Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VK 1/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 14/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wie bei der Auslegung gesetzlicher Regelungen auch ist die Auslegung einer Prozesserklärung durch die Wortlautgrenze begrenzt, wobei im Sinn der gebotenen klägerfreundlichen Auslegung vom Gericht im Rahmen der Auslegung alles zu unternehmen ist, der von einem Beteiligten gewählten Formulierung einen Erklärungsinhalt beizumessen, der ihm maximalen Rechtsschutz ermöglicht.
2. Bei einem Rechtsanwalt als rechtskundigem Bevollmächtigten ist in der Regel anzunehmen, dass er das Gewollte auch richtig wiedergibt.
3 .Eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig, wenn auch eine Leistungsklage möglich wäre.
4. Die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung können auch in einem gerichtlichen Schreiben erfolgen.
5. Der Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten kann nicht nur vom Vorsitzenden, sondern auch vom zuständigen Berichterstatter gegeben werden.
2. Bei einem Rechtsanwalt als rechtskundigem Bevollmächtigten ist in der Regel anzunehmen, dass er das Gewollte auch richtig wiedergibt.
3 .Eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig, wenn auch eine Leistungsklage möglich wäre.
4. Die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung können auch in einem gerichtlichen Schreiben erfolgen.
5. Der Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten kann nicht nur vom Vorsitzenden, sondern auch vom zuständigen Berichterstatter gegeben werden.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. September 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Klägerin hat Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Ehemann der Klägerin, der Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten hatte, verstarb am 14.06.2014.
Mit Bescheid vom 08.10.2014 gewährte der Beklagte der Klägerin Witwenbeihilfe gemäß § 48 BVG, nicht aber Witwenrente gemäß § 38 BVG. Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 03.11.2014 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2015 zurückgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 27.04.2015 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben und darin den Antrag gestellt, "unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 08.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden."
In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, "den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 zu verurteilen die Anträge neu zu verbescheiden."
Anschließend ist die Klage mit Urteil vom 08.09.2016 als unzulässig abgewiesen worden. Das SG hat in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:
"An der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin selbst nicht teil ... Auf den Hinweis, dass eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur zulässig ist, wenn es um die Korrektur einer Ermessensentscheidung oder um ein Begehren nach statusbegründenden Verwaltungsakten geht, reagierte er nicht ... Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben. Sie ist jedoch unzulässig. Für eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Witwenrente nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes nach der 2. Alternative der Vorschrift ggf. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kann nur begehrt werden, wenn gegen einen bereits erlassenen und angefochtenen Verwaltungsakt mit dem Vorwurf von Ermessensmängeln vorgegangen wird oder wenn ein Verwaltungsakt begehrt wird, mit dem ein Status wie beispielsweise die Aufnahme in die Versicherungspflicht oder die Befreiung hiervon begehrt wird. Eine von der Auffassung des Beklagten abweichende Rechtsauffassung des Gerichts konnte vorliegend angesichts des klaren Sachverhaltes weder entstehen noch vorgetragen werden. Konkrete Leistungen, die ohne Ermessensgebrauch im Rahmen der gebundenen Verwaltung zu erbringen sind, sind mit einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG einzuklagen. Der Klägervertreter hätte auf gerichtliche Anregung in der mündlichen Verhandlung ohne weiteres seinen Klageantrag nach § 99 Abs. 3 SGG ändern können, lehnte dies jedoch genauso wie eine materielle Erörterung zum Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab."
Gegen das am 20.09.2016 zugestellte Urteil hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2016, eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) am selben Tag, Berufung eingelegt.
Mit Schreiben des Gerichts vom 24.11.2016, zugestellt am 28.11.2016, ist der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen worden, dass der erhobenen Bescheidungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle und daher für die Berufung keinerlei Erfolgsaussicht bestehe. Weiter ist die Verhängung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angedroht und zu der Absicht des Senats, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, angehört worden. Frist zur Äußerung ist bis zum 23.12.2016 gesetzt worden.
Mit Schreiben vom 07.12.2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 07.01.2017 beantragt. Seitdem ist keine Reaktion des Bevollmächtigten mehr erfolgt.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, da die relevanten Gesichtspunkte der Klägerin im erstinstanzlichen Urteil und in dem dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28.11.2016 zugestellten Schreiben des Gerichts vom 24.11.2016 aufgezeigt und erläutert worden sind. Die Klägerin hat ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt; in der von ihr mit Schreiben vom 07.12.2016 angekündigten Frist hat sie sich nicht geäußert. Zur Entscheidung durch Beschluss sind die Beteiligten mit vorgenanntem Schreiben des Senats gehört worden. Ein weiteres Abwarten war nicht geboten.
Das SG hat die Klage zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen.
1. Auslegung des klägerischen Begehrens im erstinstanzlichen Verfahren
Der im Verfahren vor dem SG gestellte Antrag beinhaltet ausschließlich eine Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03). Wie bei der Auslegung gesetzlicher Regelungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.02.2003, Az.: 2 BvR 369/01, 2 BvR 372/01, und vom 02.05.2016, Az.: 2 BvR 1137/14) auch ist die Auslegung einer Prozesserklärung durch die Wortlautgrenze begrenzt, wobei im Sinn der gebotenen klägerfreundlichen Auslegung vom Gericht im Rahmen der Auslegung alles zu unternehmen ist, der von einem Beteiligten gewählten Formulierung einen Erklärungsinhalt beizumessen, der ihm maximalen Rechtsschutz ermöglicht. Bei einem Rechtsanwalt als rechtskundigem Bevollmächtigten ist zudem in der Regel anzunehmen, dass er das Gewollte auch richtig wiedergibt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123, Rdnr. 3).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat für diese nicht nur schriftsätzlich (Schreiben vom 27.04.2015), sondern auch zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (letztere oft auch als Bescheidungsklage bezeichnet) gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben. Einer Abänderung des schriftsätzlich und zu Protokoll gestellten Antrags in einen Anfechtungs- und Leistungsantrag im Sinn von § 54 Abs. 4 SGG hat er sich verweigert, obwohl er vom Richter des SG, wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt, im Rahmen der sich aus § 106 Abs. 1 SGG ergebenden gerichtlichen Hinweispflicht, die auf die Stellung sachdienlicher Anträge durch die Beteiligten gerichtet ist, auf die Unzulässigkeit des gestellten Antrags hingewiesen worden war. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag "den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 zu verurteilen die Anträge neu zu verbescheiden." kann daher nur im Sinn einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, nicht aber einer Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinn von § 54 Abs. 4 SGG ausgelegt werden. Eine Umdeutung in eine zulässige Leistungsklage ist angesichts der durch den rechtskundigen Bevollmächtigten trotz entsprechender richterlicher Hinweise vorgenommenen Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nicht möglich.
2. Unzulässigkeit der Klage
Die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG war mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Die von der Klägerin angestrebte Leistung einer Witwenrente gemäß § 38 BVG stellt keine Ermessensleistung dar, sondern eine gebundene Entscheidung, bei der eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1999, Az.: B 9 V 23/98 R); denn es könnte unmittelbar die Leistung begehrt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 54, Rdnr. 38 c). Mit einem Bescheidungsurteil wäre die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage der Witwenrente nach wie vor offen, obwohl eine rechtverbindliche und sachlich abschließende Entscheidung im gerichtlichen Verfahren bei entsprechender Antragstellung möglich gewesen wäre. Mit einer Leistungsklage hätte die Klägerin ihr Ziel einer Witwenrente auf dem dafür vorgesehenen kürzesten Weg erreichen können, was dazu führt, dass eine Verpflichtungsklage nicht in Betracht kommt und daher unzulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1976, Az.: 9 RV 176/75). Aus dem gleichen Grund ist die erhobene Anfechtungsklage unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Weg der Ausübung seines Ermessens Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR auferlegt.
Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Gericht die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist dann anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 23.02.2016, 2 BvR 63/16, 2 BvR 60/16) und der Beteiligte entgegen seiner besseren Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.1961, Az.: 3 RK 67/60). Es ist also ein ungewöhnlich hohes Maß an Uneinsichtigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 12.03.1981, Az.: 11 RA 30/80) zu verlangen, wobei sich ein Beteiligter die Uneinsichtigkeit seines Anwalts zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1967, Az.: 10 RV 102/67).
Die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung können in einem Gerichtstermin (mündliche Verhandlung oder Erörterungstermin) - oder "auch in einer gerichtlichen Verfügung" (vgl. Bundestags-Drucksache 16/7761, S. 23), also - wie hier am 24.11.2016 - in einem gerichtlichen Schreiben an den Beteiligten erfolgen (ständige Rspr., vgl. z.B. Urteile des Senats vom 27.03.2014, Az.: L 15 VK 17/13, und vom 05.07.2016, Az.: L 15 VG 33/14). Der Hinweis kann vom Vorsitzenden oder - wie hier - auch vom zuständigen Berichterstatter des Verfahrens gegeben werden (vgl. Knittel, in: Hennig, SGG, Stand 09/2016, § 192, Rdnr. 17; Krauß, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 192, Rdnr. 31; Thüringer LSG, Urteil vom 30.01.2006, Az.: L 6 RA 383/04; rechtskräftiges - vgl. BSG, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: B 9 SB 23/16 B - Urteil des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 SB 156/15).
Die aufgezeigten Voraussetzungen für die Verhängung von Verschuldenskosten sind vorliegend erfüllt. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag fehlt offensichtlich das Rechtsschutzbedürfnis. Darauf ist der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils und im Schreiben des Senats vom 24.11.2016 hingewiesen worden. Wenn der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin trotz dieser wiederholt gegebenen Hinweise Berufung einlegt und diese aufrechterhält, belegt dies überdeutlich die Missbräuchlichkeit der Aufrechterhaltung der Berufung. Das in der Person des Bevollmächtigten der Klägerin vorliegende hohe Maß an Uneinsichtigkeit muss sich die Klägerin zurechnen lassen.
Die Höhe der zu verhängenden Kosten hat der Senat durch Schätzung des ansonsten vom Steuerzahler zu tragenden Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens ermittelt. Dabei ist berücksichtigt, dass § 192 SGG eine Schadensersatzregelung darstellt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 192, Rdnrn. 1 a, 12 - m.w.N.), die unter den in § 192 SGG genannten Voraussetzungen das Privileg der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens teilweise entfallen lässt. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz, also für das Verfahren vor dem LSG 225,- EUR. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 287 ZPO geschätzt werden. Dabei sind neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Gerichtsbediensteten auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 192, Rdnr. 14).
Gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG können die Kosten auferlegt werden, die durch die Fortführung des Rechtsstreits verursacht sind. Davon umfasst sind jedenfalls die Kosten, die ab dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem dem Beteiligten die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Unter Berücksichtigung zum einen der Tatsache, dass bereits im Jahr 1973 die Kosten einer Richterstunde auf etwa 194,- DM geschätzt worden sind (vgl. Franzen, Was kostet eine Richterstunde?, NJW 1974, S. 784) bzw. im Jahr 1986 von Kosten von 350,- bis 450,- DM ausgegangen worden ist (vgl. Goedelt, Mutwillen und Mutwillenskosten, SGb 1986, S. 493, 500), und zum anderen der seitdem bis heute stattgefundenen allgemeinen Kostensteigerung liegen im vorliegenden Verfahren Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR unter dem, was tatsächlich an weiteren Kosten entstanden ist. So sind in den letzten Jahren andere Landessozialgerichte regelmäßig von Verschuldenskosten in Höhe von 1.000,- EUR ausgegangen und haben dabei darauf hingewiesen, dass die auferlegten Kosten deutlich unter den Kosten, die durch die Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich entstanden sind, liegen (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 07.11.2011, Az.: L 3 R 254/11, und vom 21.01.2014, Az. L 2 AS 975/13; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011, Az.: L 13 R 2150/10).
Mit den hier verhängten Kosten in Höhe von 500,- EUR hat der Senat Rücksicht auf den Umstand genommen, dass die Klägerin, die die Kostenschuldnerin darstellt, altersbedingt vermutlich wenig Einfluss auf das Verfahren nehmen hat können. Berücksichtigt worden zu Gunsten der Klägerin ist auch, dass diese, soweit sich dies den Akten entnehmen lässt, über keine hohen Einkünfte und großes Vermögen verfügen dürfte. Gleichwohl sieht der Senat keine Möglichkeit, im Rahmen seines Ermessens auf den gesetzlichen Mindestbetrag für die Verschuldenskosten zurückzugreifen. Denn es ist auch zu berücksichtigen, dass durch solche Verfahren wie hier, denen offenkundig jegliche Erfolgsaussichten fehlen, Verfahren verzögert werden, in denen die Beteiligten ein berechtigtes Interesse an einer möglichst bald zu ergehenden Entscheidung des Gerichts haben.
Lediglich abschließend erlaubt sich der Senat den Hinweis darauf, dass es sich im vorliegenden Verfahren aufgedrängt hätte, dem bevollmächtigten Rechtsanwalt der Klägerin die zu verhängenden Verschuldenskosten aufzuerlegen, da er durch seine nicht nachvollziehbare Antragstellung vor dem SG die Ursache für die Verhängung der Verschuldenskosten gesetzt hat. Der Senat sieht dafür aber keine Möglichkeit, da nach dem Wortlaut des § 192 SGG die Kosten grundsätzlich nur einem Beteiligten, nicht aber seinem Bevollmächtigten auferlegt werden können (h.M., vgl. Leitherer, a.a.O., § 192, Rdnr. 2).
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Klägerin hat Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Ehemann der Klägerin, der Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten hatte, verstarb am 14.06.2014.
Mit Bescheid vom 08.10.2014 gewährte der Beklagte der Klägerin Witwenbeihilfe gemäß § 48 BVG, nicht aber Witwenrente gemäß § 38 BVG. Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 03.11.2014 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2015 zurückgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 27.04.2015 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben und darin den Antrag gestellt, "unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 08.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden."
In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, "den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 zu verurteilen die Anträge neu zu verbescheiden."
Anschließend ist die Klage mit Urteil vom 08.09.2016 als unzulässig abgewiesen worden. Das SG hat in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:
"An der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin selbst nicht teil ... Auf den Hinweis, dass eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur zulässig ist, wenn es um die Korrektur einer Ermessensentscheidung oder um ein Begehren nach statusbegründenden Verwaltungsakten geht, reagierte er nicht ... Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben. Sie ist jedoch unzulässig. Für eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Witwenrente nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes nach der 2. Alternative der Vorschrift ggf. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kann nur begehrt werden, wenn gegen einen bereits erlassenen und angefochtenen Verwaltungsakt mit dem Vorwurf von Ermessensmängeln vorgegangen wird oder wenn ein Verwaltungsakt begehrt wird, mit dem ein Status wie beispielsweise die Aufnahme in die Versicherungspflicht oder die Befreiung hiervon begehrt wird. Eine von der Auffassung des Beklagten abweichende Rechtsauffassung des Gerichts konnte vorliegend angesichts des klaren Sachverhaltes weder entstehen noch vorgetragen werden. Konkrete Leistungen, die ohne Ermessensgebrauch im Rahmen der gebundenen Verwaltung zu erbringen sind, sind mit einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG einzuklagen. Der Klägervertreter hätte auf gerichtliche Anregung in der mündlichen Verhandlung ohne weiteres seinen Klageantrag nach § 99 Abs. 3 SGG ändern können, lehnte dies jedoch genauso wie eine materielle Erörterung zum Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab."
Gegen das am 20.09.2016 zugestellte Urteil hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2016, eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) am selben Tag, Berufung eingelegt.
Mit Schreiben des Gerichts vom 24.11.2016, zugestellt am 28.11.2016, ist der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen worden, dass der erhobenen Bescheidungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle und daher für die Berufung keinerlei Erfolgsaussicht bestehe. Weiter ist die Verhängung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angedroht und zu der Absicht des Senats, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, angehört worden. Frist zur Äußerung ist bis zum 23.12.2016 gesetzt worden.
Mit Schreiben vom 07.12.2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 07.01.2017 beantragt. Seitdem ist keine Reaktion des Bevollmächtigten mehr erfolgt.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, da die relevanten Gesichtspunkte der Klägerin im erstinstanzlichen Urteil und in dem dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28.11.2016 zugestellten Schreiben des Gerichts vom 24.11.2016 aufgezeigt und erläutert worden sind. Die Klägerin hat ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt; in der von ihr mit Schreiben vom 07.12.2016 angekündigten Frist hat sie sich nicht geäußert. Zur Entscheidung durch Beschluss sind die Beteiligten mit vorgenanntem Schreiben des Senats gehört worden. Ein weiteres Abwarten war nicht geboten.
Das SG hat die Klage zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen.
1. Auslegung des klägerischen Begehrens im erstinstanzlichen Verfahren
Der im Verfahren vor dem SG gestellte Antrag beinhaltet ausschließlich eine Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03). Wie bei der Auslegung gesetzlicher Regelungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.02.2003, Az.: 2 BvR 369/01, 2 BvR 372/01, und vom 02.05.2016, Az.: 2 BvR 1137/14) auch ist die Auslegung einer Prozesserklärung durch die Wortlautgrenze begrenzt, wobei im Sinn der gebotenen klägerfreundlichen Auslegung vom Gericht im Rahmen der Auslegung alles zu unternehmen ist, der von einem Beteiligten gewählten Formulierung einen Erklärungsinhalt beizumessen, der ihm maximalen Rechtsschutz ermöglicht. Bei einem Rechtsanwalt als rechtskundigem Bevollmächtigten ist zudem in der Regel anzunehmen, dass er das Gewollte auch richtig wiedergibt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123, Rdnr. 3).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat für diese nicht nur schriftsätzlich (Schreiben vom 27.04.2015), sondern auch zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (letztere oft auch als Bescheidungsklage bezeichnet) gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben. Einer Abänderung des schriftsätzlich und zu Protokoll gestellten Antrags in einen Anfechtungs- und Leistungsantrag im Sinn von § 54 Abs. 4 SGG hat er sich verweigert, obwohl er vom Richter des SG, wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt, im Rahmen der sich aus § 106 Abs. 1 SGG ergebenden gerichtlichen Hinweispflicht, die auf die Stellung sachdienlicher Anträge durch die Beteiligten gerichtet ist, auf die Unzulässigkeit des gestellten Antrags hingewiesen worden war. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag "den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2015 zu verurteilen die Anträge neu zu verbescheiden." kann daher nur im Sinn einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, nicht aber einer Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinn von § 54 Abs. 4 SGG ausgelegt werden. Eine Umdeutung in eine zulässige Leistungsklage ist angesichts der durch den rechtskundigen Bevollmächtigten trotz entsprechender richterlicher Hinweise vorgenommenen Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nicht möglich.
2. Unzulässigkeit der Klage
Die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG war mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Die von der Klägerin angestrebte Leistung einer Witwenrente gemäß § 38 BVG stellt keine Ermessensleistung dar, sondern eine gebundene Entscheidung, bei der eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1999, Az.: B 9 V 23/98 R); denn es könnte unmittelbar die Leistung begehrt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 54, Rdnr. 38 c). Mit einem Bescheidungsurteil wäre die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage der Witwenrente nach wie vor offen, obwohl eine rechtverbindliche und sachlich abschließende Entscheidung im gerichtlichen Verfahren bei entsprechender Antragstellung möglich gewesen wäre. Mit einer Leistungsklage hätte die Klägerin ihr Ziel einer Witwenrente auf dem dafür vorgesehenen kürzesten Weg erreichen können, was dazu führt, dass eine Verpflichtungsklage nicht in Betracht kommt und daher unzulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1976, Az.: 9 RV 176/75). Aus dem gleichen Grund ist die erhobene Anfechtungsklage unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Weg der Ausübung seines Ermessens Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR auferlegt.
Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Gericht die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist dann anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 23.02.2016, 2 BvR 63/16, 2 BvR 60/16) und der Beteiligte entgegen seiner besseren Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.1961, Az.: 3 RK 67/60). Es ist also ein ungewöhnlich hohes Maß an Uneinsichtigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 12.03.1981, Az.: 11 RA 30/80) zu verlangen, wobei sich ein Beteiligter die Uneinsichtigkeit seines Anwalts zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1967, Az.: 10 RV 102/67).
Die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung können in einem Gerichtstermin (mündliche Verhandlung oder Erörterungstermin) - oder "auch in einer gerichtlichen Verfügung" (vgl. Bundestags-Drucksache 16/7761, S. 23), also - wie hier am 24.11.2016 - in einem gerichtlichen Schreiben an den Beteiligten erfolgen (ständige Rspr., vgl. z.B. Urteile des Senats vom 27.03.2014, Az.: L 15 VK 17/13, und vom 05.07.2016, Az.: L 15 VG 33/14). Der Hinweis kann vom Vorsitzenden oder - wie hier - auch vom zuständigen Berichterstatter des Verfahrens gegeben werden (vgl. Knittel, in: Hennig, SGG, Stand 09/2016, § 192, Rdnr. 17; Krauß, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 192, Rdnr. 31; Thüringer LSG, Urteil vom 30.01.2006, Az.: L 6 RA 383/04; rechtskräftiges - vgl. BSG, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: B 9 SB 23/16 B - Urteil des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 SB 156/15).
Die aufgezeigten Voraussetzungen für die Verhängung von Verschuldenskosten sind vorliegend erfüllt. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag fehlt offensichtlich das Rechtsschutzbedürfnis. Darauf ist der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils und im Schreiben des Senats vom 24.11.2016 hingewiesen worden. Wenn der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin trotz dieser wiederholt gegebenen Hinweise Berufung einlegt und diese aufrechterhält, belegt dies überdeutlich die Missbräuchlichkeit der Aufrechterhaltung der Berufung. Das in der Person des Bevollmächtigten der Klägerin vorliegende hohe Maß an Uneinsichtigkeit muss sich die Klägerin zurechnen lassen.
Die Höhe der zu verhängenden Kosten hat der Senat durch Schätzung des ansonsten vom Steuerzahler zu tragenden Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens ermittelt. Dabei ist berücksichtigt, dass § 192 SGG eine Schadensersatzregelung darstellt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 192, Rdnrn. 1 a, 12 - m.w.N.), die unter den in § 192 SGG genannten Voraussetzungen das Privileg der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens teilweise entfallen lässt. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz, also für das Verfahren vor dem LSG 225,- EUR. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 287 ZPO geschätzt werden. Dabei sind neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Gerichtsbediensteten auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 192, Rdnr. 14).
Gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG können die Kosten auferlegt werden, die durch die Fortführung des Rechtsstreits verursacht sind. Davon umfasst sind jedenfalls die Kosten, die ab dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem dem Beteiligten die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Unter Berücksichtigung zum einen der Tatsache, dass bereits im Jahr 1973 die Kosten einer Richterstunde auf etwa 194,- DM geschätzt worden sind (vgl. Franzen, Was kostet eine Richterstunde?, NJW 1974, S. 784) bzw. im Jahr 1986 von Kosten von 350,- bis 450,- DM ausgegangen worden ist (vgl. Goedelt, Mutwillen und Mutwillenskosten, SGb 1986, S. 493, 500), und zum anderen der seitdem bis heute stattgefundenen allgemeinen Kostensteigerung liegen im vorliegenden Verfahren Verschuldenskosten in Höhe von 500,- EUR unter dem, was tatsächlich an weiteren Kosten entstanden ist. So sind in den letzten Jahren andere Landessozialgerichte regelmäßig von Verschuldenskosten in Höhe von 1.000,- EUR ausgegangen und haben dabei darauf hingewiesen, dass die auferlegten Kosten deutlich unter den Kosten, die durch die Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich entstanden sind, liegen (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 07.11.2011, Az.: L 3 R 254/11, und vom 21.01.2014, Az. L 2 AS 975/13; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011, Az.: L 13 R 2150/10).
Mit den hier verhängten Kosten in Höhe von 500,- EUR hat der Senat Rücksicht auf den Umstand genommen, dass die Klägerin, die die Kostenschuldnerin darstellt, altersbedingt vermutlich wenig Einfluss auf das Verfahren nehmen hat können. Berücksichtigt worden zu Gunsten der Klägerin ist auch, dass diese, soweit sich dies den Akten entnehmen lässt, über keine hohen Einkünfte und großes Vermögen verfügen dürfte. Gleichwohl sieht der Senat keine Möglichkeit, im Rahmen seines Ermessens auf den gesetzlichen Mindestbetrag für die Verschuldenskosten zurückzugreifen. Denn es ist auch zu berücksichtigen, dass durch solche Verfahren wie hier, denen offenkundig jegliche Erfolgsaussichten fehlen, Verfahren verzögert werden, in denen die Beteiligten ein berechtigtes Interesse an einer möglichst bald zu ergehenden Entscheidung des Gerichts haben.
Lediglich abschließend erlaubt sich der Senat den Hinweis darauf, dass es sich im vorliegenden Verfahren aufgedrängt hätte, dem bevollmächtigten Rechtsanwalt der Klägerin die zu verhängenden Verschuldenskosten aufzuerlegen, da er durch seine nicht nachvollziehbare Antragstellung vor dem SG die Ursache für die Verhängung der Verschuldenskosten gesetzt hat. Der Senat sieht dafür aber keine Möglichkeit, da nach dem Wortlaut des § 192 SGG die Kosten grundsätzlich nur einem Beteiligten, nicht aber seinem Bevollmächtigten auferlegt werden können (h.M., vgl. Leitherer, a.a.O., § 192, Rdnr. 2).
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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