeugt den Senat nicht. Für den Zeitpunkt seiner Untersuchung im Januar 2012 ist der Sachverständige von einem Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich ausgegangen, wobei er ausgehend von einem bereits im Jahr 2009 vorhanden gewesenem rentenrelevant gemindertem Leistungsvermögens von weniger als sechs Stunden täglich eine maßgebliche Verschlechterung auf das beschriebene Ausmaß im Laufe des Jahres 2011 gesehen hat. Hierbei hat der Sachverständige allerdings schon nicht begründet, woraus er ein bereits rentenrelevant gemindertes Leistungsvermögen im Jahr 2009 ableitet. Er hat sich diesbezüglich allein auf die Aktenlage bezogen und ist insbesondere nicht auf die Ausführungen der Gutachterin Dr. G. eingegangen, die den Kläger zeitnah hierzu im Januar 2010 untersuchte und gerade keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen schmerzbedingten Mindergebrauch der oberen und unteren Extremitäten fand und den Kläger zudem auch im Rahmen ihrer Untersuchung nicht schmerzbelastet erlebte. Wenig überzeugend ist auch die Einschätzung, das Leistungsvermögen des Klägers sei im Verlaufe des Jahres 2011 auf das von ihm für den Untersuchungszeitpunkt im Januar 2012 beschriebene Ausmaß von weniger als drei Stunden täglich herabgesunken. Denn Hinweise auf eine im Jahr 2011 eingetretene maßgebliche Verschlechterung sind nicht ersichtlich. Immerhin ist selbst der Sachverständige Dr. M. auf Grund seiner Mitte Oktober 2011 erfolgten Untersuchung des Klägers noch von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen, so dass es zu der von Dr. H. angenommenen Verschlimmerung im weiteren Verlauf des Jahres 2011 gekommen sein müsste. Für eine derartige Verschlimmerung zwischen Oktober 2011 und Januar 2012 sieht der Senat jedoch keine Anhaltspunkte. Auch der Kläger hat Entsprechendes nicht geltend gemacht. Darüber hinaus hat Dr. H. - wie schon die Sachverständigen zuvor - auch für seine eigene Untersuchung eine für ihn erkennbare Schmerzsymptomatik nicht dokumentiert. So hat er in seinem Gutachten weder eine relevante Bewegungseinschränkung im Untersuchungsablauf noch erhebliche Schmerzäußerungen beschrieben, sondern vielmehr, dass der Kläger problemlos in der Lage war, auch längere Zeit zu sitzen. Mit einem aufgehobenen Leistungsvermögen lässt sich eine derartige Situation nur schwer vereinbaren. Dementsprechend teilt der Senat auch nicht die Auffassung des Klägers, das Gutachten des Dr. H. sei überzeugend und unter Durchführung einer Konsistenzprüfung gefertigt. Denn eine Diskussion der dargestellten Gesichtspunktes lässt das Gutachten gerade vermissen.

Eine rentenrelevante Leistungsminderung vermag der Senat letztlich auch nicht aus der vom Kläger zuletzt vorgelegten Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin V. vom 09.09.2015 abzuleiten. Soweit dieser auf seine langjährige Erfahrung in der Behandlung von Fibromyalgiepatienten hinweist und insbesondere auf das fast immer ausgeprägte Erschöpfungssyndrom bei schwerwiegendem Fibromyalgiesyndrom, was sich stark auf die die Erwerbsfähigkeit beeinflussende Symptomatik auswirke, ist darauf hinzuweisen, dass keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter bzw. Sachverständigen Hinweise auf ein derartiges ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom gesehen hat. Selbst Dr. H. , der als einziger Sachverständige von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen ist, hat im Rahmen des psychischen Befundes keine vorzeitige Erschöpfung, Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsstörungen beschrieben. Demgegenüber hat der zuletzt mit der Erkrankung des Klägers befasste Sachverständige Dr. W. ausdrücklich Gegenteiliges dokumentiert, nämlich eine ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration sowie eine regelrechte Auffassungsgabe. Dies entspricht auch der Einschätzung des Dr. S. , der dargelegt hat, dass die Gedächtnisleistungen des Klägers im normalen Bereich gewesen seien, ohne Hinweise auf Störungen der Merkfähigkeit und des Kurz- oder Langzeitgedächtnisses; auch das Konzentrationsvermögen und die Ausdauer sei im normalen Bereich gewesen. Eine vorzeitige Ermüdung als Hinweis für ein ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom hat im Übrigen auch nicht der Sachverständige Dr. M. beschrieben. In dem von ihm dokumentierten Befund sind keine Hinweise auf eine verminderte Ausdauerleistung, Konzentrationsfähigkeit oder Gedächtnisleistung enthalten, obwohl dies zu erwarten wäre, wenn sich für den Sachverständigen als ein in besonderer Weise mit dem Fibromyalgiesyndrom vertrauter Arzt insoweit Auffälligkeiten ergeben hätten. Vor diesem Hintergrund begegnet dann aber die Einschätzung des Facharztes für Allgemeinmedizin V. Zweifel, wenn er von einem schwerwiegendes Fibromyalgiesyndrom ausgeht. Soweit dieser bemängelt, dass Aussagen des Hausarztes nicht zählten, obwohl dieser den Patienten seit vielen Jahren kenne, ist darauf hinzuweisen, dass dessen Einschätzung im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge gerade Anlass für das SG war, zur Verifizierung seiner Einschätzung Beweis zu erheben durch die Einholung von Sachverständigengutachten. Allerdings sind die sodann beauftragten Sachverständigen zu den unterschiedlichsten Leistungseinschätzungen gelangt, wodurch sich schließlich das tatsächliche Ausmaß der beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen - wie ausgeführt - nicht eindeutig feststellen lässt. Auch die Einschätzung des behandelnden Arztes hilft diesbezüglich nicht weiter, da dieser typischerweise die Beschwerdeschilderung seines Patienten seiner Beurteilung zu Grunde legt, während der gerichtliche Sachverständige eine kritische Distanz zum Probanden einzunehmen hat, um so zu einer möglichst objektiven Leistungsbeurteilung zu gelangen. Die beim Senat verbleibenden Zweifel hinsichtlich des Ausmaßes der Leistungseinschränkung des Klägers lassen sich damit auch nicht anhand der Einschätzung des behandelnden Arztes ausräumen.

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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