L 6 R 483/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 19 R 8585/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 483/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2013 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Er-werbsminderung hat.

Die 1963 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Friseurin und war bis August 2009 in dem Beruf tätig. Seit dem 22. Februar 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab Juli 2009 Arbeitslosengeld. Geringfügige Beschäftigungen übte sie vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2014 beim F. Haarstudio und ab 1. November 2014 beim Hausmeisterdienst B. aus.

Im Oktober 2009 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. die medizinischen Unterlagen aus den Rehabilitationsverfahren der Klägerin bei und holte ein orthopädisches Gutachten des Dr. A. vom 10. Februar 2010 ein (Diagnosen: vertebragenes Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule/sensibles Radikulärsyndrom L5 links; Leistungsbild: leichte Tätigkeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr). Mit Bescheid vom 2. März 2010 lehnte sie eine Rentengewährung ab. Im Wider-spruchsverfahren zog sie den Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. C. GmbH vom 11. August 2010 bei (Diagnosen: rezidivierendes sensibles und schmerzhaftes radikuläres Lumbalsyndrom links, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 im April 2008, Spondylolysthese Grad I L4/5, Verdacht auf Angststörung, grenzwertige Hypercholesterinä-mie; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2010 zurück.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen eingeholt und ein orthopädisches Gutachten des Dr. H. vom 10. April 2012 beauftragt. Dieser hat ein chronisch lumbales Postnukleotomiesyndrom bei Spondylolysthesis L4/L5 Grad I mit mittelgradiger Funktionseinschränkung der LWS und ein rezidivierendes thorakales Schmerzsyndrom, aktuell ohne relevante Funktionseinschränkung, diagnostiziert. Leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten seien der Klägerin unter Maßgabe zusätzlicher Einschränkungen vollschichtig zumutbar. In seinem "psychiatrischen und psychotherapeutischen" Gutachten vom 7. November 2012 hat Dr. D. eine Panikstörung (F 41.0) diagnostiziert. Sie sei in der Lage, regelmäßig unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung von Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche Arbeiten zu verrichten.

Mit Urteil vom 4. Februar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, sie könne aus gesundheitlichen Gründen weder ihren Beruf als Friseurin noch eine im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zumutbare Verweisungstätigkeit verrichten. Ihre orthopädischen Leiden seien derart ausgeprägt, dass sie sie auch im häuslichen Umfeld stark beeinträchtigten. Eine Tätigkeit als Produktionshelferin, Poststellenmitarbeiterin oder Pförtnerin komme nicht in Betracht. Mit den Einschätzungen ihres Restleistungsvermögens im Reha-bilitationsentlassungsbericht vom 21. März 2016 und im Gutachten des Dr. K. sei sie nicht einverstanden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2010 zu verurteilen, ihr ab dem 1. November 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.

Der Senat hat verschiedene Befundberichte mit Anlagen und ein psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 30. September 2014 eingeholt. Er hat auf seinem Fachgebiet die Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM F 45.41) und eine mittelgradige depressive Episode mit Panikattacken, DD: Panikstörung (ICD-10-GM F 32.1) gestellt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, regelmäßig mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Das Gehen sei aufgrund der schweren Schmerzsymptomatik deutlich eingeschränkt, sodass ihr nicht zugemutet werden könne, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die zumutbare Wegstrecke betrage ca. 50 bis 100 Meter. Das Leistungsvermögen sei sicher seit Oktober 2009 in diesem Ausmaß eingeschränkt.

Auf Einwände der Beklagten insbesondere zur Wegefähigkeit und den Aktivitäten der Klägerin hat der Sachverständige am 18. Februar 2015 Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 12. März 2015 hat die Beklagte auf die geringfügig ausgeübte Tätigkeit der Klägerin hingewiesen und unter Vorlage einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 14. April 2015 ihre Einwendungen gegen die Feststellungen des Prof. Dr. B. bekräftigt. Hierzu hat dieser am 23. Oktober 2015 ausgeführt, die Klägerin habe ihm gegenüber die geringfügigen Tätigkeiten nicht angegeben. Die Annahme des Prüfarztes, die Klägerin könne ihre Erkrankung mit einer gewissen Willensanstrengung überwinden, erscheine ihm unzulässig. Die chronische Schmerzerkrankung mache es ihr unmöglich, einen höheren Beschäftigungsumfang als drei Stunden täglich wahrzunehmen. Dr. D. habe in seinem Gutachten die schmerzrelevanten Punkte nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

Nach dem von der Beklagten zur Akte gereichten Rehabilitationsentlassungsbericht der Dr. B. H. M. Klinik vom 21. März 2016 ist die Klägerin arbeitsfähig aus der stationären Rehabilita-tionsmaßnahme entlassen worden. Es bestehe ein verbliebenes Restleistungsvermögen für körperlich leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten ohne anhaltende körperliche Zwangshaltungen, wie z.B. Arbeiten mit ständig vorgeneigtem oder gebücktem Oberkörper. Der Senat hat daraufhin Dr. K. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Er hat am 19. Juli 2016 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM F45.41), eine episodisch-paroxysmale Angst mit Agoraphobie (ICD-10-GM F40.01), eine spezifische Phobie (ICD-10-GM F40.2); leichte Klaustrophobie, leichte Höhenphobie, ein LWS-Syndrom mit leichter S1-Irritation links und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung rechts bei Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls in Höhe L 4/5 im April 2008 und Spondylolisthese (ICD-10-GM M51.1, G55.1) sowie eine transitorisch ischämische Attacke (TIA) im Stromgebiet der Arteria cerebri media links 01/2015 (ICD-10-GM G45.92) diagnostiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten regelmäßig mindestens sechs Stunden pro Tag unter Beachtung von Einschränkungen auszuüben.

Der Senat hat den Beteiligten die anonymisierte Kopie eines Gutachtens der berufskundlichen Sachverständigen J. zur Tätigkeit eines Produktionshelfers aus einem anderen Verfahren vor dem erkennenden Senat (Az.: L 6 RJ 301/02) vom 6. Juni 2004 zur Kenntnisnahme übersandt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündli-chen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet; sie hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) liegen bei ihr nicht vor.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen, insbesondere den Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 10. April 2012 und des Dr. K. vom 19. Juli 2016, deren Ausführungen der Senat folgt, ist die Klägerin durch die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert, eine Arbeitsleistung von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu erbringen.

Nach dem Gutachten des Dr. K. vom 19. Juli 2016 kann sie leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich im Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten unter Absturzgefahr, ohne Schicht- und Akkordarbeit, ohne Fließbandarbeit, ohne besondere nervliche Belastung und ohne intensiven Publikumsverkehr in geschlossenen temperierten Räumen ausüben. Staub, Rauch, Gas und Dampf sollte sie nicht ausgesetzt sein. Die Wegefähigkeit ist nicht eingeschränkt. Dies ist nachvollziehbar. Die Klägerin leidet an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Eine Schmerzkrankheit im eigentlichen Sinne, die das gesamte Denken und den Tagesablauf beherrscht, besteht allerdings nicht. Auch die Kriterien einer Depression sind differenzialdiagnostisch nicht erfüllt. Eine tiefgreifende Angst hat der Sachverständige verneint. Als Ergebnis seines strukturierten klinischen Diagnoseinterviews sind die Kriterien einer Panikstörung (episodisch-paroxysmale Angst) mit Agoraphobie und die Kriterien einer spezifischen Phobie mit leichter Klaustrophobie und leichter Höhenphobie und einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ebenso wenig erfüllt wie die Kriterien einer Somatisierungsstörung oder einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Die von der Klägerin geäußerten Beschwerden hat er der (notwendigen) Konsistenzprüfung (vgl. Widder, Schiltenwolf, Egle et al., Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, AWMF-Register Nr. 030/102, 2012, 4.5 Konsistenzprüfung; Senatsurteil vom 24. April 2012 - Az.: L 6 R 1227/11) unterzogen. Dabei haben sich zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung Inkonsistenzen ergeben, die vernünftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeangaben begründen. Im Beck-Depressions-Inventar (BDI) hat die Klägerin einen Wert erreicht, der einer mittelschweren Depression entsprechen würde, in den weiteren Testuntersuchungen (HAMD und SKID-I-Interview) hat sich keine depressive Symptomatik abgebildet. Die Klägerin berichtet ausführlich über ihre Beschwerden, ist affektiv aber nicht tiefgreifend beeinträchtigt. Auch die Behandlungsanamnese mit Beendigung der Psychotherapie im Juni 2013 und eine fehlende psychiatrische Mitbehandlung sprechen gegen eine schwerwiegende seelische Erkrankung. Die Analyse der Aktivität und Partizipationstätigkeit - Treffen mit Freunden, Beaufsichtigung der Enkelkinder - belegt, dass keine Schmerzkrankheit im eigentlichen Sinn besteht. Zusammenfassend stellt der Sach-verständige fest, dass das psychische und psychosomatische Funktionsniveau der Klägerin nur leicht eingeschränkt ist und eine globale Fähigkeitsstörung auszuschließen ist. Selbstversorgung, Gruppenfähigkeit, Mobilität und Wegefähigkeit sind nicht eingeschränkt. Aufgrund der seelischen Problematik bestehen nur leichte Funktionsstörungen. Die Fähigkeit zur Willensanspannung ist derzeit nicht beeinträchtigt. Es bestehen qualitative, aber keine quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Einschränkungen sind dahingehend zu beachten, dass es sich um Arbeiten ohne Hektik, ohne Stress und ohne affektiv belastende Situationen handeln muss. Tätigkeiten, die Zwangshaltungen der Wirbelsäule erfordern und Tätigkeiten mit Absturzgefahr sind nicht zumutbar.

Der Senat folgt nicht dem Gutachten des Prof. Dr. B. vom 30. September 2014 sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 18. Februar und 23. Oktober 2015. Die von ihm diagnostizierte mittelgradige depressive Episode (ICD-10-GM F.32.1) haben weder Dr. D. noch Dr. K. festgestellt. Letzterer hat eine Depression mangels entsprechender klinischer Anhaltspunkte und einer fehlenden psychiatrischen Behandlung ausdrücklich verneint. Prof. Dr. B. ist davon ausgegangen, dass es bei der Klägerin zu einer Veränderung der Persönlichkeit mit erheblichen Einschränkungen im täglichen Umgang und in der Ausdauer gekommen sei; der von ihr beschriebene Tagesablauf zeige deutlich die schweren Einschränkungen; ihre Aktivitäten seien auf wenige Aktivitäten im Haus beschränkt. Die Klägerin hat ihren Tagesablauf allerdings gegenüber Dr. D. - ebenso wie später auch gegenüber Dr. K. - wesentlich aktiver - regelmäßige Wassergymnastik im eigenen Pool, Reha-Sport, Unternehmungen mit Freunden, Betreuung der Enkelkinder, Einkaufen, Beschäftigung mit dem Computer - geschildert. Auch hat sie mehrfach geäußert, dass sie im Stadtverkehr selbstständig mit dem Auto unterwegs ist und dies in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt. Unerheblich ist insoweit ihr Vortrag, dies sei auf Fahrten zu ihrem Arzt beschränkt. Jedenfalls ist festzuhalten, dass ihre Aktivitäten nicht auf die Wohnung beschränkt sind. Das Gutachten des Prof. Dr. B. leidet aber vor allem daran, dass die Klägerin ihm gegenüber unvollständige Angaben gemacht hat, denn sie hat ihm die bereits seit dem 1. Oktober 2013 aufgenommene und zum Zeitpunkt der Begutachtung ausgeübte geringfügige Tätigkeit verschwiegen. Damit ist er von falschen Tatsachen ausgegangen. Den Erklärungsversuch der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie sei dazu vom Sachverständigen nicht befragt worden, kann der Senat nicht nachvollziehen. Im Übrigen weist Dr. K. zu Recht darauf hin, dass der Sachverständige die notwendige Validierung der von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden unterlassen hat. Auch nach dem orthopädischen Gutachten des Dr. H. kann die Klägerin leichte Arbeiten voll-schichtig (d.h. acht Stunden), also erst Recht mindestens sechs Stunden täglich in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen der LWS und ohne schwere Hebe- und Bückarbeiten (maximale Hebelast als Einzelleistung: 8 kg, als Dauerleistung: 5 kg) ausüben. Die Arbeiten sollten möglichst in geschlossenen und warmen Räumen ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe und Zugluft verrichtet werden. Die Wegefähigkeit ist aufgrund der festgestellten Erkrankungen nicht eingeschränkt. Dies ist nachvollziehbar. Die Beweglichkeit der LWS war nur mäßig eingeschränkt. Bei den Bewegungsprüfungen gab die Klägerin lumbal wechselnde starke Schmerzen an, dennoch waren die Bewegungsabläufe nach Beobachtung des Dr. H. teilweise nahezu uneingeschränkt. Wesentliche muskuläre Defizite hat er nicht festgestellt. Die bildgebenden Befunde der LWS ergaben eine deutliche Bandscheibenerniedrigung im voroperierten Segment L4/L5 und ein leichtes Wirbelgleiten im Segment L4/L5, eine Spondylarthrose von L3 bis L5 sowie Zeichen einer leichten Segmentinstabilität L4/L5 und eine Einengung der Neuroforamen L4/L5 beidseits, links mehr als rechts. Hierdurch erklären sich durchaus rezidivierende lumbale Beschwerden mit Schmerzausstrahlung in das linke Bein und mittelgradige Funktionseinschränkungen im Bereich der LWS, wobei eindeutige Wurzelreizerscheinungen aktuell nicht nachweisbar waren und insbesondere keine motorischen Ausfälle nachweisbar sind. Insgesamt stellte der Sachverständige eine deutliche Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und den nachweisbaren klinischen und bildgebenden Befunden fest. Aufgrund der Diagnosen ergibt sich eine bleibende Leistungseinschränkung nur für anhaltende schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten.

Dem von den Dres. K., H. und D. festgestellten Restleistungsvermögen der Klägerin steht der Rehabilitationsentlassungsbericht der Dr. B. H. M. Klinik vom 21. März 2016 gerade nicht entgegen.

Nach der Neuregelung des § 43 SGB VI bedarf es unabhängig davon, welche Tätigkeit der Versicherte zuletzt ausgeübt hat und wie diese zu bewerten ist, keiner Benennung einer Ver-weisungstätigkeit. Hilfsweise verweist der Senat die Klägerin aber entsprechend seiner ständigen Praxis auf die ihr zumutbare und angesichts ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Tätigkeit als Produktionshelferin entsprechend dem Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 aus einem anderen Verfahren des Senats (Az.: L 6 RJ 301/02). Es handelt sich um einfache wiederkehrende Tätigkeiten, die in vielen Branchen und bei unterschiedlichsten Produkten anzutreffen sind, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben und die nach kurzer Einweisung ausgeübt werden können. In nennenswerter Zahl sind sie z.B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren und Hobbybereich vorhanden. Sie belasten nur leicht; Wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen kommen nicht vor. Das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen und Anlagen vorgegeben; der Lohn wird nicht nach Akkordsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Eingepackt wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse. Als Beispiel nennt die Sachverständige leichte Verpackungsarbeiten in der Dentalbranche. Dabei werden die im Unternehmen hergestellten Produkte in der Endverpackung so verpackt, wie sie an den Endverbraucher ausgeliefert werden. Z.B. werden kleine Dosen in Faltschachteln gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile gelegt und kommen dann zusammen mit einer Gebrauchsanweisung oder Mischblöcken in die Faltschachtel. Die Tätigkeit ist körperlich leicht und das Gewicht der zu verpackenden Teile liegt unter fünf Kilogramm. Sie kann im Wechsel von Gehen und Stehen erledigt werden; es kann auch gesessen werden. Die Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Produktionshelferin hat Dr. K. ausdrücklich bejaht.

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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