L 9 R 1838/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 2615/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1838/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1965 geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben in Kroatien eine kaufmännische Ausbildung absolviert und war dort bis Januar 1991 beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland (Übersiedlung im Februar 1992) übte die Klägerin ab September 1992 Tätigkeiten als Küchenhelferin, Servicekraft und zuletzt in geringfügigem Umfang als Hausmeisterin in einem Pflanzencenter aus. In dem Versicherungsverlauf der Klägerin vom 24.08.2016 sind vom 01.02.2010 bis 31.12.2013 eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Zeitraum vom 23.09.2002 bis 22.09.2012 vermerkt. Ferner bezog sie vom 01.09.2013 bis 31.12.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Vom kroatischen Versicherungsträger sind Pflichtbeitragszeiten vom 05.05.1986 bis 20.05.1987 und vom 21.06.1989 bis 16.12.1990 gemeldet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 23.08.2016 (Bl. 41 ff. der Senats-Akten) verwiesen.

Am 29.07.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im von der Beklagten veranlassten Gutachten des Dr. W. vom 04.12.2013 wurde ein NPP HWS C5/6 mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, eine beginnende Gonarthrose beidseits mit Belastungsschmerzen, eine Bandscheibenprotrusion L5/S1 mit Tangierung der Wurzel L5 rechts mit Funktionseinschränkung und eine Migräne diagnostiziert. Unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen war der Sachverständige der Auffassung, dass die Klägerin angepasste Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne.

Mit Bescheid vom 16.01.2014 lehnte die Beklagte die beantragte Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte zur Begründung aus, dass die Einschränkungen, die sich aus den Erkrankungen oder Behinderungen ergäben, nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung führten. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, der mit einer seit Juli 2013 durchgeführten ambulanten psychiatrischen Behandlung begründet worden war, zog die Beklagte einen ärztlichen Befundbericht bei Dr. B., S., bei. Diese gab unter dem 18.03.2014 an, die Klägerin seit Oktober 2013 dreimal behandelt zu haben. Sie diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode und eine Migräne. Eine medikamentöse Therapie werde durchgeführt.

Unter Berücksichtigung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des prüfärztlichen Dienstes der Beklagten (Dr. S. vom 27.03.2014), welche eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht festzustellen vermochte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 zurück. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei zwar eingeschränkt, sie könne aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten.

Mit einem am 30.04.2014 eingegangenen Schreiben hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass sie auch schon ohne Belastungen unter ständigen starken Schmerzen im gesamten Rücken, die in Beine und Arme ausstrahlten und insbesondere auch in den Händen zu Taubheit und Missempfindungen führten, leide. Unter Belastung komme es häufig zu einer weiteren Entgleisung, und sie sei für mehrere Tage vor Schmerzen nahezu unbeweglich. Dies und zusätzliche Schmerzen in den Kniegelenken sowie schwere Depressionen führten zu starken Konzentrationseinschränkungen. Die belastungsunabhängigen Beschwerden in der Wirbelsäule hielten während des gesamten Tages an, seien einer Behandlung nicht zugänglich, und sie sei auch nicht in der Lage, einfache und leichte Hausarbeiten zu verrichten.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen von sachverständigen Zeugenaussagen bei der Ärztin für Neurologie Dr. B., der Augenärztin Dr. A., dem Orthopäden Dr. L., den Neurologen und Psychiatern Dres. M. und B., der Hausärztin Dr. L.-P., dem Facharzt für Innere Medizin Dr. E. sowie dem Facharzt für Innere Medizin Dr. R ... Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines psychiatrischen Fachgutachtens beim Neurologen und Psychiater Dr. P., Plochingen, und eines orthopädischen Fachgutachtens bei Dr. B.-S., S ... Die Klägerin hat u.a. ein Gutachten nach Aktenlage der Dr. Ö. vom 29.11.2007 für die Agentur für Arbeit sowie weitere Befundberichte aus den Jahren 1997 bis 2006 vorgelegt. Ferner hat sie einen Bericht über eine MRT der LWS vom 27.11.2014 (radiologische Praxis am F. Dr. M.) sowie über eine ambulante Behandlung am 23.11.2014 im B.-Krankenhaus S. wegen einer Ischialgie rechts vorgelegt.

Dr. B. hat unter dem 03.06.2014 über eine ambulante neurologische Behandlung im Zeitraum vom 24.10.2011 bis 30.10.2013 berichtet. Seit Januar 2013 bestehe eine Wurzelreizsymptomatik L5 rechts sowie eine Bandscheibenprotrusion L5/S1. Die Beschwerden stimmten mit denen im vom SG übersandten Gutachten überein. Eine von ihr veranlasste MRT der LWS zeige keine relevante Befundänderung zur Voruntersuchung im November 2011. Die festgestellten Gesundheitsstörungen wirkten sich leicht bzw. vorübergehend mittelmäßig auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin aus. Sie stimme mit der Leistungsbeurteilung im beiliegenden Gutachten überein.

Dr. A. hat unter dem 05.06.2014 mitgeteilt, dass von augenärztlicher Seite keine Störung der beruflichen Leistungsfähigkeit vorliege.

Der Orthopäde Dr. L. hat unter dem 17.06.2014 über eine letztmalige Behandlung der Klägerin am 06.11.2013 berichtet, wo die Klägerin über Lumbalgien, insbesondere beim Treppenlaufen geklagt habe. Er stimme im Wesentlichen mit dem beiliegenden Gutachten überein.

Dres. M. und B. haben unter dem 26.06.2014 über eine mittelgradige depressive Episode und eine Migräne berichtet. Im Vordergrund der derzeitigen Behandlung stehe die medikamentöse Therapie der depressiven Episode. Eine exakte Leistungseinschätzung sei ihnen nicht möglich.

Dr. L.-P. hat unter dem 23.06.2014 neben den auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Diagnosen auch über eine Refluxösophagitis, eine Varicosis beidseits, einen Hallux valgus beidseits, eine Migräne mit Aura, ein Lipo-Lymph-Ödem Stadium 1 beidseits, eine chronische Rhinosinusitis, Depressionen und Nikotinabusus berichtet. Sie vertrat die Auffassung, dass auch leichte Tätigkeiten mit erheblichen Einschränkungen nur bis drei Stunden erbracht werden könnten. Das für die berufliche Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet.

Dr. E. hat unter dem 25.11.2014 unter Berücksichtigung der Diagnosen Nikotinabusus, Bronchitis, Sodbrennen und Depression ausgeführt, dass leichte Tätigkeiten im Rahmen von sechs Stunden und mehr ausgeübt werden könnten. Auf den Einwand der Klägerin, nicht von Dr. E., sondern von Dr. R. behandelt worden zu sein, hat dieser auf Veranlassung des SG in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16.12.2014 die Diagnosen einer obstruktiven Ventilationsstörung mit deutlich variabler Atemwegsverengung und dem (zusätzlich) dringenden Verdacht auf eine Alveolitis mit aktuell vorliegender Diffusionsstörung sowie einer respiratorischen Insuffizienz mitgeteilt. Aufgrund der hochgradigen bronchialen Hyperreaktivität ohne adäquate Therapie könne es bereits bei leichter körperlicher Anstrengung zu Belastungsdyspnoe kommen. Zusätzlich lägen aktuell eine Diffusionsstörung sowie eine respiratorische Insuffizienz vor, welche die Leistungsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigen dürften. Es könne angenommen werden, dass sich die pulmonale Situation unter adäquater Therapie und unter Beibehaltung der aktuell erreichten Tabakkarenz verbessern werde. Zum aktuellen Zeitpunkt könnten bereits leichte körperliche Tätigkeiten zur Dyspnoe führen. Unter ausreichender Berücksichtigung möglicher Erholungspausen könne bei im Sitzen auszuführenden Tätigkeiten von einer Leistungsfähigkeit zwischen drei und sechs Stunden ausgegangen werden.

Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 17.03.2015 die Diagnosen Anpassungsstörungen mit depressiven Verstimmungen bei psychosozialer Belastung mit Somatisierungsstörungen – somatoforme Schmerzstörung; anamnestisch: Migräne und chronisches Wirbelsäulensyndrom ohne wesentliche funktionelle neurologische Ausfälle gestellt. Die Klägerin, die angegeben habe, derzeit in einem Umfang von sechs Stunden am Tag, an zwei Tagen in der Woche als "Hausmeisterin für Gartenbau" zu arbeiten, könne allein auf neurologischem Fachgebiet leichte bis anteilig mittelschwere Arbeiten, wie sie derzeit ausgeübt würden, vollschichtig bewältigen.

Im orthopädischen Gutachten von Dr. B.-S. vom 15.06.2015 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit geringer Rotationseinschränkung links, anamnestisch ausstrahlende Beschwerden in den linken Arm mit geringer Rotationseinschränkung nach links, bei kernspintomografisch nachgewiesener Bandscheibenhernie rechtsbetont in Höhe von C5/C6; Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule bei geringer Seitabweichung und leicht vermehrter Kyphose, ohne Funktionseinschränkung und ohne Zeichen degenerativer Veränderungen; Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, ohne Funktionseinschränkung und ohne Nervenwurzelreizung bei radiologisch geringer Seitabweichung und geringen degenerativen Veränderungen im Segment L5/S1 sowie kleinen Protrusionen lumbal; Schmerzen im Bereich beider Schultergelenke bei freier Beweglichkeit bei radiologisch unauffälligem Befund; Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenkes bei klinisch unauffälligem Befund und freie Beweglichkeit bei radiologisch unauffälligem Befund; Schmerzen im linken Kniegelenk bei maximaler Beugung, bei klinisch unauffälligem Befund, ohne Reizerscheinungen, bei radiologisch unauffälligem Befund; Spreizfuß beidseits mit geringem Hallux valgus und aktuell Schmerzen am lateralen Fußrand bei radiologisch unauffälligem Befund; Schmerzen im Bereich beider Hände mit Morgensteifigkeit, bei heute klinisch und radiologisch beginnender Heberden-Arthrose D2 und D4 rechts und D4 links. Aufgrund der Einschränkungen vonseiten der Wirbelsäule seien mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten nicht mehr zumutbar. Überkopfarbeiten sowie eine reine Bildschirmtätigkeit seien ebenfalls nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Schultergelenksbeschwerden trotz klinisch und radiologisch unauffälligem Befund, weswegen Arbeiten auf Schulterhöhe und Überkopfarbeiten eingeschränkt seien. Die körperliche Leistungsfähigkeit sei durch die Beschwerden im Bereich des rechten und linken Kniegelenkes nicht eingeschränkt. Eine Einschränkung vonseiten der aktuellen Fußbeschwerden sei nur vorübergehend anzunehmen, bei länger anhaltenden Fußbeschwerden seien rein gehende und stehende Tätigkeiten zu vermeiden. Beschwerden im Bereich der Hände bei freier Funktion und radiologisch beginnender Heberden-Arthrose seien allenfalls bei feinmotorischen Tätigkeiten nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung dessen seien der Klägerin aus orthopädischer Sicht weiterhin Tätigkeiten sechs Stunden täglich zumutbar.

Gegen die Beurteilung von Dr. B.-S. hat die Klägerin Einwendungen erhoben. In einem nichtöffentlichen Termin vor dem SG am 13.07.2015 hat die Klägerin unter anderem mitgeteilt, dass sie bis März 2015 als Hausmeisterin gearbeitet habe, jedoch nur in einem Umfang von 10 Stunden pro Woche. Nachdem sie sich dort habe krankschreiben lassen, sei sie gekündigt worden. Ein arbeitsgerichtliches Verfahren laufe. Die Beteiligten haben in diesem Termin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung sowie durch Gerichtsbescheid erklärt (vgl. Niederschrift vom 13.07.2015, Bl. 221 SG-Akte).

Mit einem am 04.04.2016 beim SG eingegangenen Schreiben hat die Klägerin den Bericht über eine Vorsprache im B. Krankenhaus S. am 08.02.2016 sowie über eine MRT des rechten Kniegelenkes am 18.02.2016 vorgelegt, in dem eine zentrale Degeneration des Innenmeniskus, besonders im Hinterhorn ohne abgrenzbaren Einriss und eine zarte Degeneration auch des Außenmeniskus beschrieben wurde. Ferner wurde eine Osteomalazie/Bone bruise im medialen Femurcondylus, geringer auch medialer Tibiakopf betont dorsal und eine medial betonte Chondromalacia Grad I, eine Chondromalacia Patellae Grad I und ein gering vermehrter Erguss im Gelenk ohne Baker-Zyste dorsal beschrieben. Wegen dieser Einschränkungen war für den 13.04.2016 ein operativer Eingriff geplant.

Unter dem 04.04.2016, der Klägerin am 07.04.2016 zugestellt, hat das SG darauf hingewiesen, eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu beabsichtigen. Hierzu hat die Klägerin unter dem 19.04.2016 nochmals Stellung genommen und insbesondere die Auffassung vertreten, das SG habe gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es keine den Anforderungen des § 105 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genügende Anhörung der Beteiligten durchgeführt habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2016, der der Klägerin am 04.05.2016 zugestellt wurde, hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, das rechtliche Gehör sei nicht verletzt worden, insbesondere habe die Klägerin Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme im Rahmen des Erörterungstermins am 13.07.2015 erhalten. Die wesentlichen medizinischen Ermittlungen, insbesondere die gerichtlichen Gutachten hätten vorgelegen und seien Gegenstand der Erörterung gewesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Weder aufgrund der orthopädischen Einschränkungen noch aufgrund der auf nervenärztlichem Fachgebiet vorliegenden Diagnosen und Einschränkungen seien die Voraussetzungen für die beantragte Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt. Auch die von Dr. R. mitgeteilten Befunde ließen keinen Rückschluss auf eine quantitative Leistungsminderung zu. Die Krankheiten der Atemwege könnten zwar zur Dyspnoe führen, dies hindere aber nicht eine Erwerbstätigkeit ohne größere körperliche Belastungen in dem von den Gutachten beschriebenem Umfang.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.05.2016 Berufung eingelegt und daran festgehalten, dass das SG gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen habe, weil es keine den Anforderungen des § 105 Abs. 1 S. 2 SGG genügende Anhörung der Beteiligten durchgeführt habe. Das SG habe sich auch gedrängt fühlen müssen, sie erneut anzuhören, denn sie habe vor Zustellung des Gerichtsbescheides ein Attest mit aktuellen Befunderhebungen und Beschwerdeschilderungen übersandt, wonach eine Überprüfung erforderlich gewesen sei. Das SG habe sich auch nicht im Einzelnen mit den erhobenen Befunden und Bewertungen der Sachverständigen auseinandergesetzt. Es werde nicht erkennbar, dass sowohl die Sachverständigen als auch das Gericht diese Bewertungen anhand der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz ermittelt hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Mai 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 8. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Vorlage eines aktuellen Versicherungsverlaufes weist sie insbesondere darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals für einen Versicherungsfall am 31.07.2015 erfüllt seien.

Der Sach- und Streitstand wurde mit den Beteiligten am 16.08.2016 erörtert. Auf die Niederschrift wird insoweit verwiesen.

Der Senat hat Dr. R. im Rahmen einer ergänzenden sachverständigen Zeugenaussage gehört. Auf die Angaben in dessen Schreiben vom 02.01.2017 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten 1. und 2. Instanz Bezug.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Mit den vorgebrachten Verfahrensrügen kann die Klägerin ihr vorrangiges Ziel, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, nicht erreichen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG liegen nicht vor. Denn die von der Klägerin vorgebrachte Rüge des Verstoßes gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs greift nicht durch und führt schon deswegen nicht zur Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung an das SG (§159 SGG). Darüber hinaus sind die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG auch deshalb nicht erfüllt, weil eine dort geforderte umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nicht notwendig ist, da der Rechtsstreit aufgeklärt war und ist. Die Klägerin hatte im Berufungsverfahren ausreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und zu vertreten. Gemäß § 157 SGG prüft das Landessozialgericht den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht, wobei es auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen hat. Die Klägerin hatte schon im erstinstanzlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit, zur Sache Stellung zu nehmen und hat hiervon auch Gebrauch gemacht. Einer erneuten Anhörung und eines konkreten Hinweises bedurfte es nicht mehr. § 105 SGG verlangt zunächst nur, dass das SG die Beteiligten vor Erlass des Gerichtsbescheides darauf hinweisen muss, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Betracht zieht und dass sich die Beteiligten hierzu äußern können. Ein weiterer konkreter, fallbezogener Hinweis war hier nicht (mehr) erforderlich. Denn das SG hatte einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes nach Abschluss der Beweisaufnahme durchgeführt, in welchem sich die Beteiligten sowohl mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung als auch durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt haben (vgl. Niederschrift vom 13.07.2015). Im März 2016 hat die Klägerin Befundberichte im Zusammenhang mit Beschwerden am rechten Knie vorgelegt, worauf das SG den Beteiligten mitgeteilt hat, eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu beabsichtigen. Die Zustimmung der Beklagten hierzu wurde der Klägerin übermittelt, worauf diese sich sowohl zur beabsichtigten Verfahrensweise als auch inhaltlich mit Verweis auf die vorgelegten Atteste eingelassen hat. Dabei hatte die Klägerin - wie sie selbst ausführt - auch erkannt, dass das SG schon mit der Anfrage nach Eingang der Gutachten hinreichend zu erkennen gegeben hatte, dass es eine Erfolgsaussicht für die Klage nicht sieht. Eine wesentliche Änderung der Rechtslage, die eine erneute Anhörung hätte erforderlich machen können, ist nach Eingang der vorgelegten Atteste zudem nicht eingetreten, weil das orthopädische Gutachten Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes gewürdigt hatte. Die Klägerin hatte daher ausreichend Möglichkeit, auf eine weitere Beweiserhebung oder auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung einzuwirken, und hiervon in dem Schreiben vom 19.04.2016 Gebrauch gemacht. Eine Überraschungsentscheidung, die mit der Anhörungspflicht vermieden werden soll (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 105 Rdnr. 10), liegt damit nicht vor.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind auch in der Sache nicht zu beanstanden, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2016, § 43 SGB VI, Rn. 58 und 30 ff.).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert. Ihr steht daher keine Rente zu.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens von Dr. W., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie der Gutachten von Dr. P. und Dr. B.-S ...

Die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin beruhen im Wesentlichen auf orthopädischen und pneumologischen Fachgebiet. Sie führen zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen, eine zeitliche Leistungsminderung vermögen sie aber nicht zu begründen.

Nach den auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gutachten liegen bei der Klägerin zunächst Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule vor, wobei die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule führend sind. Kernspintomografisch (Dr. M., Radiologische Praxis am F.) finden sich im Bereich der HWS eine minimale Protrusion im Bereich C3/C4, eine diskrete Protrusion im Bereich C4/C5 und eine breitflächige Hernie mit mäßiger Foramenstenose rechts im Bereich C5/C6, in den übrigen Segmenten finden sich lediglich diskrete Protrusionen. Ferner ist ein normal weiter knöcherner Spinalkanal beschrieben worden. Im klinischen Befund ist die paravertebrale Muskulatur nicht verspannt gewesen, Myogelosen fanden sich nicht, die Beweglichkeitsprüfung der HWS verursachte nur geringe Beschwerden und zeigte eine leicht eingeschränkte Beweglichkeit nach links. Die grob-neurologische Untersuchung (ohne Angabe von ausstrahlenden Schmerzen in die Arme) ergab eine seitengleiche Sensibilität im Bereich der Ober- und Unterarme sowie der Hände. Motorische Ausfälle konnten nicht festgestellt werden, die Beweglichkeit der Hände und Finger war unauffällig und die grobe Kraftentfaltung normal. Bei der Beweglichkeitsprüfung der Brust- und Lendenwirbelsäule wurden ebenfalls endgradig Schmerzen vermerkt, der Finger-Boden-Abstand betrug 20 cm, das Schober´sche Zeichen und das Ott´sche Zeichen waren normal. Das Gangbild war unauffällig, ohne Hinken, mit normaler Schrittlänge, der Zehen- und Fersenstand sowie der Einbeinstand konnten problemlos ausgeführt werden. Auch die Sensibilitätsprüfungen und der Reflexstatus blieben unauffällig. Das Heruntergehen in die Kniebeuge wurde problemlos ausgeführt, das Aufrichten gelang sicher. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule konnten bei der klinischen Untersuchung weder Druck- noch Klopfschmerzen ausgelöst und Nervenwurzelreizungen nicht festgestellt werden. Damit ließen sich von Seiten der Wirbelsäule gravierende Funktionseinschränkungen nicht belegen. Schlüssig hierzu hat Dr. B.-S. in Übereinstimmung mit dem Vorgutachten von Dr. W. ausgeführt, dass die Beschwerden die Leistungsfähigkeit für eine mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeit einschränken, eine körperliche leichte Tätigkeit ohne Überkopfarbeit, ohne reine Bildschirmarbeit und ohne wirbelsäulenverdrehte Haltung aber noch wenigstens sechs Stunden am Tag zumutbar ist. Weitergehende Einschränkungen ergeben sich von Seiten der von der Klägerin geklagten Schulterbeschwerden bei klinisch und radiologisch unauffälligem Befund und auch hinsichtlich der geklagten Fußbeschwerden nicht, die die Sachverständige auf die Spreizfußbildung bds. zurückführte und insoweit von einem vorübergehenden Beschwerdebild ausgegangen war. Nichts anderes lässt sich der klinischen Untersuchung im Bereich beider Knie entnehmen, bei der ein unauffälliges Gangbild ohne Hinken festzustellen war. Das bei der Kniebeuge (rechtes Knie) feststellbare Geräusch war nur unter Belastung hörbar und war als ohne Krankheitswert befundet worden, was sich schlüssig auch mit Blick auf den Befund eines reizlosen Kniegelenkes ohne Schwellung und ohne Reizerguss ableiten lässt und anderes sich der Röntgenuntersuchung nicht entnehmen ließ. Schließlich stehen Befunderhebung und die vorgenommene Einschätzung weitgehend in Übereinstimmung mit der sachverständigen Zeugenaussage der Neurologin Dr. B. vom 03.06.2014 und dem Gutachten von Dr. P., soweit dieser sich aus neurologischer Sicht zu den Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule geäußert hat. Soweit Dr. A. in dem vorgelegten Attest vom 26.01.2015 (zur Vorlage beim Versorgungsamt) von einem Bandscheibenvorfall C5/6 mit chronisch über Wochen anhaltenden Schmerzsyndromen und von plurietageren Bandscheibenvorfällen L2 bis L5 mit chronisch über Wochen anhaltenden Nervenwurzelkompressionssyndromen ausgeht, kann dahinstehen, ob im Bereich der Lendenwirbelsäule tatsächlich Bandscheibenvorfälle zu diagnostizieren waren, nachdem der MRT-Befund von Dr. M. vom 27.11.2014 insoweit nur von stärkeren Protrusionen, also von Vorwölbungen und noch nicht von Vorfällen spricht und dort auch – wie im Gutachten wiedergegeben – intraspinal ein normal weiter Spinalkanal mit regelrecht abgebildeten Conus- und Caudastrukturen beschrieben wurde. Denn in der Sache ändern die Beschwerdeschilderungen des Dr. Abel an der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens nichts, weil über Wochen andauernde Schmerzsyndrome noch nicht zwingend eine zeitliche Leistungsminderung bedingen und hierdurch auch noch keine Leistungsminderung auf nicht absehbare Zeit belegt ist. Dies gilt umso mehr als anschließend eine perkutane Dekompressionsoperation L3/4 und L4/5 bei komplikationslosem postoperativem Verlauf (Dr. P.) durchgeführt worden war.

Der Senat hat im Übrigen keinen Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. B.-S ... Die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen, die sich im Wesentlichen auf die Vorlage von Bewertungen der Sachverständigen im Internet stützen, vermögen das Gutachten nicht in Zweifel zu ziehen. Schließlich beruht die Diagnosestellung auf einer sorgfältigen Untersuchung der Klägerin und Auswertung der angefertigten Röntgenbilder. Die gestellten Diagnosen lassen sich ohne weiteres aus dem erhobenen Befund sowie aus den Befunden der vorbehandelnden Ärzte, welche die Sachverständige ebenfalls gewürdigt hat, nachvollziehen. Insoweit hat sie die kernspintomografisch belegten Gesundheitsstörungen (etwa die Bandscheibenhernie rechtsbetont auf Höhe C5/C6) berücksichtigt und im Rahmen der Leistungsbeurteilung gewürdigt (Beantwortung der Frage 2a). Soweit sie auf die im MRT vom 18.02.2016 beschriebene Degeneration des Innenmeniskus, besonders im Hinterhorn ohne abgrenzbaren Einriss hinweist, ergibt sich nichts anderes, weil diese Diagnose erstmals acht Monate nach der Untersuchung bei Dr. B.-S. gestellt wurde und ihre Beurteilung der geklagten und im Übrigen berücksichtigten Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks auf der Durchführung einer konventionellen Röntgendiagnostik beruhte. Im Übrigen hat die Klägerin im Termin vor dem Berichterstatter des Senats angegeben, dass Meniskus und Kreuzband nach der durchgeführten Operation keine wesentlichen Beschwerden mehr verursachen.

Auch auf lungenfachärztlichem Gebiet liegen keine überdauernden Einschränkungen vor, die die Annahme einer zeitlichen Leistungsminderung rechtfertigen könnten. Der Senat entnimmt dies insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. vom 02.01.2017, der zwar eine hochgradige bronchiale Hyperreagibilität beschreibt, unter Berücksichtigung von leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und bei Meiden von Zugluft-, Kälte- und Nässeeinwirkung oder Exposition gegenüber inhalativen Belastungen (chemisch-irritative, Schimmelpilze, etc.) eine Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden und mehr aber für möglich und zumutbar erachtet. Dass er hierbei eine gute Therapieeinstellung voraussetzt, steht dem nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche derzeit nicht gewährleistet ist oder nicht gewährleistet werden kann, bestehen insoweit nicht, zumal der sachverständige Zeuge eine Belastungsdyspnoe im Rahmen der letzten Untersuchung im Oktober 2016 erst bei Bergaufgehen beschrieben hat. Gleiches gilt für den von ihm gemachten Hinweis, dass es auch plötzlich zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle einer Exazerbation kommen könne. Denn damit lässt sich ebenfalls keine dauernde zeitliche Leistungsminderung begründen, sondern allenfalls vorübergehende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die für die Gewährung des geltend gemachten Rentenanspruches nicht relevant sind. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens bis zum 31.07.2015 (vgl. insoweit die Erläuterungen der Beklagten im Schriftsatz vom 24.08.2016, denen sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt) hätte eingetreten sein müssen und diese Leistungseinschränkung für den geltend gemachten Rentenanspruch bis heute unverändert hätte anhalten müssen. Auch davon vermag sich der Senat nicht zu überzeugen, wenn man die Werte der letzten pneumologischen Untersuchung vom 02.03.2015 vor diesem Zeitpunkt zugrunde legt. Der sachverständige Zeuge hat den entsprechenden Befund mit seiner sachverständigen Zeugenaussage vorgelegt und angegeben, dass sich die Überblähung gebessert habe, eine Normalisierung der Vitalkapazität (VC) auf 88 % eingetreten war und auch keine zentrale Obstruktion und auch keine Diffusionsstörung feststellbar waren. Damit dürfte zu diesem Zeitpunkt allenfalls von einer leichtgradigen Leistungseinschränkung ausgegangen werden können.

Nach dem Gutachten von Dr. P., dem der Senat folgt, liegt bei der Klägerin auch auf psychiatrischem Fachgebiet keine Erkrankung vor, die eine Erwerbsminderung in einem rentenberechtigenden Umfang bedingen könnte. Vielmehr hat der Sachverständige unter sorgfältiger Anamneseerhebung und unter Darlegung des psychiatrischen Befundes eine Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungen bei psychosozialer Belastung mit Somatisierungsstörungen bzw. somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Dies ist unter Berücksichtigung des erhobenen Befundes schlüssig und nachvollziehbar, denn dort hat er die Klägerin als wach, klar, zu allen Qualitäten orientiert, ohne floriden Wahn, ohne Halluzinationen und ohne psychotisches Erleben mit durchaus ausgeglichener Stimmungslage, als freundlich, zugewandt, ohne Auffälligkeiten bei Rapport und Kontakt, mit erhaltener Schwingungsfähigkeit, mit situations- und themenadäquater Reaktion, mit nicht erschwerter Aufmerksamkeit und Konzentration, Einstellung und Umstellung, bei durchaus differenzierter Persönlichkeit beschrieben. Dabei waren Somatisierungen, eine somatoforme Schmerzstörung mit Projektion auf den Bewegungsapparat und depressive Verstimmungen vor einer unzufriedenen sozialen Situation für den Sachverständigen nachvollziehbar. Entsprechend schlüssig ist für den Senat, wenn Dr. P. hieraus keine zeitliche Leistungsminderung abgeleitet hat, sondern von einer erhaltenen Leistungsfähigkeit für zumindest leichte, anteilig sogar mittelschwere körperliche Tätigkeiten, wie sie von der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt – wenn auch nur in geringfügigem Umfang – auch noch ausgeübt wurden, ausgegangen ist. Dies steht in Übereinstimmung mit der Einschätzung der als sachverständige Zeugin gehörten Dr. Böhm, welche unter Berücksichtigung der von ihr diagnostizierten Migräne und auch den von Dr. P. berücksichtigten Wirbelsäulenbeschwerden ebenfalls von keiner zeitlichen Leistungsminderung ausgegangen war. Die Änderung der Behandlungsfrequenz von einmal im Monat auf einmal in drei Monaten spricht ebenfalls dafür, dass eine rentenrechtlich relevante Erkrankung nicht vorliegt, worauf Dr. P. ebenfalls überzeugend hingewiesen hat.

Weitere, sich auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirkende Erkrankungen vermag der Senat den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Insbesondere hat auch die Hausärztin Dr. L.-P. den von ihr außerhalb des orthopädischen Fachgebiets genannten Diagnosen (Refluxoesophagitis, Varicosis bds., Lipo-Lymphoedem Stad. I bds., chron. Rhinosisitis, Nikotinabusus) keine Relevanz beigemessen, wie der Beantwortung der 4) und 5) ihrer sachverständigen Zeugenaussage entnommen werden kann. Soweit diese von einer zeitlichen Leistungsminderung ausgegangen war, sieht der Senat diese Einschätzung durch die nachfolgenden Gutachten als widerlegt.

Ist die Klägerin daher noch mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig, muss ihr – anders als bei Teilzeitkräften – weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch die Frage geprüft werden, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereiches geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u. a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nur unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R –, juris). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R –, juris).

Ausgehend hiervon liegt bei der Klägerin weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. So stehen die festgestellten Einschränkungen der Klägerin leichten körperlichen Arbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) nicht entgegen. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der von Dr. B.-S. beschriebenen Schmerzen im Bereich der Hände, die vor allem als morgendliche Anlaufschmerzen angegeben wurden. Klinisch fanden sich dabei allerdings keine Auffälligkeiten, sodass für die hier genannten Tätigkeiten keine wesentliche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Soweit zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin wegen der Einschränkungen auf lungenfachärztlichen Bereich auch keine Tätigkeiten in Zugluft, mit Kälte- und Nässeeinwirkung oder Exposition gegenüber inhalativen Belastungen (chemisch-irritative, Schimmelpilze, etc.) und auch keine Arbeiten, die mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten oder mit Wirbelsäulenzwangshaltungen verbunden sind, ausführen kann, werden die Erwerbsmöglichkeiten der Klägerin hierdurch nicht in einem Maß beschränkt, dass zusätzlich ein weiter Bereich der Erwerbsmöglichkeiten versperrt wäre. Schließlich bleiben der Klägerin auch der weite Bereich von aufsichtsführenden Tätigkeiten, etwa in einem Museum, einem Theater oder an einer Pforte in öffentlichen Gebäuden erhalten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch in den ersten Monaten 2015 in einem geringfügigen Umfang (nach ihren Angaben im Termin zwei Stunden am Tag bei einer Fünftagewoche) als Hausmeisterin gearbeitet hat, ohne dass ersichtlich ist, dass diese Tätigkeit wegen der seit Februar 2014 erfolgten pneumologischen Behandlung aufgegeben werden musste.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001 – B 10 LW 18/00 RSozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. und vom 28.08.2002 – B 5 RJ 12/02 R –, juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG, Urteile vom 17.12.1991 – 13/5 RJ 73/90 –, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; vom 09.08.2001 – B 10 LW 18/00 R –, SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002 – B 13 RJ 25/01 R –, juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991 – 13/5 RJ 73/90 –, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; vom 19.11.1997 – 5 RJ 16/97 –, SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002 – B 5 RJ 36/01 R – juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997 – 5 RJ 16/97 –, SozR 3-2600 § 44 Nr. 10; vom 30.01.2002 – B 5 RJ 36/01 R – und vom 14.03.2002 – B 13 RJ 25/01 R –, juris). Eine Einschränkung der Wegefähigkeit lässt sich weder auf orthopädischem noch auf neurologischem oder psychiatrischem Fachgebiet begründen. Keine der gehörten Sachverständigen hat zudem eine solche Einschränkung angenommen. Auch auf pneumologischem Fachgebiet lässt sich zumindest für den Zeitpunkt, zu dem die Versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch vorgelegen haben (31.07.2015), nicht nachweisen, dass eine Einschränkung der Wegefähigkeit in oben genannten Ausmaß vorgelegen hat.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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