Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2140/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 36/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.11.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Rechtsanwalts- und Portokosten streitig.
Der am 1945 geborene Kläger bezog ab 02.01.1990 eine Erwerbsunfähigkeitsrente, unter anderem wegen psychischer Erkrankungen (primär neurotische Persönlichkeit mit sekundärer Entwicklung einer Paranoia mit Anteilen eines sensitiven Beziehungswahns und paranoischen Querulantenwahns, vgl. Gutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. D. auf Grund Untersuchungen des Klägers im März und April 1991, Bl. 265 Verwaltungsakte - VA - ). Auf Antrag des Klägers nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgte mit Bescheid vom 02.09.2013 eine Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei sich für die Zeit vom 01.01.2009 bis 28.02.2009 ein Nachzahlungsbetrag von 19,32 EUR ergab (vgl. Bl. 2191 ff. VA).
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des damalige Prozessbevollmächtigten des Klägers, den er mit einer früheren Antragsstellung und damit einem längeren Nachzahlungszeitraum begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 zurück und lehnte die Erstattung von Kosten nach § 63 SGB X ab.
Hiergegen hat der Kläger am 08.05.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und die Erstattung von Rechtsanwaltskosten anlässlich des Widerspruchsverfahrens i.H.v. 202,30 EUR (vgl. die vorgelegte Kostenrechnung vom 06.05.2015, Bl. 20 SG-Akte), Portokosten wegen Übersendung von Bescheinigungen für das Finanzamt sowie weiterer, ihm in anderem Zusammenhang entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 70.000 EUR geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Auch in der Sache bestehe kein Anspruch auf Rechtsanwalts- und Portokosten, da der Widerspruch des Klägers nicht erfolgreich i.S.d. § 63 SGB X gewesen sei.
Gegen den dem Kläger am 28.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.12.2015 Berufung beim Sozialgericht Freiburg eingelegt. Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 20.06.2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
In der Sache hat der Kläger geltend gemacht, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter ihm als Ende der Klagefrist den 07.05.2015 genannt habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Portokosten hat er vorgetragen, die Beklagte habe die Jahresbescheinigung für das Finanzamt nicht an seinen Prozessbevollmächtigten übersenden dürfen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.11.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2015 zu verurteilen, ihm Kosten des Widerspruchsverfahrens i.H.v. 202,30 EUR, weitere Rechtsanwaltskosten i.H.v. 70.000 EUR sowie Portokosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Zwar hat der Kläger die Berufung nicht fristgerecht eingelegt. Der Senat hat jedoch insoweit bereits mit Beschluss vom 20.06.2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Berufung ist indes unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 02.09.2013 zurückwies und die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens ablehnte. Sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren hat der Kläger insoweit ausschließlich die Erstattung von Rechtsanwaltskosten geltend gemacht, nicht hingegen gegen die Rechtswidrigkeit der mit Bescheid vom 02.09.2013 erfolgten Neufeststellung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente. Er hat sich damit allein gegen die Entscheidung der Beklagten gewandt, ihm die Kosten des Widerspruchsverfahren nicht zu erstatten und damit die Kostengrundentscheidung der Beklagten isoliert angefochten. Nur insoweit hat der Senat daher die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu prüfen. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2012, B 4 AS 142/11 R, in juris).
Das Sozialgericht hat die insoweit zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf Abänderung des angefochtenen Widerspruchsbescheids und Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Kosten im Widerspruchsverfahren, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 02.09.2013.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 allerdings zulässig. Zwar ist - wie das Sozialrecht zutreffend dargelegt hat - die Klage nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren.
Die Einhaltung der Klagefrist ist Prozessvoraussetzung und daher von Amts wegen zu beachten. Die Klagefrist beträgt nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich. Die Bekanntgabe durch einfachen Brief, wie hier, ist zulässig (§ 85 Abs. 3 SGG).
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem Vermerk in der Verwaltungsakte am 31.03.2015 zur Post aufgegeben, sodass er unter Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 03.04.2015 als zugegangen gelten würde. Diese Zugangsvermutung ist vorliegend jedoch widerlegt. Der Klägers hat einen späteren Zugang des Widerspruchsbescheid behauptet und hierzu ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vorgelegt, aus dem sich ein Ende der Klagefrist am 07.05.2015 (vgl. Bl. 21 SG-Akte) und damit ein Fristbeginn und Zugang des Widerspruchbescheides (vgl. § 64 Abs. 1 SGG) am 07.04.2015 ergibt. Ein späterer Zugang - konkret am 07.04.2015 - ist auch im Übrigen plausibel. Denn der 03.04.2015 war ein Feiertag (Karfreitag), ein Postzugang an diesem Tag daher ausgeschlossen. Nächster Werktag, an dem eine Postzustellung erfolgen konnte, war der 04.04.2015, der übernächste Werktag der 07.04.2015 (Dienstag nach Ostermontag). Ausgehend von dem vom damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers angegebenen Ende der errechneten Klagefrist ist somit ein Zugang am 07.04.2015 plausibel und damit nicht zu widerlegen.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt die Frist mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach Eröffnung oder Verkündung. Gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Klagefrist begann somit am 08.04.2015 und endete am 07.05.2015.
Zwar ist die am 08.05.2015 beim Sozialgericht Freiburg eingegangene Klage nach Ablauf der Klagefrist eingegangen. Der Kläger hat die Nichteinhaltung der Klagefrist jedoch nicht zu vertreten, ihm ist deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Hier ist nachgewiesen, dass der Kläger die Klageschrift am 06.05.2015 zur Post aufgegeben hat (vgl. den Poststempel Bl. 2 SG-Akte). Damit hat der Kläger alle erforderlichen Schritte unternommen, die bei einem im Übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten. Denn der Kläger muss nur Sorge dafür tragen, dass die Klageschrift so rechtzeitig zur Post gegeben wird, dass sie bei einer normalen Bearbeitungszeit der Postsendungen noch fristgerecht beim Sozialgericht eingeht. Seit dem Inkrafttreten des § 2 Abs. 3 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12.1999 (BGBl. I, S. 2418), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 26 des Gesetzes vom 07.07.2005 (BGBl I, S. 1970) müssen die Postunternehmen sicherstellen, dass von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - zu denen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PUDLV auch Einschreiben gehören - im Jahresdurchschnitt mindestens 80% an dem ersten auf den Einlieferungsvorgang folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Bürger deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.05.2004, V ZB 62/03, in juris). Bei einer Aufgabe der Klageschrift am 06.05.2015 hat der Kläger bei einer normalen Postlaufzeit daher mit einem fristgerechten Eingang der Klageschrift bei Gericht am Folgetag (07.05.2015) rechnen dürfen. Dem Bürger dürfen Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.09.2000, 1 BvR 2104/99 in SozR 3-1100 Art. 103 Nr. 8; BGH, a.a.O.). Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Die demnach zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dies gilt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Die gesetzliche Regelung stellt somit für die Frage, ob Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind, allein auf den Erfolg des Widerspruchs ab. Zutreffend hat das Sozialgericht einen Anspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit der Begründung verneint, der vom Kläger eingelegte Widerspruch sei nicht erfolgreich gewesen. Dies steht - da der Kläger mit seiner Klage den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 insoweit nicht angefochten hat - bestandskräftig auf Grund der Zurückweisung des Widerspruchs fest.
Soweit der Kläger wie im erstinstanzlichen Verfahren auch die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung weiterer Rechtsanwaltskosten i.H.v. ca. 70.000 EUR sowie von Portokosten wegen der Übersendung von Bescheinigungen für das Finanzamt begehrt, welche jeweils nicht im Zusammenhang mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02.09.2013 stehen (vgl. Bl. 6, 34 SG-Akte und Bl. 2 LSG-Akte), ist die Klage unzulässig. Zulässig ist eine Anfechtungsklage jedoch nur, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beschwert ist ein Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage, § 54 Rdnrn. 7, 10 - so genannte Klagebefugnis -). Eine derartige Behauptung stellt der Kläger in Bezug auf die nach seinen Angaben außerhalb des Widerspruchsverfahrens entstandenen Rechtsanwalts- und Portokosten nicht auf und er kann eine solche Behauptung auch nicht aufstellen. Denn im Widerspruchsbescheid wurde nur über die Kosten des Widerspruchsverfahren entschieden, also gerade nicht über sonstige Kosten.
Damit erweist sich auch sein Leistungsbegehren - Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser weiteren Rechtsanwalts- und Portokosten - als unzulässig. Zwar können Ansprüche gegen Versicherungsträger mit der Leistungsklage verfolgt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren in den angefochtenen Bescheiden entschied (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 Rdnrn. 21, 39b). So liegt der Fall hier. Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie dargelegt - der Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015. Dieser enthält allein eine Ablehnung der Erstattung für die im Zusammenhang mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02.09.2013 entstandenen Kosten. Nur über einen derartigen Anspruch entschied die Beklagte in diesem Bescheid und nur über diesen, vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch hat der Senat in der Sache zu befinden. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von außerhalb des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 02.09.2013 entstandenen Kosten wird in dem Widerspruchsbescheid hingegen nicht geregelt. Damit ist dieses Leistungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die aus den o.g. Gründen in Bezug auf das Leistungsbegehren unzulässige Anfechtungsklage zieht gleichsam die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Rechtsanwalts- und Portokosten streitig.
Der am 1945 geborene Kläger bezog ab 02.01.1990 eine Erwerbsunfähigkeitsrente, unter anderem wegen psychischer Erkrankungen (primär neurotische Persönlichkeit mit sekundärer Entwicklung einer Paranoia mit Anteilen eines sensitiven Beziehungswahns und paranoischen Querulantenwahns, vgl. Gutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. D. auf Grund Untersuchungen des Klägers im März und April 1991, Bl. 265 Verwaltungsakte - VA - ). Auf Antrag des Klägers nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgte mit Bescheid vom 02.09.2013 eine Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei sich für die Zeit vom 01.01.2009 bis 28.02.2009 ein Nachzahlungsbetrag von 19,32 EUR ergab (vgl. Bl. 2191 ff. VA).
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des damalige Prozessbevollmächtigten des Klägers, den er mit einer früheren Antragsstellung und damit einem längeren Nachzahlungszeitraum begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 zurück und lehnte die Erstattung von Kosten nach § 63 SGB X ab.
Hiergegen hat der Kläger am 08.05.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und die Erstattung von Rechtsanwaltskosten anlässlich des Widerspruchsverfahrens i.H.v. 202,30 EUR (vgl. die vorgelegte Kostenrechnung vom 06.05.2015, Bl. 20 SG-Akte), Portokosten wegen Übersendung von Bescheinigungen für das Finanzamt sowie weiterer, ihm in anderem Zusammenhang entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 70.000 EUR geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Auch in der Sache bestehe kein Anspruch auf Rechtsanwalts- und Portokosten, da der Widerspruch des Klägers nicht erfolgreich i.S.d. § 63 SGB X gewesen sei.
Gegen den dem Kläger am 28.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.12.2015 Berufung beim Sozialgericht Freiburg eingelegt. Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 20.06.2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
In der Sache hat der Kläger geltend gemacht, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter ihm als Ende der Klagefrist den 07.05.2015 genannt habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Portokosten hat er vorgetragen, die Beklagte habe die Jahresbescheinigung für das Finanzamt nicht an seinen Prozessbevollmächtigten übersenden dürfen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.11.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2015 zu verurteilen, ihm Kosten des Widerspruchsverfahrens i.H.v. 202,30 EUR, weitere Rechtsanwaltskosten i.H.v. 70.000 EUR sowie Portokosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Zwar hat der Kläger die Berufung nicht fristgerecht eingelegt. Der Senat hat jedoch insoweit bereits mit Beschluss vom 20.06.2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Berufung ist indes unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 02.09.2013 zurückwies und die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens ablehnte. Sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren hat der Kläger insoweit ausschließlich die Erstattung von Rechtsanwaltskosten geltend gemacht, nicht hingegen gegen die Rechtswidrigkeit der mit Bescheid vom 02.09.2013 erfolgten Neufeststellung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente. Er hat sich damit allein gegen die Entscheidung der Beklagten gewandt, ihm die Kosten des Widerspruchsverfahren nicht zu erstatten und damit die Kostengrundentscheidung der Beklagten isoliert angefochten. Nur insoweit hat der Senat daher die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu prüfen. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2012, B 4 AS 142/11 R, in juris).
Das Sozialgericht hat die insoweit zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf Abänderung des angefochtenen Widerspruchsbescheids und Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Kosten im Widerspruchsverfahren, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 02.09.2013.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 allerdings zulässig. Zwar ist - wie das Sozialrecht zutreffend dargelegt hat - die Klage nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren.
Die Einhaltung der Klagefrist ist Prozessvoraussetzung und daher von Amts wegen zu beachten. Die Klagefrist beträgt nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich. Die Bekanntgabe durch einfachen Brief, wie hier, ist zulässig (§ 85 Abs. 3 SGG).
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem Vermerk in der Verwaltungsakte am 31.03.2015 zur Post aufgegeben, sodass er unter Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 03.04.2015 als zugegangen gelten würde. Diese Zugangsvermutung ist vorliegend jedoch widerlegt. Der Klägers hat einen späteren Zugang des Widerspruchsbescheid behauptet und hierzu ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vorgelegt, aus dem sich ein Ende der Klagefrist am 07.05.2015 (vgl. Bl. 21 SG-Akte) und damit ein Fristbeginn und Zugang des Widerspruchbescheides (vgl. § 64 Abs. 1 SGG) am 07.04.2015 ergibt. Ein späterer Zugang - konkret am 07.04.2015 - ist auch im Übrigen plausibel. Denn der 03.04.2015 war ein Feiertag (Karfreitag), ein Postzugang an diesem Tag daher ausgeschlossen. Nächster Werktag, an dem eine Postzustellung erfolgen konnte, war der 04.04.2015, der übernächste Werktag der 07.04.2015 (Dienstag nach Ostermontag). Ausgehend von dem vom damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers angegebenen Ende der errechneten Klagefrist ist somit ein Zugang am 07.04.2015 plausibel und damit nicht zu widerlegen.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt die Frist mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach Eröffnung oder Verkündung. Gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Klagefrist begann somit am 08.04.2015 und endete am 07.05.2015.
Zwar ist die am 08.05.2015 beim Sozialgericht Freiburg eingegangene Klage nach Ablauf der Klagefrist eingegangen. Der Kläger hat die Nichteinhaltung der Klagefrist jedoch nicht zu vertreten, ihm ist deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Hier ist nachgewiesen, dass der Kläger die Klageschrift am 06.05.2015 zur Post aufgegeben hat (vgl. den Poststempel Bl. 2 SG-Akte). Damit hat der Kläger alle erforderlichen Schritte unternommen, die bei einem im Übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten. Denn der Kläger muss nur Sorge dafür tragen, dass die Klageschrift so rechtzeitig zur Post gegeben wird, dass sie bei einer normalen Bearbeitungszeit der Postsendungen noch fristgerecht beim Sozialgericht eingeht. Seit dem Inkrafttreten des § 2 Abs. 3 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12.1999 (BGBl. I, S. 2418), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 26 des Gesetzes vom 07.07.2005 (BGBl I, S. 1970) müssen die Postunternehmen sicherstellen, dass von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - zu denen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PUDLV auch Einschreiben gehören - im Jahresdurchschnitt mindestens 80% an dem ersten auf den Einlieferungsvorgang folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Bürger deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.05.2004, V ZB 62/03, in juris). Bei einer Aufgabe der Klageschrift am 06.05.2015 hat der Kläger bei einer normalen Postlaufzeit daher mit einem fristgerechten Eingang der Klageschrift bei Gericht am Folgetag (07.05.2015) rechnen dürfen. Dem Bürger dürfen Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.09.2000, 1 BvR 2104/99 in SozR 3-1100 Art. 103 Nr. 8; BGH, a.a.O.). Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Die demnach zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dies gilt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Die gesetzliche Regelung stellt somit für die Frage, ob Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind, allein auf den Erfolg des Widerspruchs ab. Zutreffend hat das Sozialgericht einen Anspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit der Begründung verneint, der vom Kläger eingelegte Widerspruch sei nicht erfolgreich gewesen. Dies steht - da der Kläger mit seiner Klage den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 insoweit nicht angefochten hat - bestandskräftig auf Grund der Zurückweisung des Widerspruchs fest.
Soweit der Kläger wie im erstinstanzlichen Verfahren auch die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung weiterer Rechtsanwaltskosten i.H.v. ca. 70.000 EUR sowie von Portokosten wegen der Übersendung von Bescheinigungen für das Finanzamt begehrt, welche jeweils nicht im Zusammenhang mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02.09.2013 stehen (vgl. Bl. 6, 34 SG-Akte und Bl. 2 LSG-Akte), ist die Klage unzulässig. Zulässig ist eine Anfechtungsklage jedoch nur, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beschwert ist ein Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage, § 54 Rdnrn. 7, 10 - so genannte Klagebefugnis -). Eine derartige Behauptung stellt der Kläger in Bezug auf die nach seinen Angaben außerhalb des Widerspruchsverfahrens entstandenen Rechtsanwalts- und Portokosten nicht auf und er kann eine solche Behauptung auch nicht aufstellen. Denn im Widerspruchsbescheid wurde nur über die Kosten des Widerspruchsverfahren entschieden, also gerade nicht über sonstige Kosten.
Damit erweist sich auch sein Leistungsbegehren - Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser weiteren Rechtsanwalts- und Portokosten - als unzulässig. Zwar können Ansprüche gegen Versicherungsträger mit der Leistungsklage verfolgt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren in den angefochtenen Bescheiden entschied (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 Rdnrn. 21, 39b). So liegt der Fall hier. Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie dargelegt - der Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015. Dieser enthält allein eine Ablehnung der Erstattung für die im Zusammenhang mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02.09.2013 entstandenen Kosten. Nur über einen derartigen Anspruch entschied die Beklagte in diesem Bescheid und nur über diesen, vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch hat der Senat in der Sache zu befinden. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von außerhalb des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 02.09.2013 entstandenen Kosten wird in dem Widerspruchsbescheid hingegen nicht geregelt. Damit ist dieses Leistungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die aus den o.g. Gründen in Bezug auf das Leistungsbegehren unzulässige Anfechtungsklage zieht gleichsam die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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