Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1885/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5109/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.10.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und arbeitete zunächst in diesem Beruf. Nach Kindererziehungszeiten war sie von 2006 bis 2008 als Tagesmutter tätig und seit Januar 2012 geringfügig als Haushaltshilfe. Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Am 12.05.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Sie hielt sich seit 01.01.1990 wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig chronifizierte mittelgradige depressive Episode, und undifferenzierter Somatisierungsstörung für erwerbsgemindert. Dem Antrag war ein Reha-Entlassbericht der L.klinik Bad D. beigefügt, wo die Klägerin vom 09.07.2013 bis 29.07.2013 wegen dieser Gesundheitsstörungen sowie einer Tendovaginitis stenosans (schnellender Finger) behandelt wurde. Die Rehaärzte hielten die Klägerin in ihrer letzten Tätigkeit sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen für vollschichtig leistungsfähig. Die Klägerin hatte die Rehamaßnahme vorzeitig abgebrochen. Die Beklagte zog ein psychologisches Gutachten der Agentur für Arbeit Lörrach aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin vom 18.06.2014 bei. Die Diplom-Psychologin Dr. F. hielt die Klägerin noch nicht ausreichend psychisch belastbar für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie legte der Klägerin nahe, noch mal eine ambulante Psychotherapie zu versuchen, wie dies auch der Behandler Dr. B. schon angeregt habe.
Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte der Neurologe und Psychiater Dr. S.-Bu. die Klägerin am 21.08.2014. Diese berichtete von einem strukturierten Tagesablauf. Mit Ausnahme einer Teilversteifung des rechten Mittel- und Ringfingers und deren Auswirkungen war der neurologische Befund unauffällig. Auch der psychische Befund ergab keine wesentlichen Auffälligkeiten mit Ausnahme einer zeitweisen Resignation. Der Sachverständige diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis mittelgradig, und eine Somatisierungsstörung. Eine schwere depressive Episode sei nicht feststellbar, allenfalls wirke die Klägerin dysthym bei erhaltenem Antrieb. Der Gutachter attestierte ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 05.09.2014 ab. Den nachfolgenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.04.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich geltend gemacht. Die Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2013 sei leider erfolglos geblieben.
Das SG hat den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. vom Universitätsklinikum Freiburg mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Dieser hat die Klägerin am 14.07.2015 persönlich untersucht und eine rezidivierende depressive Störung mit aktueller depressive Episode, im traditionellen Sinn eine endogene Depression mit beeinträchtigter Affektivität, Antrieb, Denken und Kognition diagnostiziert. Der Gutachter hat ausgeführt, dass seiner Ansicht nach auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne vermehrt geistige Anforderungen, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung auf Dauer noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Bei Begutachtung bestehe ein vierstündiges Leistungsvermögen. Es werde vorausgesetzt, dass eine adäquate Therapie, an der es fehle, kurzfristig, das heißt innerhalb eines ersten Therapiezyklus, zu einer Verbesserung führe. Notwendig sei eine psychiatrische Pharmakotherapie. Die Einschränkungen bestünden erst seit der Begutachtung, denn früher seien zum Teil keine entsprechenden Ausfälle gesehen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 abgewiesen und sich zur Begründung auf die Feststellungen des Gutachters gestützt.
Gegen das der Klägerin am 14.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerbevollmächtigte am 10.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Senat hat den behandelnden Psychiater Dr. B. schriftlich befragt und einen Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht mit Beschluss vom 26.02.2016 abgelehnt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund der depressiven Erkrankung und insbesondere einer vorschnellen Ermüdbarkeit nur noch in der Lage sei, Tätigkeiten in einem Umfang von vier Stunden täglich auszuführen. Zwar sei der Gutachter der Auffassung gewesen, dass durch eine adäquate Behandlung kurzfristig eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und damit des Leistungsvermögens bewirkt werden könne. Dies sei jedoch trotz medikamentöser Behandlung und Umstellung der Medikation bis jetzt nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.10.2015 und den Bescheid vom 05.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 26.02.2016 darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gem § 153 Abs 4 SGG in Betracht komme. Die Beklagte hat sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt. Die Klägerbevollmächtigte hat sich nicht explizit dazu geäußert, sondern nur ausgeführt, dass bestimmte Psychopharmaka vom Hausarzt auch direkt verschrieben worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden; es sind keine Gründe genannt worden, die den Senat zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hätten veranlassen müssen.
Der Bescheid vom 05.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1971 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Sie ist nicht erwerbsgemindert.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne vermehrt geistige Anforderungen, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung zumutbar mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann.
Bei dieser Leistungseinschätzung stützt sich der Senat hauptsächlich auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Psychiaters Prof. Dr. E. aufgrund dessen persönlicher Untersuchung der Klägerin am 02.06.2015. Die vom Sachverständigen attestierte Leistungsfähigkeit deckt sich mit der Einschätzung der Rehaärzte der L.klinik Bad D. (Rehabilitationsmaßnahme vom 09.07.2013 bis 29.07.2013) sowie den Ausführungen des Gutachters der Beklagten, Dr. S.-Bu ... Auch der behandelnde Psychiater Dr. B. widerspricht in seiner schriftlichen Auskunft vom 24.02.2016 an den Senat einer solchen Leistungseinschätzung nicht. Er weist nur darauf hin, dass bei lediglich drei Kontakten über einen Zeitraum von drei Jahren (18.03.2014, 06.05.2014, 09.12.2015) von ihm schwer einzuschätzen sei, ob trotz der geschilderten diffusen Ängste, wiederkehrenden Panikattacken, Schlafstörungen, subjektiver Einschränkung der Konzentration und Gedächtnis und einer depressiven Stimmungslage noch eine leichte Arbeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich möglich ist. Im Übrigen kommt der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen
Bei der Klägerin stehen eindeutig die psychischen Gesundheitsstörungen im Vordergrund. Es liegt eine rezidivierende depressive Störung vor, die während des Rechtsstreits in unterschiedlicher Ausprägung bestanden hat. Die im Reha-Entlassbericht noch erwähnte Tendovaginitis stenosans und vom Gutachter Dr. S.-Bu. beschriebene Teilversteifung des rechten Mittel- und Ringfingers führen allenfalls zu qualitativen Einschränkungen bezüglich Tätigkeiten, die eine Feinmotorik der rechten Hand erfordern. Andere relevante Gesundheitsstörungen sind nicht ersichtlich. Einschränkungen der Wegefähigkeit liegen ebenfalls nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zB Urteile vom 14.12.2010 11 R 3243/09, vom 20.07.2010, L 11 R 5140/09 und vom 24.09.2009, L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Tagesstrukturierung mit jedem Gutachten dürftiger ausfallen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob und in welcher Form der Betroffene versucht, einem sich aus der Schmerzstörung ergebenden Leidensdruck durch angemessene therapeutische Bemühungen entgegenzuwirken.
Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet gar nicht versucht werden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung grundsätzlich nicht auf eine aktuell Arbeitsunfähigkeit verursachende psychische Erkrankung gestützt werden (Bayerisches LSG 15.02.2012, L 19 R 774/06; hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, BVerfGK 20, 139; siehe auch Senatsurteil 22.04.2015, L 11 R 5112/14; LSG Berlin-Brandenburg 18.09.2008, L 3 R 1816/07, juris RdNr 36).
Prof. Dr. E. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin bei seiner Untersuchung zwar an einer Antriebshemmung litt und diese aufgrund des veränderten Energieniveaus und der Ausdauer zu vorschneller Erschöpfbarkeit und zu einem auf vier Stunden reduzierten Leistungsvermögens führte. Bei der bei der Klägerin vorliegenden endogenen Depression ist der Wille selbst vom Krankheitsprozess erfasst. Allerdings ist für den Senat aufgrund der Ausführungen des Gutachters und der Auskunft des behandelnden Psychiaters Dr. B. nicht nachgewiesen, dass die Klägerin adäquat behandelt wird. Die Antriebsstörung bzw. die der depressiven Episode zu Grunde liegenden Veränderungen im Gehirn sind medikamentös zu beeinflussen. Bei bislang fehlenden nachhaltigen Versuchen der Behandlung der depressiven Episode kann nicht davon ausgegangen werden, dass dauerhaft ein nur vierstündiges Leistungsvermögen vorhanden ist. Eine solche nachhaltige medikamentöse Behandlung lässt sich der Auskunft von Dr. B. nicht entnehmen. Denn die Klägerin stellte sich erst drei Monate nach Gutachtenserstellung und knapp eineinhalb Monate nach Urteilsverkündung erneut beim Facharzt vor, der eine Medikamentenumstellung vornahm. Zumindest bis Ende Februar 2016 kam es zu keiner erneuten Vorstellung beim Psychiater. Die von der Klägerin vorgebrachte Verschreibung von nicht näher bezeichneten Psychopharmaka durch den Hausarzt lässt nach Ansicht des Senats, selbst wenn man dies als zutreffend unterstellt, nicht auf eine adäquate Behandlung schließen.
Darüber hinaus ist der Senat der Überzeugung, dass sich mit den von Prof. Dr. E. erhobenen Befunden eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht begründen lässt. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen waren Auffassungsgabe, Merkfähigkeit und Gedächtnis klinisch nicht beeinträchtigt. Die Konzentrationsfähigkeit war nach Ansicht des Sachverständigen reduziert und die affektive Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Auch der Antrieb war vermindert. Bei der Beschwerdeschilderung hat die Klägerin jedoch auch angegeben, dass ihre Konzentration nach 2 bis 3 Stunden nachlasse. Dies ist nicht ungewöhnlich und lässt keinen Schluss auf eine krankheitsbedingte Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit zu, vor allem wenn man bedenkt, dass nach Ansicht des Sachverständigen bei einer depressiven Erkrankung eine deutliche Müdigkeit oft nach nur kleinen Anstrengungen auftritt. Der Senat geht deshalb zwar davon aus, dass die Klägerin – wie von Prof. Dr. E. diagnostiziert – unter einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, er ist aber der Überzeugung, dass diese Störung aufgrund der vom Sachverständigen erhobenen Befunde noch nicht so ausgeprägt ist, dass sie zu einer zeitlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten führt.
Der Senat sieht sich in dieser Beurteilung durch den Entlassungsbericht der L.klinik vom 05.08.2013 bestätigt. In diesem Bericht wird ausgeführt, dass die Klägerin in der Ergotherapie sorgfältig und in eher zügigem Arbeitstempo mitgearbeitet habe und während des Arbeitsvorganges sehr konzentriert gewesen sei. Im Laufe des Aufenthaltes in der Klinik sei immer deutlicher geworden, dass die Klägerin in ihrer Rolle als Alleinerziehende überfordert sei. Dabei handelt es sich jedoch um familiäre Belastungen, die durchaus gravierend sein können, aber nicht aus einer Krankheit resultieren und daher für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht relevant sind. Die Klägerin hat außerdem den Reha-Aufenthalt vorzeitig – etwa eine Woche früher als geplant - abgebrochen ua mit der Begründung, ihr Sohn sei während des gesamten Aufenthaltes erkältet gewesen und sie habe es deshalb als schwierig empfunden, in der Klinik eine adäquate Beschäftigung mit dem kranken Kind zu finden, da Angebote wie die Nutzung des Schwimmbades wegen der Erkältung nicht möglich gewesen seien. Dies lässt den Schluss zu, dass ein krankheitsbedingter Leidensdruck nicht in nennenswerter Ausprägung vorhanden war. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik ist deshalb trotz der Diagnose einer rezidivierenden Störung nachvollziehbar und schlüssig die Auffassung vertreten worden, dass die Klägerin die Reha arbeitsfähig angetreten und arbeitsfähig beendet habe. Eine dauerhafte Leistungseinschränkung auf unter sechsstündige Tätigkeiten ist deshalb derzeit und seit der Rentenantragstellung nicht nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. E. hat dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig, auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Verschreibung von bestimmten Psychopharmaka durch die Hausärzte. Insoweit liegt, da der Klägerin zu Art und Dosierung der (angeblich) verordneten Medikamente auch ohne medizinisches Wissen konkrete Angaben möglich wären, eine Aussage ins Blaue hinein vor ohne konkrete Angaben zur Behandlungshäufigkeit oder zu konkreten Pharmakotherapien. Im Übrigen würde auch eine Verschreibung von Psychopharmaka durch den Hausarzt nichts an der tatsächlich niederfrequenten fachärztlichen Behandlung ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und arbeitete zunächst in diesem Beruf. Nach Kindererziehungszeiten war sie von 2006 bis 2008 als Tagesmutter tätig und seit Januar 2012 geringfügig als Haushaltshilfe. Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Am 12.05.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Sie hielt sich seit 01.01.1990 wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig chronifizierte mittelgradige depressive Episode, und undifferenzierter Somatisierungsstörung für erwerbsgemindert. Dem Antrag war ein Reha-Entlassbericht der L.klinik Bad D. beigefügt, wo die Klägerin vom 09.07.2013 bis 29.07.2013 wegen dieser Gesundheitsstörungen sowie einer Tendovaginitis stenosans (schnellender Finger) behandelt wurde. Die Rehaärzte hielten die Klägerin in ihrer letzten Tätigkeit sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen für vollschichtig leistungsfähig. Die Klägerin hatte die Rehamaßnahme vorzeitig abgebrochen. Die Beklagte zog ein psychologisches Gutachten der Agentur für Arbeit Lörrach aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin vom 18.06.2014 bei. Die Diplom-Psychologin Dr. F. hielt die Klägerin noch nicht ausreichend psychisch belastbar für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie legte der Klägerin nahe, noch mal eine ambulante Psychotherapie zu versuchen, wie dies auch der Behandler Dr. B. schon angeregt habe.
Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte der Neurologe und Psychiater Dr. S.-Bu. die Klägerin am 21.08.2014. Diese berichtete von einem strukturierten Tagesablauf. Mit Ausnahme einer Teilversteifung des rechten Mittel- und Ringfingers und deren Auswirkungen war der neurologische Befund unauffällig. Auch der psychische Befund ergab keine wesentlichen Auffälligkeiten mit Ausnahme einer zeitweisen Resignation. Der Sachverständige diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis mittelgradig, und eine Somatisierungsstörung. Eine schwere depressive Episode sei nicht feststellbar, allenfalls wirke die Klägerin dysthym bei erhaltenem Antrieb. Der Gutachter attestierte ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 05.09.2014 ab. Den nachfolgenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.04.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich geltend gemacht. Die Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2013 sei leider erfolglos geblieben.
Das SG hat den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. vom Universitätsklinikum Freiburg mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Dieser hat die Klägerin am 14.07.2015 persönlich untersucht und eine rezidivierende depressive Störung mit aktueller depressive Episode, im traditionellen Sinn eine endogene Depression mit beeinträchtigter Affektivität, Antrieb, Denken und Kognition diagnostiziert. Der Gutachter hat ausgeführt, dass seiner Ansicht nach auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne vermehrt geistige Anforderungen, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung auf Dauer noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Bei Begutachtung bestehe ein vierstündiges Leistungsvermögen. Es werde vorausgesetzt, dass eine adäquate Therapie, an der es fehle, kurzfristig, das heißt innerhalb eines ersten Therapiezyklus, zu einer Verbesserung führe. Notwendig sei eine psychiatrische Pharmakotherapie. Die Einschränkungen bestünden erst seit der Begutachtung, denn früher seien zum Teil keine entsprechenden Ausfälle gesehen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 abgewiesen und sich zur Begründung auf die Feststellungen des Gutachters gestützt.
Gegen das der Klägerin am 14.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerbevollmächtigte am 10.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Senat hat den behandelnden Psychiater Dr. B. schriftlich befragt und einen Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht mit Beschluss vom 26.02.2016 abgelehnt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund der depressiven Erkrankung und insbesondere einer vorschnellen Ermüdbarkeit nur noch in der Lage sei, Tätigkeiten in einem Umfang von vier Stunden täglich auszuführen. Zwar sei der Gutachter der Auffassung gewesen, dass durch eine adäquate Behandlung kurzfristig eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und damit des Leistungsvermögens bewirkt werden könne. Dies sei jedoch trotz medikamentöser Behandlung und Umstellung der Medikation bis jetzt nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.10.2015 und den Bescheid vom 05.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 26.02.2016 darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gem § 153 Abs 4 SGG in Betracht komme. Die Beklagte hat sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt. Die Klägerbevollmächtigte hat sich nicht explizit dazu geäußert, sondern nur ausgeführt, dass bestimmte Psychopharmaka vom Hausarzt auch direkt verschrieben worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden; es sind keine Gründe genannt worden, die den Senat zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hätten veranlassen müssen.
Der Bescheid vom 05.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1971 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Sie ist nicht erwerbsgemindert.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne vermehrt geistige Anforderungen, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung zumutbar mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann.
Bei dieser Leistungseinschätzung stützt sich der Senat hauptsächlich auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Psychiaters Prof. Dr. E. aufgrund dessen persönlicher Untersuchung der Klägerin am 02.06.2015. Die vom Sachverständigen attestierte Leistungsfähigkeit deckt sich mit der Einschätzung der Rehaärzte der L.klinik Bad D. (Rehabilitationsmaßnahme vom 09.07.2013 bis 29.07.2013) sowie den Ausführungen des Gutachters der Beklagten, Dr. S.-Bu ... Auch der behandelnde Psychiater Dr. B. widerspricht in seiner schriftlichen Auskunft vom 24.02.2016 an den Senat einer solchen Leistungseinschätzung nicht. Er weist nur darauf hin, dass bei lediglich drei Kontakten über einen Zeitraum von drei Jahren (18.03.2014, 06.05.2014, 09.12.2015) von ihm schwer einzuschätzen sei, ob trotz der geschilderten diffusen Ängste, wiederkehrenden Panikattacken, Schlafstörungen, subjektiver Einschränkung der Konzentration und Gedächtnis und einer depressiven Stimmungslage noch eine leichte Arbeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich möglich ist. Im Übrigen kommt der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen
Bei der Klägerin stehen eindeutig die psychischen Gesundheitsstörungen im Vordergrund. Es liegt eine rezidivierende depressive Störung vor, die während des Rechtsstreits in unterschiedlicher Ausprägung bestanden hat. Die im Reha-Entlassbericht noch erwähnte Tendovaginitis stenosans und vom Gutachter Dr. S.-Bu. beschriebene Teilversteifung des rechten Mittel- und Ringfingers führen allenfalls zu qualitativen Einschränkungen bezüglich Tätigkeiten, die eine Feinmotorik der rechten Hand erfordern. Andere relevante Gesundheitsstörungen sind nicht ersichtlich. Einschränkungen der Wegefähigkeit liegen ebenfalls nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zB Urteile vom 14.12.2010 11 R 3243/09, vom 20.07.2010, L 11 R 5140/09 und vom 24.09.2009, L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Tagesstrukturierung mit jedem Gutachten dürftiger ausfallen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob und in welcher Form der Betroffene versucht, einem sich aus der Schmerzstörung ergebenden Leidensdruck durch angemessene therapeutische Bemühungen entgegenzuwirken.
Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet gar nicht versucht werden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung grundsätzlich nicht auf eine aktuell Arbeitsunfähigkeit verursachende psychische Erkrankung gestützt werden (Bayerisches LSG 15.02.2012, L 19 R 774/06; hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, BVerfGK 20, 139; siehe auch Senatsurteil 22.04.2015, L 11 R 5112/14; LSG Berlin-Brandenburg 18.09.2008, L 3 R 1816/07, juris RdNr 36).
Prof. Dr. E. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin bei seiner Untersuchung zwar an einer Antriebshemmung litt und diese aufgrund des veränderten Energieniveaus und der Ausdauer zu vorschneller Erschöpfbarkeit und zu einem auf vier Stunden reduzierten Leistungsvermögens führte. Bei der bei der Klägerin vorliegenden endogenen Depression ist der Wille selbst vom Krankheitsprozess erfasst. Allerdings ist für den Senat aufgrund der Ausführungen des Gutachters und der Auskunft des behandelnden Psychiaters Dr. B. nicht nachgewiesen, dass die Klägerin adäquat behandelt wird. Die Antriebsstörung bzw. die der depressiven Episode zu Grunde liegenden Veränderungen im Gehirn sind medikamentös zu beeinflussen. Bei bislang fehlenden nachhaltigen Versuchen der Behandlung der depressiven Episode kann nicht davon ausgegangen werden, dass dauerhaft ein nur vierstündiges Leistungsvermögen vorhanden ist. Eine solche nachhaltige medikamentöse Behandlung lässt sich der Auskunft von Dr. B. nicht entnehmen. Denn die Klägerin stellte sich erst drei Monate nach Gutachtenserstellung und knapp eineinhalb Monate nach Urteilsverkündung erneut beim Facharzt vor, der eine Medikamentenumstellung vornahm. Zumindest bis Ende Februar 2016 kam es zu keiner erneuten Vorstellung beim Psychiater. Die von der Klägerin vorgebrachte Verschreibung von nicht näher bezeichneten Psychopharmaka durch den Hausarzt lässt nach Ansicht des Senats, selbst wenn man dies als zutreffend unterstellt, nicht auf eine adäquate Behandlung schließen.
Darüber hinaus ist der Senat der Überzeugung, dass sich mit den von Prof. Dr. E. erhobenen Befunden eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht begründen lässt. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen waren Auffassungsgabe, Merkfähigkeit und Gedächtnis klinisch nicht beeinträchtigt. Die Konzentrationsfähigkeit war nach Ansicht des Sachverständigen reduziert und die affektive Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Auch der Antrieb war vermindert. Bei der Beschwerdeschilderung hat die Klägerin jedoch auch angegeben, dass ihre Konzentration nach 2 bis 3 Stunden nachlasse. Dies ist nicht ungewöhnlich und lässt keinen Schluss auf eine krankheitsbedingte Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit zu, vor allem wenn man bedenkt, dass nach Ansicht des Sachverständigen bei einer depressiven Erkrankung eine deutliche Müdigkeit oft nach nur kleinen Anstrengungen auftritt. Der Senat geht deshalb zwar davon aus, dass die Klägerin – wie von Prof. Dr. E. diagnostiziert – unter einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, er ist aber der Überzeugung, dass diese Störung aufgrund der vom Sachverständigen erhobenen Befunde noch nicht so ausgeprägt ist, dass sie zu einer zeitlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten führt.
Der Senat sieht sich in dieser Beurteilung durch den Entlassungsbericht der L.klinik vom 05.08.2013 bestätigt. In diesem Bericht wird ausgeführt, dass die Klägerin in der Ergotherapie sorgfältig und in eher zügigem Arbeitstempo mitgearbeitet habe und während des Arbeitsvorganges sehr konzentriert gewesen sei. Im Laufe des Aufenthaltes in der Klinik sei immer deutlicher geworden, dass die Klägerin in ihrer Rolle als Alleinerziehende überfordert sei. Dabei handelt es sich jedoch um familiäre Belastungen, die durchaus gravierend sein können, aber nicht aus einer Krankheit resultieren und daher für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht relevant sind. Die Klägerin hat außerdem den Reha-Aufenthalt vorzeitig – etwa eine Woche früher als geplant - abgebrochen ua mit der Begründung, ihr Sohn sei während des gesamten Aufenthaltes erkältet gewesen und sie habe es deshalb als schwierig empfunden, in der Klinik eine adäquate Beschäftigung mit dem kranken Kind zu finden, da Angebote wie die Nutzung des Schwimmbades wegen der Erkältung nicht möglich gewesen seien. Dies lässt den Schluss zu, dass ein krankheitsbedingter Leidensdruck nicht in nennenswerter Ausprägung vorhanden war. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik ist deshalb trotz der Diagnose einer rezidivierenden Störung nachvollziehbar und schlüssig die Auffassung vertreten worden, dass die Klägerin die Reha arbeitsfähig angetreten und arbeitsfähig beendet habe. Eine dauerhafte Leistungseinschränkung auf unter sechsstündige Tätigkeiten ist deshalb derzeit und seit der Rentenantragstellung nicht nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. E. hat dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig, auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Verschreibung von bestimmten Psychopharmaka durch die Hausärzte. Insoweit liegt, da der Klägerin zu Art und Dosierung der (angeblich) verordneten Medikamente auch ohne medizinisches Wissen konkrete Angaben möglich wären, eine Aussage ins Blaue hinein vor ohne konkrete Angaben zur Behandlungshäufigkeit oder zu konkreten Pharmakotherapien. Im Übrigen würde auch eine Verschreibung von Psychopharmaka durch den Hausarzt nichts an der tatsächlich niederfrequenten fachärztlichen Behandlung ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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