L 7 SO 3140/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 3235/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3140/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juni 2014 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 15. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2014 verurteilt, Bestattungskosten in Höhe von weiteren 751,66 Euro zu übernehmen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme weiterer Kosten für die Bestattung des am 5. November 2012 in B. U ... verstorbenen A. S. (i.F.: A.S.).

Die Klägerin (geb. 1951) ist die Witwe des A.S.; aus beider Ehe gingen die 1975 geborene Tochter L. L. (i.F.: L.L.) sowie die 1977 geborenen Zwillingstöchter O. B. (i.F.: O.B.) und J. R. (i.F.: J.R.) hervor. Gesetzliche Erben wurden die Klägerin mit einem hälftigen Erbteil sowie die drei Töchter mit einem Erbteil zu je einem Sechstel; keine der (Mit-)Erbinnen hat die Erbschaft ausgeschlagen. Sowohl die Klägerin als auch A.S. standen zum Zeitpunkt von dessen Tod beim Jobcenter Landkreis R. (i.F.: Jobcenter) im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die Klägerin auch in der Folgezeit. Die verheiratete Tochter O.B., Mutter von zwei Kindern, ging einer Erwerbstätigkeit als Arbeiterin bei der E. A. Deutschland GmbH in B. U. nach (Eintrittsdatum 12. August 2010). Die Tochter J.R., seinerzeit geschieden und seit Mitte des Jahres 2013 wieder verheiratet sowie Mutter eines Kindes, war seit 2. Oktober 2012 als Arbeiterin bei der S. M. GmbH, B. U., beschäftigt. Die Tochter L.L., diese von ihrem Ehemann getrennt lebend und alleinerziehende Mutter eines Kindes, bezog ebenfalls vom Jobcenter Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Das von der Klägerin und A.S. gemeinsam geführte Girokonto bei der Kreissparkasse R. (Konto-Nr. 8625384) wies per 5. November 2012 einen Kontostand von 444,69 Euro auf. Das auf A.S. zugelassene Kraftfahrzeug der Marke Daihatsu, Typ "Cuore" (Erstzulassung 31. Mai 2001) wurde von der Klägerin am 6. Mai 2013 an einen Dritten, einen Kraftfahrzeugmechaniker, für 300,00 Euro verkauft. Mangels Erfüllung der Wartezeit hatten A.S. keine Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugestanden.

Am 5. November 2012 wandte sich die Klägerin fernmündlich wegen der Übernahme der Bestattungskosten an den Beklagten; der Formantrag ging dort am 9. November 2019 ein. Zu ihrem Antrag reichte die Klägerin u.a. die Rechnung des Bestattungsunternehmens Weible (i.F.: W.) vom 16. November 2012 über 3.642,90 Euro, zahlbar innerhalb von vier Wochen (bei Zahlung innerhalb von zehn Tagen mit 2 % Skonto), darin enthalten u.a. auch die verauslagte Entschädigung der Bläser M. für Trauermusik (150,00 Euro) sowie der Rechnungsbetrag über private und kommunale Dienstleistungen (1.013,90 Euro laut weiterer Rechnung vom 16. November 2012) bei dem Beklagten ein, ferner den Bescheid der Stadt M. (i.F.: Stadt M.) vom 21. November 2012 über Bestattungsgebühren in Höhe von insgesamt 2.523,00 Euro (Fälligkeit innerhalb eines Monats), die Bescheide des Jobcenters vom 29. August 2012 und 6. Februar 2013 und verschiedene Kontoauszüge. Die Rechnung des Bestattungsinstituts und die Gebührenforderung der Stadt M. sind mittlerweile vollständig bezahlt.

Durch Bescheid vom 15. Mai 2013 übernahm der Beklagte von den Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 6.165,90 Euro einen Betrag von 2,570,98 Euro. Er ging hierbei von für erforderlich gehaltenen Bestattungskosten von 5.664,30 Euro aus, wobei er anstelle des gewählten Sargs (1.328,00 Euro) die Kosten für den billigsten vom Bestattungsunternehmen W. angebotenen Sarg (995,00 Euro) ansetzte und die Kosten für die Bläser (150,00 Euro) sowie für einen siebenflammigen Standleuchter in der Trauerhalle (18,60 Euro) in Abzug brachte. Darüber hinaus rechnete er Nachlassvermögen von 522,34 Euro (hälftiges Guthaben auf dem Girokonto am Todestag sowie Verkaufserlös des Kraftfahrzeugs) an, sodass sich ungedeckte Kosten von 5.141,96 Euro ergaben, von denen er, da die Klägerin die Hälfte der Bestattungskosten zu tragen habe, die Hälfte übernahm.

Mit ihrem am 24. Mai 2013 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei als Ehefrau des Verstorbenen Verpflichtete nach § 31 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg (BestattG BW) i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BestattG BW. Nach § 21 Abs. 3 BestattG BW verdränge sie ihre Kinder als Verpflichtete; ein sonstiger zivilrechtlicher Anspruch gegen ihre Töchter bestehe nicht. Da es ihr nicht zugemutet werden könne, überhaupt die Bestattungskosten zu tragen, seien diese vom Beklagten vollumfänglich zu übernehmen.

Am 26. November 2013 hat die Klägerin, im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens im Widerspruchsschreiben vom 23. Mai 2013, Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben mit dem Begehren, "den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Übernahme von Bestattungskosten in Höhe von weiteren 2.570,98 Euro zu bewilligen, hilfsweise, für die Entscheidung über den Widerspruch vom 23.05.2013 eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Urteils zu setzen". Während des Klageverfahrens hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2014 mit der Begründung zurückgewiesen, nach § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) trage der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers, wobei die Erben nach § 421 BGB für die Bestattungskosten als Gesamtschuldner hafteten; nachdem die Klägerin die Bestattungskosten auf Grund des erteilten Auftrags in voller Höhe schulde, habe sie gegenüber ihren Töchtern gemäß § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch in Höhe von je einem Sechstel. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 17. Juni 2014 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2014 zu verurteilen, ihr "weitere Bestattungskosten in Höhe von 2.570,98 EURO zu gewähren".

Mit Urteil vom 17. Juni 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, da der Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2014 gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Denn die Klägerin habe in der Klageschrift im Hauptantrag die Verurteilung des Beklagten zur Übernahme von Bestattungskosten begehrt, wenngleich dieser Hauptantrag seinerzeit mangels abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens noch unzulässig gewesen sei. Die lediglich im Hilfsantrag erstrebte Entscheidung über ihren Widerspruch habe sich dagegen mit dem Erlass des Widerspruchsbescheids erledigt. Die Klage sei jedoch unbegründet, denn die Klägerin sei als Erbin nach § 1968 BGB vorrangig verpflichtet, die Bestattungskosten zu tragen. Nachdem sie zur Hälfte Erbin geworden sei, habe sie gegenüber dem Beklagten gemäß § 74 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) auch nur Anspruch auf Freistellung hinsichtlich ihres Anteils an der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung für die Bestattungskosten. Sofern sie als Auftraggeberin für das Bestattungsunternehmen zivilrechtlich zur Tragung der vollen Bestattungskosten verpflichtet wäre, habe sie im Rahmen des Ausgleichs innerhalb der Erbengemeinschaft einen Anspruch gegen die Miterbinnen. Bei den Bestattungskosten handele es sich um Erbfallschulden im Sinne des § 1967 BGB; eine Beschränkung auf den Nachlass sei zwar grundsätzlich möglich (§ 1975 BGB), setze indes, was vorliegend jedoch nicht erfolgt sei, die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens voraus. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus einem Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den "bereiten Mitteln". In dem im Urteil des BSG vom 29. September 2009 (B 8 SO 23/08 R) entschiedenen Fall habe es sich um einen zweifelhaften Unterhaltsanspruch gehandelt, während vorliegend eindeutig eine Forderung aus gesamtschuldnerischer Haftung nach § 426 BGB gegen die drei Miterbinnen bestehe. Sofern deren Leistungsfähigkeit zweifelhaft sein sollte, führe dies ebenfalls zu keinem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten, weil die Miterbinnen in diesem Fall selbst einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII stellen könnten und hieraus im Fall einer Bewilligung durch den Sozialhilfeträger die Forderung der Klägerin bedienen könnten.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Juli 2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Die Klägerin ist dabei verblieben, dass sie gemäß § 21 Abs. 3 BestattG BW ihre Kinder als Verpflichtete verdränge. Als Auftraggeberin für die Bestattung sei sie zivilrechtlich auch zur Begleichung der entstehenden Kosten verpflichtet. Sie hätte zwar theoretisch aus § 1968 BGB einen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Erben. Bei einem ungeteilten Nachlass hafteten die Erben jedoch nach § 2059 BGB im Zweifel nur in Höhe ihres jeweiligen Anteils am Nachlass; der Nachlass sei vorliegend aber unstreitig bereits in voller Höhe, nämlich von 522,34 Euro, für die Bestattungskosten eingesetzt worden, sodass sein Wert "Null" betrage und deshalb nicht mehr geteilt werden könne. Ihre drei Töchter verweigerten eine über den Wert des Nachlasses hinausgehende Haftung und müssten dies auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation auch. Die Töchter J.R. und O.B. hätten ein Erwerbseinkommen von monatlich etwa 800,00 Euro bzw. 1.100,00 Euro, während L.L. selbst von Leistungen nach dem SGB II abhängig sei. Der Anspruch gegen die Miterbinnen könne daher nicht mehr durchgesetzt werden; die Bestattungskosten blieben deshalb als Forderung gegen sie - die Klägerin - bestehen. Die Bestattungskosten bei der Stadt M. seien im Mai 2013 mit dem vom Beklagten bewilligten Geld beglichen worden. Die weiteren Kosten beim Bestattungsunternehmen W. habe sie ab dem 6. August 2013 ratenweise beglichen, wobei die letzte Rate am 1. Dezember 2014 gezahlt worden sei. Das Geld für die Ratenzahlungen habe sie sich, soweit sie den Betrag aus dem Nachlass übertroffen hätten, von ihrem Schwiegersohn S. B. (i.F.: S.B.) in Höhe von 2.400,00 Euro und ihrer Nachbarin M. G. in Höhe von 600,00 Euro geliehen. Die ihr von der Nachbarin geliehenen Beträge habe sie zwischenzeitlich in kleinen Raten an diese zurückgezahlt. Die Klägerin hat die Quittungen des Bestattungsunternehmens W. vom 3. Juni 2013 (500,00 Euro), 6. August 2013 (100,00 Euro), 2. September 2013 (100,00 Euro), 15. Oktober 2013 (100,00 Euro), 2. Dezember 2013 (100,00 Euro), 20. Januar 2014 (200,00 Euro), 28. Februar 2014 (200,00 Euro), 30. April 2014 (200,00 Euro), 2. Mai 2014 (200,00 Euro), 7. Juli 2014 (100,00 Euro), 4. August 2014 (200,00 Euro), 3. September 2014 (200,00 Euro), 30. September 2014 (200,00 Euro), 7. Oktober 2014 (100,00 Euro) und 1. Dezember 2014 (500,00 Euro) zu den Akten gereicht. Sie hat ferner u.a. Auszüge aus den die L.L. betreffenden Bewilligungsbescheiden des Jobcenters vom 24. Juli 2012, 4. Februar 2013, 17. Juli 2013, 23. Oktober 2013, 2. Juni 2014 und 15. Dezember 2014, die Lohnabrechnungen für O.B. für die Monate November 2012 bis März 2015, die Lohnabrechnungen für S.B. für die Monate November 2012 bis April 2015, die Lohnabrechnungen für J.R. für die Monate November 2012 bis April 2015 sowie die Lohnabrechnungen für W. R. (i.F.: W.R.) für die Monate November 2012 bis Februar 2015 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juni 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2014 zu verurteilen, Bestattungskosten in Höhe weiterer 2.570,98 Euro zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Anspruchsberechtigt nach § 74 SGB XII sei nicht derjenige, der berechtigt sei, die Bestattung durchzuführen, sondern derjenige, der rechtlich verpflichtet sei, die Kosten der Bestattung zu tragen. Bei einer Mehrheit von Erben sei Verpflichteter jeder Miterbe, wenn und soweit er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt sei. Damit sei der Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 74 SGB XII von vornherein begrenzt auf die ihrem Erbteil entsprechenden Bestattungskosten. Im Übrigen habe die Klägerin nach § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen die Miterbinnen. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Klägerin gehindert sein solle, ihre Töchter aufzufordern, sich entweder an der Bestattungskosten zu beteiligen oder bei ihm - dem Beklagten - einen eigenen Antrag auf Kostenübernahme im Rahmen der Sozialhilfe zu stellen. Über diese Ansprüche habe er die Klägerin bereits im Zusammenhang mit der Antragstellung der Klägerin informiert und ihr die entsprechenden Antragsformulare für die Töchter ausgehändigt. Die inzwischen vorgelegten Bescheinigungen über die monatlichen Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten oder Arbeitslosengeld II reichten als Nachweis dafür, dass Ausgleichsansprüche nicht bestünden, ebenso wenig aus, wie der bisherige pauschale Vortrag, die Töchter seien nicht in der Lage, die Bestattungskosten entsprechend ihrer Erbteile zu tragen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bde.), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 SGG nicht entgegenstehen. Die Berufung ist jedoch nur zum Teil begründet.

Dem Begehren der Klägerin stehen Sachurteilsvoraussetzungen nicht entgegen. Das für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4, § 56 SGG) nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2014 abgeschlossen worden. Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat sich die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2014 (Eingang beim SG ebenfalls am 29. Januar 2014) innerhalb der Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG ebenfalls ausdrücklich gewandt, sodass es nicht mehr darauf ankommt, ob in dem missverständlich formulierten Sachantrag in der Klageschrift vom 26. November 2013 bereits eine Anfechtungs- und Leistungsklage zu erblicken gewesen wäre (vgl. zur Untätigkeitsklage nach § 88 SGG in Abweichung zu § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 46 der Finanzgerichtsordnung Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage, § 88 Rdnr. 2 (m.w.N.)). In einem solchen Fall wäre - wovon das SG zu Recht ausgegangen ist - der Widerspruchsbescheid schon über § 96 Abs. 1 SGG in das Verfahren einzubeziehen gewesen (vgl. BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 4; BSG; Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 118/08 R - (juris; Rdnr. 23)). Auch sonst bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.

Der beklagte Landkreis R. ist richtiger Klage- und Berufungsgegner; denn er ist der für die Gewährung der erstrebten Leistung sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger (§ 97 Abs. 1, § 98 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, § 1 Abs. 1, § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 534)).

Zutreffende Rechtsgrundlage für das von Klägerin erhobene Begehren auf eine höhere als die bewilligte Kostenübernahme ist § 74 SGB XII; diese Bestimmung regelt, dass die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen werden, sofern den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Bestimmung nimmt im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein; den sozialhilferechtlichen Bedarf im Sinne des § 74 SGB XII stellt nicht die Bestattung als solche oder deren Durchführung dar; die Regelung dient vielmehr der Vermeidung einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten durch die Kosten der Beerdigung (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 15); ferner zur Vorgängerregelung in § 15 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 105, 51). Aufgrund der gegenüber den üblichen sozialhilferechtlichen Bedarfssituationen abweichenden Normstruktur sind deshalb Besonderheiten zu beachten. § 18 SGB XII findet keine Anwendung; deshalb ist es für einen Kostenübernahmeanspruch nach § 74 SGB XII ohne Belang, ob die Bestattung und eine etwaige Begleichung der Bestattungskosten bereits vor der Unterrichtung des Sozialhilfeträgers erfolgt ist (vgl. BSGE a.a.O.). Der Beklagte wurde von der Klägerin über den Todesfall aber ohnehin bereits am Todestag des A.S. (5. November 2012) in Kenntnis gesetzt. Dass die Kosten der Bestattung des A.S. mittlerweile vollumfänglich bezahlt sind, schließt einen Anspruch aus § 74 SGB XII ebenfalls nicht von vornherein aus.

Die Verpflichtung, die Kosten einer Beerdigung zu tragen, wird in § 74 SGB XII nicht näher umschrieben oder definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 13)). Die Vorschrift beinhaltet im rechtlichen Ansatz nicht eine sozialhilferechtliche Unterstützung des Verstorbenen, sondern des Kostenpflichtigen; die Notwendigkeit eingegangener Kostenverpflichtungen als Voraussetzung des sozialhilferechtlichen Bedarfs ist daher von dessen Person her zu bestimmen (vgl. schon BVerwGE 116, 287, 290; BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5). Für die Annahme einer solchen Pflicht bedarf es mithin eines besonderen zivil- oder öffentlich-rechtlichen Status. Der erforderliche besondere Status kann etwa aus den Bestimmungen des Erbrechts (§ 1968 BGB) oder des Unterhaltsrechts (z.B. § 1615 Abs. 2 BGB), aber auch aus landesrechtlichen Regelungen über die Bestattungspflicht herrühren (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 13); BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 17)); dagegen genügt die bloß werkvertragliche Vereinbarung mit einem den Bestattungsvorgang durchführenden Unternehmer für die Verpflichtung aus § 74 SGB XII nicht. Nicht ausreichend ist ferner, dass der Bestattungsberechtigte aus sittlicher Verpflichtung oder sonst "freiwillig" gehandelt hat und in diesem Rahmen Kostenverpflichtungen eingegangen ist (vgl. BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5; H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage, § 74 Rdnr. 7; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII § 74 Rdnr. 6 (Stand: 05/13); Berlit in LPK-SGB XII, 10. Auflage, § 74 Rdnr. 3).

Nach diesen Maßstäben gehörte die Klägerin als (Mit-)Erbin, die, ebenso wie ihre drei Töchter die Erbschaft nicht innerhalb der sechswöchigen Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) ausgeschlagen und damit angenommen hatte (§ 1943 Halbs. 2 BGB), zum Kreis der nach § 74 SGB XII Verpflichteten. Denn § 1968 BGB bestimmt, dass der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers trägt. Gegenüber der sich aus § 1968 BGB ergebenden Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten sind im Übrigen sowohl die sich aus Familienrecht als auch aus öffentlich-rechtlicher Kostenlast ergebenden Pflichten subsidiär (Senatsurteile vom 24. April 2013 - L 7 SO 5656/11 - (juris Rdnr. 27) und vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 2468/13 - (juris Rdnr. 30); ferner BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5 sowie die - soweit ersichtlich - einhellige Meinung in der Literatur; vgl. nur Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnrn. 33, 44; H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.a.O., Rdnr. 5; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., Rdnr. 4; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 4; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage, § 74 Rdnr. 13; Gotzen, ZfF 2012, 241, 242). Die Bestimmung des § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Nr. 1, Abs. 3 BestattG BW greift deshalb vorliegend - entgegen der Auffassung der Klägerin - wegen Nachrangigkeit zur Verpflichtung nach § 1968 BGB nicht ein.

Bei der erbrechtlichen Verpflichtung nach § 1968 BGB handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 2008 - L 9 SO 22/07 - (juris Rdnr. 24); Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 8 A 3515/95 - (juris Rdnr. 12); Weidlich in Palandt, BGB, 75. Auflage, § 1968 Rdnr. 1, § 1967 Rdnr. 7). Im Fall einer Mehrheit von Erben trifft die Pflicht, die Beerdigungskosten nach § 1968 BGB zu tragen, die Erbengemeinschaft (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 5. Februar 1962 - III ZR 173/60 - NJW 1962, 791, 793; Greiser in jurisPK-SGB XII, § 74 Rdnr. 31 (Stand: 08.09.2016)). Darüber hinaus besteht nach § 2058 i.V.m. § 421 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung jedes Miterben auf den gesamten Betrag der Nachlassverbindlichkeiten. Dies bedeutet, dass der Nachlassgläubiger jeden Miterben in voller Höhe der Nachlassverbindlichkeiten in Anspruch nehmen kann (Toussaint in jurisPK-BGB, § 2058 Rdnr. 9 (Stand: 01.10.2014)). Deshalb kann jeder Miterbe Verpflichteter nach § 74 SGB XII sein, wenn er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. (Rdnr. 28); OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 1997 a.a.O. (Rdnr. 7); Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 31). Der Ausgleichsanspruch gegen die Miterben aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, ggf. nebst dem Übergang der Forderung aus § 1968 BGB an den Verpflichteten nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. dazu nachstehend), spielt lediglich im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung eine Rolle (so auch Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 31 mit Fußnote 67); er begrenzt jedoch nicht von vornherein den Anspruch nach § 74 SGB XII auf den entsprechenden Erbteil (noch offengelassen im Senatsurteil vom 14. April 2016 - L 7 SO 81/15 - (juris Rdnr. 32)).

In vorgenannten Sinne war die Klägerin, die auch den Vertrag zur Bestattung des A.S. mit dem Bestattungsunternehmen W. geschlossen hat und ferner von der Stadt M. hinsichtlich der Bestattungsgebühren in Anspruch genommen worden ist, als Erbin zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet.

Allerdings erfasst die Bestimmung des § 74 SGB XII nur die Bestattungskosten selbst; diese müssen darüber hinaus angemessen und erforderlich sein (BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnrn. 18, 20 ff.)). Bestattungskosten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 20); BSG, Beschluss vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 103/15 B - (juris Rdnr. 6)). Keine Bestattungskosten stellen beispielsweise die Aufwendungen für gebührenpflichtige Sterbeurkunden, für die Abmeldung bei der Krankenkasse sowie für die Beratung im Trauerhaus dar (vgl. BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 20); Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 15). Maßstab für die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Kosten ist eine einfache, aber würdige Art der Bestattung, die den örtlichen Verhältnissen entspricht, wobei sich die Ortsüblichkeit nicht an der Situation aller Verstorbenen orientieren darf, vielmehr nur die Bezieher unterer bzw. mittlerer Einkommen anhand eines regelmäßig objektiven Maßstabs herangezogen werden können (vgl. BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 21); H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.aO., Rdnr. 14; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 12 ; Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 85; Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnrn. 31 f.; Strnischa in Oestreicher, SGB XII, § 74 Rdnr. 8 (Stand: März 2013)). Die "Erforderlichkeit" im Sinne des § 74 SGB XII bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf deren Höhe (H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.aO., Rdnr. 14; Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 85; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., Rdnr. 14). Zu den erforderlichen Kosten gehören etwa die angemessenen Aufwendungen für den Sarg, das Waschen, Einkleiden und Einsargen, den Leichenwagen, die Sargträger, die Leichenhalle, das Ausschmücken der Halle, der Ankauf des Grabplatzes sowie die erstmalige Herrichtung des Grabes (vgl. Hess. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2004 - 10 UE 2497/03 - (juris Rdnr. 29); Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 13).

Daran gemessen hat der Beklagte von den Bestattungskosten zutreffend die Aufwendungen für die Bläser M. (150,00 Euro) sowie den siebenflammigen Standleuchter in der Trauerhalle (18,60 Euro) in Abzug gebracht sowie die Kosten für den Sarg auf 995,00 Euro begrenzt; hiergegen hat die Klägerin mit Recht auch keine Einwendungen erhoben. Allerdings hat der Beklagte zu Unrecht die vom Bestattungsunternehmen W. verauslagten und der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten für die Ausstellung einer Sterbeurkunde in Höhe von 12,00 Euro sowie die in der Rechnung des Bestattungsunternehmens vom 16. November 2012 unter der Rubrik "Formalitätenservice und Behördengänge" bezeichneten Dienstleistungen in Höhe von 304,00 Euro im Rahmen seiner eigenen Berechnung der übernahmefähigen Bestattungskosten berücksichtigt. Im Sinne des § 74 SGB XII erforderliche Bestattungskosten sind demnach (lediglich) in Höhe von insgesamt 5.348,30 Euro angefallen.

Die Bestattungskosten vermag die Klägerin freilich in der vorgenannten Höhe nicht vom Beklagten zu erlangen. Denn § 74 SGB XII fordert darüber hinaus als eigenständige Leistungsvoraussetzung eine Unzumutbarkeit der Kostentragung, welche die Bedürftigkeitsprüfung nach § 19 Abs. 3 SGB XII überlagert (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnrn. 14 ff.); BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 24); ferner BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSGH Nr. 2). Der Begriff der Zumutbarkeit ist hierbei nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen, wobei die Anforderungen an die Zumutbarkeit in der Regel umso geringer sind, je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung war (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 16)). Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bestattungspflichtigen zu beachten; insoweit dienen die Bedürftigkeitskriterien der §§ 85 bis 91 SGB XII als Orientierungspunkte für die Beurteilung der Zumutbarkeit (BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 25)). Daher ist eine Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. des SGB XII bezogen auf lebensunterhaltssichernde Leistungen ein wesentliches Kriterium der Zumutbarkeit im Sinne des § 74 SGB XII (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 17); BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 25)). Die Bedürftigkeit muss bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der entsprechenden Schuldverpflichtungen vorliegen und noch zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung fortbestehen (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 17); BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 25); Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 64). Trotz Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder dem SGB XII ist die Tragung der Bestattungskosten indes zumutbar, wenn Einkommen oder Vermögen (etwa aus der Erbschaft) vorhanden ist, das für die Bestattung vorgesehen oder nach dem Sinn und Zweck des § 74 SGB XII dafür zu verwenden ist (BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 26)). Hinsichtlich einer Erbschaft vermag sich der Antragsteller deshalb nicht darauf zu berufen, dass diese nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (kleinere Barbeträge, sonstige Geldbeträge) geschont sei (BSG a.a.O.; BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 2).

Vorliegend hat der Beklagte zu Recht den auf dem gemeinschaftlich von der Klägerin und A.S. geführten Girokonto bei der Kreissparkasse R. (Konto-Nr. 8625384) am 5. November 2012 vorhandenen Guthabenstand (444,69 Euro) zur Hälfte, nämlich in Höhe von 222,34 Euro, sowie darüber hinaus den Erlös aus dem Verkauf des Daihatsu "Cuore" in Höhe von 300,00 Euro - insgesamt also 522,34 Euro - im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung berücksichtigt. Im Anschluss hieran hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend in Ansatz gebracht, dass der Klägerin selbst die Tragung der Bestattungskosten mit Blick auf die bei ihr selbst vorhandenen wirtschaftlichen Verhältnisse (teilweise) nicht zumutbar war. Insoweit ist es ausreichend, dass eine Bedürftigkeit nach dem SGB II gegeben ist, denn angesichts des bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen unterschiedlich definierten soziokulturellen Existenzminimums kann es keinen Unterschied machen, ob Bedürftigkeit nach dem einen oder dem anderen Existenzsicherungssystem vorliegt (BSGE 104, 219 = SozR 3-3500 § 71 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 18)). Die Klägerin verfügte ausweislich ihrer glaubhaften Angaben im Formantrag vom 5. November 2011 weder über Einkommen noch über ungeschontes Vermögen (vgl. hierzu auch die Kontoauszüge auf Bl.10 ff., 32 ff., 64 ff. der Verwaltungsakten). Sie war vielmehr bis zu ihrer Berentung ab dem 1. Juli 2014 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen (vgl. etwa die Bescheide des Jobcenters vom 29. August 2012 und 6. Februar 2013, Bl. 14 ff., 45 ff. der Verwaltungsakten sowie den Bescheid vom 18. Juli 2014, Bl. 12 der LSG-Prozesskostenhilfe(PKH)-Akte) und stand im Übrigen auch danach noch im Bezug von öffentlichen Fürsorgeleistungen (vgl. den Bescheid des Beklagten über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt vom 24. Juli 2014, Bl. 14 ff. der LSG-PKH-Akte). Der Beklagte hat denn auch die Hälfte der von ihm auf 5.141,96 Euro errechneten ungedeckten Kosten der Bestattung des A.S., mithin 2.570,98 Euro, der Klägerin gegenüber übernommen.

Ausgehend von den erforderlichen Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.348,30 Euro, von denen nach Abzug des Nachlassvermögens von 522,34 Euro noch 4.825,96 Euro verbleiben, ergibt sich sonach noch ein Differenzbetrag von 2.254,98 Euro (= 4.825,96 Euro./. 2.570,98 Euro), den die Klägerin allerdings nicht in voller Höhe vom Beklagten beanspruchen kann.

Da es bei den Bestattungskosten im Ergebnis lediglich um die Übernahme von Schulden und nicht um einen aktuell zu deckenden (Not-)Bedarf geht, also nicht um die Abwendung einer gegenwärtigen Notlage, der nur mit präsenten Hilfsmöglichkeiten begegnet werden kann, kann es nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls im Sinne des § 74 SGB XII zumutbar sein, zur Tragung der Bestattungskosten etwaige Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen und durchzusetzen (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 19); Senatsurteil vom 14. April 2016 - L 7 SO 81/15 - (juris Rdnr. 31); H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.a.O., Rdnr. 11; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 8; Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 28; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 2 Rdnr. 11.5 (Stand: 17.11.2016)). Anderes gilt namentlich dann, wenn ein etwaiger Anspruch gegen Dritte wirtschaftlich wertlos ist (vgl. BVerwGE 114, 57, 60; H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.a.O., Rdnr. 11) oder aber rechtlich zweifelhaft ist und zur Durchsetzung ein gerichtliches Verfahren mit ungewissem Ausgang erfordert (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 25); OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Januar 2005 - 12 A 11605/04 - (juris Rdnr. 10)). Für den Sozialhilfeträger stellt dies keinen unverhältnismäßigen Nachteil dar, weil er die Möglichkeit hat, Ausgleichsansprüche gemäß § 93 SGB XII auf sich überzuleiten (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 25)).

Nach diesen Maßstäben war ein Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen ihre Tochter O.B. (§ 2058 BGB i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB) gegeben und auch ohne Weiteres realisierbar. Die Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs war während der gesamten Zeit bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2014 nicht von vornherein aussichtlos. Im Rahmen der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Tochter O.B. zu berücksichtigen war nicht nur deren Einkommen, sondern auch das Einkommen von deren des Ehemann (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Urteile vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 2468/13 - (juris Rdnr. 32), vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 262/15 - (juris Rdnr. 32) und vom 14. April 2016 - L 7 SO 81/15 - (juris Rdnr. 30); ferner Terminbericht des BSG Nr. 7/13 vom 28. Februar 2013 im Verfahren B 8 SO 19/11 R, zitiert nach Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 69; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 19/09 - (juris Rdnrn. 36); LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Juni 2013 - L 8 SO 365/10 - (juris Rdnrn. 21 ff.); H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, a.a.O., Rdnr. 12). Beide Eheleute verfügten ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Lohnabrechnungen durchgehend über einen Arbeitsverdienst aus abhängiger Beschäftigung, welcher sich etwa hinsichtlich des im Dezember 2012 zufließenden Arbeitsentgelts für den Monat November 2012, mit dem auch das Weihnachtsgeld für O.B. ausgezahlt wurde, auf netto 1.709,08 Euro (O.B.) und netto 2.650,16 Euro (S.B.), insgesamt also 4.359,24 Euro, hinsichtlich des im Dezember 2013 zufließenden Arbeitsentgelts für den Monat November 2013, mit dem auch das Weihnachtsgeld sowohl für O.B. als auch S.B. ausgezahlt wurde, auf netto 2.238,26 Euro (O.B.) und netto 1.797,68 Euro (S.B.), insgesamt also 3.995,89 Euro, sowie hinsichtlich des im Januar 2014 zufließenden Arbeitsentgelts für den Monat Dezember 2013 auf netto 1.523,48 Euro (O.B.) und netto 1.439,48 Euro (S.B.), insgesamt also 2.962,96 Euro, belief. Schon in Ansehung der dargestellten Einkommensverhältnisse der Tochter O.B. und ihres Ehemanns S.B., die die nach § 85 Abs. 1 SGB XII zu berechnende Einkommensgrenze unter Ansatz des Grundbetrags, von Aufwendungen für die Unterkunft sowie des Familienzuschlags regelmäßig deutlich überschritten haben dürften (vgl. zur Zumutbarkeit des die Einkommensgrenzen überschreitenden Betrags zur Deckung von Bestattungskosten Senatsurteil vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 2468/13 - (juris Rdnr. 36)), war es der Klägerin im Sinne des § 74 SGB XII zumutbar, ihre Tochter wegen der Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis, welche sich in Ansehung von deren Erbteil ohnehin nur auf einen Betrag von einem Sechstel der Bestattungskosten belaufen haben, in Anspruch zu nehmen. Hierbei sind die Vermögensverhältnisse der O.B. und ihres Ehemanns, zu denen trotz wiederholter Aufforderung (vgl. etwa die Senatsverfügungen vom 29. April und 4. Mai 2015) jeglicher Vortrag der Klägerin fehlt, noch nicht einmal berücksichtigt. Der Behauptung der Klägerin, ihre Töchter, mithin auch O.B., würden eine über den Wert des Nachlasses hinausgehende "Haftung" ablehnen, steht bereits entgegen, dass S.B. Ratenzahlungen an das Bestattungsunternehmen W. in Höhe von insgesamt 2.400,00 Euro geleistet hat, wobei er eine erste Ratenzahlung in Höhe von 500,00 Euro schon am 3. Juni 2013 sowie noch vor Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2014 eine weitere Rate in Höhe von 200,00 Euro geleistet hat, sodass zusammen mit der am 29. Februar 2014 seinerseits geleisteten Rate von weiteren 200,00 Euro bereits der auf O.B. entfallende Anteil der hier noch ausstehenden sozialhilferechtlich maßgeblichen Bestattungskosten (Differenzbetrag von 2.254,98 Euro: 3 = 751,66 Euro) mehr als gedeckt war. Da es im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 74 SGB XII um die Bedürftigkeit als eines maßgeblichen Kriteriums für die Unzumutbarkeit der Kostentragung geht, ist die Darstellung der Klägerin, S.B. habe ihr die Gelder für das Bestattungsunternehmen nur "leihweise" zur Verfügung gestellt, mit Blick auf die sozialhilferechtliche Zumutbarkeit der Erhebung eines Ausgleichsanspruchs gegen O.B. ebenso wenig von Belang wie unter den gegebenen Umständen ihr Hinweis auf § 2059 Abs. 1 BGB; die Auseinandersetzung des Nachlasses (§ 2042 BGB) dürfte ohnehin mit der Verwendung des Nachlassvermögens in Höhe von 522,34 Euro für die Bestattungskosten - auch die Klägerin und offenkundig auch ihre Töchter sehen diesen Betrag als alleinigen Nachlass an - abgeschlossen gewesen sein.

Nach dem oben Gesagten war für die Klägerin mit Blick auf ihre Ausgleichsansprüche auch ein Vorgehen gegenüber ihrer Tochter J.R. nicht von vornherein aussichtslos. Sowohl diese Tochter als auch der spätere Ehemann W.R. verfügten laut den im Berufungsverfahren auch für diese beiden vorgelegten Lohnabrechnungen durchgehend über einen Arbeitsverdienst aus abhängiger Beschäftigung, welcher sich beispielsweise hinsichtlich des Arbeitsentgelts für den Monat November 2013, mit dem auch das Weihnachtsgeld für J.R. ausgezahlt wurde, auf netto 1.048,54 Euro (J.R.) und netto 1.713,35 Euro (W.R.) sowie hinsichtlich des Arbeitsentgelts für den Monat Dezember 2013 auf netto 898,44 Euro (J.R.) und netto 1.777,91 Euro (W.R.) belief. Zu den Vermögensverhältnissen von J.R. und W.R. hat sich die Klägerin - trotz Aufforderung (vgl. die oben genannten Senatsverfügungen) - ebenfalls nicht äußern möchten. Soweit J.R. zur Zahlung des auf sie entfallenden Anteils an den Bestattungskosten (ein Sechstel) in einem Betrag nicht in der Lage gewesen sein sollte, spricht nichts gegen die Zumutbarkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Bestattungsinstitut (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 2468/13 - (juris Rdnr. 36) (m.w.N.)); auf eine solche Vereinbarung hätte sich das Bestattungsunternehmen W., wie dessen Entgegenkommen gegenüber der Klägerin und S.B. zeigt, zweifellos eingelassen.

Anders sieht es hinsichtlich der Zumutbarkeit der Geltendmachung von möglichen Ausgleichsansprüchen der Klägerin gegenüber L.L. aus. Diese stand nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Bewilligungsbescheiden gemeinsam mit ihrem Sohn jedenfalls seit August 2012 durchgehend im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen ihre Tochter L.L. war demnach, da außer dem Betrag von 522,34 Euro kein weiteres Nachlassvermögen vorhanden war, schon unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten offenkundig wertlos. Denn im Rahmen des § 74 SGB XII ist es unbeachtlich, dass das Jobcenter die Bedürftigkeit nach dem Vorgaben des SGB II berechnet hatte. Angesichts des bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen unterschiedlich definierten soziokulturellen Existenzminimums macht es nämlich, wie oben bereits dargestellt, für die Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne des § 74 SGB XII keinen Unterschied, ob Bedürftigkeit nach dem einen oder dem anderen Existenzsicherungssystem vorliegt (BSGE 104, 219 = SozR 3-3500 § 71 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 18)). In Anbetracht der - nach den der Klägerin bekannten Umständen - ersichtlich fehlenden Realisierbarkeit eines Ausgleichsanspruchs gegen L.L. war ihr deren Inanspruchnahme nach § 74 SGB XII nicht zumutbar. Darauf, zunächst ihre Tochter in Anspruch zu nehmen, damit diese anschließend die Übernahme der Kosten nach § 74 SGB XII gegenüber dem Beklagten geltend mache, darf die Klägerin - entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten - nicht verwiesen werden (vgl. BVerwGE 114, 57, 60).

Nach allem hat die Klägerin gegen den Beklagten noch einen Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten in Höhe von 751,66 Euro (= 2.254,98 Euro: 3). In Höhe dieses Betrags war die Berufung der Klägerin erfolgreich; im Übrigen war ihre Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG; hierbei hat der Senat das teilweise Obsiegen der Klägerin angemessen berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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