L 7 SO 4567/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 2751/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4567/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Reutlingen (SG) hat das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers im Ergebnis zutreffend abgelehnt.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Soweit der Antragsteller mit dem am 7. November 2016 beim SG eingegangenen Schreiben in Verbindung mit seinem Schreiben vom 24. November 2016 beantragt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine monatliche Pauschale von 2.000 EUR für die Dauer eines Jahres zu zahlen, handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hierzu hat das SG zutreffend entschieden, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist, da sich für die Bewilligung von Leistungen in Höhe von 2.000 EUR monatlich keine gesetzliche Grundlage findet. Hierauf wird Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Das Begehren des Antragstellers ist letztlich auch nicht erfolgreich, soweit es ihm um die Auszahlung der vom Antragsgegner mit Bescheid vom 29. August 2016 für die Zeit vom 1. September 2016 bis 31. Dezember 2016 bewilligten Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 977,43 EUR ab dem 1. Dezember 2016 gehen sollte.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. November 2016 gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung zukäme. Denn vorliegend handelt es sich um eine Sozialhilfesache, die nicht von den Regelungen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGG erfasst wird. Es besteht auch keine bundesgesetzliche Regelung, die ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung anordnet (§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Schließlich hat der Antragsgegner auch keinen Sofortvollzug angeordnet (§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG), so dass einem Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 10. November 2016 von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukäme und ggf. die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs durch (deklaratorischen) Beschluss festzustellen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 8. November 2016 - L 7 SO 3787/16 ER-B).

Der Antragsteller hat jedoch gegen den Bescheid vom 10. November 2016 keinen Widerspruch eingelegt. Eine Widerspruchseinlegung konnte mit dem am 7. November 2016 beim SG eingegangenen Eilrechtsantrag noch nicht erfolgen, weil zu diesem Zeitpunkt der Bescheid noch nicht erlassen war. Auch in dem Telefongespräch vom 15. November 2016, über das der Antragsgegner einen Aktenvermerk (Bl. 380 Verwaltungsakten) gefertigt hat, ist eine Widerspruchseinlegung nicht erfolgt. Denn gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Das Schriftformerfordernis ist durch eine mündliche oder telefonische Einlegung nicht erfüllt, und zwar auch dann nicht, wenn darüber ein Aktenvermerk gefertigt worden ist (Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 17, 166,168; Bundesfinanzhof BFHE 80, 325 - (juris Rdnrn. 17ff.); Schlegel in Hennig, SGG, § 84 Rdnr. 6; Hk-SGG/Binder, 4. Aufl., § 84 Rdnr. 3; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, § 84 Rdnr. 6; offenlassend Leitherer in Meyer-Lade-wig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 84 Rdnr. 3a). Dies kann vorliegend letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da Anlass des Telefongesprächs nicht der Entziehungsbescheid, sondern der Eilantrag des Antragstellers war. Ausdrücklich ist in dem Aktenvermerk auch vermerkt, dass der Antragsteller lediglich einen Antrag auf vorsorgliche Weiterzahlung der Leistungen gestellt habe. Zudem hat er im nachfolgenden Schreiben vom 24. November 2016 ausdrücklich die - irrige - Auffassung vertreten, die bisherigen Bescheide seien nichtig bzw. unwirksam, deshalb sei auch das übliche Rechtsmittel des Widerspruchs unzulässig.

Der mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) versehene Bescheid vom 10. November 2016 ist ausweislich des handschriftlichen Aktenvermerks am 11. November 2016 zur Post gegeben worden, er gilt nach § 37 Abs. 2 SGB X am 14. November 2016 als bekannt gegeben. Dass der Antragsteller den Entziehungsbescheid auch erhalten hat, kann der Niederschrift über das Telefongespräch vom 15. November 2016 entnommen werden, wonach der Antragsteller nachgefragt hat, ob durch die Leistungsentziehung ab Dezember 2016 auch kein Geld mehr an die A. fließe. Die einmonatige Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) ist damit am 14. Dezember 2016 abgelaufen. Innerhalb der Widerspruchsfrist ist kein Widerspruch eingelegt worden. Auch in dem Beschwerdeschreiben vom 5. Dezember 2016, das am 8. Dezember 2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist, kann keine Widerspruchseinlegung gesehen werden. Denn das dortige Begehren zielte, dem Wesen des erstrebten einstweiligen Rechtschutzes entsprechend, lediglich auf eine einstweilige Regelung. Dagegen wird mit einem Widerspruch gegen einen Bescheid eine endgültige Korrektur dieses Verwaltungsakts insgesamt oder jedenfalls in Teilen angestrebt (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 - L 7 AS 4120/16 ER-B - (juris)). Ein Bezug des Beschwerdeschreibens vom 5. Dezember 2016 auf den Entziehungsbescheid ist nicht erkennbar. Somit ist von der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft (§ 77 SGG) des Bescheids vom 10. November 2016 auszugehen.

Im Übrigen ist der Antragsteller darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Entziehung nach § 66 SGB I nicht um eine endgültige Aufhebung der Leistungsbewilligung handelt. Vielmehr wird die Entziehungsentscheidung mit der Nachholung der Mitwirkungshandlung - hier: Vorlage der ausgefüllten und unterschriebenen Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht beim Antragsgegner - rechtswidrig mit der Folge, dass der Antragsteller einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der entzogenen Hilfe zum Lebensunterhalt hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. Februar 1995 - 4 RA 44/94 - juris; Kampe/Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, Stand 18. November 2016, § 66 Rdnr. 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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