L 9 AS 4570/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 5715/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4570/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Bewilligung von Leistungen für die beiden Antragsteller ab 01.11.2015 ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Er ist aber unbegründet, weil die Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den beantragten Leistungen ausgeschlossen sind.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 27 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (Keller a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils Juris und jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Gemessen an diesem Maßstab ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen, weil ein Anspruch der Antragsteller auf die begehrte Leistung - Arbeitslosengeld II (Alg II) gem. § 19 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - und damit ein Anordnungsanspruch als ausgeschlossen angesehen werden kann.

Die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung für die beiden 1986 und 1987 geborenen Antragsteller vor. Sie sind erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II, denn auf nicht absehbare Zeit bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens drei Stunden am Tag ausschließen könnten, liegen nicht vor. Die Antragsteller sind auch hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 und 2 SGB II, da sie ohne Zweifel weder über Vermögen noch über Einkommen verfügen, die ihren Lebensunterhalt sichern könnten (siehe hierzu auch den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 08.10.2014 - L 3 AS 3259/14 ER-B -). Der Antragsteller zu 1), der im Juli 2013 eingereist ist und die Antragstellerin zu 2), die nicht miteinander verheiratet sind, haben derzeit auch unzweifelhaft ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragsteller haben jedoch keinen Anspruch auf Alg II‚ weil sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.

Die Antragsteller halten sich in der Bundesrepublik Deutschland allein zur Arbeitsuche auf, auf ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitsuche können sie sich nicht berufen.

Die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU liegen nicht vor, da sich die Antragsteller - mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. Berufsaus-bildung - nicht als Arbeitnehmer oder Auszubildende in der BRD aufhalten. Sie haben sich auch nicht als selbstständige Erwerbstätige i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU hier niedergelassen. Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) FreizügG/EU (in der ab dem 09.12.2014 geltenden Fassung). Danach sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Die Antragsteller halten sich zwar mehr als sechs Monate in der BRD auf; angesichts der mangelnden Deutschkenntnisse, einer fehlenden Beschäftigung bislang und der Schwangerschaft der Antragstellerin ist - abgesehen von einem fehlenden Nachweis ernsthafter Bemühungen um Arbeit - allerdings nicht erkennbar, dass die Antragsteller eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.

Selbst wenn die Antragsteller nachweisen könnten, sich (weiterhin) ernsthaft um Arbeit zu bemühen und auch begründete Aussicht auf eine Anstellung zu haben, führt dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C - 67/14 - Alimanovic, juris Rn. 57) zwar zu einem Schutz vor Ausweisung nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie 2004/38, mit Blick auf die Ausnahmebestimmung des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aber nicht zu einem einen Leistungsanspruch begründenden gemeinschaftsrechtlich verbürgten Aufenthaltsrecht (siehe Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 ER -, juris, dort Rn. 25).

Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich auch nicht aus § 4 FreizügG/EU (der der Regelung in Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38 entspricht). Nach dieser Bestimmung besteht für nicht erwerbsfähige Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht nach dem Ablauf von drei Monaten nur unter der Bedingung fort, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (vgl. Urteil des EuGH vom 07.09.2004, C - 456/02 Trojani). Bereits in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/38 wird darauf hingewiesen, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollten. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen (10. Erwägungsgrund, vgl. ABL L 158/81 vom 30.04.2004). Auch diese Voraussetzungen erfüllen die Antragsteller nicht.

Auf ein anderes, unabhängig von der Arbeitsuche bestehendes Aufenthaltsrecht etwa unter Berücksichtigung der Regelungen aus dem Aufenthaltsgesetz (vgl. § 11 Satz 11 FreizügG/EU, siehe hierzu Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R -) können sich die Antragsteller ebenfalls nicht berufen.

Soweit die Antragsteller bzw. die Antragstellerin auf die seit 11.06.2015 bestehende Schwangerschaft verweisen, ergibt sich hieraus kein weiteres Aufenthaltsrecht. Einen von dem noch nicht geborenen Kind abgeleiteten Anspruch können die Antragsteller schon nicht geltend machen, weil das Kind mit der Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Nach § 4 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erwirbt ein Kind nur dann die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil beide Antragsteller rumänische Staatsangehörige sind. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG nicht vor, wonach ein Kind ausländischer Eltern dann die deutsche Staatsangehörigkeit bei einer Geburt im Inland erwirbt, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt. Der vorliegende Fall ist auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des BSG (Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R -, juris), das der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils beigemessen hat. In diesem Fall bestand - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - bereits ein verfestigter aufenthaltsrechtlicher Status des ausländischen Vaters in Deutschland, weswegen es der Mutter, die über keinen eigenen aufenthaltsrechtlichen Status verfügte, nicht zuzumuten war, sich vor der Geburt von dem Vater zumindest vorübergehend zu trennen, was das BSG letztlich auch aus der Schutzpflicht des Staates und Art. 6 Grundgesetz (GG) in Bezug auf die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw. Aufrechterhaltung eines familiären Bezuges zu beiden Elternteilen von Geburt an folgerte. Eine solche die Familie oder das Kind betreffende Beeinträchtigung steht hier nicht im Raum. Die rechtlichen oder tatsächlichen Bindungen der Antragsteller zu Deutschland gehen insoweit nicht weiter als zu ihrem Herkunftsland, weswegen ein aus diesen Gründen bestehendes Aufenthaltsrecht nicht abgeleitet werden kann. Mit der erwähnten Entscheidung des EuGH (Urteil vom 15.09.2015, a.a.O.) ist auch geklärt, dass der Leistungsausschluss nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 verstößt. Der darin normierte Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, denn nach der Auslegung durch den EuGH stehen diese Bestimmungen einer Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich in der von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie 2004/38 erfassten Situation befinden, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004, die auch eine Leistung der "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstellen, ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, a.a.O., Rn. 63). Gemäß Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Er kann sich auch im Anwendungsbereich des Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 auf diese Ausnahmebestimmung berufen und darf Sozialhilfeleistungen auch für den Zeitraum nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie 2004/38, also während eines Zeitraumes in dem der Unionsbürger eines anderen Mitgliedsstaates Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden, verweigern. Bei den hier begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II handelt es sich um "Sozialhilfe" i.S.d. Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38, wovon auch die Urteile des EuGH (Urteile vom 11.11.2014, C-333/13, Dano, Rn. 63 und vom 15.09.2015, a.a.O., Rn. 43 und 44) ausgegangen sind, und nicht um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern sollen (EuGH, Urteil vom 15.09.2015 - a.a.O., Rn. 46). Der Ausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist damit nicht zu beanstanden, weil sich der Aufnahmemitgliedstaat auch bei einem Aufenthaltsrecht nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie 2004/38 auf die Ausnahmevorschrift des Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie berufen kann. Einer individuellen Prüfung dahingehend, ob die Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen durch die Antragsteller eine unangemessene Belastung für das Sozialsystem bedeuten würde, ist bei dieser Fallgestaltung nicht mehr erforderlich (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, a.a.O., Rn. 57, 59).

Nichts anderes ergibt sich schließlich, wenn man die Antragsteller als wirtschaftlich inaktiv bzw. wegen der Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sieht, sich um Arbeit zu bemühen. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Bayerischen LSG, Beschluss vom 14.04.2015 - L 7 AS 225/15 B ER -, juris, m.w.N.) von einem Leistungsausschluss auch dann aus, wenn keine Arbeitsuche (mehr) erfolgt und kein anderes Aufenthaltsrecht vorliegt. Der Ausschlusstatbestand ist so zu verstehen, dass ein Leistungsausschluss besteht, wenn sich mangels eines anderen Aufenthaltsrechts ein Aufenthaltsrecht nur noch aus der Arbeitsuche ergeben kann. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut "Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche". Eine andere Auslegung des Ausschlusstatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. insbes. LSG Hessen, Urteil vom 27.11.2013 - L 6 AS 378/12 - Revision anhängig unter B 14 AS 15/14; LSG Hessen, Beschluss vom 06.06.2014 - L 6 AS 130/14 B ER -, LSG NRW, Urteil vom 05.05.2014 - L 19 AS 430/13 -) ist nicht angezeigt, weil das Ergebnis keinen Sinn ergäbe. Das Hilfesystem des SGB II fordert in den Grundsätzen (§§ 2, 3 SGB II) und den Sanktionstatbeständen (§§ 31 ff. SGB II) energisch die Arbeitsuche. Es wäre nicht nachvollziehbar und ein unerklärbarer Widerspruch, wenn demjenigen Leistungen verweigert werden, der dieser Grundforderung nachkommt, diesem aber ab dem Moment Leistungen gewährt werden, wenn er sich dieser Grundforderung verweigert. Vor diesem Hintergrund bestand für den Gesetzgeber kein Anlass, für die letzte Fallgruppe einen ausdrücklichen Leistungsausschluss zu formulieren.

Eine Person, die nicht über ein anderes Aufenthaltsrecht und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, hat kein zum Sozialleistungsbezug berechtigendes Aufenthaltsrecht. Nicht erwerbstätige Unionsbürger müssen nach dem Urteil des EuGH in der Sache Dano (vom 11.11.2014, a.a.O.) über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen, um das einschlägige Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen zu können (Rn. 75, 80). Gleiches gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er Personen, die mit begründeter Erfolgsaussicht Arbeit suchen, kein Alg II geben will, wohl aber den Personen, die nach sechs Monaten mit wenig Erfolgsaussicht Arbeit suchen.

Damit haben die Antragsteller, die sich im Bundesgebiet aufhalten, nach geltendem Recht grundsätzlich keinen Zugang zu existenzsichernden Fürsorgeleistungen nach dem SGB II und dem SGB XII haben, sofern sie sich allein zur Arbeitssuche oder ohne Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Richtlinie 2004/38 aufhalten. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) Richtlinie 2004/38 verlangt der rechtmäßige Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat jedoch, soweit - wie hier - überhaupt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, dass der Betroffene über ausreichende Existenzmittel verfügt, um gerade nicht während seines Aufenthalts Sozialhilfeleistungen in Anspruch zu nehmen. Eine weitere Gewährleistung verlangt auch nicht die GR-ChartaEU (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.09.2015 - L 20 AS 2161/15 B ER -, juris).

Verfassungsrechtliche Bedenken, die die vorläufige Bewilligung von Leistungen (gleichwohl) erforderlich machen würden, bestehen nicht. Das aus Art 1 GG folgende und als Menschenrecht deutschen und ausländischen Staatsbürgern zustehende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist nicht verletzt. Die Antragsteller können darauf verwiesen werden, Leistungen ihres Heimatlandes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen. Mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus der Arbeitsuche ableiten, hat der Gesetzgeber den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist nicht zu beanstanden (wie hier: Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 ER -, juris).

Der faktische Zwang, ins Herkunftsland zurückkehren zu müssen, wenn es den Antragstellern nicht möglich sein sollte, ihren Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen (sofern sie nicht doch eine Beschäftigung aufnehmen oder ihren Lebensunterhalt anderweitig sichern können), stellt keine Verletzung der Art. 1 Abs. 2, 20 Abs. 1 GG dar. Sie ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil die Antragstellerin schwanger ist. Besondere Umstände - abgesehen von der für Ende Januar 2016 erwarteten Geburt - sind weder vorgetragen noch mit Blick auf den vorgelegten Mutterpass ersichtlich. Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, weshalb ggfs. auch eine Rückkehr nach Rumänien zum jetzigen Zeitpunkt unzumutbar sein könnte. Auch der von den Antragstellern besuchte Deutschkurs - für den im Dezember Prüfungen anstehen - vermag mit Blick auf die geltend gemachten Leistungen und die aufgezeigten rechtlichen Voraussetzungen eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen.

Die Antragsteller sind als Unionsbürger anders als Asylsuchende auch nicht daran gehindert, sich innerhalb des sog. "Schengen-Raumes" frei zu bewegen oder nach Rumänien zurückzukehren. Auch Rumänien hat sich zudem als Unterzeichner der Europäischen Sozialcharta (ratifiziert am 07.05.1999) verpflichtet, sicherzustellen, dass jedem, der nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese auch nicht selbst oder von anderen, insbesondere durch Leistungen aus einem System der Sozialen Sicherheit verschaffen kann, ausreichende Unterstützung und Krankenbehandlung zu gewähren (Artikel 13 der Sozialcharta - Das Recht auf Fürsorge). Auch tatsächlich verfügt Rumänien über ein zentrales von der Regierung kontrolliertes universelles Sozialhilfesystem, finanziert durch den Staatshaushalt, mit Geld- und Sachleistungen, einschließlich Sozialhilfe, Heizkostenzuschuss, Naturgaszuschuss und Zuschuss für festen Brennstoff und Öl (Quelle: www.sozialkompass.eu).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass vom Leistungsausschluss Ansprüche auf Hilfen zur Behebung eines akut lebensbedrohlichen Zustandes oder für eine unaufschiebbare und unabweisbar gebotene Behandlung einer schweren oder ansteckenden Erkrankung gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) unberührt bleiben. Solche sind aber nicht Gegenstand dieses Eilverfahrens.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren Rechnung.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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