L 10 R 3879/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3409/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3879/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.08.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Der am 1965 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Intercity-Betreuer bei der D. B. und war in diesem Beruf von Juni 1989 bis Mai 2012 beschäftigt. Seither ist er arbeitslos. Er bezog zunächst bis Oktober 2013 Arbeitslosengeld und steht seither im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Seinen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom Juni 2011 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. (Diagnosen: generalisierte Angststörung mit Panik auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung und leichte depressive Episode; Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in Tages-, Früh- und Spätschicht, ohne örtliche Einengung, wie z.B. enge Räume oder enge Abteile in fahrenden Zügen, mindestens sechs Stunden täglich) ab. Im sich hieran anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (S 4 R 3145/12) nahm der Kläger seine Klage nach Einholung eines Gutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-B. (Diagnosen: akzentuierte Persönlichkeit mit selbstunsicheren, abhängigen und ängstlichen Tendenzen, Alkoholabusus, Angsterkrankung; Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne intensiven Publikumsverkehr mindestens sechs Stunden täglich) zurück.

Auch seinen erneuten Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom Juli 2013 lehnte die Beklagte - nach Einholung von Gutachten bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und Dr. S.-B. - mit Bescheid vom 15.10.2013 und Widerspruchsbescheid vom 10.07.2014 ab. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. stellte auf Grund einer Untersuchung des Klägers im September 2013 eine Aggravation bei Rentenbegehren fest, sie diagnostizierte funktionell leichtgradige Folgen einer Abhängigkeitserkrankung mit Alkoholmissbrauch und Low-Dose-Benzodiazepin-Abusus mit depressiv-neurasthenem Syndrom, schloss eine Angsterkrankung aus und hielt mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne starke Belastung der Wirbelsäule durch Zwangshaltungen und ohne Verantwortung für Mensch und Maschine sechs Stunden und mehr täglich für zumutbar. Dr. S.-B. diagnostizierte auf Grund einer Untersuchung des Klägers im April 2014 eine akzentuierte Persönlichkeit mit ängstlichen und depressiven Tendenzen und einen Alkoholabusus und bescheinigte dem Kläger eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für körperlich leichte bis punktuell mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen (keine Tätigkeiten im 3-Schicht-Betrieb, keine Tätigkeiten mit intensivem Publikumsverkehr und keine Tätigkeiten unter erheblichem Zeitdruck).

Das hiergegen angerufene Sozialgericht Freiburg hat zunächst Auskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. P. , Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie, hat von ca. zwei Arztbesuchen pro Quartal sowie über Schmerzen im Bereich von Nacken, HWS und LWS, einer ausgeprägten Myofaszialgie in Verbindung mit Angst und - unter Berücksichtigung eines Befundberichts des Orthopäden Dr. E. vom September 2014 - über eine entzündliche Veränderung im Bereich der rechten Schulter berichtet, die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers am ehesten als somatoforme Schmerzstörung mit generalisierter Angst eingeordnet, hieraus folgend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt und den Schwerpunkt der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesehen. Eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit ist Dr. P. nicht möglich gewesen, die von ihm in Erwägung gezogene Rehabilitationsmaßnahme mit Arbeitserprobung hat er wegen des Rentenwunschs des Klägers als wenig erfolgversprechend angesehen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. hat von einer psychiatrischen Behandlung im Abstand von vier bis sechs Wochen zuletzt seit März 2013 sowie einer depressiven Störung mit Somatisierungsstörung, Schlafstörungen und Minderung des Leistungsvermögens berichtet und leichte körperliche Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Auch Dr. D. hat den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen auf dem Gebiet der Psychiatrie und der chronischen Schmerzen gesehen.

Nach Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. , die sich u.a. der Leistungseinschätzung des Dr. D. nicht hat anschließen können, hat das Sozialgericht ein Gutachten bei Prof. Dr. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, eingeholt. Der Sachverständige hat auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Mai 2015 eine Agoraphobie mit Panikstörung und eine depressive Episode diagnostiziert. Die Schmerzen seien körperlich erklärbar und allenfalls durch die depressive Episode verstärkt. Einen Alkoholmissbrauch hat der Sachverständige nicht feststellen können. Er hat den Kläger für fähig erachtet, einfachste körperliche Arbeiten ohne geistige Anforderungen, ohne Publikumsverkehr, ohne nervliche Beanspruchung und ohne Erfordernis an die Umstellungsfähigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich durchzuführen. Durch ein Heilverfahren bzw. eine Änderung der ambulanten Therapie sei noch eine weitere Besserung zu erwarten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.08.2015 - gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. - abgewiesen und sich der Einschätzung des Dr. D. nicht anschließen können. Weitere Ermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. E. , wonach die Erkrankungen auf chirurgischem und orthopädischem Gebiet lediglich qualitative Beeinträchtigungen zur Folge hätten, sowie den eigenen Angaben des Klägers, dass er nicht unter ausgeprägten schmerzbedingten Beeinträchtigungen leide, nicht für erforderlich gehalten.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 19.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, er leide unter einer schweren psychischen Erkrankung und einem chronischen Schmerzsyndrom. Auf Grund dessen sei er in kontinuierlicher psychiatrischer Behandlung und erheblich in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Hierbei hat er sich auf die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. P. , Dr. D. und Dr. G. , Schmerzzentrum H. , berufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.08.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.07.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einfachster Art ohne geistige Anforderungen, ohne Publikumsverkehr, ohne nervliche Beanspruchung und ohne Erfordernis an die Umstellungsfähigkeit zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Einen Anspruch nach § 240 SGB VII hat es bereits im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers verneint.

Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, das den Kläger, gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. , zwar in seinem beruflichen Leistungsvermögen beeinträchtigt sieht, dieses aber nicht in einem rentenbegründenden Ausmaß für eingeschränkt erachtet. Soweit der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. demgegenüber ein Leistungsvermögen von lediglich drei bis sechs Stunden täglich angenommen hat, hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, weshalb diese Einschätzung nicht überzeugt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die vom Sozialgericht festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind noch um die von Dr. Becker, Dr. S.-B. und Dr. H. genannten weiteren Leistungseinschränkungen - nur leichte bis punktuell mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne örtliche Einengung (z.B. nicht in engen Räumen oder in engen Abteilen in fahrenden Zügen), nicht in Nacht- und Wechselschicht, ohne starke Belastung der Wirbelsäule durch Zwangshaltungen, ohne Verantwortung für Mensch und Maschine sowie nicht unter erheblichem Zeitdruck - zu ergänzen.

Ebenso wie das Sozialgericht, die behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. D. und auch der Kläger selbst geht der Senat davon aus, dass der Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch Erkrankungen von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets eingeschränkt ist. Hier liegen - wie das Sozialgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. gestellten Diagnosen dargelegt hat - eine Agoraphobie mit Panikstörung und eine leichte depressive Episode vor. Überzeugend hat der Sachverständige dargelegt, weshalb die von den behandelnden Ärzten mitgeteilte Diagnose eines Schmerzsyndroms bzw. einer Schmerzstörung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht zu stellen ist. Das beim Kläger bestehende Schmerzsyndrom ist - so der Sachverständige nachvollziehbar - nicht durch eine psychische Störung bedingt, sondern durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet verursacht. Der Sachverständige hat auch den von Dr. S.-B. und Dr. H. diagnostizierten Alkoholabusus - ausgehend von den aktuellen Angaben des Klägers (er trinke abends zwar Alkohol in unterschiedlichen Mengen, sei aber nicht betrunken, habe keine Entzugssymptome und keinen Kontrollverlust, vgl. Bl. 54 SG-Akte) - zum Untersuchungszeitpunkt nachvollziehbar verneint, die früheren Einschätzungen der Gutachter jedoch für plausibel gehalten. Ferner hat der Sachverständige eine Persönlichkeitsstörung verneint und dies nachvollziehbar damit begründet, dass eine solche nicht zu diagnostizieren ist, wenn - wie hier - eine Angststörung und eine depressive Störung als stärker ausgeprägte Symptomatik vorliegen, die die Symptome erklären.

Auch zur Überzeugung des Senats haben die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet jedoch keine weiteren als die oben bereits angeführten Leistungseinschränkungen zur Folge. Insbesondere führen sie zu keinen quantitativen und damit rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen. Dies ergibt sich - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E ... Trotz der gestellten Diagnosen hat der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar keine rentenrelevanten Funktionseinschränkungen angenommen. Der Sachverständige hat den Kläger als wach, bewusstseinsklar und ohne Vigilanzstörungen beschrieben. Störungen von Merkfähigkeit und Gedächtnis sind nicht in Erscheinung getreten. Der formale Gedankengang des Klägers ist geordnet gewesen, inhaltliche Denkstörungen sind nicht aufgetreten. Die Auffassungsgabe und die Konzentrationsfähigkeit sind vermindert gewesen, und die affektive Schwingungsfähigkeit hat der Sachverständige als eingeschränkt mit einem deprimiert ausgelenkten Affekt beschrieben. Anhand der Angaben des Klägers (Angstzustände seit 20 Jahren mit panischer Angst, Schweißausbrüchen und Zittern in einem neuen Umfeld, z.B. in Menschenmengen, vor allem in Zügen, vgl. Bl. 55 SG-Akte) hat Prof. Dr. E. Panikattacken und phobische Befürchtungen angenommen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers zu Energie- und Lustlosigkeit (er habe keine Energie mehr, alles gehe langsam und schwer von der Hand und er müsse sich zu allem zwingen, vgl. Bl. 55 SG-Akte) hat der Sachverständige einen verminderten Antrieb und eine subjektive psychomotorische Hemmung mit subjektiver Verlangsamung beschrieben. Anhand der Angaben des Klägers (er könne nicht ein- und durchschlafen, er wache nachts ständig auf, er schlafe tagsüber, vgl. Bl. 55 SG-Akte) hat der Sachverständige auf Ein- und Durchschlafstörungen geschlossen. In den Selbstbeurteilungsbögen haben sich - so der Sachverständige - ein depressives Syndrom und ein depressiv-ängstliches Syndrom gezeigt, wobei der Sachverständige jedoch auf Inkonsistenzen zwischen Fremd- und Selbstbeurteilung hingewiesen hat. Ausgeprägte Beeinträchtigungen durch Schmerzen hat der Kläger hingegen nicht geschildert (vgl. Bl. 58 SG-Akte). Im Ergebnis haben sich im Rahmen der Exploration keine schweren Funktionsstörungen gezeigt, die das zeitliche Leistungsvermögen einschränken würden, so dass Prof. Dr. E. überzeugend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass den psychischen Störungen mit den angeführten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen wird.

Auch die vom Kläger geschilderte Tages- und Freizeitgestaltung spricht gegen eine erhebliche Beeinträchtigung. Der Kläger schaut nach eigenen Angaben u.U. bis 5 Uhr morgens fern und steht zwischen 11 Uhr und 11.30 Uhr auf. Er frühstückt dann, geht einkaufen, erledigt die Haushaltsarbeiten und liegt auf der Couch. Um 17 Uhr nimmt er das Abendessen ein. Er hat zwei Katzen und unterhält Kontakte zu seiner Mutter, der Schwester und dem Patenkind (vgl. S. 5 des Gutachtens des Dr. S.-B. vom Mai 2014, unblattierter Teil der Verwaltungsakte "Ärztliche Gutachten" - VA-ÄG -). Der Kläger macht nach eigenen Angaben neben dem eigenen Haushalt auch den Haushalt seiner pflegebedürftigen Mutter (Pflegestufe I bereits seit August 2011, vgl. Bl. 33 VA-ÄG), mit der er zusammen ein Haus bewohnt, und bekocht sie. Er geht regelmäßig ins Solarium und schwimmen, im Sommer besonders gerne im R. , und im Urlaub gerne nach Kenia (vgl. Bl. 106 VA-ÄG). Der Kläger hat einen kleinen Garten, wo er sich nach eignen Angaben aufhält und - im Rahmen seiner Möglichkeiten - auch Gartenarbeit verrichtet (vgl. Bl. 55 SG-Akte).

Schlüssig und nachvollziehbar ist Prof. Dr. E. daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen (einfachste körperliche Arbeiten ohne geistige Anforderungen, ohne Publikumsverkehr, ohne nervliche Beanspruchung und ohne Erfordernis an die Umstellungsfähigkeit) führen, der Kläger aber unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage ist, berufliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Diese Beurteilung des Prof. Dr. E. steht im Einklang mit den Ausführungen der im Verwaltungsverfahren tätigen Gutachter Dr. H. und Dr. S.-B. , die gleichfalls den Kläger für in der Lage erachteten, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr auszuüben. Dem von Dr. H. und Dr. S.-B. diagnostizierten Alkoholabusus, den Prof. Dr. E. - wie bereits dargelegt - zum Untersuchungszeitpunkt verneint, für die Vergangenheit in Übereinstimmung mit Dr. H. und Dr. S.-B. aber bejaht hat, hat Prof. Dr. E. - ebenfalls in Übereinstimmung mit Dr. H. und Dr. S.-B. - keine relevante Leistungseinschränkung beigemessen.

Dass und aus welchen Gründen aus den Auskünften der behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. D. keine rentenberechtigende Leistungseinschränkung abzuleiten ist, hat das Sozialgericht bereits zutreffend dargelegt. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren auf das Attest des Dr. D. vom 04.02.2014 verweist, ergibt sich auch hieraus kein für ihn günstiges Ergebnis. Hierin bescheinigt Dr. D. dem Kläger eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit auf unter drei Stunden pro Woche, was einer Arbeitsunfähigkeit gleichkommt. Die Frage des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ist für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung indes nicht von entscheidender Bedeutung. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit richtet (s. Brandts in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB V Rdnrn. 29 ff.), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Eine Aussage zur Erwerbsminderung enthält das Attest vom Februar 2014 gerade nicht. Gleiches gilt - wie bereits vom Sozialgericht dargelegt - für die Auskunft des Dr. P ...

Soweit der Kläger behauptet, Dr. D. habe gegenüber dem Sozialgericht für eine zumindest teilweise Erwerbsminderung plädiert, trifft dies nicht zu. Dr. D. hat vielmehr die Leistungsfähigkeit des Klägers mit drei bis sechs Stunden - und damit eben auch noch für sechs Stunden - beurteilt, und somit eine in zeitlicher Hinsicht rentenrelevante Leistungseinschränkung verneint, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat.

Soweit der Kläger aus dem Bericht der Dr. G. vom Februar 2014 eine rentenrelevante Leistungseinschränkung ableiten will, überzeugt dies nicht. Dr. G. teilte hierin mit, sie könne sich angesichts der generalisierten Angststörung einen Arbeitsplatz ohne entsprechende Trigger bei dem Kläger nicht vorstellen. Eine Begründung für ihre Einschätzung gibt Dr. G. nicht, insbesondere enthält der Bericht keine entsprechenden, mit der Angsterkrankung in Zusammenhang stehenden, objektiven Befunde, weshalb die Einschätzung der Dr. G. bereits aus diesem Grunde nicht nachvollziehbar ist. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. E. überzeugend dargelegt, dass und aus welchen Gründen aus dem Angstsyndrom zwar die bereits genannten qualitative Leistungseinschränkungen resultieren, dem Kläger aber unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar sind.

Dass sich aus dem vom Kläger geschilderten und aus seiner Sicht im Vordergrund stehenden (vgl. Bl. 55 SG-Akte) Angstsyndrom keine rentenrelevante Beeinträchtigung ableiten lässt, ergibt sich auch daraus, dass der Kläger trotz des bereits - nach eigenen Angaben (vgl. Bl. 55 SG-Akte) - seit 20 Jahren bestehenden Angstsyndroms bis Mai 2012 seine Tätigkeit als Intercity-Betreuer ausübte. Die Angsterkrankung stand damit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit jahrelang nicht entgegen. Dem Senat erschließt sich mithin nicht, weshalb diese nun einer Erwerbstätigkeit entgegen stehen sollte. Darüber hinaus sind die Angstattacken auch nach den Angaben des Klägers medikamentös beherrschbar. Der Kläger hat angegeben, dass die Angst durch Einnahme von Tavor verschwindet (vgl. Bl. 55 SG-Akte).

Hinzu kommt, dass die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate vorliegen müsste. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.). Das Sozialgericht hat insoweit bereits zutreffend dargelegt, dass nach den Ausführungen des Prof. Dr. E. die beim Kläger vorliegenden psychischen Erkrankungen gut behandelbar sind, aber nicht hinreichend behandelt werden. So findet zwar eine pharmakologische Therapie statt. Diese ist jedoch seit Jahren unverändert, eine Änderung dieser Therapie ist - so der Sachverständige - erfolgversprechend, sodass keine auf längere Dauer vorhandene Leistungseinbuße anzunehmen ist (vgl. Bl. 60 SG-Akte). Dessen ungeachtet ist bereits jetzt - auch ohne vorherige Therapie - ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen des Kläger gegeben, worauf der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen hat (vgl. Bl. 61 SG-Akte).

Eine rentenberechtigende Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers lässt sich schließlich auch nicht mit den Gesundheitsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet begründen. Zwar leidet der Kläger an Lendenwirbelsäulenbeschwerden und in der Vergangenheit lagen entzündliche Veränderungen in der rechten Schulter vor. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Befundbericht des Dr. E. vom September 2014 (vgl. Bl. 26 SG-Akte), der anlässlich einer Untersuchung im September 2014 ein chronisches LWS-Syndrom, LWS-Blockierungen beidseits, eine Periarthritis humeroskapularis rechts, eine Bursitis subacromialis rechts sowie eine Tendinitis calcarea rechts diagnostiziert hat.

Diese Erkrankungen habe jedoch keine rentenrelevanten Leistungseinschränkungen zur Folge. So haben sämtliche Sachverständige und Gutachter in Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten und dem Kläger selbst nachvollziehbar den Schwerpunkt der Erkrankungen auf psychiatrischem und nicht auf orthopädischem Fachgebiet gesehen. So beschrieb beispielsweise Dr. H. - bei Angabe von Rückenschmerzen - im Bereich der Wirbelsäule einen Schulter- und Beckengeradstand, keine auffällige Seitausbiegung, keinen Muskelhartspann, eine freie Beweglichkeit von Kopf und Rumpf sowie einen Finger-Boden-Abstand von 10 cm. Bewegungseinschränkungen von Seiten der Arme und Schultern bestanden zu diesem Zeitpunkt nicht (vgl. Bl. 105 VA-ÄG). Dr. H. hielt wegen der Wirbelsäulenbeschwerden nachvollziehbar schwere körperliche Tätigkeiten und Tätigkeiten mit starker Belastung der Wirbelsäule durch Zwangshaltungen nicht mehr für zumutbar. Eine rentenrelevante, quantitative Leistungseinschränkung sah sie hingegen nicht. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass der Kläger im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. E. im Mai 2015 nicht über eine ausgeprägte Beeinträchtigung durch Schmerzen wegen der orthopädischen Erkrankungen geklagt hat (vgl. Bl. 58 SG-Akte).

Dr. E. hat anlässlich der Untersuchung des Klägers im September 2014 an der rechten Schulter einen typisch schmerzhaften Bogen positiv ab 90 Grad sowie eine Einschränkung bei der Ausführung des Nacken- und Schürzengriffs beschrieben (vgl. Bl. 26 SG-Akte). Insoweit hat jedoch die Beratungsärztin Dr. S. zutreffend ausgeführt, dass die entzündlichen Veränderungen im Bereich der rechten Schulter mittels Physiotherapie oder entzündungshemmender schmerzstillender Medikamente behandelbar sind, hieraus also keine überdauernden Leistungseinschränkungen resultieren. Eine entsprechende Therapie ist von Dr. E. auch erfolgreich eingeleitet worden (vgl. Bl. 26 SG-Akte: Krankengymnastik eingeleitet, nichtsteroide Antirheumatika verordnet). So hat der Kläger insbesondere gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. E. anlässlich der gutachtlichen Untersuchung im Mai 2015 nicht über Schulterbeschwerden geklagt. Im Übrigen ließe auch mit einer derartigen Gesundheitsstörung ohnehin keine zeitliche Leistungseinschränkung begründen.

Dass sich aus den orthopädischen Gesundheitsbeschwerden weitere, als die bereits genannten qualitativen oder gar quantitative Leistungseinschränkungen ergeben, hat letztlich keiner der Ärzte behauptet. Im Übrigen macht auch der Kläger selbst keine aus diesen Erkrankungen resultierende rentenberechtigende Leistungseinschränkung geltend, sondern beruft sich vielmehr ausschließlich auf seine psychischen Erkrankungen, die indes aus den bereits dargelegten Gründen zu keiner rentenrelevanten Leistungseinschränkung führen.

Der Kläger kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der bereits genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie der Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Seinen in der Vergangenheit gestellten Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nach Hinweis des Senats auf den verfristeten Eingang des Kostenvorschusses und die darauf gestützte Ablehnung des Antrags zuletzt nicht mehr aufrecht erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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