Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 459/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3606/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen das Bestehen von Versicherungsschutz durch die Kranken- und Pflegeversicherung (in seinem Einzelfall) bzw. gegen die Festsetzung von Beitragsrückständen (zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten).
Der 1962 geborene Kläger (geschieden, 4 Kinder) war bis 06.07.2011 als versicherungspflichtig Beschäftigter kranken- und pflegeversichert bei den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen. Nachdem er im Jahr 2011 offenbar einen Unfall erlitten hatte, gab der Kläger zum 06.07.2011 seine Beschäftigung auf; er wolle seine Fähigkeiten im Bereich der Kunst (Tanz, Musik, Dichtung u.a.) weiterentwickeln. Eine Erwerbstätigkeit (auch künstlerischer Art, Antrag auf Versicherung bei der Künstlersozialkasse wurde letztendlich nicht gestellt) übte der Kläger sodann nicht mehr aus und er verfügt seit Jahren auch nicht über einen festen Wohnsitz. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst mit Unterstützungsleistungen von Eltern, Bekannten oder Freunden bzw. von Organisationen für Wohnsitzlose. Seit 2014 bezieht er außerdem zeitweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (SGB II, Arbeitslosengeld II für Wohnsitzlose).
Nachdem die Beklagte zu 1) den Kläger mit Schreiben vom 17.08.2011 auf das Fehlen von Krankenversicherungsschutz hingewiesen hatte, erklärte der Kläger zunächst mit E-Mail vom 12.09.2011 die "Kündigung" seiner Krankenversicherung. Unter dem 14.09.2011 äußerte er sodann den Wunsch, ab 01.12.2011 (doch) Mitglied der Beklagten zu 1) bleiben zu wollen. Er sei seit 07.07.2011 Künstler. Familienversicherung bestehe nicht. Er verfüge weder über Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit noch über Arbeitsentgelt. Er habe freie Unterkunft und bestreite den Lebensunterhalt (mit 70,00 EUR im Monat) im Übrigen aus seinen Ersparnissen.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 11.10.2011 stellte die Beklagte zu 1) das Bestehen einer freiwilligen Versicherung fest und setzte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V; § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI) für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.07.2011 auf insgesamt 121,38 EUR und für die Zeit ab 01.08.2011 auf insgesamt 153,64 EUR (Krankenversicherung 126,90 EUR, Zusatzbeitrag 8,00 EUR, Pflegeversicherung 18,74 EUR) fest. Mit (Begleit-)Schreiben vom gleichen Tag wurden die Beitragsrückstände des Klägers - der auch in der Folgezeit Beiträge nicht zahlte - für die Zeit vom 07.07.2011 bis 30.09.2011 mit 428,66 EUR angegeben. Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.10.2011 wurde nicht eingelegt.
Mit jeweils auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 24.11.2011 setzte die Beklagte zu 1) (erstmals) die Beitragsrückstände des Klägers (zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten) für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.10.2011 auf insgesamt 587,20 EUR fest. Mit Vollstreckungsanordnung vom 13.01.2012 leitete die Beklagte zu 1) die Vollstreckung der Beitragsrückstände ein. Die Vollstreckung konnte wegen Wohnsitzlosigkeit des Klägers nicht durchgeführt werden. Mit Bescheid vom 23.01.2012 (zuvor Hinweis vom 29.12.2011) wurde das Ruhen des Leistungsanspruchs verfügt. In der Folgezeit wurde die Beitragszahlung (u.a.) vielfach erfolglos angemahnt und es wurde ebenfalls erfolglos das Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Außerdem ergingen Beitragsbescheide über die Neufestsetzung der Beiträge ab Januar 2013 und ab Januar 2014. Die Beitragsbescheide bzw. -mahnungen konnten dem Kläger (mangels festen Wohnsitzes) nicht zugestellt werden.
Nachdem sich der (nunmehr in einer Obdachloseneinrichtung lebende) Kläger beim Jobcenter des Landratsamts L. gemeldet und Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte, wurde ihm Arbeitslosengeld II (erstmals) für die Zeit vom 01.02.2014 bis 05.02.2014 und vom 07.02.2014 bis 09.02.2014 gewährt. Für diese Zeit bestand Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V; die Beiträge wurden durch das Jobcenter gezahlt.
Im April 2014 meldete sich der Kläger (auch wieder) bei der Beklagten zu 1) und gab an, er wolle weiterhin bei ihr kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert sein. Über Einkommen verfüge er nicht; er lebe (u.a.) von Geschenken.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 23.04.2014 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage ab 10.02.2014 auf insgesamt 158,53 EUR (Krankenversicherung 137,33 EUR, Pflegeversicherung 21,20 EUR) fest. Für Februar 2014 wurde unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II Anfang Februar 2014 für die Zeit vom 10.02.2014 bis 28.02.2014 ein Teilbeitrag von insgesamt 100,41 EUR festgesetzt. Widerspruch wurde nicht eingelegt.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 08.05.2014 setzte die Beklagte zu 1) die Beitragsrückstände des Klägers für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 auf 4.657,79 EUR (zzgl. Säumniszuschläge von 41,00 EUR und Mahngebühren von 15,05 EUR; insgesamt 4.713,84 EUR) fest. Mit Zahlungserinnerung vom gleichen Tag erinnerte die Beklagte zu 1) den Kläger an die Zahlung des Zusatzbeitrags für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.03.2012 i.H.v. 64,00 EUR (zzgl. Verspätungszuschlag von 20,00 EUR und Mahngebühren von 0,80 EUR; insgesamt 84,80 EUR).
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 19.05.2014 setzte die Beklagte zu 1) die Beitragsrückstände des Klägers für die Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 auf 417,47 EUR (zzgl. Mahngebühren von 0,95 EUR, insgesamt 418,42 EUR) fest.
Nachdem der Beklagten zu 1) mitgeteilt worden war, dass der Kläger vom 01.03.2014 bis 09.03.2014 (erneut) Arbeitslosengeld II bezogen hatte, wurden die Beiträge des Klägers für März 2014 mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid der Beklagten zu 1) vom 23.05.2014 auf einen Teilbeitrag von insgesamt 116,26 EUR (Zeitraum vom 10.03.2014 bis 31.03.2014) festgesetzt. Widerspruch wurde nicht eingelegt.
Am 26.05.2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen, Säumniszuschlägen und Kosten und außerdem gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge (und Kosten). Zur Begründung trug er vor, die allgemeine Krankenversicherungspflicht sei mit dem grundgesetzlichen Recht auf freie Selbstbestimmung unvereinbar.
Die Beklagte zu 1) legte den Widerspruch des Klägers (auch) als Überprüfungsantrag (§ 44 SGB X) hinsichtlich der für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 und vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 ergangenen Beitragsbescheide aus und lehnte diesen Antrag bzw. die Rücknahme der entsprechenden Beitragsbescheide (vom 11.10.2011, 23.04.2014, 23.05.2014) mit Bescheid vom 29.07.2014 ab; man habe den Kläger zu Recht jeweils nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage zur Beitragszahlung herangezogen und den zeitweisen Bezug von Arbeitslosengeld II berücksichtigt.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenen Bescheiden vom 31.07.2014 setzte die Beklagte zu 1) für März und April 2014 unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II Teilbeiträge von insgesamt 116,26 EUR (Neuregelung für März 2014 wie zuvor im Bescheid vom 23.05.2014) bzw. von 126,82 EUR (April 2014, Zeitraum vom 07.04.2014 bis 30.04.2014) fest. Außerdem ergingen weitere Bescheide über die Festsetzung von Beitragsrückständen zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten (u.a. Bescheid vom 14.07.2014: Beitragsrückstand für Mai 2014 von 158,53 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 1,00 EUR; außerdem Säumniszuschläge für die (im Bescheid angegebenen) Beiträge für März und April 2014 von 3,00 EUR bzw. 2,00 EUR).
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Widerspruch richte sich gegen die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen und gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge. Der Bescheid vom 08.05.2014 beruhe hinsichtlich der Festsetzung der Beitragsrückstände für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 auf den hierzu ergangenen und bestandskräftig gewordenen und rechtmäßigen Beitragsbescheiden, mit denen jeweils der Mindestbeitrag festgesetzt worden sei. Der Bescheid vom 19.05.2014 beruhe hinsichtlich der Festsetzung der Beitragsrückstände für die Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 auf den Beitragsbescheiden vom 23.04.2014, 23.05.2014 und 31.07.2014, mit denen ebenfalls zu Recht der Mindestbeitrag festgesetzt und der Bezug von Arbeitslosengeld II zutreffend berücksichtigt worden sei. Den auf die Rücknahme von Beitragsbescheiden gerichteten Überprüfungsantrag des Klägers habe man mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 29.07.2014 zu Recht abgelehnt. Die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 (Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge) stelle einen anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) nicht dar.
Am 13.02.2015 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die ergangenen Bescheide seien nach dem SGB V ordnungsgemäß, jedoch werde sein verfassungsrechtliches Recht auf Selbstbestimmung verletzt. Er wende sich nicht gegen die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht als solche, sondern nur in seinem Einzelfall.
Die Beklagte zu 1) trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.
Am 11.06.2015 fand eine nichtöffentliche Erörterungsverhandlung des SG statt. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide an sich nur die Frage des Beitragsrückstands und der Beitragshöhe, nicht jedoch die Versicherungspflicht allgemein regelten. Außerdem wurde auf die Bestandskraft (etwa) des Beitragsbescheids vom 11.10.2011 hingewiesen.
Mit Urteil vom 23.07.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 hinsichtlich der Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge richte; diese stelle einen anfechtbaren Verwaltungsakt nicht dar. Im Übrigen - hinsichtlich der Anfechtung der Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 (Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015) sei die Klage unbegründet. Die genannten Bescheide seien rechtmäßig. Sie setzten ausschließlich die Beitragsrückstände des Klägers - bei zuvor zu Recht nach der Mindestbemessungsgrundlage vorgenommener Beitragsfestsetzung - zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten fest. Berechnungsfehler seien weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Kläger habe in der Erörterungsverhandlung vom 11.06.2015 die Richtigkeit der Beitragsberechnung auch nicht in Abrede gestellt. Er wende sich vielmehr dagegen, überhaupt krankenversichert (und pflegeversichert) zu sein. Die hierzu im Jahr 2011 und zuletzt unter dem 23.04.2014 ergangenen Bescheide seien indessen bestandskräftig. Offen bleiben könne, ob der Kläger, der 2011 und 2014 den Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklärt habe, mit seiner Vorgehensweise rechtsmissbräuchlich handele. Die Pflicht zur Beitragszahlung (Krankenversicherung) folge aus § 240 SGB V; die Vorschrift sei verfassungsmäßig und verletze das vom Kläger angeführte Selbstbestimmungsrecht nicht.
Gegen das ihm am 28.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.08.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. § 240 SGB V sei verfassungswidrig. Er klage für das volle und freie Selbstbestimmungsrecht. Er habe während der vergangenen 4 Jahre bewusst wohnsitz- und erwerbslos gelebt und habe keine willkürlichen und gemeinschaftswidrigen oder niedrigen Motive verfolgt. Er habe seinerzeit beabsichtigt, die Krankenversicherung nie mehr in Anspruch zu nehmen, was 4 Jahre lang auch der Fall gewesen sei. Er sei gesund, allein im sozialarbeiterisch bewusstseinsbildenden Weg.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2015 und die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten in der Gestalt der den Zeitraum 10.03.2014 bis 31.03.2014 und vom 07.04.2014 bis 30.04.2014 betreffenden Beitragsbescheide vom 31.07.2014 sowie des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2015 und außerdem die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Aufforderung zur Zahlung rückständiger Zusatzbeiträge zzgl. Verspätungszuschlag und Kosten aufzuheben.
Die Beklagten beantragten,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens sind neben der Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 (in der Gestalt der im Klagantrag näher bezeichneten Bescheide vom 31.07.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2015). In diesen Bescheiden sind Beitragsrückstände des Klägers zzgl. Säumniszuschläge und Kosten für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 bzw. vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 i.H.v. über 5.000 EUR festgesetzt worden. Der vom Kläger am 26.05.2014 eingelegte Widerspruch beschränkte sich ausdrücklich auf die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 bzw. die genannte Zahlungserinnerung. Der Kläger will sich mit dem Widerspruch und der nachfolgenden Klage bzw. jetzt mit der Berufung unter Geltendmachung seines Selbstbestimmungsrechts ersichtlich gegen das Bestehen von Kranken- und Pflegeversicherungsschutz in seinem Einzelfall wenden. Nicht Streitgegenstand sind die den Bescheiden vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 zugrundeliegenden bestandskräftigen Beitragsbescheide (vom 11.10.2011 und 23.04.2014) und auch nicht der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 29.07.2014 über die Ablehnung eines Antrags auf Überprüfung und Rücknahme von Beitragsbescheiden. Der letztgenannte Bescheid ist ebenfalls bestandskräftig. Der Kläger hat gegen ihn Widerspruch nicht eingelegt und der Bescheid ist auch nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des am 26.05.2014 anhängig gewordenen Widerspruchsverfahrens gewesen; er hat den Bescheid vom 08.05.2014 nicht abgeändert, sondern ausschließlich eine Regelung zu den diesem Bescheid zugrunde liegenden Beitragsbescheiden getroffen. Nicht Streitgegenstand ist auch der Beitragsbescheid vom 23.05.2014. Auch dieser Bescheid ist bestandskräftig. Der Kläger hat gegen ihn Widerspruch nicht eingelegt und er ist ebenfalls nicht Gegenstand des erst nach seinem Ergehen - am 26.05.2014 - anhängig gewordenen Widerspruchsverfahrens gewesen; dass die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheids im Zusammenhang mit der Beitragsbemessung Ausführungen auch zu diesem Bescheid gemacht hat, ändert daran nichts. Die Beitragsbescheide vom 31.07.2014, mit denen die Beiträge des Klägers für März 2014 (erneut - wie zuvor bereits im Bescheid vom 23.05.2014 und diesen insoweit ersetzend) und für April 2014 unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II neu festgesetzt worden sind, haben den Bescheid vom 19.05.2014 über die Festsetzung der in der Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 entstandenen Beitragsrückstände hingegen der Sache nach (hinsichtlich der Höhe des Beitragsrückstands) abgeändert. Sie sind deshalb gemäß § 86 SGG Gegenstand des gegen diesen Bescheid seit 26.05.2014 anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden und die Beklagte zu 1) hat über sie im Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 auch entschieden. Die genannten Bescheide sind damit auch Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.
Da der Kläger die Festsetzung von rückständigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2); das Rubrum ist (nur) entsprechend zu berichtigen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2015, - L 4 KR 1271/13 - nicht veröffentlicht).
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei festgesetzten Beitragsrückständen von über 5.000 EUR überschritten. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
Das Vorbringen des Klägers liegt neben der Sache. Der Schutz der Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen einer Pflichtversicherung oder einer freiwilligen Versicherung nach Maßgabe des § 9 SGB V ist mit der Verfassung vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Grundrechte (bzw. das vom Kläger angeführte Recht auf freie Selbstbestimmung). Die Beklagte zu 1) hat die hier einschlägigen Rechtsvorschriften (u.a. über die Beitragsbemessung in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V), die verfassungsmäßig und gültig sind, rechtsfehlerfrei angewendet und dem Kläger mit den angefochtenen Bescheiden rechtsfehlerfrei die Zahlung der rückständigen Beiträge aufgegeben. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen das Bestehen von Versicherungsschutz durch die Kranken- und Pflegeversicherung (in seinem Einzelfall) bzw. gegen die Festsetzung von Beitragsrückständen (zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten).
Der 1962 geborene Kläger (geschieden, 4 Kinder) war bis 06.07.2011 als versicherungspflichtig Beschäftigter kranken- und pflegeversichert bei den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen. Nachdem er im Jahr 2011 offenbar einen Unfall erlitten hatte, gab der Kläger zum 06.07.2011 seine Beschäftigung auf; er wolle seine Fähigkeiten im Bereich der Kunst (Tanz, Musik, Dichtung u.a.) weiterentwickeln. Eine Erwerbstätigkeit (auch künstlerischer Art, Antrag auf Versicherung bei der Künstlersozialkasse wurde letztendlich nicht gestellt) übte der Kläger sodann nicht mehr aus und er verfügt seit Jahren auch nicht über einen festen Wohnsitz. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst mit Unterstützungsleistungen von Eltern, Bekannten oder Freunden bzw. von Organisationen für Wohnsitzlose. Seit 2014 bezieht er außerdem zeitweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (SGB II, Arbeitslosengeld II für Wohnsitzlose).
Nachdem die Beklagte zu 1) den Kläger mit Schreiben vom 17.08.2011 auf das Fehlen von Krankenversicherungsschutz hingewiesen hatte, erklärte der Kläger zunächst mit E-Mail vom 12.09.2011 die "Kündigung" seiner Krankenversicherung. Unter dem 14.09.2011 äußerte er sodann den Wunsch, ab 01.12.2011 (doch) Mitglied der Beklagten zu 1) bleiben zu wollen. Er sei seit 07.07.2011 Künstler. Familienversicherung bestehe nicht. Er verfüge weder über Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit noch über Arbeitsentgelt. Er habe freie Unterkunft und bestreite den Lebensunterhalt (mit 70,00 EUR im Monat) im Übrigen aus seinen Ersparnissen.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 11.10.2011 stellte die Beklagte zu 1) das Bestehen einer freiwilligen Versicherung fest und setzte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V; § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI) für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.07.2011 auf insgesamt 121,38 EUR und für die Zeit ab 01.08.2011 auf insgesamt 153,64 EUR (Krankenversicherung 126,90 EUR, Zusatzbeitrag 8,00 EUR, Pflegeversicherung 18,74 EUR) fest. Mit (Begleit-)Schreiben vom gleichen Tag wurden die Beitragsrückstände des Klägers - der auch in der Folgezeit Beiträge nicht zahlte - für die Zeit vom 07.07.2011 bis 30.09.2011 mit 428,66 EUR angegeben. Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.10.2011 wurde nicht eingelegt.
Mit jeweils auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 24.11.2011 setzte die Beklagte zu 1) (erstmals) die Beitragsrückstände des Klägers (zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten) für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.10.2011 auf insgesamt 587,20 EUR fest. Mit Vollstreckungsanordnung vom 13.01.2012 leitete die Beklagte zu 1) die Vollstreckung der Beitragsrückstände ein. Die Vollstreckung konnte wegen Wohnsitzlosigkeit des Klägers nicht durchgeführt werden. Mit Bescheid vom 23.01.2012 (zuvor Hinweis vom 29.12.2011) wurde das Ruhen des Leistungsanspruchs verfügt. In der Folgezeit wurde die Beitragszahlung (u.a.) vielfach erfolglos angemahnt und es wurde ebenfalls erfolglos das Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Außerdem ergingen Beitragsbescheide über die Neufestsetzung der Beiträge ab Januar 2013 und ab Januar 2014. Die Beitragsbescheide bzw. -mahnungen konnten dem Kläger (mangels festen Wohnsitzes) nicht zugestellt werden.
Nachdem sich der (nunmehr in einer Obdachloseneinrichtung lebende) Kläger beim Jobcenter des Landratsamts L. gemeldet und Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte, wurde ihm Arbeitslosengeld II (erstmals) für die Zeit vom 01.02.2014 bis 05.02.2014 und vom 07.02.2014 bis 09.02.2014 gewährt. Für diese Zeit bestand Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V; die Beiträge wurden durch das Jobcenter gezahlt.
Im April 2014 meldete sich der Kläger (auch wieder) bei der Beklagten zu 1) und gab an, er wolle weiterhin bei ihr kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert sein. Über Einkommen verfüge er nicht; er lebe (u.a.) von Geschenken.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 23.04.2014 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage ab 10.02.2014 auf insgesamt 158,53 EUR (Krankenversicherung 137,33 EUR, Pflegeversicherung 21,20 EUR) fest. Für Februar 2014 wurde unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II Anfang Februar 2014 für die Zeit vom 10.02.2014 bis 28.02.2014 ein Teilbeitrag von insgesamt 100,41 EUR festgesetzt. Widerspruch wurde nicht eingelegt.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 08.05.2014 setzte die Beklagte zu 1) die Beitragsrückstände des Klägers für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 auf 4.657,79 EUR (zzgl. Säumniszuschläge von 41,00 EUR und Mahngebühren von 15,05 EUR; insgesamt 4.713,84 EUR) fest. Mit Zahlungserinnerung vom gleichen Tag erinnerte die Beklagte zu 1) den Kläger an die Zahlung des Zusatzbeitrags für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.03.2012 i.H.v. 64,00 EUR (zzgl. Verspätungszuschlag von 20,00 EUR und Mahngebühren von 0,80 EUR; insgesamt 84,80 EUR).
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 19.05.2014 setzte die Beklagte zu 1) die Beitragsrückstände des Klägers für die Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 auf 417,47 EUR (zzgl. Mahngebühren von 0,95 EUR, insgesamt 418,42 EUR) fest.
Nachdem der Beklagten zu 1) mitgeteilt worden war, dass der Kläger vom 01.03.2014 bis 09.03.2014 (erneut) Arbeitslosengeld II bezogen hatte, wurden die Beiträge des Klägers für März 2014 mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid der Beklagten zu 1) vom 23.05.2014 auf einen Teilbeitrag von insgesamt 116,26 EUR (Zeitraum vom 10.03.2014 bis 31.03.2014) festgesetzt. Widerspruch wurde nicht eingelegt.
Am 26.05.2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen, Säumniszuschlägen und Kosten und außerdem gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge (und Kosten). Zur Begründung trug er vor, die allgemeine Krankenversicherungspflicht sei mit dem grundgesetzlichen Recht auf freie Selbstbestimmung unvereinbar.
Die Beklagte zu 1) legte den Widerspruch des Klägers (auch) als Überprüfungsantrag (§ 44 SGB X) hinsichtlich der für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 und vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 ergangenen Beitragsbescheide aus und lehnte diesen Antrag bzw. die Rücknahme der entsprechenden Beitragsbescheide (vom 11.10.2011, 23.04.2014, 23.05.2014) mit Bescheid vom 29.07.2014 ab; man habe den Kläger zu Recht jeweils nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage zur Beitragszahlung herangezogen und den zeitweisen Bezug von Arbeitslosengeld II berücksichtigt.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenen Bescheiden vom 31.07.2014 setzte die Beklagte zu 1) für März und April 2014 unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II Teilbeiträge von insgesamt 116,26 EUR (Neuregelung für März 2014 wie zuvor im Bescheid vom 23.05.2014) bzw. von 126,82 EUR (April 2014, Zeitraum vom 07.04.2014 bis 30.04.2014) fest. Außerdem ergingen weitere Bescheide über die Festsetzung von Beitragsrückständen zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten (u.a. Bescheid vom 14.07.2014: Beitragsrückstand für Mai 2014 von 158,53 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 1,00 EUR; außerdem Säumniszuschläge für die (im Bescheid angegebenen) Beiträge für März und April 2014 von 3,00 EUR bzw. 2,00 EUR).
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Widerspruch richte sich gegen die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen und gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge. Der Bescheid vom 08.05.2014 beruhe hinsichtlich der Festsetzung der Beitragsrückstände für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 auf den hierzu ergangenen und bestandskräftig gewordenen und rechtmäßigen Beitragsbescheiden, mit denen jeweils der Mindestbeitrag festgesetzt worden sei. Der Bescheid vom 19.05.2014 beruhe hinsichtlich der Festsetzung der Beitragsrückstände für die Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 auf den Beitragsbescheiden vom 23.04.2014, 23.05.2014 und 31.07.2014, mit denen ebenfalls zu Recht der Mindestbeitrag festgesetzt und der Bezug von Arbeitslosengeld II zutreffend berücksichtigt worden sei. Den auf die Rücknahme von Beitragsbescheiden gerichteten Überprüfungsantrag des Klägers habe man mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 29.07.2014 zu Recht abgelehnt. Die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 (Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge) stelle einen anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) nicht dar.
Am 13.02.2015 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die ergangenen Bescheide seien nach dem SGB V ordnungsgemäß, jedoch werde sein verfassungsrechtliches Recht auf Selbstbestimmung verletzt. Er wende sich nicht gegen die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht als solche, sondern nur in seinem Einzelfall.
Die Beklagte zu 1) trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.
Am 11.06.2015 fand eine nichtöffentliche Erörterungsverhandlung des SG statt. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide an sich nur die Frage des Beitragsrückstands und der Beitragshöhe, nicht jedoch die Versicherungspflicht allgemein regelten. Außerdem wurde auf die Bestandskraft (etwa) des Beitragsbescheids vom 11.10.2011 hingewiesen.
Mit Urteil vom 23.07.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 hinsichtlich der Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge richte; diese stelle einen anfechtbaren Verwaltungsakt nicht dar. Im Übrigen - hinsichtlich der Anfechtung der Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 (Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015) sei die Klage unbegründet. Die genannten Bescheide seien rechtmäßig. Sie setzten ausschließlich die Beitragsrückstände des Klägers - bei zuvor zu Recht nach der Mindestbemessungsgrundlage vorgenommener Beitragsfestsetzung - zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten fest. Berechnungsfehler seien weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Kläger habe in der Erörterungsverhandlung vom 11.06.2015 die Richtigkeit der Beitragsberechnung auch nicht in Abrede gestellt. Er wende sich vielmehr dagegen, überhaupt krankenversichert (und pflegeversichert) zu sein. Die hierzu im Jahr 2011 und zuletzt unter dem 23.04.2014 ergangenen Bescheide seien indessen bestandskräftig. Offen bleiben könne, ob der Kläger, der 2011 und 2014 den Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklärt habe, mit seiner Vorgehensweise rechtsmissbräuchlich handele. Die Pflicht zur Beitragszahlung (Krankenversicherung) folge aus § 240 SGB V; die Vorschrift sei verfassungsmäßig und verletze das vom Kläger angeführte Selbstbestimmungsrecht nicht.
Gegen das ihm am 28.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.08.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. § 240 SGB V sei verfassungswidrig. Er klage für das volle und freie Selbstbestimmungsrecht. Er habe während der vergangenen 4 Jahre bewusst wohnsitz- und erwerbslos gelebt und habe keine willkürlichen und gemeinschaftswidrigen oder niedrigen Motive verfolgt. Er habe seinerzeit beabsichtigt, die Krankenversicherung nie mehr in Anspruch zu nehmen, was 4 Jahre lang auch der Fall gewesen sei. Er sei gesund, allein im sozialarbeiterisch bewusstseinsbildenden Weg.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2015 und die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 über die Festsetzung von Beitragsrückständen zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten in der Gestalt der den Zeitraum 10.03.2014 bis 31.03.2014 und vom 07.04.2014 bis 30.04.2014 betreffenden Beitragsbescheide vom 31.07.2014 sowie des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2015 und außerdem die Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Aufforderung zur Zahlung rückständiger Zusatzbeiträge zzgl. Verspätungszuschlag und Kosten aufzuheben.
Die Beklagten beantragten,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens sind neben der Zahlungserinnerung vom 08.05.2014 über die Anforderung rückständiger Zusatzbeiträge die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 (in der Gestalt der im Klagantrag näher bezeichneten Bescheide vom 31.07.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2015). In diesen Bescheiden sind Beitragsrückstände des Klägers zzgl. Säumniszuschläge und Kosten für die Zeit vom 07.07.2011 bis 31.01.2014 bzw. vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 i.H.v. über 5.000 EUR festgesetzt worden. Der vom Kläger am 26.05.2014 eingelegte Widerspruch beschränkte sich ausdrücklich auf die Bescheide vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 bzw. die genannte Zahlungserinnerung. Der Kläger will sich mit dem Widerspruch und der nachfolgenden Klage bzw. jetzt mit der Berufung unter Geltendmachung seines Selbstbestimmungsrechts ersichtlich gegen das Bestehen von Kranken- und Pflegeversicherungsschutz in seinem Einzelfall wenden. Nicht Streitgegenstand sind die den Bescheiden vom 08.05.2014 und vom 19.05.2014 zugrundeliegenden bestandskräftigen Beitragsbescheide (vom 11.10.2011 und 23.04.2014) und auch nicht der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 29.07.2014 über die Ablehnung eines Antrags auf Überprüfung und Rücknahme von Beitragsbescheiden. Der letztgenannte Bescheid ist ebenfalls bestandskräftig. Der Kläger hat gegen ihn Widerspruch nicht eingelegt und der Bescheid ist auch nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des am 26.05.2014 anhängig gewordenen Widerspruchsverfahrens gewesen; er hat den Bescheid vom 08.05.2014 nicht abgeändert, sondern ausschließlich eine Regelung zu den diesem Bescheid zugrunde liegenden Beitragsbescheiden getroffen. Nicht Streitgegenstand ist auch der Beitragsbescheid vom 23.05.2014. Auch dieser Bescheid ist bestandskräftig. Der Kläger hat gegen ihn Widerspruch nicht eingelegt und er ist ebenfalls nicht Gegenstand des erst nach seinem Ergehen - am 26.05.2014 - anhängig gewordenen Widerspruchsverfahrens gewesen; dass die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheids im Zusammenhang mit der Beitragsbemessung Ausführungen auch zu diesem Bescheid gemacht hat, ändert daran nichts. Die Beitragsbescheide vom 31.07.2014, mit denen die Beiträge des Klägers für März 2014 (erneut - wie zuvor bereits im Bescheid vom 23.05.2014 und diesen insoweit ersetzend) und für April 2014 unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II neu festgesetzt worden sind, haben den Bescheid vom 19.05.2014 über die Festsetzung der in der Zeit vom 10.02.2014 bis 30.04.2014 entstandenen Beitragsrückstände hingegen der Sache nach (hinsichtlich der Höhe des Beitragsrückstands) abgeändert. Sie sind deshalb gemäß § 86 SGG Gegenstand des gegen diesen Bescheid seit 26.05.2014 anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden und die Beklagte zu 1) hat über sie im Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 auch entschieden. Die genannten Bescheide sind damit auch Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.
Da der Kläger die Festsetzung von rückständigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2); das Rubrum ist (nur) entsprechend zu berichtigen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2015, - L 4 KR 1271/13 - nicht veröffentlicht).
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei festgesetzten Beitragsrückständen von über 5.000 EUR überschritten. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
Das Vorbringen des Klägers liegt neben der Sache. Der Schutz der Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen einer Pflichtversicherung oder einer freiwilligen Versicherung nach Maßgabe des § 9 SGB V ist mit der Verfassung vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Grundrechte (bzw. das vom Kläger angeführte Recht auf freie Selbstbestimmung). Die Beklagte zu 1) hat die hier einschlägigen Rechtsvorschriften (u.a. über die Beitragsbemessung in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V), die verfassungsmäßig und gültig sind, rechtsfehlerfrei angewendet und dem Kläger mit den angefochtenen Bescheiden rechtsfehlerfrei die Zahlung der rückständigen Beiträge aufgegeben. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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