L 13 R 5175/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 327/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5175/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die im Jahr 1970 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben keinen Beruf erlernt, auch ein Anlernverhältnis bestand nicht. Im Jahre 1995 ist die Klägerin aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. In Deutschland ist die Klägerin keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Am 5. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Januar 2013 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Grundlage der Entscheidung war das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin/Sozialmedizin und Schmerztherapie Dr. P. vom 13. September 2012 (Diagnosen: Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule betont L5 – S1 und HWS, ohne wesentliche Bewegungseinschränkungen, keine Nervenwurzelreizzeichen, keine Nervenausfallerscheinungen, Übergewicht, Anpassungsstörung mit leichter depressiver Herabgestimmtheit und Neigung zu Somatisierung bei psychosozialen Belastungsfaktoren. Die Klägerin, die zwei behinderte Kinder versorge, sei in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Bücken oder eine Exposition gegen Nässe, Kälte und Zugluft seien ausgeschlossen.

Am 7. Februar 2013 hat die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie sei nicht mehr in der Lage, auch leichte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu verrichten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte befragt. Der Urologe Dr. R. hat in seiner Auskunft vom 11. Juli 2013 das Vorliegen einer urologischen Erkrankung verneint. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. M.-H. hat in ihrer Auskunft vom 22. Juli 2013 die Auffassung vertreten, dass der Klägerin keine vollschichtige Belastbarkeit zugemutet werden könnte. Im Vordergrund stünden subjektive Schmerzen von Seiten des Bewegungsapparates, hinzukämen Migräne und Spannungskopfschmerz. Es liege eine somatoforme Störung und ein chronisches Schmerzsyndrom bei mittelgradiger rezidivierender depressiver Störung und schwieriger familiärer Situation vor. Der Facharzt für Psychiatrie Dr. A., psychiatrische Institutsambulanz, Z. S., hat in seiner Auskunft vom 24. Juli 2013 angegeben, seiner Einschätzung nach sei die Klägerin zum aktuellen Zeitpunkt nicht in der Lage, selbstständig mehr als 3 Stunden eine leichte berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode ohne psychotische Symptome, zudem an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung und Anpassungsstörung. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. K. hat unter dem 28. August 2013 keine Leistungsbeurteilung abgegeben und ausgeführt, wegen immer wieder angegebener depressiver Verstimmung sei eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung sinnvoll.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. W. und eines Sachverständigengutachtens auf orthopädischem Fachgebiet von Dr. H ... Die Sachverständige Prof. Dr. W. hat in ihrem Gutachten vom 6. März 2014 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine rezidivierende depressive Störung, aktuell leichte bis mittelschwere Episode. Es bestehe kein sicherer Anhalt für eine Somatisierungsstörung. Hinzu komme eine chronische Lumboischialgie ohne radikuläre Ausfälle sowie eine Cervicobrachialgie ohne radikuläre Ausfälle. Die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Der Sachverständige Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 5. Juni 2014 mäßige Bandscheibendegenerationen L5/S1 i.V.m. einem kleinen mittigen Bandscheibenvorfall ohne neurologische Begleiterscheinungen festgestellt. Die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, sowohl der Orthopäde Dr. H. als auch die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. W. hätten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem bzw. nervenärztlichem Gebiet nicht so schwerwiegend seien, als dass diese zu einer Erwerbsminderung führten.

Gegen das der Bevollmächtigten der Klägerin am 10. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Dezember 2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Trotz langjähriger Behandlungen habe sich eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht ergeben. Die psychiatrischen Gesundheitsstörungen seien zwar schwankend, die depressive Symptomatik sei allerdings stets vorhanden, wobei wegen der Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten auch von einer Dauerhaftigkeit des Zustands auszugehen sei. Die behandelnden Ärzte der psychiatrischen Institutsambulanz gelangten zu einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. N. eingeholt. In seinem Gutachten vom 6. Juli 2015 hat Dr. N. ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine schwere Depression (schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung). Darüber hinaus leide die Klägerin unter einem Schmerzsyndrom der Wirbelsäule und zahlreicher Gelenke. Diese seien zum Teil durch degenerative Veränderungen erklärbar, dürften aber im Wesentlichen psychosomatischer Natur sein im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD - 10 F 45.4). Die Klägerin sei nicht in der Lage, eine irgendwie geartete Erwerbstätigkeit regelmäßig auch nur stundenweise zu verrichten.

Der Senat hat nach Einwänden der Beklagten (sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B.) weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. B ... In dem am 9. Dezember 2015 erstellten Sachverständigengutachten hat dieser unter anderem dargelegt, bei der Klägerin liege ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite vor. Auf psychiatrischem Fachgebiet hat der Sachverständige eine Dysthymie diagnostiziert, jedoch eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn, insbesondere ein klinisch relevantes depressives Syndrom jedweder Genese und ein chronisches, klinisch relevantes Schmerzsyndrom jedweder Genese ausgeschlossen. Auch das Vorliegen eines sog. Fibromyalgie-Syndroms hat der Sachverständige verneint. Der Sachverständige hat weiter partiell Simulationstendenzen als Ausdruck einer bewusstseinsnahen Zweckreaktion bzw. Tendenzreaktion ihrerseits beschrieben. Aus dem leicht ausgeprägten Wirbelsäulensyndrom resultierten lediglich qualitative Einschränkungen dahingehend, dass der Klägerin nur leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten zugemutet werden könnten, wohingegen ihr schwere und dauernd mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit häufigem sich Bücken, sich Drehen und sich Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe (ohne entsprechende Schutzkleidung) nicht zumutbar seien. Die freie Wegstrecke der Klägerin sei unter neurologischem Blickwinkel nicht eingeschränkt. Die Dysthymie führe zu keinen weiteren objektivierbaren Leistungseinbußen. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig leistungsfähig.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat hiergegen Einwendungen erhoben und unter anderem vorgetragen, aus dem im Gutachten geschilderten Tagesablauf könne eine Begründung, dass die Klägerin in psychischer und physischer Hinsicht gesund sei, nicht abgeleitet werden. Auch die Argumentation, dass typisches Begleitsymptom für einen depressiven Zustand ein Appetitverlust sei, gehe fehl, da gerade unkontrollierte Nahrungsaufnahme und mangelnde Bewegung Ausdruck einer depressiven Erkrankung sein könnten. Entgegen den Ausführungen des Sachverständigen könnten die fehlenden körperlichen Befunde als Nachweis der psychischen Schmerzsymptomatik der Klägerin nicht als Simulation bewertet werden, der Gutachter Dr. N. habe darauf hingewiesen, dass die körperlichen Beschwerden hauptsächlich psychosomatischer Natur seien.

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Februar 2016 hat Prof. Dr. B. hierzu ausgeführt, aus dem Wirbelsäulensyndrom hätten sich auch nach der Aktenlage keine zeitüberdauernden neurologischen Defizite ergeben. Die früheren Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung (Gutachten Dr. N.) hätten sich nicht bestätigt. Der Umstand, sich kraftlos und erschöpft zu fühlen, sei mit der Diagnose einer Dysthymie vollständig erklärt. Insgesamt verbleibe es bei den Ausführungen im Sachverständigengutachten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Januar 2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Juli 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 143, 144, 151 SGG) Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zutreffend die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie nicht erwerbsgemindert ist. Wegen der Rechtsgrundlagen für die beanspruchte Rente verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil.

Die bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen stehen einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich nicht entgegen, weshalb sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.

Die Klägerin leidet auf nervenärztlichen Fachgebiet unter einer Dysthymie sowie unter einem leicht ausgeprägten Wirbelsäulensyndrom ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite. Der Senat stützt sich hierbei auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 9. Dezember 2015. Der Sachverständige hat eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn, insbesondere ein klinisch relevantes depressives Syndrom jedweder Genese (sowohl somatischer als auch psychogener Genese) und somit auch ein Fibromyalgie-Syndrom (bzw. synonymer diagnostischer Bezeichnungen wie Tendomyopathien, Somatisierungsstörung bzw. somatoforme Störung) ausgeschlossen. Seelische bzw. seelisch-bedingte Störungen bzw. Hemmungen klinisch relevanten Ausmaßes (so genannte unüberwindbare psychische Hemmungen) hat er - für den Senat aufgrund des erhobenen und dargelegten Befundes überzeugend - nicht feststellen können. Einschränkungen hinsichtlich des allgemeinen Interessenspektrums der Klägerin, ihrer Tagesstrukturierung und vor allem ihrer sozialen Interaktionsfähigkeit hat Prof. Dr. B. weder aus den Voruntersuchungen noch anlässlich der eigenen Untersuchung bzw. den anamnestischen Angaben der Klägerin hinsichtlich ihres Tagesablaufes, ihrer Interessen oder Aktivitäten ableiten können. Der Sachverständige hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei der Beschreibung des Tagesablaufes zwar eine negativ-getönte Befindlichkeit hinsichtlich ihrer subjektiven Wahrnehmung ihrer aktuellen Situation erkennen ließ, woraus aber lediglich Hinweise auf eine sog. Dysthymie ableitbar sind. Er stützt dies nachvollziehbar auch auf die eigenen Angaben der Klägerin bei den Untersuchungen bei den anderen Gutachtern. Hierzu stellt der Senat fest, dass die Klägerin gemäß ihren Angaben bei Dr. N. (Bl. 37-38 der Senatsakten) morgens um 6:00 Uhr aufsteht und sich dann um ihren Sohn, den sie füttert und dem sie die Windeln wechselt, kümmert. Sie geht tagsüber manchmal raus, macht einen 20- bis 30-minütigen Spaziergang, je nachdem wie sie sich fühlt. Am Abend bereitet sie etwas zum Essen zu. Üblicherweise geht sie zwischen 21:00 Uhr und 22:00 Uhr zu Bett. Sie muss immer bereit sein, sich um ihren Sohn zu kümmern, wenn dieser sich (nachts) meldet. Gelegentlich besucht sie Verwandte. Sie geht regelmäßig zum Hausarzt und zum Psychiater und erhält regelmäßig Gymnastik. Nach ihren Angaben gegenüber der Sachverständigen Prof. Dr. W. (Bl. 68 der SG Akte) war sie im vorangegangenen Jahr mit ihrer Familie im Urlaub in der T., wobei man mit dem Auto gefahren und 3 Tage unterwegs gewesen ist. Den Vortag der Untersuchung schilderte sie so, dass sie um 6:30 Uhr aufgestanden ist und ihren Sohn für die Schule fertig gemacht hat und sich danach wieder hingelegt hat. Um 10:00 Uhr wurde sie wieder wach und hat etwas Kaltes gegessen sowie um 11:00 Uhr einen Arzttermin wahrgenommen. Sie hat dann etwas mit Kartoffeln gekocht und man hat dann gegessen. Ihr Sohn wurde um 16:00 Uhr wieder gebracht. Sie gab ihm dann etwas zu essen, wusch ihm das Gesicht, wechselte die Windel und putzte ihm die Zähne. Gemäß den Angaben bei dem Sachverständigen Dr. H. versorgt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann den Haushalt, kann aber trotz ihrer Schmerzen in der Regel doch noch Küchenarbeiten und das Kochen übernehmen. Darüber hinaus wäscht sie die Wäsche. Gelegentlich sucht sie mit ihrem Mann ihren Garten auf, um dort ein wenig im Freien zu sein, selten geht sie selbst zu Fuß etwa 500 m weit zu einem nahegelegenen Supermarkt, um kleinere Einkäufe zu tätigen. Nach den weiteren Angaben bei Dr. H. steht sie um 6:30 Uhr auf und sorgt dafür, dass ihr Sohn versorgt wird, bevor er abgeholt wird. Anschließend legt sie sich dann wieder für mehrere Stunden ins Bett und beginnt gegen 14:00 Uhr oder 15:00 Uhr dann mit der Zubereitung einer warmen Abendmahlzeit. Den Rest des Tages verbringt sie teilweise mit der Assistenz ihres Mannes bei der Pflege ihres Sohnes und weiteren Hausarbeiten, mal schaut sie Fernsehen, mal unterhält sie sich mit ihrem Mann und ihrer Tochter. Manches Mal bedarf auch ihr pflegebedürftiger Sohn mitten in der Nacht der Zuwendung. Der Sachverständige kommt angesichts dieser Aktivitäten der Klägerin für den Senat somit schlüssig zu dem Ergebnis, dass eine psychiatrische Erkrankung im eigentlichen Sinn, wie von dem Sachverständigen beschriebenen, nicht vorliegt, weil ansonsten auch ihre Fähigkeiten zu einer selbstständigen Lebensführung und ihrer allgemeinen sozialen Kompetenz dadurch schwerwiegend - vorübergehend oder dauerhaft - eingeschränkt bzw. in der Vergangenheit eingetreten gewesen wäre. Aus den anamnestischen Angaben, auch im Rückblick, lassen sich Zeitperioden einer entsprechenden schwerwiegenden Beeinträchtigung, wie von Prof. Dr. B. schlüssig ausgeführt wird, nicht ableiten. Vielmehr verbleiben die von der Klägerin angegebenen Einschränkungen im Sinne einer Dysthymie allein im subjektiven Bereich, wobei dies jedoch zu keinen objektivierbaren Leistungseinbußen führt. Schließlich hat der Sachverständige plausibel dargelegt, dass simulative Tendenzen festzustellen waren. So demonstrierte die Klägerin bei der Prüfung der groben Kraft der Extremitäten initial eine deutliche Schwäche in sämtlichen Muskelabschnitten aller Extremitäten, so dass sie bei tatsächlichem Bestehen derart schwer ausgeprägter Paresen auch im Bereich der unteren Extremitäten, wie von ihr demonstriert, weder stand- noch gehfähig wäre. Gleichwohl war die Klägerin bei weiteren Untersuchungsgängen schlussendlich in der Lage, in allen zunächst als paretisch demonstrierten Muskelgruppen eine volle Kraft zu entfalten, sodass organische Paresen (Lähmungserscheinungen) auszuschließen sind. Weiter hat die Klägerin bei der Prüfung der Kopfbeweglichkeit initial schon bei geringsten Drehbewegungen des Kopfes bzw. bei den geringsten Kopfseitneigebewegungen beidseits heftigste Schmerzen angegeben und diese auch gestisch und mimisch ausgedrückt, obwohl eine weitere passive Bewegung ihres Kopfes bis zu den maximal erreichbaren Endpunkten möglich war. Der Sachverständige weist diesbezüglich nachvollziehbar darauf hin, dass der Nachweis simulativer Tendenzen diametral der Diagnose eines depressiven Syndroms jedweder Genese bzw. unüberwindbarer psychischer Hemmungen widerspricht, da ein depressives Syndrom bzw. unüberwindbare psychische Hemmungen einen Rückzug in eine subjektive Innenwelt meinen, wohingegen simulative Tendenzen aktive, nach außen gerichtete Handlungselemente der Klägerin beinhalten.

Der Sachverständige beschreibt die Klägerin ferner in der Explorationssituation (zweieinhalb Stunden) stets bewusstseinsklar und hinsichtlich Ort, Zeit, Person und Situation voll orientiert. Wahrnehmung und Auffassung sind ungestört gewesen, ebenso ihre Gedächtnisleistungen. Auch die Antriebssituation wird als nicht gestört beschrieben. Ausdrücklich hat der Sachverständige die exakte Auffassungsgabe dargelegt. Das Denkvermögen war logisch aufgebaut, zusammenhängend und für den Hörer nachvollziehbar. Schließlich waren Zwangsgedanken oder gar Wahngedanken unter keinen Gesichtspunkten feststellbar. In affektiver Hinsicht ist ein guter Rapport zu der Klägerin herstellbar gewesen.

Aufgrund dessen ist der Sachverständige Prof. Dr. B. für den Senat schlüssig und überzeugend zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten - ohne schwere und dauernd mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit häufigem Bücken, Drehen und Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten Kälte und Nässe (ohne entsprechende Schutzkleidung) - vollschichtig leistungsfähig ist. Auch Prof. Dr. W. hat eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht angenommen.

Nach diesen für den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. ist die Beurteilung des Dr. N., wonach die Klägerin an einer schweren Depression (schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung) und einem Schmerzsyndrom der Wirbelsäule leide, ebenso wie seine Beurteilung, wonach die Klägerin nicht in der Lage sei, eine irgendwie geartete Erwerbstätigkeit auch nur stundenweise regelmäßig zu verrichten, widerlegt. Hinsichtlich der orthopädischen Leiden nimmt der Senat auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug, denen er sich insbesondere aufgrund der schlüssigen Darlegung des Dr. H. nach eigener Prüfung uneingeschränkt anschließt (§ 153 Abs. 4 SGG).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin somit in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Arbeiten mit häufigem sich Bücken, sich Drehen und sich Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe (ohne entsprechende Schutzkleidung) sind der Klägerin nicht zumutbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung liegen somit nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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