L 11 KR 3416/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2022/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3416/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 09.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verlängerung seiner stationären Krankenhausbehandlung in der H.klinik in D. (Schweiz).

Der 1959 geborene Antragsteller leidet an Neurodermitis (atopisches Ekzem), an Allergien und an einer reaktiven Depression. Er ist bei der Antragsgegnerin seit April 2016 gesetzlich krankenversichert. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) im März 2016 für die Vorkasse ein negatives Gutachten für einen vom Antragsteller beantragten Aufenthalt in D. erteilt hatte, beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 30.06.2016 unter Vorlage einer von der Hautärztin Dr. B., W. im Allgäu, ausgestellten Verordnung von Krankenhausbehandlung die Zustimmung zur Krankenhausbehandlung in der H.klinik D. Mit Schreiben vom 01.07.2016 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie die Kosten für eine Behandlung für die Dauer von 2 Wochen übernehme.

Mit Schreiben der Klinik vom 31.08.2016 (Bl 12 Verwaltungsakte) beantragte diese für den Antragsteller die Verlängerung der Kostenzusage für die seit dem 24.08.2016 stattfindende Behandlung des Antragstellers bis zum 21.09.2016. Bei der Aufnahme hätten sich insbesondere in den Bereichen Kopfhaut, Gesicht, Hals, Nacken, Stamm und Extremitäten großflächig betonte erythematöse Maculae mit ausgeprägter epidermaler Beteiligung gezeigt. Bislang habe eine erste geringgradige Rückbildung der ekzematösen Läsionen erzielt werden können. Die antiinflammatorische Therapie mit Glucocorticosteroiden in Verbindung mit desinfizierender antipruriginöser und rückfettender Topica sowie systemisch wirksamer Antihistaminika und UV-Ganzkörperbestrahlung solle aus hautfachärztlicher Sicht fortgesetzt und der stationäre Aufenthalt bis zum 21.09.2016 verlängert werden.

Die Antragsgegnerin beauftragte den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens.

Am 07.09.2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Konstanz (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. In der Vergangenheit hätten stationäre Behandlungen von mindestens 5 Wochen Dauer einen Erfolg von bis zu 4 Monaten erbracht. Er sei austherapiert und die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausreichend. Wegen seiner spezifischen Allergien müsse er in der H.klinik D. behandelt werden. In Deutschland gebe es keine Behandlungsalternativen.

Die Antragsgegnerin hat das Gutachten des MDK (Dr. K.) vom 06.09.2016 (Bl 34 SG-Akte) vorgelegt, in dem zum einen auf das negative Erstgutachten vom März 2016 hingewiesen und zum anderen ausgeführt wird, die erforderlichen Behandlungen könnten auch ambulant erbracht werden. Eine stationäre Aufnahme sei nicht erforderlich. Aufgrund der nachgewiesenen, häufigen Behandlungen in der Vergangenheit in D. könne dort gerade nicht von einem anhaltenden Therapieerfolg ausgegangen werden. Bei entsprechender Dringlichkeit, zur Behandlung eines Schubes, sei die Behandlung in einer Uni-Hautklinik in Deutschland, zB M., geeignet und ausreichend. Eine Exazerbation des Lokalbefundes in einer Intensität, welche einen Transport unmöglich machen würde, sei dem Verlängerungsantrag nicht zu entnehmen. Da die Akutphase abgeklungen sei, könne eine ambulante Weiterbehandlung stattfinden.

Die Antragsgegnerin hat der Klinik D. mitgeteilt, dass eine Kostenübernahme über den 09.09.2016 hinaus nicht erfolge.

Mit Beschluss vom 09.09.2016 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Aus dem Verlängerungsantrag ergebe sich nicht, welche Beschwerden aktuell noch bestünden. Darüber hinaus werde eine Weiterbehandlung auch lediglich befürwortet und nicht für zwingend notwendig erachtet. Es sei daher nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung über den 09.09.2016 hinaus notwendig sei, um die Erkrankungen zu behandeln. Außerdem sei der Antragsteller in der Vergangenheit auch erfolgreich in der Klinik in Bad R. behandelt worden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Behandlung dort nicht zumutbar sei.

Gegen den ihm am 13.09.2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller bereits am 12.09.2016 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das SG habe den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Er hat eine hautfachärztliche Stellungnahme des PD Dr. M. von der H.klinik D. vorgelegt (Bl 14 Senatsakte). Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Haut sei im Bereich des Gesäßes stark entzündet, ebenso das Gesicht.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 09.09.2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Verlängerung des Krankenhausaufenthalts in der H.klinik D. über den 09.09.2016 hinaus zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat auf das Gutachten des MDK (Dr. K.) vom 06.09.2016 Bezug genommen und hat eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme des MDK veranlasst. Dr. S.-M. hat unter dem 11.09.2014 (Bl 51 Senatsakte) ausgeführt, dass aufgrund der Vielzahl der in D. durchgeführten Behandlungen, auch mit geringen zeitlichen Abständen, in denen sich keine lang anhaltende beschwerdearme oder beschwerdefreie Zeit hätte erreichen lassen, die Erforderlichkeit einer dortigen Behandlung nicht bejaht werden könne. Je nach Dringlichkeit der Behandlung sei unverändert auf innerdeutsche Kliniken in der Umgebung des Wohnorts des Versicherten zu verweisen, zB die zur Behandlung geeigneten Universitäts-Hautkliniken in U., M. oder F.

Mit Telefax-Schreiben vom 29.09.2016 hat der Antragsteller mitgeteilt, er sei am 26.09.2016 aus der Uni-Hautklinik U. entlassen worden. Die Behandlung dort sei nicht ausreichend gewesen. Da er am 30.10.2016 eine länger gebuchte Urlaubsreise antreten wolle, sei es erforderlich, die Behandlung in D. bis zu diesem Zeitpunkt abzuschließen, weshalb Eilbedürftigkeit vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach §§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Vorliegend begehrt der Antragsteller die Genehmigung der Verlängerung der vollstationären Krankenhausbehandlung über den 09.09.2016 hinaus. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung. Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).

Ausgehend hiervon hat das SG den Antrag zu Recht abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.

Versicherte haben gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl Senatsurteil vom 14.05.2013, L 11 KR 567/12, juris). Krankenkassen dürfen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des Dritten Kapitels des SGB V auch Verträge mit Leistungserbringern nach § 13 Abs 4 Satz 2 SGB V in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz abschließen (§ 140e SGB V, vgl BSG 20.04.2010, B 1/3 KR 6/09 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 12 Rn 19 mwN). Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung (§ 13 Abs 4 Satz 1 SGB V). Abweichend hiervon können in der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs 5 Satz 1 SGB V). Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann (§ 13 Abs 5 Satz 2 SGB V). Ob das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung auch besteht, wenn es - wie hier - um die Verlängerung eines Krankenhausaufenthaltes geht, für den eine Zustimmung zu einer zeitlich befristeten stationären Krankenhausbehandlung erteilt worden war, ist fraglich. Darauf kommt es hier aber nicht an.

Es ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass eine weitere stationäre Behandlung erforderlich ist. Der MDK (Dr. K.) hat unter dem 06.09.2016 für den Senat plausibel dargelegt, dass die gegenüber einer stationären Behandlung ambulante Krankenbehandlung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) nach dem medizinischen Befund ausreichend ist. Eine Exazerbation des Lokalbefundes, in einer Intensität, welche einen Transport unmöglich machen würde, ist dem Verlängerungsantrag nicht zu entnehmen. Da die Akutphase abgeklungen ist, kann nach den überzeugenden Ausführungen des MDK eine ambulante Weiterbehandlung stattfinden. Auch eine zwischenzeitlich in der Universitätsklinik U. stattgefundene Behandlung ist nach den eigenen Angaben des Antragstellers seit 26.09.2016 beendet, so dass aktuell überhaupt keine Anhaltspunkte für eine weitere stationäre Behandllungsbedürftigkeit bestehen.

Überdies kann der Antragsteller zur Überzeugung des Senats eine wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung seiner Krankheit auch in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus in Deutschland erlangen, wie der MDK ebenfalls in den Stellungnahmen vom 06.09.2016 und 11.09.2014 plausibel dargelegt hat. Insoweit kommt inländischen Leistungserbringern auch ein Vorrang zu (vgl Senatsurteil vom 04.12.2012, L 11 KR 1806/12, MedR 2014, 51). Eine Erforderlichkeit bzw Geeignetheit der Behandlung in D., die einer inländischen Behandlung überlegen wäre, ist nicht belegt. Nach den in der Vergangenheit, durchgeführten Behandlungen in D. hat keine lang anhaltende beschwerdearme oder beschwerdefreie Zeit erreicht werden können, worauf der MDK zu Recht hingewiesen hat. Je nach Dringlichkeit der Behandlung kann auf innerdeutsche Kliniken in der Umgebung des Wohnorts des Antragstellers verwiesen werden, zB die zur Behandlung geeigneten Universitäts-Hautkliniken in U., M. oder F.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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