L 10 R 2614/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 5195/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2614/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1959 geborene Kläger siedelte im Juli 1989 aus P. nach Deutschland aus und ist als Vertriebener anerkannt. In P. war er im Bergbau tätig, in Deutschland zuletzt bis Dezember 2009 als Arbeiter in einer Möbelfabrik, wobei für diese Tätigkeit eine Einweisung von sechs Wochen erforderlich war (Bl. 94 VA). Seither ist der Kläger im Wesentlichen arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Im Vordergrund der gesundheitlichen Probleme des Klägers standen zunächst Wirbelsäulenbeschwerden. Im Januar 2010 erfolgte die chirurgische Dekompression einer Spinalkanalstenose L5, im August 2010 eine Spondylodese von HWK5/6 wegen eines engen Spinalkanals, im Januar 2011 wurde eine Nukleotomie nach Bandscheibenvorfall L4/5 durchgeführt und im Mai 2011 kam es wegen zunehmender Beschwerden im LWS-Bereich zu einer Osteosynthese LWK4/5. Nach all diesen Operationen wurde jeweils eine stationäre medizinische Rehabilitation in der L. durchgeführt, aus denen der Kläger als leistungsunfähig für die letzte Tätigkeit in der Möbelfabrik, wohl aber, bei Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen (insbesondere Zwangshaltungen, schwereres Heben und Tragen, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten), für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leistungsfähig entlassen wurde.

Wegen dieser Wirbelsäulenbeschwerden anerkannte die Beklagte in der Vergangenheit einen Anspruch auf Rente für Bergleute für die Zeit ab 01.01.2010. Den Rentenantrag vom 17.11.2011 lehnte die Beklagte dagegen auf der Grundlage der Reha-Entlassungsberichte der L. und einem darauf beruhenden Gutachten nach Aktenlage mit Bescheid vom 15.03.2012 ab. Während des Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte eine weitere stationäre medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Klinik Am H. in der F ... Auch aus dieser Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger mit einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes von sechs Stunden und mehr täglich entlassen. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 15 kg, Arbeiten in Zwangspositionen, Überkopfarbeiten, ständiges Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Entsprechend wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012 zurückgewiesen.

Das hiergegen am 23.10.2012 wegen der orthopädischen, aber auch wegen zwischenzeitlich aufgetretener psychischer Beschwerden (depressive Phasen) angerufene Sozialgericht Freiburg hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen, die alle über die teils therapieresistenten Beschwerden seitens der Wirbelsäule, die Nervenärztin Dr. K. zusätzlich über ein depressives Syndrom, berichtet haben. Daraufhin hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Leiter der Gutachtenambulanz und Schmerztherapie der Orthopädischen Klinik der U. H. , Prof. Dr. S. , eingeholt, der unter Berücksichtigung einer vom Sozialgericht ebenfalls in Auftrag gegebenen psychologischen Evaluation durch die Dipl.-Psych. G. auf Grund einer Untersuchung des Klägers im März 2014 Rücken-Beinschmerzen, Nackenschmerzen sowie entsprechend der psychologischen Evaluation eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine Dysthymia diagnostiziert hat. Dauerhaft mittelschwere und bisweilen schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von über 10 kg, mit wiederholten Arbeiten in Rumpf-Beugung, Rumpf-Seitneigung, überwiegend im Stehen und Gehen, ohne Möglichkeit des regelhaften Körperhaltungswechsels, unter erhöhtem Arbeits- und Zeitdruck, Arbeiten unter erhöhter geistiger Beanspruchung, erhöhter Verantwortung und nervlicher Belastung seien nicht mehr zumutbar. Möglich seien noch leichte bis bisweilen mittelschwere körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Vom 22.05. bis 13.08.2014 ist der Kläger wegen einer schweren depressiven Episode im U. W. , Zentrum für Psychische Gesundheit, behandelt worden. Der Kläger ist affektiv stabilisiert und bei sicherer Distanzierung von Suizidalität, allerdings nur teilremittiert und begrenzt belastbar, entlassen worden. Deswegen hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Arzt u.a. für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers im Februar 2015 im Wesentlichen eine Dysthymia, akzentuierte Persönlichkeitszüge sowie ein Wirbelsäulensyndrom mit Sensibilitätsstörungen diagnostiziert hat, die Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung nicht sicher erfüllt angesehen hat und von einer Besserung der psychischen Situation seit dem stationären Aufenthalt im U. W. ausgegangen ist. Der Sachverständige hat auf ein beschwerdezentriertes Verhalten (u.a. Finger-Boden-Abstand von 45 cm im Stehen gegenüber im Langsitz von 20 cm) hingewiesen und ein ausgeprägtes Rentenbegehren des Klägers angenommen. Er hat darauf hingewiesen, dass sich hinsichtlich der psychischen Beschwerden ein wechselhafter Verlauf zeige, der durch die Belastungen im laufenden Rechtsverfahren reaktiv bedingt sei und dass das Rentenbegehren bereits eine symptomunterhaltende Komponente hinsichtlich der Schmerzsymptomatik habe. Er hat den Kläger entsprechend der orthopädischen Bewertung für in der Lage erachtet, leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, häufiges Treppensteigen sowie Überkopfarbeiten hat er aus orthopädischer Sicht für nicht mehr zumutbar erachtet. Auf Grund des psychischen Befindens seien Tätigkeiten unter verschärften Akkord- und Fließbandbedingungen, Nachtarbeit, widrige klimatische Bedingungen sowie Tätigkeiten mit vermehrten geistigen Beanspruchungen bzw. psychischen Belastungen nicht mehr zumutbar.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Facharzt für Innere Medizin und Psychotherapeutische Medizin, Zusatzbezeichnung u.a. Sozialmedizin, Dr. D. eingeholt. Der Sachverständige ist nach Untersuchung des Klägers am im Juni 2015, soweit für das berufliche Leistungsvermögen relevant, zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit Übergang in eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode und einer Somatisierungsstörung gelangt und hat selbst leichte körperliche Arbeiten nur noch unter drei Stunden täglich für zumutbar erachtet. Die psychischen Störungen verstärkten sich - so die Ausführungen zur Begründung der zeitlichen Leistungseinschränkung - gegenseitig im Hinblick auf Durchhaltefähigkeit, Antrieb und qualifizierter Arbeitsleistung. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht mehr anzunehmen. Tatsächlich ist der Kläger am 03.08.2015 nach stationärer Behandlung, wiederum im U. W. , entlassen worden, wobei - so der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Entlassungsbericht (Bl. 21 f. LSG-Akte) - eine Remission der diagnostizierten schweren depressiven Episode erreicht worden ist.

Das Sozialgericht hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. zum Gutachten von Dr. D. eingeholt, in der Dr. S. darauf hingewiesen hat, dass der Kläger durchaus seine Interessen wahrnimmt, z.B. am Computer auch mit anderen Menschen spielt, dass bei seiner Untersuchung eine Kontaktaufnahme problemlos möglich gewesen sei, dass Dr. D. keine Begründung für einige von ihm als auffällig dargestellte Parameter (z.B. die Durchhaltefähigkeit) liefere und vor allem, dass er seine Beurteilung maßgebend auf die Beschwerdeangaben des Klägers stütze.

Von Ende Oktober bis Anfang Dezember 2015 hat der Kläger in der K. -Klinik eine weitere stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Diagnostiziert worden sind u.a. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine mittelgradige depressive Episode sowie die bereits bekannten Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule und der Kläger ist mit einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen worden. Zu vermeiden seien Schichtdienst, vermehrte Stressbelastung, die Bewältigung komplexer Vorgänge und die Übernahme von Verantwortung für Personen, hohe Stressbelastung und Zeitdruck, Zwangshaltungen, Heben und Bewegen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, kniende Tätigkeiten und längeres Gehen sowie Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr. Möglich seien dem Kläger somit noch leichte körperliche Tätigkeiten in Tagesschicht überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und zeitweise im Gehen.

Mit Urteil vom 02.06.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist der Leistungsbeurteilung von Prof. Dr. S. und Dr. S. gefolgt. Der Leistungseinschätzung des Dr. D. hat es sich nicht angeschlossen. Entsprechend hat es den Kläger für in der Lage erachtet, unter Beachtung der von Prof. Dr. S. und Dr. S. aufgeführten qualitativen Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich auszuüben.

Gegen das ihm am 11.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.2016 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, dass sich seit der Entlassung aus der stationären Behandlung in W. im Sommer 2014 sein Gesundheitszustand verschlechtert habe, wie sich aus dem Gutachten von Dr. D. ergebe, und er von Mai bis August 2015 erneut in W. behandelt worden sei. Aus einem Bericht der behandelnden Nervenärztin Dr. K. vom Oktober 2015, den er vorlegt, ergebe sich, dass die während des stationären Aufenthaltes in W. eingetretene Besserung nur kurzzeitig gewesen sei und er habe später einen weiteren Suizidversuch unternommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.06.2016 und den Bescheid vom 15.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.11.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die Rechtsgrundlage für die hier begehrten Renten (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2, § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) dargelegt und ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht gehindert ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Prof. Dr. S. und Dr. S. dargelegten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr zu verrichten und daher nicht erwerbsgemindert ist. Darüber hinaus hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht, weil er keinen besonderen Berufsschutz genießt und daher auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Dabei hat sich das Sozialgericht in Bezug auf die beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen des orthopädischen Fachgebietes zutreffend auf die Diagnosen und Ausführungen sowie die Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. gestützt. Der Senat sieht daher hinsichtlich dieser Ausführungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen sind die von Prof. Dr. S. aus orthopädischen Gründen aufgeführten qualitativen Einschränkungen (Heben und Tragen von über 10 kg, wiederholte Arbeiten in Rumpf-Beugung, wozu auch häufiges Bücken gehört, Arbeiten in Rumpf-Seitneigung, überwiegendes Stehen und Gehen und damit auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten ohne die Möglichkeit des regelhaften Körperhaltungswechsels und damit Arbeiten mit Zwangshaltungen) um die von der K. -Klinik zusätzlich als zu vermeidend angeführten Überkopfarbeiten und knienden Tätigkeiten.

Im Ergebnis gelangt somit der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. zu der Überzeugung, dass die beim Kläger bestehenden orthopädischen Leiden, insbesondere die damit einhergehenden Schmerzzustände den Kläger an einer leichten Tätigkeit nicht hindern. Vielmehr wird diesen Beschwerden durch die angenommenen qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen. Diese Einschätzung wird durch die vom Kläger gegenüber Prof. Dr. S. dargestellten Freizeitaktivitäten gestützt. Trotz der schon damals angegebenen Dauerschmerzen, vor allem im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen, hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen und der Diplom-Psychologin G. beschrieben, dass er sich die Haushaltsarbeit mit seiner berufstätigen Ehefrau teile (er mache zum Teil die Wäsche, er sauge Staub, er wische, er räume auf, er koche und er kaufe entsprechend der Einkaufsliste seiner Ehefrau ein). Auch die Gartenarbeit würde aufgeteilt, wobei er für die zwei Gewächshäuser zuständig sei. Im Sommer sei er den halben Tag draußen. Er sei Hobbygärtner, baue das gesamte Obst und Gemüse selbst an, mache Brombeerwein, schneide Bäume, jähte Unkraut, mache den Rasenschnitt. Im Herbst sammle er Pilze. Auch der Kläger begründet seinen Rentenanspruch zwischenzeitlich nicht mehr mit den orthopädischen Erkrankungen, sondern er stellt die psychischen Beschwerden in den Vordergrund seiner Argumentation.

Soweit der Kläger gegenüber dem Sozialgericht seine Wegefähigkeit in Zweifel gezogen hat, hat er auch dies in der Berufung zu Recht nicht mehr geltend gemacht. Keiner der Sachverständigen hat eine entsprechende Einschränkung der Gehfähigkeit angenommen, auch Dr. D. nicht, gegenüber dem der Kläger ausdrücklich bestätigt hat, 500 m in 15 Minuten zurücklegen zu können (Bl. 504 SG-Akte). Im Übrigen verfügt der Kläger über einen Führerschein und einen Pkw; seinen Einwand, er könne wegen der verordneten Medikamente nicht fahren, hat Dr. S. nicht bestätigt.

Entgegen dem Vortrag des Klägers lässt sich eine rentenrelevante Leistungseinschränkung aber auch nicht aus seinen psychischen Gesundheitsstörungen, insbesondere einer depressiven Erkrankung ableiten. Dabei geht der Senat angesichts der in den Akten, insbesondere den Berichten des Universitätsklinikums W. und dem Reha-Entlassungsbericht der K. -Klinik dokumentierten Befunden davon aus, dass beim Kläger eine depressive Erkrankung in phasenweise unterschiedlicher Ausprägung vorliegt. So hat die K. -Klinik für Oktober/Dezember 2015 eine mittelgradige depressive Episode dokumentiert, während das U. W. sowohl hinsichtlich des Aufenthaltes im Jahr 2014 als auch in Bezug auf den Aufenthalt im Jahr 2015 von einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung ausgegangen ist. Demgegenüber lassen die von Dr. S. bei seiner Untersuchung im Februar 2015 erhobenen Befunde - so der Sachverständige überzeugend - nur die Diagnose einer Dysthymia zu. Dies hat Dr. S. in seinem Gutachten ausführlich dargelegt und er hat insbesondere den psychopathologischen Befund dahingehend beschrieben, dass sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt habe. Der Kläger ist sehr gut flexibel gewesen, kognitive oder mnestische Defizite sind nicht aufgetreten, ebenso wenig eine vermehrte Erschöpftheit. Er hat in der Grundstimmung subdepressiv bzw. dysthym gewirkt, wobei eine tiefergehende oder vitale depressive Stimmungslage nicht vorgelegen hat. Insbesondere hat der Kläger durchaus spontan und authentisch lächeln können.

Damit steht zugleich fest, dass beim Kläger kein überdauerndes, länger anhaltendes schweres depressives Störungsbild vorliegt. Schon Dr. S. hat dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand, wie er anlässlich des stationären Aufenthaltes bis August 2014 vom U. W. beschrieben worden ist, nachfolgend gebessert hat. Dies ist auch in Bezug auf den ein Jahr später erfolgten stationären Aufenthalt im U. W. bis August 2015 festzustellen. Im Entlassungsbericht ist ausdrücklich vermerkt, dass unter der Medikation eine Remission der Episode hat erreicht werden können. Hieraus folgt, dass bei adäquater medikamentöser Behandlung derartige Dekompensationen der depressiven Erkrankung vermieden bzw. behandelt werden können.

Damit vermögen zeitweise auf Grund der Schwere der Depression aufgetretene Leistungsunfähigkeitszeiten eine Rentenanspruch nicht zu begründen. Denn die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit muss voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate vorliegen. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.). Angesichts der jeweils eingetretenen Remissionen der bislang diagnostizierten zwei schweren depressiven Episoden liegt keine dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens vor. Denn außerhalb dieser schweren Episoden ist der Kläger in der Lage, mindesten sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten.

Auch der Senat schließt sich - wie das Sozialgericht - der Leistungsbeurteilung von Dr. S. an, der - ausgehend von einer damals bestehenden Dysthymia - leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von ihm aus psychiatrischer Sicht angeführten qualitativen Einschränkungen (Tätigkeiten unter verschärften Akkord- und Fließbandbedingungen, Nachtarbeit, widrige klimatische Bedingungen sowie Tätigkeiten mit vermehrten geistigen Beanspruchungen bzw. psychischen Belastungen) sechs Stunden und mehr arbeitstäglich für möglich gehalten hat. Der Senat sieht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Die Leistungsbeurteilung von Dr. S. wird gestützt durch den Entlassungsbericht der K. -Klinik, die ausgehend von einer mittelschweren depressiven Episode keine rentenrelevante Leistungseinschränkung angenommen, sondern den Kläger ebenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen (Schichtdienst, vermehrte Stressbelastung, die Bewältigung komplexer Vorgänge und die Übernahme von Verantwortung für Personen, hohe Stressbelastung und Zeitdruck), die im Wesentlichen mit den von Dr. S. beschriebenen übereinstimmen, sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig erachtet hat. Soweit der Kläger im Klageverfahren diese Leistungsbeurteilung als widersprüchlich bezeichnet hat, weil im Entlassungsbericht eine tagesklinische und gesprächstherapeutische Behandlung für erforderlich gehalten würde, um ein positives Ergebnis und die Arbeitsfähigkeit zu erreichen, vermag der Senat einen solchen Widerspruch nicht zu erkennen. Tatsächlich ist dem Entlassungsbericht die Auffassung der Beurteiler zu entnehmen, dass der Kläger eine feste Tagesstruktur benötigt (Bl. 541 SG-Akte), wobei die hierzu erhobene Änderungsmotivation des Klägers als eher gering beurteilt worden ist (Bl. 549 SG-Akte), und daher eine Weiterführung der erarbeiteten Ansätze im Rahmen eines tagesklinischen Aufenthaltes oder einer ambulanten Psychotherapie dringend zu empfehlen sei (Bl. 549 SG-Akte). Da der Kläger aber insoweit wenig Möglichkeiten für sich gesehen habe, sei zur Verbesserung der Alltagsstruktur und zur Steigerung von Aktivitäten und Kontakten eine ambulante Betreuung über eine Einzelfallhilfe zu prüfen (Bl. 550 SG-Akte). Grundlage dieser Ausführungen ist die Angabe des Klägers über seine Arbeitsunfähigkeit als sozialer Belastungsfaktor mit daraus resultierender finanzieller Situation und Abgeschiedenheit bzw. Einsamkeit (Bl. 545 SG-Akte) gewesen. Dies erhellt, dass im Falle der Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit dieser soziale Belastungsfaktor entfällt und damit auch der Grund für die aus Sicht der Reha-Klinik erforderliche Hilfe bei der Tagesstruktur.

Wie das Sozialgericht vermag sich auch der Senat der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. nicht anzuschließen, weil - so das Sozialgericht zutreffend - der Sachverständige, worauf auch Dr. S. hingewiesen hat, seine Leistungsbeurteilung vor allem auf die Beschwerdeangaben des Klägers stützt. Dabei fehlt es - so das Sozialgericht zutreffend - an einer kritischen Überprüfung dieser Beschwerdeangaben und damit einer vom Sachverständigen grundsätzlich zu erwartenden Verifizierung der Angaben des Klägers. Dr. D. schließt vielmehr anhand der Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf (so gut es gehe helfe er seiner Frau im Haushalt, übernehme kleinere Aufgaben im Garten, kaufe zusammen mit der Ehefrau ein, zeitweilig koche er, vormittags sitze er am Computer, würde auch Spiele mit anderen Mitspielern spielen, vgl. Bl. 502 SG-Akte), dass die Schmerzen den Lebensablauf und die Lebensplanung weitgehend übernommen hätten (Bl. 514 SG-Akte). Abgesehen davon, dass dies angesichts der auch gegenüber Dr. D. mitgeteilten Aktivitäten - worauf Dr. S. hingewiesen hat - nicht nachvollziehbar ist, hat es Dr. D. unterlassen, die Angaben des Klägers angesichts der Tatsache, dass sich die Schmerzen seit der Begutachtung durch Prof. Dr. S. nicht verschlechtert haben (schon damals gab der Kläger, wie bei Dr. D. , Dauerschmerzen an), kritisch zu hinterfragen und hierbei die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. S. zu seinem ausgefüllten Tagesablauf mit durchaus anstrengenden Aktivitäten zu berücksichtigen. Zu einer kritischen Überprüfung der Darstellungen des Klägers zu seinem Leistungsvermögen hätte zudem deshalb besonderer Anlass bestanden, weil bereits Dr. S. ein beschwerdezentriertes Verhalten (u.a. Finger-Boden-Abstand von 45 cm im Stehen gegenüber im Langsitz von 20 cm) beschrieben und ein ausgeprägtes Rentenbegehren des Klägers angenommen hat. Soweit Dr. D. dieses Rentenbegehren als Teil einer unbewussten psychischen Störung wertet (Bl. 512 SG-Akte), bleibt er hierzu jegliche Begründung schuldig. Vor allem aber berücksichtigt Dr. D. nicht, dass das von Dr. S. beschriebene Verhalten - gleich ob krankheitsbedingt oder nicht - durchschlagende Zweifel an der Selbsteinschätzung des Klägers begründet und dass sowohl Prof. Dr. S. als auch Dr. S. auf Grund der konkreten Angaben des Klägers zu seinen täglichen Verrichtungen und auf Grund der erhobenen Befunde dessen Selbsteinschätzung gerade nicht bestätigt haben. Widerlegt ist Dr. D. im Übrigen in seiner Beurteilung, wonach eine Besserung der Leistungsfähigkeit nicht mehr anzunehmen sei. Denn allein auf Grund medikamentöser Behandlung ist es - wie bereits erwähnt - zu einer Remission der vom U. diagnostizierten schweren depressiven Episode Ende August 2015 gekommen. Soweit Dr. K. in dem vom Kläger vorgelegten Bericht vom Oktober 2015 ausführt, diese Besserung habe nur kurze Zeit angedauert, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn während des kurz darauf, noch im selben Monat durchgeführten stationären Aufenthaltes in der K. -Klinik ist wiederum nur eine mittelschwere depressive Episode ohne dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens diagnostiziert worden.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass - so Dr. S. zu Recht - Dr. D. diverse Parameter für psychische und psychosomatische Funktionen und Funktionseinschränkungen abarbeitet und als teilweise eingeschränkt bewertet (z.B. die Durchhaltefähigkeit), ohne dass dies in dem von ihm erhobenen Befund zum Ausdruck käme oder sonst begründet würde. Das aufgehobene Leistungsvermögen begründet der Sachverständige alleine mit einer gegenseitigen Verstärkung der von ihm diagnostizierten drei psychischen Störungen, also mit einem Postulat, das in den Befunden keine Entsprechung findet. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der psychische Befund keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung und der Auffassung sowie Konzentration beschreibt. Aus welchen Gründen dann die Durchhaltefähigkeit beeinträchtigt sein soll, erschließt sich nicht. Entsprechend ist Dr. S. zu dem Ergebnis gelangt, dass auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. D. die objektivierbaren Funktionsbeeinträchtigungen nicht derart gravierend sind, dass eine leichte Tätigkeit unter Beachtung der qualitativen Einschränkungen nicht sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichtet werden kann.

Soweit der Kläger zur Begründung seiner Berufung auf einen (erneuten) Suizidversuch verweist, bedarf es hierzu keiner weiteren Ermittlungen. Denn dass hierdurch dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen verursacht worden sind, hat der Kläger selbst nicht behauptet und Suizidversuche sind bereits für Dr. S. aktenkundig gewesen, ohne dass der Sachverständige - ebenso wenig wie Dr. D. - hieraus Einschränkungen für die berufliche Leistungsfähigkeit gezogen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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