S 37 EG 67/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
37
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 37 EG 67/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu gewähren ist.

Die am XX.XX.1982 geborene, verheiratete, Klägerin ist die Mutter der am XX.XX.2014 geborenen C.- C ... Vor der Geburt ihrer Tochter war die Klägerin nichtselbstständig bei der C-FIRMA AG beschäftigt, danach nahm sie Elternzeit bis zum 25.10.2016 in Anspruch. Im Zeitraum vom 14.09.2014 bis zum 21.12.2014 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld mit Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 13,00 Euro bzw. 90,56 Euro kalendertäglich.

Der Ehemann der Klägerin war zu dieser Zeit als Unternehmensberater in Österreich beschäftigt.

Mit Antrag vom 27.12.2014 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für ihre Tochter für den ersten bis vierzehnten Lebensmonat. Dabei gab sie an, dass sie ihren Hauptwohnsitz in C-Stadt habe und dort mit ihrer Tochter zusammenlebe. Ihr Ehemann habe seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Sie lebe mit diesem nicht zusammen in der gleichen Wohnung. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.02.2015 einen Elterngeldanspruch ab, weil die Summe des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) beider Elternteile im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes mehr als 500.000 Euro (§ 1 Abs. 8 BEEG) betragen habe, wodurch ein Elterngeldanspruch entfalle.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.03.2015 machte die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen für den Entfall des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs. 8 BEEG nicht vorlägen. Sie selbst habe kein Einkommen von mehr als 250.000 Euro im Kalenderjahr 2013 gehabt. Das Einkommen ihres Ehemanns sei nicht zu berücksichtigen, da sie nicht mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Nach einem Urteil des Bundessozialge-richts (BSG) vom 04.09.2013 (Az. B 10 EG 4/12 R) seien mangels einer speziellen elterngeldrechtlichen Umschreibung des Haushaltsbegriffs bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG auf ein allgemeinsozialrechtliches Begriffsverständnis zurückzugreifen. Nach der älteren Rechtsprechung des BSG sei unter Haushalt eine durch familienhaftes Zu-sammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Diese verlange eine häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. Zusammenfassend sei Haushalt eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstelle, wobei sich diese drei Merkmale überschneiden könnten, keines davon jedoch gänzlich fehlen dürfe. Ein gemeinsamer Haushalt in diesem Sinne liege nicht vor. Sie sei deutsche Staatsangehörige und unterhalte eine Wohnung in C-Stadt, C-Straße 36, in der sie gemeinsam mit ihrer Tochter lebe. Ihr Ehemann sei dem-gegenüber österreichischer Staatsangehöriger, der seinerseits eine Wohnung in D-Stadt in Tirol unterhalte. Hierbei handele es sich nicht um eine Zweit- oder Urlaubswohnung, sondern um den amtlichen Hauptwohnsitz und die Eigentumswohnung des Ehemanns. Die Wohnung sei voll ausgestattet, der Ehemann versorge sich dort selbst. Wenn der Ehemann berufsbedingt mehrere Tage in Wien bei seinem Arbeitgeber sei, wohne er in E-Stadt am W ... Dies sei der Wohnsitz der Mutter des Ehemanns. Dort sei dieser bis zum Umzug nach D-Stadt hauptwohnsitzgemeldet gewesen. Sie führe hiervon unabhängig für sich und ihre Tochter den Haushalt in C-Stadt. Der Ehemann beteilige sich an der dortigen Haushaltsführung nicht, da dieser nur selten dort sei. Ihr Ehemann sei Unternehmensberater und beruflich vier bis fünf Tage in der Woche unterwegs. Unter der Woche sähen sie sich beide kaum. Sie versuchten, die Wochenenden gemeinsam zu verbringen, entweder in C-Stadt, D-Stadt oder auch bei ihren Eltern in F-Stadt. Ansonsten lebten sie in getrennten Haushalten. Eine exemplarische Aufstellung ihrer Aufenthaltsorte und die ihres Ehemanns in der Zeit vom 09.03.2015 bis zum 10.04.2015, woraus sich ergab, dass ihr Ehemann in dieser Zeit nur fünf Tage in der Münchner Wohnung anwesend gewesen ist, legte sie vor. Von einer häuslichen, wohnungsmäßigen und familienhaften Lebensführung im Rahmen einer auf Dauer angelegten Hausgemeinschaft könne nicht gesprochen werden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2015 zurück. Mit der Regelung des § 1 Abs. 8 BEEG werde auch die Einkommenssituation des anderen Elternteils bzw. einer anderen anspruchsberechtigten Person berücksichtigt. Sei bei der Berechnung der Einkommensgrenze auf das Paar-Einkommen abzustellen, sei allein maßgeblich, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG (Elternteil) bzw. die Sonderfälle nach § 1 Abs. 3 und 4 BEEG vorlägen. Es komme nicht darauf an, dass der Partner auch die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BEEG (Wohnsitz), § 1 Abs. 1 Nr. 3 BEEG (Kind selbst betreuen) und § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG (keine oder keine volle Erwerbstätigkeit) erfülle (Bundes-Richtlinie Nr. 1.8 zum BEEG). Unter Berücksichti-gung des Einkommens des Partners der Klägerin werde die Einkommensgrenze des § 1 Abs. 8 BEEG in Höhe von 500.000 Euro im maßgeblichen Kalenderjahr 2013 überschrit-ten, so dass kein Anspruch auf Elterngeld bestehe.

Mit ihrer am 11.06.2015 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren weiter. Der Beklagte interpretiere die Bundes-Richtlinien falsch. Die Voraussetzung einer gemeinsamen Haushaltsführung müsse erfüllt sein. Unstreitig liege in ihrem Fall eine getrennte Haushaltsführung vor, wie sie der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid auch ausdrücklich bestätigt habe.

Seit 01.10.2015 lebt die Klägerin mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter gemeinsam in der Schweiz.

Die Klägerin beantragt zuletzt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 zu verurteilen, ihr für ihre am XX.XX.2014 geborene Tochter C.- C. Elterngeld für den ersten bis elften Lebensmonat zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass es auf das Zusammenleben der Familie sowie auf den Beitrag beider Elternteile zur wirtschaftlichen Gesamtsituation der Familie ankomme. Es sei nicht die enge Auslegung eines dauernden gemeinsamen Haushalts maßgeblich. Die Eltern des Kindes seien verheiratet, nicht getrennt lebend, sondern seien sooft es ihre berufliche oder private Situation zulasse, gemeinsam in den ihnen zur Verfügung stehenden Wohnungen. Es entspreche nicht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, in diesem Fall die Ausschlussgrenze des § 1 Abs. 8 BEEG nicht anzuwenden.

Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht (§§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz - SGG) beim zuständigen Sozialgericht München erhoben und ist zulässig.

In der Sache erweist sich die Klage jedoch als unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Elterngeld wegen des Überschreitens der Einkommensgrenze von 500.000 Euro ge-mäß § 1 Abs. 8 Sätze 1 und 2 BEEG abgelehnt.

Denn nach § 1 Abs. 8 Satz 1 BEEG (in der ab 01.08.2013 gültigen Fassung vom 15.02.2013, BGBl I, S. 254) entfällt ein Anspruch auf Elterngeld, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG in Höhe von mehr als 250.000 Euro erzielt hat. Nach Satz 2 der Vorschrift entfällt ein Anspruch auf Elterngeld für die berech-tigte Person auch dann, wenn auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absat-zes 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4 erfüllt und die die Summe des zu versteuern-den Einkommens beider Personen mehr als 500.000 Euro beträgt.

Vorliegend hat die Klägerin im maßgeblichen Kalenderjahr 2013 laut Einkommensteuer-bescheid des Finanzamts C-Stadt vom 01.07.2013 ein zu versteuerndes Einkommen 50.730,00 Euro, der Ehemann der Klägerin laut vorgelegter Übersicht über sein Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit 2013 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 473.491,70 Euro erzielt, mithin insgesamt 524.221,70 Euro, und damit unzweifelhaft die elterngeldschädliche Einkommensgrenze nach § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG überschritten. Das Einkommen des Ehemanns der Klägerin ist bei der Höhe der Einkommensgrenze auch zu berücksichtigen, da dieser zur Überzeugung des Gerichts mit der Klägerin und der ge-meinsamen Tochter C.- C. in einem Haushalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG lebte.

Wie von der Klägerin selbst korrekt vorgetragen, ist mangels einer speziell elterngeldrechtlichen Umschreibung des Haushaltsbegriffs bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG auf ein allgemeines sozialrechtliches Begriffsverständnis zurückzugreifen. Nach der teilweise älteren Rechtsprechung des BSG ist unter Haushalt eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Diese verlangt eine häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. Nicht erforderlich ist, dass nur der Anspruchsteller und das Kind die Hausgemeinschaft bilden. Möglich ist auch, dass Anspruchsteller und das Kind in fremder Wohnung, z. B. der der Großeltern, zusammenleben. Nicht erforderlich ist ferner, dass der Anspruchsteller die Kosten der Haushaltsführung selbst erwirtschaftet, so dass auch ein Empfänger von Sozialhilfe einen Haushalt führen kann. Wesentlich ist dagegen, dass eine eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung vorliegt. Zusammenfassend ist Haushalt eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstellt, wobei sich diese drei Merkmale überschneiden können, keines davon jedoch gänzlich fehlen darf (vgl. BSG, Urteil vom 04.09.2013, Az. B 10 EG 4/12 R, Juris, Rn. 18; BSGE 45, 67, 69 ff. = SozR 2200 § 1262 RVO Nr. 11 S 28 ff.; BSG SozR 2200 § 1262 RVO Nr. 14 S. 40; BSG SozR 3-2600 § 48 Nr. 6 S 33 f; zuletzt BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr. 10, Rnr. 26; vgl. Irmen in Hambüchen, Eltern-geld/Elternzeit/Kindergeld, Stand 12/09, § 1 BEEG Rnr. 73 und 74 m. w. N.; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und BEEG, 8. Aufl. 2008, § 1 BEEG Rnr. 58 m. w. N.; Wiegand, BEEG, § 1 BEEG Rnr. 18 m. w. N.; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl. 2010, § 1 BEEG Rnr. 6 m. w. N.; Othmer in Roos/Bieresborn, Mutterschutzgesetz, Stand 7/13, BEEG § 1 Rnr. 20 m. w. N.; zur erforderlichen Wirtschaftsführung siehe insbesondere BSG SozR 4-2500 § 37 Nr. 5 Rdnr. 11 m. w. N.).

Nach dem Sinn und Zweck des Elterngeldes ist eine spezielle Ausprägung des Haushaltsbegriffs im BEEG nicht geboten. Allgemeiner Zweck ist es, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung der Kinder kümmern (so die Gesetzesbegründung vgl. BT-Drucks. 16/1889 S. 2, 15; BT-Drucks. 16/2454 S. 2; BSG, Urteil vom 25.6.2009, Az. B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr. 3 Rdnr. 28). Die besondere Zielrichtung des Elterngeldes erschließt sich aus § 1 Abs. 1 BEEG, der in seiner Nr. 2 das Leben mit dem Kind in einem Haushalt und in seiner Nr. 3 dessen Betreuung und Erziehung als gesonderte Anspruchsvoraussetzungen nennt. Das Gesetz sieht es damit als bedeutsam an, dass die Betreuung und Erziehung des Kindes durch den Anspruchsteller in einem häuslichen, familiären Bereich stattfindet. Diese Zielsetzung ist ersichtlich von der Annahme getragen, dass eine derartige Betreuung der Entwicklung des Kindes besonders förderlich ist. Eine wegen des allgemeinen und besonderen Zwecks des Elterngeldes abweichende Definition des Begriffs des Haushalts für die Bewilligung von Elterngeld ist mithin nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 04.09.2013, a. a. O., Juris, Rn. 19).

Aber auch bei der Anwendung von § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG ist keine Modifizierung des Haushaltsbegriffs nötig. Bei § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal (Ausschlusstatbestand), das bezogen auf den Elternteil, der den Anspruch auf Elterngeld geltend macht, nicht vorliegen darf. § 1 Abs. 8 BEEG ist durch das Haushaltsbegleitgesetz – HBeglG 2011 - vom 09.12.2010 (BGBl. I 2010, 1885) mit Wirkung zum 01.01.2011 eingeführt worden. Dabei war diese Vorschrift im ursprünglichen Entwurf des HBeglG 2011 noch nicht enthalten (vgl. BT-Drucks. 17/3030, S. 19), sondern wurde erst auf Antrag der Regierungsfraktionen durch den Haushaltsausschuss in das BEEG eingefügt (vgl. BT-Drucks. 17/3452, S. 8; BSG, Urteil vom 26.03.2014, Az. B 10 EG 13/13 R, Juris, Rn. 20). In der Begründung wurde ausgeführt, dass der von der Regelung eingeführte Anspruchsausschluss auf Steuerpflichtige mit einem zu versteuernden Einkommen abziele, für das der Spitzensteuersatz von 45 % anfalle (sog. "Reichensteuer", vgl. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i. V. m. § 52 Abs. 41 EStG sowie §§ 26, 26b EStG) und sich deshalb eng an den steuerrechtlichen Einkommensgrenzen für diesen Steuersatz orientiere. Die damaligen Regierungsfraktionen haben den Anspruchsausschluss nachträglich im Haushaltsausschuss zu dem Zweck eingefügt, um der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Kritik an der geplanten Anrechnung von Elterngeld auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB) II zu begegnen. Abgeordnete von Regierung und Opposition waren sich - bei gegensätzlicher politischer Bewertung - während der Debatte in der Feststellung einig, dass die vom Haushaltsausschuss vorgeschlagene Gesetzesänderung im Kontext der politischen Gerechtigkeitsdiskussion dazu dienen sollte, den Anspruch auf Elterngeld für alle Eltern, die der sogenannten Reichensteuer unterfielen, vollständig zu beseitigen (vgl. BSG, a. a. O., Juris, Rn. 20 unter Hinweis auf das Plenarprotokoll 17/68, S. 7262, 7266; BT-Drucks. 17/3548). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber nach seiner eindeutig erkennbaren Regelungsabsicht den Anwendungsbereich der Norm des § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG schon in der ursprünglichen Fassung nicht auf Personen beschränken, die sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld selbst erfüllten, sondern der Anspruchsausschluss sollte sich nach dem Sinn und Zweck auf Elternteile erstrecken, die zwar das Kind nicht selbst erziehen und auch ihre Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung mit Erwerbseinbußen nicht einschränken, die aber mit der Familie zusammenleben und mit ihrem Einkommen zur wirtschaftlichen Gesamtsituation der Familie beitragen (vgl. BSG, a. a. O., Juris, Rn. 19 ff.). Der Gesetzgeber hatte somit insbesondere gemeinsam veranlagte, also nicht dauerhaft getrennt lebende Ehegatten im Blick (vgl. §§ 26, 26b EStG; BSG, a. a. O., Juris, Rn. 21). Diese Regelungsabsicht hat der Gesetzgeber sodann mit Wirkung vom 01.08.2013 durch das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15.02.2013 (BGBl I, S. 254) umgesetzt und in einer als Klarstellung bezeichneten Neufassung in der nunmehr maßgeblichen Fassung des § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG bekräftigt.

Hiervon ausgehend, lebt der Ehemann der Klägerin mit der gemeinsamen Tochter in ei-nem Haushalt. Das Gericht hat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin, ihr Ehemann und ihre Tochter eine "durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft" darstellen, wobei sich diese Gemeinschaft nicht auf einen einzigen Wohnort beschränkt, sondern auf zwei Wohnorte – nämlich die Wohnung in C-Stadt und die Wohnung in D-Stadt in Tirol – erstreckt. Dabei spielt es für den gemeinsamen "Haushalt" im Sinne des § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG keine Rolle, dass beide Eheleute über einen jeweils eigenen "Haushalt" im engeren Sinn verfügen, für den die Eheleute nach ihren Angaben eigenständig verantwortlich sind. Denn entscheidend ist, dass die Eheleute mit ihrer Tochter regelmäßig (wegen der berufsbedingten Reisetätigkeit des Ehemanns meist nur am Wochenende) in einer der beiden Wohnungen in einer Familiengemeinschaft leben, die durch gegenseitige Fürsorge und Zuwendung und einer wirtschaftlichen, gegenseitigen Verantwortlichkeit geprägt ist. Die Klägerin und ihr Ehemann verfügen über ein gemeinsames Sorgerecht und kümmern sich an den Wochenenden gemeinsam um ihre Tochter. Die Unterhaltung zweier "Haushalte" im Sinne von zwei Wohnsitzen ist offensichtlich der Berufstätigkeit des Ehemanns der Klägerin (und nicht etwa partnerschaftlichen Konflikten) geschuldet. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die Klägerin nunmehr seit Oktober 2015 mit dem Ehemann gemeinsam in der Schweiz lebt. Ein dauerndes Getrenntleben, was nach der gesetzgeberischen Intention nicht zu einer Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten führen würde, liegt mithin nicht vor. Vielmehr ist festzuhalten, dass genauso wie ein Getrenntleben in einer Wohnung möglich ist, ohne dass dadurch ein gemeinsamer Haushalt begründet wird, sich andererseits ein Zusammenleben ohne weiteres auf zwei Wohnsitze erstrecken und trotzdem – wie vorliegend – ein gemeinsamer Haushalt bestehen kann.

Die Klage konnte keinen Erfolg haben und war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt, wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld geltend machen kann.
Rechtskraft
Aus
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