L 11 KR 286/15 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 48 KN 1095/13 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 286/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Dortmund vom 02.04.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwerts auf 3.503,92 EUR durch das Sozialgericht (SG) Dortmund.

Mit am 31.07.2013 erhobener Klage machte die Klägerin einen Zahlungsanspruch i.H.v. 3.503,92 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 02.12.2011 "aus der Behandlung anderweitiger bei der Beklagten Versicherter" geltend. Die Beklagte habe gegen diese Forderung "verrechnet" in Höhe des strittigen Betrags mit einem Erstattungsanspruch aus der Behandlung des "bei der Beklagten Versicherten W"; die Abrechnung der Klägerin im Fall W und die von der Beklagten hierauf geleistete Zahlung sei zu hoch ausgefallen. Zur Begründung ihrer Klage stützte die Klägerin sich auf das aus "§ 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages" resultierende Aufrechnungsverbot. Dieses erlaube die Aufrechnung nur bei Beanstandungen rechnerischer Art, der Rücknahme einer Kostenzusage oder im Fall einer auf unzutreffenden Angaben des Krankenhauses basierenden Abrechnung. Keiner dieser Fälle formeller Unrichtigkeit liege hier vor; vielmehr strebe die Beklagte eine sachliche Berichtigung der Vergütung im Fall W an und eine darauf gestützte Kostenerstattung.

Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung den Klageanspruch anerkannt, die streitigen 3.503,92 EUR zzgl. Zinsen an die Klägerin angewiesen und zugleich Widerklage erhoben gerichtet auf denselben Betrag samt Zinsen. Die Klägerin habe in dieser Höhe im Fall W sachlich zu hoch abgerechnet, die darauf geleistete Zahlung sei i.H.v. 3.503,92 EUR zu erstatten.

Die Klägerin hat das Anerkenntnis der Beklagten umgehend angenommen und sich gegen den mit Widerklage geltend gemachten Anspruch inhaltlich gewehrt. Bezüglich der einzig noch offenen Widerklage haben die Beteiligten sich nachfolgend außergerichtlich geeinigt und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt (Erledigung vom 31.03.2015).

Das SG hat den Streitwert endgültig und insgesamt auf 3.503,92 EUR festgesetzt (Beschluss vom 02.04.2015). Der Beschluss ist der Klägerin am 10.04.2015 zugestellt worden. Hiergegen hat sie unter dem 30.04.2015 Beschwerde erhoben und die Festsetzung des Streitwerts auf den doppelten Betrag, d.h. auf 7.007,84 EUR begehrt. Klage und Widerklage hätten unterschiedliche Streitgegenstände gehabt. Bei der Klage sei es um Zahlungsansprüche betreffend "anderweitiger bei der Beklagten Versicherter" gegangen, bei der Widerklage um einen Kostenerstattungsanspruch betreffend die stationäre Behandlung des Versicherten W aufgrund sachlicher Abrechnungsunrichtigkeit.

Die Beklagte machte geltend, die Zusammenrechnung von Klage und Widerklage sei zurecht und in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Senats vom 16.10.2013 - L 11 KR 210/13 B - und des 1. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.11.2015 - L 1 KR 682/14 B - erfolgt. Beide Klagen beträfen denselben Gegenstand, nämlich jeweils die Frage des Bestehens eines (aufrechenbaren Gegen-) Anspruchs aufgrund sachlich unrichtiger Abrechnung der Klägerin im Fall W.

II.

1. Der Senat kann offen lassen, ob über die Beschwerde nach der Änderung des § 1 Abs. 5 Gerichtskostengesetz (GKG) im Jahr 2013 weiterhin der Senat (so bis dato der Senat: Beschluss vom 17.12.2009 - L 11 B 7/09 KA -) oder allein der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (so u.a. Binz in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, § 1 Rdn. 47 unter Verweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRModG Seite. 373). Zumindest aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der vorliegenden Angelegenheit ergibt sich hier die Zuständigkeit des Senats, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 6 Satz 2 GKG.

2. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 68 GKG zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingereicht worden.

3. Sie ist jedoch unbegründet.

Nach § 52 Abs. 2 GKG bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (std. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 26.03.2012 - L 11 KA 134/11 B -, 17.10.2011 - L 11 KA 123/10 -, 29.08.2011 - L 11 KA 27/11 B -, 21.04.2014 - L 11 KA 85/13 B -).

a. Mit der Klage machte die Klägerin unstreitig allein einen Zahlungsanspruch i.H.v. 3.503,92 EUR geltend; Zinsen sind als Nebenforderung insoweit nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 GKG).

b. Dieser Streitwert hat sich nicht durch die von der Beklagten erhobene Widerklage erhöht. Allerdings regelt § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG: "In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet.". Das gilt nach Satz 3 der Norm allerdings nicht, wenn die Ansprüche "denselben Gegenstand betreffen", dann soll nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend sein.

Entgegen der Auffassung der Klägerin und im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Senats vom 16.10.2013 - L 11 KR 210/13 B - und des 1. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.11.2015 - L 1 KR 286/15 B - betreffen Klage und Widerklage vorliegend denselben Gegenstand. Das ergibt sich aus der (systematischen) Zusammenschau des § 45 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GKG mit Abs. 3 der Vorschrift. Letzterer lautet: "Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.". Der Gesetzgeber regelt ausdrücklich, dass der Streitgegenstand einer "hilfsweisen" Aufrechnung ein anderer ist als derjenige, der mit der bestrittenen Hauptforderung geltend gemacht wird; daher soll er sich streitwerterhöhend auswirken. Daraus folgt im Gegenschluss (argumentum e contrario), dass die "unbedingte", nicht lediglich hilfsweise erklärte Aufrechnung keinen anderen Streitgegenstand darstellt, sich also nicht streitwerterhöhend auswirkt. Gestritten wird in einem solchen Fall im Rahmen der Klage nicht über die unbestrittene Klageforderung, sondern allein über das Geltendmachenkönnen dieser Forderung unter Berücksichtigung der aufgerechneten Gegenforderung (Binz in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, § 45 Rdn. 23).

So liegt der Fall hier. Aus diesem Grund hat die Klägerin auch nicht zur eigentlichen Hauptforderung in der dreiseitigen Klageschrift und den nachfolgenden Schriftsätzen vorgetragen, sondern diese nur "beiläufig" im Rahmen des Vortrags zur tatsächlich streitigen Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch aus der stationären Behandlung des Versicherten W durch die Beklagte erwähnt (" verrechnete die Beklagte 5.795,09 EUR mit Forderungen der Klägerin aus der Behandlung anderweitiger, bei der Beklagten Versicherten, "). Ausschließlich zu diesem Gegenanspruch und seiner Aufrechnung hat die Klägerin im Klageverfahren Belege zur Akte gereicht.

Der Wert der streitigen Gegenforderung und Aufrechnung im Klageverfahren belief sich auf 3.503,92 EUR. Die Wiederklage betraf denselben Anspruch und Lebenssachverhalt (Streitgegenstand) und belief sich dementsprechend ebenfalls auf 3.503,92 EUR. Dieser Betrag war nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG festzusetzen und ist vom SG zutreffend festgesetzt worden.

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Grundsatz des § 52 Abs. 2 GKG, d.h. der Maßgeblichkeit der Bedeutung der Streitsache für den Kläger - hier die Klägerin - für den Streitwert. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin sowie der Beklagten lag während des gesamten Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Widerklage allein bei 3.503,92 EUR und nicht beim doppelten Betrag. Die Beklagte hat außergerichtlich sowie in Klage und Widerklage nie behauptet, dass der Klägerin zum einen der Anspruch aus der Vergütung von Leistungen stationärer Behandlung "anderweitiger Versicherter" i.H.v. 3.503,92 EUR nicht zugestanden habe und ihr daneben zusätzlich noch ein Erstattungsanspruch in derselben Höhe aus der Abrechnung der Behandlung des Versicherten W zustehe. Vielmehr hat sie einzig und allein den Erstattungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten W zunächst gegen den unstreitigen Vergütungsanspruch der Beklagten aus stationärer Behandlung nicht näher konkretisierter "anderweitiger Versicherter" aufgerechnet und später - als sie die Unzulässigkeit dieser Aufrechnung erkannt hatte - im Wege der Widerklage geltend gemacht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§§ 68 Abs. 2 Satz 6, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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