Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 4410/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2956/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel als Sachleistung.
Die am 1966 geborene Klägerin ist als Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte am 15. April 2013 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Liposuktion der Oberschenkel. Sie legte ein Attest von Dr. S., Oberarzt des F.-N.-Krankenhauses D., vom 10. April 2013 vor. Danach liege bei der Klägerin ein schmerzprogredientes Lipödem der Arme und Beine vor. Seit 1999 bestehe ein progredientes Lipödem trotz konsequenter Lymphdrainage und Kompressionsmieder-Behandlung sowie Ernährungsberatung. Der aktuelle Body-Maß-Index (BMI) liege bei 38,28 kg/m² (1,60 m, 98 kg). Der maximale Oberschenkelumfang betrage beidseits 70 cm. Vorgesehene Therapie sei eine stationäre adjuvante wasserstrahlassistierte Liposuktion in mehreren Sitzungen, zunächst Oberschenkelvorder- und -innenseiten beidseits (Dauer: je ca. 120 Minuten; Vollnarkose). Der Eingriff sei medizinisch indiziert.
Zur Frage der medizinischen Indikation holte die Beklagte eine sozialmedizinische Fallberatung des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 17. Mai 2013 ein. Danach handle es sich bei der Liposuktion um eine sog. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die mangels positiver Bewertung ihres therapeutischen Nutzens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden könne. Es handle sich nicht um eine akut lebensbedrohliche oder notstandsähnliche Situation. Als Behandlungsalternative bestehe die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE).
Mit Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den beantragten stationären Eingriff ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, das bereits seit zehn Jahren bestehende Lipödem verschlechtere sich trotz Lymphdrainage, Sport und Ernährungsumstellung von Jahr zu Jahr und werde immer schmerzhafter. Langes Stehen, Sitzen und Gehen sei schmerzhaft; sie müsse oft Schmerzmittel einnehmen. Ihre Arbeit falle ihr immer schwerer. Das Lipödem sei nur noch durch Liposuktion heilbar. In Österreich sei die Behandlung anerkannt. Vorgelegt wurden Arztbriefe von Dr. M., Facharzt für Innere Medizin, vom 28. August 2008 und von Dr. Mo., Abteilung Innere Medizin I des U.-klinikums F., Sektion Ernährungsmedizin & Diätetik, vom 24. September 2012 und 7. Mai 2013.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. N., MDK, aufgrund einer Untersuchung am 17. Juni 2013 unter dem 21. Juni 2013 ein sozialmedizinisches Gutachten. Die Klägerin sei 161 cm groß und wiege 98 kg. Es bestehe ein Lipödem an Armen und Beinen, eine Adipositas mit BMI 38 kg/m² und eine Sorbitintoleranz. Als Nebendiagnosen wurden angegeben ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, ein leichtes Restless-legs-Syndrom, Zustand nach (Z.n.) Darmvertikulitis mit Operation, Z.n. Hysterektomie und Blasenhochzug, Z.n. Mammektomie beidseits, Brustaufbau mit Silikonprothesen, Re-Operation beidseits wegen Dislokation, Z.n. mehrfacher Knieoperation links sowie Kniebeschwerden unter Belastung auch rechts. Der Oberschenkelumfang betrage rechts 69 cm, links 70 cm. Im Bereich der Arme bestehe keine medizinische Indikation (keine Entstellung; keine funktionellen Einbußen). Im Bereich der Beine liege eine funktionelle Beeinträchtigung vor wegen Schmerzen, Reibens der Oberschenkelinnenseiten aneinander, verminderter Gehstrecke, zunehmender Lymphabflussstörung. Ein mit der Zeit schlechter zu deckender Heil- und Hilfsmittelbedarf müsse angenommen werden. Damit läge nach der AWMF-Leitlinie (Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF] Lipödem der Beine; AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/012; im Folgenden AWMF-Leitlinie) eine Indikation zu einem Eingriff vor. Mehrere abdominelle Operationen mit Adhäsionen/Zerschneiden von Lymphabflusswegen im Vorfeld verschlechterten die Prognose der bisherigen Behandlung. Hinsichtlich der rechtlichen Situation ergebe sich keine Änderung zum Vorgutachten.
Zur weiteren Begründung des aufrechterhaltenen Widerspruches verwies die Klägerin auf beständige, sehr starke Schmerzen in den Beinen und legte eine hausärztliche Stellungnahme von Dr. H., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 26. Juli 2013 vor. Danach hätten die bisherigen therapeutischen Maßnahmen (manuelle Lymphdrainage, konsequentes Tragen von angepassten Kompressionsteilen, regelmäßige Physiotherapie, begleitende Schmerzmedikation) zu keiner zufriedenstellenden Besserung geführt. Inzwischen bestehe eine erhebliche Bewegungsstörung durch das Aneinanderreiben der Oberschenkel beim Gehen und eine Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit durch die Fettpolster insbesondere in Hüfte und Kniegelenk. In einer ebenfalls vorgelegten Stellungnahme des Vereins Lipödem Hilfe e.V. wurde ausgeführt, das Gutachten von Dr. N. beziehe sich rechtlich auf eine ambulante, nicht die beantragte stationäre Durchführung. Eine Bewertung des GBA liege derzeit weder positiv noch negativ vor. Das Gutachten "des GKV-Spitzenverbandes aus 2011" (gemeint wohl das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011, welches im Auftrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen unter Federführung des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK Nordrhein unter Hinzuziehung des Ergebnisses einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erstellt wurde) sei rechtlich nicht haltbar. Die konservativen Maßnahmen habe die Klägerin ausgeschöpft. Die Liposuktion bei Lipödem gelte keinesfalls als kosmetische Operation, sondern habe sich als Behandlungsmethode in Fachkreisen bereits seit 15 Jahren etabliert und bewährt. Die lymphologische Liposuktion gewährleiste die Linderung der Schmerzintensität bis hin zur völligen Schmerzfreiheit, was durch mehrere klinische Studien bewiesen sei. Die derzeit von der Beklagten erbrachte Leistung der konservativen Therapie sei weder ausreichend noch zweckmäßig.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2013 als unbegründet zurück. Eine vollständige oder teilweise Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion der Oberschenkel könne nicht erfolgen. Gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Die geplante Liposuktion bei "idiopathischer Hyperhidrose" sei bislang durch den GBA noch nicht bewertet worden. Versicherte könnten daher nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in ihrem konkreten Fall wirksam. Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergebe sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. In den Gutachten des MDK sei festgestellt worden, dass eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation nicht vorliege und eine solche auch nicht eintrete, wenn die beantragte Behandlungsmethode nicht gewährt werde. Die Beklagte schließe sich der schlüssigen und nachvollziehbaren Auffassung des MDK an.
Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, wegen der Ausschöpfung aller konservativ therapeutischen Maßnahmen sei die Liposuktion in ihrem Fall zur Schmerzlinderung und Behebung der Bewegungseinschränkungen medizinisch indiziert. Ungeachtet der von ihr eingenommenen Medikamenten (u.a. Opiate) leide sie weiterhin unter sehr starken Schmerzen. Sie begehre die Kostenübernahme für eine stationär durchgeführte Liposuktion, die nicht dem von der Beklagten zugrunde gelegten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V unterliege. Maßgeblich sei vielmehr § 137 c Abs. 1 Satz 1 SGB V, der eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt regele. Der GBA habe bisher keine die Liposuktion bei Lipödem ausschließende Richtlinie erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris) könne eine Liposuktion bei Lipödem als Krankenhausbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn die Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich sei. Die stationäre Durchführung der adjuvanten wasserstrahlassistierten Liposuktion sei medizinisch erforderlich. Dies sei in der sozialmedizinischen Rechtsprechung anerkannt, da aufgrund der erheblichen Menge an abgesaugtem Fett eine ständige medizinische und ärztliche Überwachung wegen der Gefahr von Nachblutungen, Herz-/Kreislaufrisiken sowie zur Überwachung des Elektrolythaushaltes erforderlich sei, um bei auftretenden Komplikationen sofort Hilfe leisten zu können. Das von der Beklagten angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 1. März 2013 (L 4 KR 3517/11 – juris) sei vorliegend nicht einschlägig und teilweise unzutreffend. Der Senat mache darin lediglich Ausführungen zu § 137 SGB V, setze sich aber nicht mit der weiteren Regelung des § 137c SGB V auseinander. Zu Unrecht werde verneint, dass eine Liposuktion nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen entspreche, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringende Behandlungsmethode zu stellen seien. Im Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (a.a.O.) werde hingegen ausgeführt, dass eine Liposuktion beim Lipödem als Krankenhausbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V erbracht werden könne, wenn die Krankenhausbehandlung medizinisch indiziert sei. Der Senat stütze seine Auffassung zu Unrecht auf das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödem" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011. Dieses stehe im Gegensatz zu der AWMF-Leitlinie, nach der die Liposuktion eine leitliniengerechte Behandlung bei Lipödem sei. Danach führten die zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen konservativen Maßnahmen (komplexe physikalische Entstauungstherapie und Kompressionstherapie) zwar zur Linderung der Beschwerden, reduziere aber nicht deren Ursachen wie die Liposuktion. Klinische Untersuchungen nach bis zu acht Jahren hätten bei allen Patientinnen eine deutliche Verbesserung des Befundes in Bezug auf Körperform und Beschwerden ergeben. In keinem Fall sei es zu einer Verschlimmerung der Ödeme gekommen. Dieses Ergebnis hätten auch Erfahrungen einer Studie über einen Zeitraum bis zu viereinhalb Jahren nach der letzten Liposuktion bestätigt. Aus den in der AWMF-Leitlinie auf Grundlage von Untersuchungen und Studien eingeflossenen Erkenntnisse ergebe sich mindestens das Potenzial der Liposuktion zur Optimierung der Behandlung des Lipödems. Ein Ausschluss der Liposuktion beim Lipödem als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode wegen des Fehlens des Nachweises des Nutzens wäre aufgrund des Potenzials der Behandlungsmethode ohne vorherige Erprobung nicht möglich (§ 137 e Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 137 c Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Aussagen der vom SG gehörten Ärzte (dazu unten) stützten den geltend gemachten Anspruch. Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruches auf Krankenhausbehandlung durch Richtlinien des GBA sei verfassungsrechtlich unzulässig. Vorgelegt wurde ein Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Juni 2014 (S 62 KR 3/13).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Behandlungsmethode Liposuktion nicht gelistet. Es liege kein Seltenheitsfall vor, bei dem vom Erfordernis der Empfehlung des GBA abgesehen werden könne. Eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation bestehe nicht und drohe auch nicht. Eine stationäre Behandlung sei nicht zwingend erforderlich. Dass eine Liposuktion grundsätzlich auch ambulant durchgeführt werden könne, ergebe sich aus zahlreichen sozialgerichtlichen Urteilen. Für die Kostenübernahme einer Krankenhausbehandlung müsse die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden könne. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe auch im stationären Bereich keine uneingeschränkte Erlaubnis für Methoden, die nicht den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebotes entsprächen. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasse nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit wissenschaftlichen Anforderungen entspreche. Hierzu genüge es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht der Ärzte positiv gewirkt habe. Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse knüpfe an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an. Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung seien solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt seien. Es sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue Behandlungsmethode gehöre deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen sei und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich seien. Dies sei bei der Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion nicht gegeben.
Das SG befragte Dr. M. sowie Prof. Dr. L., Chefärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie des F.-N.-Krankenhauses, und Dr. S. als sachverständige Zeugen. Dr. M. teilte unter dem 27. Mai 2014 mit, die Klägerin habe sich nur im August 2002 und am 27. August 2008 in seiner Ambulanz, damals vertreten durch Dr. W., vorgestellt. Diese habe damals ein Lipödem-Syndrom, eine Besenreiservarikosis sowie eine Adipositas 1. Grades festgestellt. Eine Aussage zur aktuellen Notwendigkeit einer therapeutischen Maßnahme sei sechs Jahre nach der letzten Vorstellung nicht möglich. 2008 sei das konsequente Tragen von Kompressionsstrümpfen, diätische Maßnahmen zur Gewichtsreduktion und gesteigerte sportliche Aktivität empfohlen sowie manuelle Lymphdrainage als serielle ergänzende Maßnahme genannt worden. Ob diese durchgeführt worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Prof. Dr. L. und Dr. S. gaben in ihrer Auskunft vom 2. Juni 2014 an, die Klägerin habe sich dort einmalig zur Beratung am 10. April 2013 zur Beratung vorgestellt. Bei ihr bestehe ein Lipödem mit Schmerzen an Armen und Beinen Grad IV (Betroffenheit der Arme und Beine bis zu Handgelenken/Knöcheln). Sie habe alle Ansätze der in der AWMF-Leitlinie empfohlenen Therapien bereits durchgeführt. Nach derzeitigen Empfehlungen der Fachliteratur und der bestehenden Leitlinien gebe es keine eigentliche kausale Behandlung des Lipödems. Klinische Untersuchungen nach bis zu acht Jahren hätten bei allen Patientinnen (n = 19) eine deutliche Verbesserung des Befundes in Bezug auf Körperform und Beschwerden ergeben. In keinem Fall sei es zu einer Verschlimmerung der Ödeme gekommen. Dies bestätigten auch Erfahrungen einer Studie (n = 75) über einen Zeitraum bis zu viereinhalb Jahren nach der letzten Liposuktion. Dabei hätten 25 % der Befragten angegeben, keine weitere konservative Therapie mehr zu benötigen. Bei 41 % sei diese zwar noch weiterhin nötig, aber in deutlich eingeschränktem Maße. 23 % der Operierten hätten – bei weitgehender Beibehaltung von Lymphdrainage und Kompression – eine ausgeprägte Verbesserung ihrer Lebensqualität. Gemäß der aktuellen Leitlinien der AWMF und der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie bestehe das Ziel der Therapie zum einen in der Beschwerdebesserung/-beseitigung durch Ödemreduzierung mittels konservativer Maßnahmen und zum anderen in der Reduktion des Fettgewebes mittels operativer Fettabsaugung. Eine ambulante Durchführung der Liposuktion sei bei der Klägerin kontraindiziert. Aufgrund der erheblichen Umfangsvermehrung insbesondere im Bereich der Beine müssten voraussichtlich pro Eingriff zwischen fünf und sieben Liter Fettgewebe entfernt werden. Dies stelle eine erhebliche Belastung für den Gesamtorganismus dar; ebenso bestehe ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und Embolien, so dass eine stationäre Überwachung von mindestens drei Tagen postoperativ indiziert sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2015 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Durchführung einer Liposuktion unter stationären Bedingungen. Die Liposuktion entspreche nicht den Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien. Die in Krankenhäusern durchgeführten Behandlungen unterlägen den in §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien. Durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung sollten nicht jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen (Verweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 – juris). Die Liposuktion zur Therapie des Lipödems sei derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion; es fehlten bislang wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Behandlungsmethode. Bei der AWMF-Leitlinie handle es sich um eine Leitlinie S1, die keinen Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode i.S.d. Kriterien der evidenzbasierten Medizin sei (Verweis auf Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris). Der Klägerin stehe der Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu. Er ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Denn das Lipödem sei weder eine tödlich noch eine lebensbedrohliche oder eine damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.
Gegen diesen ihr am 1. Juli 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens zur Begründung ausgeführt, ihre Schmerzen nähmen weiter zu. Bedingt durch das Lipödem sei sie längere Zeit arbeitsunfähig. Bei weiterem Verlauf werde sich ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich verschlechtern. Im Knie bestehe eine Arthrose und ein Meniskusschaden; im August 2015 habe sie eine Art Schlaganfall erlitten und in der Folge nicht mehr sprechen und die rechte Körperseite nicht mehr bewegen können. In der Folgezeit seien zwei Operationen erfolgt, so dass dies einer Indikation für die begehrte Liposuktion nicht entgegenstehe. Die Auffassung des SG, die Liposuktion entspreche nicht den Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien, sei unzutreffend. In sozialgerichtlichen Urteilen seien Ansprüche auf Kostenübernahme für stationäre Liposuktionen bei Lipödem anerkannt worden (Verweis auf Sozialgericht Dresden, Urteil vom 13. März 2015 – S 47 KR 541/11 – nicht veröffentlicht und Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 4. September 2015 – S 33 KR 822/13 – juris). Letzteres sehe den Anspruch nicht durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausgeschlossen und verweise insoweit auf die Neufassung des § 137c SGB V m.W.v. 23. Juli 2015. Mit dem neugeschaffenen Abs. 3 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass im stationären Bereich auch Leistungen beansprucht werden könnten, deren Wirksamkeit noch nicht i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB V nachgewiesen sei. Die Änderung sei gerade als Reaktion auf das Urteil des BSG vom 21. März 2013 (B 3 KR 2/12 R – juris) erfolgt, weil die Auslegung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Das nach § 137c SGB V erforderliche Potential einer erforderlichen Behandlungsmethode habe das Sozialgericht Hamburg bei der Liposuktion bei Lipödem aufgrund des dort eingeholten Sachverständigengutachtens und der S1-AWMF-Leitlinie bejaht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2013 zu verurteilen, ihr eine Liposuktion der Oberschenkel beider Beine im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat ergänzend ausgeführt, unabhängig von einem Anspruch auf Kostenübernahme stelle sich die Frage, ob die Klägerin nach dem Schlaganfall im August 2015 überhaupt operiert werden könne.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermins durchgeführt und ihnen den Senatsbeschluss vom 25. Januar 2016 (L 4 KR 2825/15) zur Kenntnis gebracht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin Leistungen von mehr als EUR 750,00 begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Eine Bezifferung des Begehrens ist zwar nicht erfolgt. Aufgrund des Umfanges der begehrten Maßnahme (stationäre Krankenhausaufnahme mit stationärer Überwachung von mindestens drei Tagen postoperativ, vgl. Auskunft von Prof. L. und Dr. S. vom 2. Juni 2014) überschreitet der Beschwerdewert nach Schätzung des Senats aber EUR 750,00.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel beider Beine als Sachleistung. Nur die hierauf beschränkte Liposuktion in stationärer Durchführung hatte die Klägerin durch Vorlage des Attestes von Dr. S. vom 10. April 2013 bei der Beklagten beantragt, was sie auch im weiteren Verlauf des Verfahrens mehrmals betonte. Im Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die Beklagte ausdrücklich die Kostenübernahme für einen stationären Eingriff ab. Auch der Widerspruchsbescheid vom 25. September 2013 bezog sich nach der Bezeichnung des Gegenstandes auf die Kostenübernahme für eine stationäre Maßnahme. Dass in beiden Bescheiden zur Begründung jeweils die Regelungen zur ambulanten vertragsärztlichen Behandlung herangezogen wurden, führt lediglich dazu, dass die Begründung der Bescheide unzutreffend ist, ohne deren Rechtmäßigkeit zu berühren, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. § 42 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]; BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 85/99 R – juris, Rn. 23).
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2013 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel beider Beine als Sachleistung.
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R – juris, Rn. 13, 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – juris, Rn. 10, 11. September 2012 – B 1 KR 9/12 R – juris, Rn 10 ff.). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – und 6. März 2012 – B 1 KR 17/11 R – beide juris, Rn. 11 und 24; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 – L 4 KR 3386/08 – nicht veröffentlicht).
Bei der Klägerin besteht eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Sie leidet an einem Lipödem beider Beine. Dies ergibt sich aus den Arztbriefen von Dr. M. vom 28. August 2008 und der Dr. Mo. vom 24. September 2012 und 7. Mai 2013, der hausärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 26. Juli 2013, der Auskunft von Prof. Dr. L. und Dr. S. vom 2. Juni 2014 und wird in dem aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin erstellten Gutachten von Dr. N. vom 21. Juni 2013 bestätigt. Das Beschwerdebild stellt eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand ist mit Blick auf die funktionelle Beeinträchtigung im Bereich der Beine und der geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der – was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – einer körperlichen Behandlung bedarf.
b) Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (zum Ganzen: z.B. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris, Rn. 14 ff., 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – juris, Rn. 16 und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris, Rn. 13). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung.
Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden § 137c SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 54 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der GBA auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem § 135 Abs. 1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht außer Kraft (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 5/08 R – juris, Rn. 52 f., BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R – juris, Rn. 20 ff.). Die einzige Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (zum Ganzen: Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 2172/10 – juris, nachgehend BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R – juris, Rn. 18).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Änderung des § 137c SGB V durch Art. 1 Nr. 64 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) mit Wirkung zum 23. Juli 2015 (Art. 20 GKV-VSG). Diese ist vorliegend zu berücksichtigen, weil die Klägerin mit ihrer Leistungsklage einen Anspruch auf Sachleistung geltend macht und deshalb die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblich ist. Die § 137c Abs. 1 SGB V angefügten Sätze 6 und 7 bestimmen gesetzliche Fristen für das Verfahren beim GBA. Nach dem eingefügten § 137c Abs. 3 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist (Satz 1). Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs. 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist. Da der GBA ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V eingeleitet hat (Beschluss vom 22. Mai 2014), das noch nicht abgeschlossen ist, unterfällt die Liposuktion als Behandlungsmethode im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung in den Anwendungsbereich des § 137c Abs. 3 SGB V. Es ist jedoch weiterhin für jede einzelne Behandlungsmethode – hier die Liposuktion – zu prüfen, ob sie das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative bietet. Diese Prüfung kann nur anhand der bisherigen Maßstäbe der § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V erfolgen. Die in diesen Vorschriften geregelten allgemeinen Grundsätze, die für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gelten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R – juris, Rn. 23 m.w.N.), sind mit der Einfügung des § 137c Abs. 3 SGB V weder aufgehoben noch abgeschwächt worden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2016 – L 5 KR 1101/16 – juris, Rn. 34; ähnlich Axer, GesR 2015, 641 [645 f.]). Die Regelung soll das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 "Satz 2" (richtig Satz 3) SGB V konkretisieren (Bundestags-Drucksache 18/4095, S. 121). Die Neuregelung führt deshalb nicht zu einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" dahin, dass alle Behandlungsmethoden in der Krankenhausbehandlung von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind, für welche keine negative Entscheidung des GBA vorhanden ist (ebenso Axer, GesR 2015, 641 [645]).
c) Die Liposuktion bietet nicht das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative. Denn die Liposuktion entspricht – schon ganz grundlegend – nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind (ebenso LSG Hessen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris, Rn. 43 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 228/13 – juris, Rn. 21 ff.; LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, Rn. 21). Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. April 2012 (L 4 KR 595/11 – juris, Rn. 35 ff.; bestätigt in dem den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Beschluss des Senats vom 25. Januar 2016 – L 4 KR 3825/15 – nicht veröffentlicht –; ferner Urteile des Senats vom 14. Juni 2013 – L 4 KR 84/13 – und vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – nicht veröffentlicht; siehe auch Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 KR 3517/11 – juris) ausgeführt: "§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll (vgl. entsprechend das BSG auch zur Frage der Erfüllung von Qualitätskriterien einer bestimmten Arzneimitteltherapie, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 7/10 R – SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 m.w.N. – Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks. 11/2237, S. 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar.
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. dezidiert BSG, Urteile vom 1. März 2011 u.a. – B 1 KR 7/10 R – a.a.O.; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2009 – B 3 KR 10/07 R – SozR 4-2500 § 139 Nr. 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 – B 1 KR 21/02 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7 m.w.N.; vgl. dazu auch Wagner, in Krauskopf, Stand 2008, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl. entsprechend zur Arzneimitteltherapie BSG, Urteile vom 1. März 2011, u.a. – B 1 KR 7/10 R – a.a.O.). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl. auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr. 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 2272/10 – juris).
Von Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Sinne der Kriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vermochte der Senat sich indes nicht zu überzeugen. Er legt insoweit ganz maßgeblich das von der Beklagten vorgelegte "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011 zugrunde. Dieses Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vor, wobei die Gutachter neben randomisiert kontrollierten auch nicht randomisiert kontrollierte Studien berücksichtigt haben. Die im Mai 2011 insoweit durchgeführte Recherche der hierzu vorhandenen Publikationen ergab überhaupt nur zwei relevante, diesen Qualitätsanforderungen entsprechende Studien. Für den konkreten Fall ist sogar nur eine der beiden Studien (nämlich diejenige zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson – veröffentlicht 2011) relevant, da sich die andere der beiden Studien mit Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems nach Mammakarzinom befasst. In der Studie Hansson wurde (nicht randomisiert kontrolliert) der Langzeiterfolg der Liposuktion bei 111 Frauen mit Lipomatosis dolorosa beobachtet. Dabei wurde ein signifikanter Unterschied in der Schmerzreduktion beobachtet, ohne dass dies von den Autoren selbst als zureichendes Ergebnis gewertet wurde, um einen langfristigen Nutzen ausreichend zu belegen. Vielmehr fordern auch die Autoren weitere randomisiert kontrollierte Studien mit ausreichend validierten Ergebniskriterien. Alle übrigen seinerzeit zugänglichen Veröffentlichungen erfüllen diese Qualitätsanforderungen nicht bzw. stellen Registernachbeobachtungen oder Ergebnisberichte kleiner Fallserien dar. Für den Senat war daher das Fazit der Gutachter überzeugend, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Diesem Fazit schließt sich der Senat an."
Es besteht kein Anlass, aufgrund des Vorbringens der Klägerin des vorliegenden Verfahrens hiervon abzuweichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die unter dem 15. Januar 2015 erfolgte Aktualisierung (mds-sindbad.de/infomed/sindbad.nsf/002568A2003D5BAE/20B52) des Primärgutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen vom 6. Oktober 2011. Danach haben die zwei identifizierten kontrollierten Studien, welche die Liposuktion bei sekundärem Lymphödem der Arme nach Brustkrebstherapie bzw. zur Schmerztherapie bei Lipomatosis dolorosa untersuchten, auch unter Berücksichtigung der aktuell vorliegenden Publikation erhebliche methodische sowie zum Teil inhaltliche Limitationen und berichten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Zur Liposuktion beim Lipödem sind nur Publikationen kleiner Fallserien bekannt, die grundsätzlich nicht geeignet sind, einen patientenrelevanten Vorteil zu begründen (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 228/13 – juris, Rn. 21).
Dem allen kann die AWMF-Leitlinie 037/012 "Lipödem" (aktueller Stand: 10/2015) nicht entgegengehalten werden. Es handelt sich um eine sog. S1-Leitlinie. Eine solche "S1-Leitlinie" ist kein Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode im Sinne der Kriterien der evidenzbasierten Medizin (LSG Hessen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris, Rn. 45). Auf einer Evidenz-Recherche beruhen Leitlinien der Stufe "S2e" oder "S3" (http://www.awmf.org/fileadmin/user upload/Leitlinien/Werkzeuge/ll-glossar.pdf Klassifizierung von Leitlinien").
Der Senat hält daher – auch in Kenntnis abweichender Entscheidungen anderer Gerichte (Sozialgericht Dresden, Urteil vom 13. März 2015 – S 47 KR 541/11 – nicht veröffentlicht; Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 4. September 2015 – S 33 KR 822/13 – juris) an seiner Auffassung fest (zuletzt Urteil des Senats vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – nicht veröffentlicht).
d) Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R, a.a.O.), wie der Senat bereits im Urteil vom 27. April 2011 (a.a.O.) ausgeführt hat: "Das BSG hatte sich dort mit der Frage zu befassen, ob die Behandlungsmethode der Liposuktion, die ambulant zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse von vornherein mangels positiver Empfehlung des GBA nicht erbracht werden darf (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V; dazu auch Urteil des Senats vom 10. September 2010 – L 4 KR 3961/09 –, nicht veröffentlicht), gleichsam automatisch stationär zu erbringen ist, da im klinischen Bereich das Erfordernis einer positiven Entscheidung durch den GBA nicht besteht. Dies hat das BSG im konkreten Fall unter Verweis auf das Fehlen schon der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 SGB V verneint, da die dort statuierten spezifischen Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Mit der Frage, ob die Methode der Liposuktion denn überhaupt den Maßstäben evidenzbasierter Medizin entspricht, hatte sich das BSG demgemäß gar nicht zu befassen. Aus der zitierten Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Erfordernisses der Durchführung einer stationären Operation ohne weiteres ein Leistungsanspruch auf Durchführung einer Liposuktion zulasten der Krankenkasse besteht. Anhand der jüngeren Rechtsprechung des BSG ergibt sich vielmehr gerade das Gegenteil. Das BSG hat darin (vgl. insoweit insbesondere das Urteil vom 17. Februar 2010 – B 1 KR 10/09 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 18 zum Anspruch einer Versicherten auf stationär durchgeführt Reimplantation nach Kryokonservierung von Eierstockgewebe) ausdrücklich zum Maßstab gemacht, dass auch die stationäre Behandlung stets einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu unterziehen ist. Eine andere Auffassung führte im Übrigen zu dem auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) nicht tragbaren Ergebnis, dass Patienten allein deshalb, weil sie bestimmte Risikofaktoren erfüllen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, eine Behandlung in stationärem Rahmen erhielten, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben".
e) Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris, Rn. 28; BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – juris, Rn. 18; Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris, Rn. 17). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (ebenso etwa LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, Rn. 22). Denn der GBA hat mit Beschluss vom 22. Mai 2014 ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V eingeleitet. Ein Systemversagen lässt sie nicht daraus ableiten, dass dieses Beratungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und voraussichtlich erst im Jahre 2017 abgeschlossen sein wird. Denn die gesetzlichen Frist von drei Jahren (§ 137c Abs. 1 Satz 7 SGB V in der seit 23. Juli 2015 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 64 Buchst. a GKV-VSG) ist nicht abgelaufen.
f) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 GKV-VStG vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung vom 1. Januar 2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – juris) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R – und Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – alle juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R –, vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – und vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 26/12 R – alle juris). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 BvR 2056/12 – juris). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreicht das Lipödem-Syndrom der Klägerin nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris, Rn. 15). Ihre lediglich pauschale Behauptung, bei weiterem Verlauf werde sich ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich verschlechtern, ist weder substantiiert noch erkennbar an den o.g. Kriterien orientiert. Eine Verbindung zwischen dem Lipödem und dem im August 2015 aufgetretenen – möglichen – Schlaganfall wird ebenfalls nicht substantiiert dargelegt, so dass offenbleiben kann, ob insoweit die genannten Kriterien erfüllt wären. Somit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel als Sachleistung.
Die am 1966 geborene Klägerin ist als Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte am 15. April 2013 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Liposuktion der Oberschenkel. Sie legte ein Attest von Dr. S., Oberarzt des F.-N.-Krankenhauses D., vom 10. April 2013 vor. Danach liege bei der Klägerin ein schmerzprogredientes Lipödem der Arme und Beine vor. Seit 1999 bestehe ein progredientes Lipödem trotz konsequenter Lymphdrainage und Kompressionsmieder-Behandlung sowie Ernährungsberatung. Der aktuelle Body-Maß-Index (BMI) liege bei 38,28 kg/m² (1,60 m, 98 kg). Der maximale Oberschenkelumfang betrage beidseits 70 cm. Vorgesehene Therapie sei eine stationäre adjuvante wasserstrahlassistierte Liposuktion in mehreren Sitzungen, zunächst Oberschenkelvorder- und -innenseiten beidseits (Dauer: je ca. 120 Minuten; Vollnarkose). Der Eingriff sei medizinisch indiziert.
Zur Frage der medizinischen Indikation holte die Beklagte eine sozialmedizinische Fallberatung des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 17. Mai 2013 ein. Danach handle es sich bei der Liposuktion um eine sog. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die mangels positiver Bewertung ihres therapeutischen Nutzens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden könne. Es handle sich nicht um eine akut lebensbedrohliche oder notstandsähnliche Situation. Als Behandlungsalternative bestehe die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE).
Mit Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den beantragten stationären Eingriff ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, das bereits seit zehn Jahren bestehende Lipödem verschlechtere sich trotz Lymphdrainage, Sport und Ernährungsumstellung von Jahr zu Jahr und werde immer schmerzhafter. Langes Stehen, Sitzen und Gehen sei schmerzhaft; sie müsse oft Schmerzmittel einnehmen. Ihre Arbeit falle ihr immer schwerer. Das Lipödem sei nur noch durch Liposuktion heilbar. In Österreich sei die Behandlung anerkannt. Vorgelegt wurden Arztbriefe von Dr. M., Facharzt für Innere Medizin, vom 28. August 2008 und von Dr. Mo., Abteilung Innere Medizin I des U.-klinikums F., Sektion Ernährungsmedizin & Diätetik, vom 24. September 2012 und 7. Mai 2013.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. N., MDK, aufgrund einer Untersuchung am 17. Juni 2013 unter dem 21. Juni 2013 ein sozialmedizinisches Gutachten. Die Klägerin sei 161 cm groß und wiege 98 kg. Es bestehe ein Lipödem an Armen und Beinen, eine Adipositas mit BMI 38 kg/m² und eine Sorbitintoleranz. Als Nebendiagnosen wurden angegeben ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, ein leichtes Restless-legs-Syndrom, Zustand nach (Z.n.) Darmvertikulitis mit Operation, Z.n. Hysterektomie und Blasenhochzug, Z.n. Mammektomie beidseits, Brustaufbau mit Silikonprothesen, Re-Operation beidseits wegen Dislokation, Z.n. mehrfacher Knieoperation links sowie Kniebeschwerden unter Belastung auch rechts. Der Oberschenkelumfang betrage rechts 69 cm, links 70 cm. Im Bereich der Arme bestehe keine medizinische Indikation (keine Entstellung; keine funktionellen Einbußen). Im Bereich der Beine liege eine funktionelle Beeinträchtigung vor wegen Schmerzen, Reibens der Oberschenkelinnenseiten aneinander, verminderter Gehstrecke, zunehmender Lymphabflussstörung. Ein mit der Zeit schlechter zu deckender Heil- und Hilfsmittelbedarf müsse angenommen werden. Damit läge nach der AWMF-Leitlinie (Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF] Lipödem der Beine; AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/012; im Folgenden AWMF-Leitlinie) eine Indikation zu einem Eingriff vor. Mehrere abdominelle Operationen mit Adhäsionen/Zerschneiden von Lymphabflusswegen im Vorfeld verschlechterten die Prognose der bisherigen Behandlung. Hinsichtlich der rechtlichen Situation ergebe sich keine Änderung zum Vorgutachten.
Zur weiteren Begründung des aufrechterhaltenen Widerspruches verwies die Klägerin auf beständige, sehr starke Schmerzen in den Beinen und legte eine hausärztliche Stellungnahme von Dr. H., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 26. Juli 2013 vor. Danach hätten die bisherigen therapeutischen Maßnahmen (manuelle Lymphdrainage, konsequentes Tragen von angepassten Kompressionsteilen, regelmäßige Physiotherapie, begleitende Schmerzmedikation) zu keiner zufriedenstellenden Besserung geführt. Inzwischen bestehe eine erhebliche Bewegungsstörung durch das Aneinanderreiben der Oberschenkel beim Gehen und eine Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit durch die Fettpolster insbesondere in Hüfte und Kniegelenk. In einer ebenfalls vorgelegten Stellungnahme des Vereins Lipödem Hilfe e.V. wurde ausgeführt, das Gutachten von Dr. N. beziehe sich rechtlich auf eine ambulante, nicht die beantragte stationäre Durchführung. Eine Bewertung des GBA liege derzeit weder positiv noch negativ vor. Das Gutachten "des GKV-Spitzenverbandes aus 2011" (gemeint wohl das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011, welches im Auftrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen unter Federführung des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK Nordrhein unter Hinzuziehung des Ergebnisses einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erstellt wurde) sei rechtlich nicht haltbar. Die konservativen Maßnahmen habe die Klägerin ausgeschöpft. Die Liposuktion bei Lipödem gelte keinesfalls als kosmetische Operation, sondern habe sich als Behandlungsmethode in Fachkreisen bereits seit 15 Jahren etabliert und bewährt. Die lymphologische Liposuktion gewährleiste die Linderung der Schmerzintensität bis hin zur völligen Schmerzfreiheit, was durch mehrere klinische Studien bewiesen sei. Die derzeit von der Beklagten erbrachte Leistung der konservativen Therapie sei weder ausreichend noch zweckmäßig.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2013 als unbegründet zurück. Eine vollständige oder teilweise Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion der Oberschenkel könne nicht erfolgen. Gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Die geplante Liposuktion bei "idiopathischer Hyperhidrose" sei bislang durch den GBA noch nicht bewertet worden. Versicherte könnten daher nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in ihrem konkreten Fall wirksam. Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergebe sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. In den Gutachten des MDK sei festgestellt worden, dass eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation nicht vorliege und eine solche auch nicht eintrete, wenn die beantragte Behandlungsmethode nicht gewährt werde. Die Beklagte schließe sich der schlüssigen und nachvollziehbaren Auffassung des MDK an.
Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, wegen der Ausschöpfung aller konservativ therapeutischen Maßnahmen sei die Liposuktion in ihrem Fall zur Schmerzlinderung und Behebung der Bewegungseinschränkungen medizinisch indiziert. Ungeachtet der von ihr eingenommenen Medikamenten (u.a. Opiate) leide sie weiterhin unter sehr starken Schmerzen. Sie begehre die Kostenübernahme für eine stationär durchgeführte Liposuktion, die nicht dem von der Beklagten zugrunde gelegten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V unterliege. Maßgeblich sei vielmehr § 137 c Abs. 1 Satz 1 SGB V, der eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt regele. Der GBA habe bisher keine die Liposuktion bei Lipödem ausschließende Richtlinie erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris) könne eine Liposuktion bei Lipödem als Krankenhausbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn die Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich sei. Die stationäre Durchführung der adjuvanten wasserstrahlassistierten Liposuktion sei medizinisch erforderlich. Dies sei in der sozialmedizinischen Rechtsprechung anerkannt, da aufgrund der erheblichen Menge an abgesaugtem Fett eine ständige medizinische und ärztliche Überwachung wegen der Gefahr von Nachblutungen, Herz-/Kreislaufrisiken sowie zur Überwachung des Elektrolythaushaltes erforderlich sei, um bei auftretenden Komplikationen sofort Hilfe leisten zu können. Das von der Beklagten angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 1. März 2013 (L 4 KR 3517/11 – juris) sei vorliegend nicht einschlägig und teilweise unzutreffend. Der Senat mache darin lediglich Ausführungen zu § 137 SGB V, setze sich aber nicht mit der weiteren Regelung des § 137c SGB V auseinander. Zu Unrecht werde verneint, dass eine Liposuktion nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen entspreche, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringende Behandlungsmethode zu stellen seien. Im Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (a.a.O.) werde hingegen ausgeführt, dass eine Liposuktion beim Lipödem als Krankenhausbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V erbracht werden könne, wenn die Krankenhausbehandlung medizinisch indiziert sei. Der Senat stütze seine Auffassung zu Unrecht auf das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödem" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011. Dieses stehe im Gegensatz zu der AWMF-Leitlinie, nach der die Liposuktion eine leitliniengerechte Behandlung bei Lipödem sei. Danach führten die zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen konservativen Maßnahmen (komplexe physikalische Entstauungstherapie und Kompressionstherapie) zwar zur Linderung der Beschwerden, reduziere aber nicht deren Ursachen wie die Liposuktion. Klinische Untersuchungen nach bis zu acht Jahren hätten bei allen Patientinnen eine deutliche Verbesserung des Befundes in Bezug auf Körperform und Beschwerden ergeben. In keinem Fall sei es zu einer Verschlimmerung der Ödeme gekommen. Dieses Ergebnis hätten auch Erfahrungen einer Studie über einen Zeitraum bis zu viereinhalb Jahren nach der letzten Liposuktion bestätigt. Aus den in der AWMF-Leitlinie auf Grundlage von Untersuchungen und Studien eingeflossenen Erkenntnisse ergebe sich mindestens das Potenzial der Liposuktion zur Optimierung der Behandlung des Lipödems. Ein Ausschluss der Liposuktion beim Lipödem als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode wegen des Fehlens des Nachweises des Nutzens wäre aufgrund des Potenzials der Behandlungsmethode ohne vorherige Erprobung nicht möglich (§ 137 e Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 137 c Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Aussagen der vom SG gehörten Ärzte (dazu unten) stützten den geltend gemachten Anspruch. Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruches auf Krankenhausbehandlung durch Richtlinien des GBA sei verfassungsrechtlich unzulässig. Vorgelegt wurde ein Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Juni 2014 (S 62 KR 3/13).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Behandlungsmethode Liposuktion nicht gelistet. Es liege kein Seltenheitsfall vor, bei dem vom Erfordernis der Empfehlung des GBA abgesehen werden könne. Eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation bestehe nicht und drohe auch nicht. Eine stationäre Behandlung sei nicht zwingend erforderlich. Dass eine Liposuktion grundsätzlich auch ambulant durchgeführt werden könne, ergebe sich aus zahlreichen sozialgerichtlichen Urteilen. Für die Kostenübernahme einer Krankenhausbehandlung müsse die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden könne. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe auch im stationären Bereich keine uneingeschränkte Erlaubnis für Methoden, die nicht den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebotes entsprächen. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasse nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit wissenschaftlichen Anforderungen entspreche. Hierzu genüge es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht der Ärzte positiv gewirkt habe. Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse knüpfe an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an. Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung seien solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt seien. Es sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue Behandlungsmethode gehöre deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen sei und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich seien. Dies sei bei der Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion nicht gegeben.
Das SG befragte Dr. M. sowie Prof. Dr. L., Chefärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie des F.-N.-Krankenhauses, und Dr. S. als sachverständige Zeugen. Dr. M. teilte unter dem 27. Mai 2014 mit, die Klägerin habe sich nur im August 2002 und am 27. August 2008 in seiner Ambulanz, damals vertreten durch Dr. W., vorgestellt. Diese habe damals ein Lipödem-Syndrom, eine Besenreiservarikosis sowie eine Adipositas 1. Grades festgestellt. Eine Aussage zur aktuellen Notwendigkeit einer therapeutischen Maßnahme sei sechs Jahre nach der letzten Vorstellung nicht möglich. 2008 sei das konsequente Tragen von Kompressionsstrümpfen, diätische Maßnahmen zur Gewichtsreduktion und gesteigerte sportliche Aktivität empfohlen sowie manuelle Lymphdrainage als serielle ergänzende Maßnahme genannt worden. Ob diese durchgeführt worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Prof. Dr. L. und Dr. S. gaben in ihrer Auskunft vom 2. Juni 2014 an, die Klägerin habe sich dort einmalig zur Beratung am 10. April 2013 zur Beratung vorgestellt. Bei ihr bestehe ein Lipödem mit Schmerzen an Armen und Beinen Grad IV (Betroffenheit der Arme und Beine bis zu Handgelenken/Knöcheln). Sie habe alle Ansätze der in der AWMF-Leitlinie empfohlenen Therapien bereits durchgeführt. Nach derzeitigen Empfehlungen der Fachliteratur und der bestehenden Leitlinien gebe es keine eigentliche kausale Behandlung des Lipödems. Klinische Untersuchungen nach bis zu acht Jahren hätten bei allen Patientinnen (n = 19) eine deutliche Verbesserung des Befundes in Bezug auf Körperform und Beschwerden ergeben. In keinem Fall sei es zu einer Verschlimmerung der Ödeme gekommen. Dies bestätigten auch Erfahrungen einer Studie (n = 75) über einen Zeitraum bis zu viereinhalb Jahren nach der letzten Liposuktion. Dabei hätten 25 % der Befragten angegeben, keine weitere konservative Therapie mehr zu benötigen. Bei 41 % sei diese zwar noch weiterhin nötig, aber in deutlich eingeschränktem Maße. 23 % der Operierten hätten – bei weitgehender Beibehaltung von Lymphdrainage und Kompression – eine ausgeprägte Verbesserung ihrer Lebensqualität. Gemäß der aktuellen Leitlinien der AWMF und der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie bestehe das Ziel der Therapie zum einen in der Beschwerdebesserung/-beseitigung durch Ödemreduzierung mittels konservativer Maßnahmen und zum anderen in der Reduktion des Fettgewebes mittels operativer Fettabsaugung. Eine ambulante Durchführung der Liposuktion sei bei der Klägerin kontraindiziert. Aufgrund der erheblichen Umfangsvermehrung insbesondere im Bereich der Beine müssten voraussichtlich pro Eingriff zwischen fünf und sieben Liter Fettgewebe entfernt werden. Dies stelle eine erhebliche Belastung für den Gesamtorganismus dar; ebenso bestehe ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und Embolien, so dass eine stationäre Überwachung von mindestens drei Tagen postoperativ indiziert sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2015 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Durchführung einer Liposuktion unter stationären Bedingungen. Die Liposuktion entspreche nicht den Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien. Die in Krankenhäusern durchgeführten Behandlungen unterlägen den in §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien. Durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung sollten nicht jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen (Verweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 – juris). Die Liposuktion zur Therapie des Lipödems sei derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion; es fehlten bislang wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Behandlungsmethode. Bei der AWMF-Leitlinie handle es sich um eine Leitlinie S1, die keinen Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode i.S.d. Kriterien der evidenzbasierten Medizin sei (Verweis auf Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris). Der Klägerin stehe der Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu. Er ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Denn das Lipödem sei weder eine tödlich noch eine lebensbedrohliche oder eine damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.
Gegen diesen ihr am 1. Juli 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens zur Begründung ausgeführt, ihre Schmerzen nähmen weiter zu. Bedingt durch das Lipödem sei sie längere Zeit arbeitsunfähig. Bei weiterem Verlauf werde sich ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich verschlechtern. Im Knie bestehe eine Arthrose und ein Meniskusschaden; im August 2015 habe sie eine Art Schlaganfall erlitten und in der Folge nicht mehr sprechen und die rechte Körperseite nicht mehr bewegen können. In der Folgezeit seien zwei Operationen erfolgt, so dass dies einer Indikation für die begehrte Liposuktion nicht entgegenstehe. Die Auffassung des SG, die Liposuktion entspreche nicht den Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen seien, sei unzutreffend. In sozialgerichtlichen Urteilen seien Ansprüche auf Kostenübernahme für stationäre Liposuktionen bei Lipödem anerkannt worden (Verweis auf Sozialgericht Dresden, Urteil vom 13. März 2015 – S 47 KR 541/11 – nicht veröffentlicht und Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 4. September 2015 – S 33 KR 822/13 – juris). Letzteres sehe den Anspruch nicht durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausgeschlossen und verweise insoweit auf die Neufassung des § 137c SGB V m.W.v. 23. Juli 2015. Mit dem neugeschaffenen Abs. 3 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass im stationären Bereich auch Leistungen beansprucht werden könnten, deren Wirksamkeit noch nicht i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB V nachgewiesen sei. Die Änderung sei gerade als Reaktion auf das Urteil des BSG vom 21. März 2013 (B 3 KR 2/12 R – juris) erfolgt, weil die Auslegung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Das nach § 137c SGB V erforderliche Potential einer erforderlichen Behandlungsmethode habe das Sozialgericht Hamburg bei der Liposuktion bei Lipödem aufgrund des dort eingeholten Sachverständigengutachtens und der S1-AWMF-Leitlinie bejaht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2013 zu verurteilen, ihr eine Liposuktion der Oberschenkel beider Beine im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat ergänzend ausgeführt, unabhängig von einem Anspruch auf Kostenübernahme stelle sich die Frage, ob die Klägerin nach dem Schlaganfall im August 2015 überhaupt operiert werden könne.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermins durchgeführt und ihnen den Senatsbeschluss vom 25. Januar 2016 (L 4 KR 2825/15) zur Kenntnis gebracht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin Leistungen von mehr als EUR 750,00 begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Eine Bezifferung des Begehrens ist zwar nicht erfolgt. Aufgrund des Umfanges der begehrten Maßnahme (stationäre Krankenhausaufnahme mit stationärer Überwachung von mindestens drei Tagen postoperativ, vgl. Auskunft von Prof. L. und Dr. S. vom 2. Juni 2014) überschreitet der Beschwerdewert nach Schätzung des Senats aber EUR 750,00.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel beider Beine als Sachleistung. Nur die hierauf beschränkte Liposuktion in stationärer Durchführung hatte die Klägerin durch Vorlage des Attestes von Dr. S. vom 10. April 2013 bei der Beklagten beantragt, was sie auch im weiteren Verlauf des Verfahrens mehrmals betonte. Im Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die Beklagte ausdrücklich die Kostenübernahme für einen stationären Eingriff ab. Auch der Widerspruchsbescheid vom 25. September 2013 bezog sich nach der Bezeichnung des Gegenstandes auf die Kostenübernahme für eine stationäre Maßnahme. Dass in beiden Bescheiden zur Begründung jeweils die Regelungen zur ambulanten vertragsärztlichen Behandlung herangezogen wurden, führt lediglich dazu, dass die Begründung der Bescheide unzutreffend ist, ohne deren Rechtmäßigkeit zu berühren, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. § 42 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]; BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 85/99 R – juris, Rn. 23).
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2013 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Liposuktion der Oberschenkel beider Beine als Sachleistung.
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R – juris, Rn. 13, 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – juris, Rn. 10, 11. September 2012 – B 1 KR 9/12 R – juris, Rn 10 ff.). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – und 6. März 2012 – B 1 KR 17/11 R – beide juris, Rn. 11 und 24; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 – L 4 KR 3386/08 – nicht veröffentlicht).
Bei der Klägerin besteht eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Sie leidet an einem Lipödem beider Beine. Dies ergibt sich aus den Arztbriefen von Dr. M. vom 28. August 2008 und der Dr. Mo. vom 24. September 2012 und 7. Mai 2013, der hausärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 26. Juli 2013, der Auskunft von Prof. Dr. L. und Dr. S. vom 2. Juni 2014 und wird in dem aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin erstellten Gutachten von Dr. N. vom 21. Juni 2013 bestätigt. Das Beschwerdebild stellt eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand ist mit Blick auf die funktionelle Beeinträchtigung im Bereich der Beine und der geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der – was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – einer körperlichen Behandlung bedarf.
b) Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (zum Ganzen: z.B. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris, Rn. 14 ff., 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – juris, Rn. 16 und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris, Rn. 13). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung.
Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden § 137c SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 54 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der GBA auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem § 135 Abs. 1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht außer Kraft (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 5/08 R – juris, Rn. 52 f., BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R – juris, Rn. 20 ff.). Die einzige Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (zum Ganzen: Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 2172/10 – juris, nachgehend BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R – juris, Rn. 18).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Änderung des § 137c SGB V durch Art. 1 Nr. 64 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) mit Wirkung zum 23. Juli 2015 (Art. 20 GKV-VSG). Diese ist vorliegend zu berücksichtigen, weil die Klägerin mit ihrer Leistungsklage einen Anspruch auf Sachleistung geltend macht und deshalb die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblich ist. Die § 137c Abs. 1 SGB V angefügten Sätze 6 und 7 bestimmen gesetzliche Fristen für das Verfahren beim GBA. Nach dem eingefügten § 137c Abs. 3 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist (Satz 1). Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs. 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist. Da der GBA ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V eingeleitet hat (Beschluss vom 22. Mai 2014), das noch nicht abgeschlossen ist, unterfällt die Liposuktion als Behandlungsmethode im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung in den Anwendungsbereich des § 137c Abs. 3 SGB V. Es ist jedoch weiterhin für jede einzelne Behandlungsmethode – hier die Liposuktion – zu prüfen, ob sie das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative bietet. Diese Prüfung kann nur anhand der bisherigen Maßstäbe der § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V erfolgen. Die in diesen Vorschriften geregelten allgemeinen Grundsätze, die für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gelten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R – juris, Rn. 23 m.w.N.), sind mit der Einfügung des § 137c Abs. 3 SGB V weder aufgehoben noch abgeschwächt worden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2016 – L 5 KR 1101/16 – juris, Rn. 34; ähnlich Axer, GesR 2015, 641 [645 f.]). Die Regelung soll das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 "Satz 2" (richtig Satz 3) SGB V konkretisieren (Bundestags-Drucksache 18/4095, S. 121). Die Neuregelung führt deshalb nicht zu einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" dahin, dass alle Behandlungsmethoden in der Krankenhausbehandlung von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind, für welche keine negative Entscheidung des GBA vorhanden ist (ebenso Axer, GesR 2015, 641 [645]).
c) Die Liposuktion bietet nicht das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative. Denn die Liposuktion entspricht – schon ganz grundlegend – nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind (ebenso LSG Hessen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris, Rn. 43 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 228/13 – juris, Rn. 21 ff.; LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, Rn. 21). Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. April 2012 (L 4 KR 595/11 – juris, Rn. 35 ff.; bestätigt in dem den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Beschluss des Senats vom 25. Januar 2016 – L 4 KR 3825/15 – nicht veröffentlicht –; ferner Urteile des Senats vom 14. Juni 2013 – L 4 KR 84/13 – und vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – nicht veröffentlicht; siehe auch Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 KR 3517/11 – juris) ausgeführt: "§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll (vgl. entsprechend das BSG auch zur Frage der Erfüllung von Qualitätskriterien einer bestimmten Arzneimitteltherapie, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 7/10 R – SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 m.w.N. – Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks. 11/2237, S. 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar.
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. dezidiert BSG, Urteile vom 1. März 2011 u.a. – B 1 KR 7/10 R – a.a.O.; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2009 – B 3 KR 10/07 R – SozR 4-2500 § 139 Nr. 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 – B 1 KR 21/02 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7 m.w.N.; vgl. dazu auch Wagner, in Krauskopf, Stand 2008, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl. entsprechend zur Arzneimitteltherapie BSG, Urteile vom 1. März 2011, u.a. – B 1 KR 7/10 R – a.a.O.). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl. auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr. 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 2012 – L 4 KR 2272/10 – juris).
Von Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Sinne der Kriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vermochte der Senat sich indes nicht zu überzeugen. Er legt insoweit ganz maßgeblich das von der Beklagten vorgelegte "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011 zugrunde. Dieses Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vor, wobei die Gutachter neben randomisiert kontrollierten auch nicht randomisiert kontrollierte Studien berücksichtigt haben. Die im Mai 2011 insoweit durchgeführte Recherche der hierzu vorhandenen Publikationen ergab überhaupt nur zwei relevante, diesen Qualitätsanforderungen entsprechende Studien. Für den konkreten Fall ist sogar nur eine der beiden Studien (nämlich diejenige zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson – veröffentlicht 2011) relevant, da sich die andere der beiden Studien mit Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems nach Mammakarzinom befasst. In der Studie Hansson wurde (nicht randomisiert kontrolliert) der Langzeiterfolg der Liposuktion bei 111 Frauen mit Lipomatosis dolorosa beobachtet. Dabei wurde ein signifikanter Unterschied in der Schmerzreduktion beobachtet, ohne dass dies von den Autoren selbst als zureichendes Ergebnis gewertet wurde, um einen langfristigen Nutzen ausreichend zu belegen. Vielmehr fordern auch die Autoren weitere randomisiert kontrollierte Studien mit ausreichend validierten Ergebniskriterien. Alle übrigen seinerzeit zugänglichen Veröffentlichungen erfüllen diese Qualitätsanforderungen nicht bzw. stellen Registernachbeobachtungen oder Ergebnisberichte kleiner Fallserien dar. Für den Senat war daher das Fazit der Gutachter überzeugend, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Diesem Fazit schließt sich der Senat an."
Es besteht kein Anlass, aufgrund des Vorbringens der Klägerin des vorliegenden Verfahrens hiervon abzuweichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die unter dem 15. Januar 2015 erfolgte Aktualisierung (mds-sindbad.de/infomed/sindbad.nsf/002568A2003D5BAE/20B52) des Primärgutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen vom 6. Oktober 2011. Danach haben die zwei identifizierten kontrollierten Studien, welche die Liposuktion bei sekundärem Lymphödem der Arme nach Brustkrebstherapie bzw. zur Schmerztherapie bei Lipomatosis dolorosa untersuchten, auch unter Berücksichtigung der aktuell vorliegenden Publikation erhebliche methodische sowie zum Teil inhaltliche Limitationen und berichten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Zur Liposuktion beim Lipödem sind nur Publikationen kleiner Fallserien bekannt, die grundsätzlich nicht geeignet sind, einen patientenrelevanten Vorteil zu begründen (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 228/13 – juris, Rn. 21).
Dem allen kann die AWMF-Leitlinie 037/012 "Lipödem" (aktueller Stand: 10/2015) nicht entgegengehalten werden. Es handelt sich um eine sog. S1-Leitlinie. Eine solche "S1-Leitlinie" ist kein Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode im Sinne der Kriterien der evidenzbasierten Medizin (LSG Hessen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 – juris, Rn. 45). Auf einer Evidenz-Recherche beruhen Leitlinien der Stufe "S2e" oder "S3" (http://www.awmf.org/fileadmin/user upload/Leitlinien/Werkzeuge/ll-glossar.pdf Klassifizierung von Leitlinien").
Der Senat hält daher – auch in Kenntnis abweichender Entscheidungen anderer Gerichte (Sozialgericht Dresden, Urteil vom 13. März 2015 – S 47 KR 541/11 – nicht veröffentlicht; Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 4. September 2015 – S 33 KR 822/13 – juris) an seiner Auffassung fest (zuletzt Urteil des Senats vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – nicht veröffentlicht).
d) Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R, a.a.O.), wie der Senat bereits im Urteil vom 27. April 2011 (a.a.O.) ausgeführt hat: "Das BSG hatte sich dort mit der Frage zu befassen, ob die Behandlungsmethode der Liposuktion, die ambulant zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse von vornherein mangels positiver Empfehlung des GBA nicht erbracht werden darf (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V; dazu auch Urteil des Senats vom 10. September 2010 – L 4 KR 3961/09 –, nicht veröffentlicht), gleichsam automatisch stationär zu erbringen ist, da im klinischen Bereich das Erfordernis einer positiven Entscheidung durch den GBA nicht besteht. Dies hat das BSG im konkreten Fall unter Verweis auf das Fehlen schon der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 SGB V verneint, da die dort statuierten spezifischen Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Mit der Frage, ob die Methode der Liposuktion denn überhaupt den Maßstäben evidenzbasierter Medizin entspricht, hatte sich das BSG demgemäß gar nicht zu befassen. Aus der zitierten Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Erfordernisses der Durchführung einer stationären Operation ohne weiteres ein Leistungsanspruch auf Durchführung einer Liposuktion zulasten der Krankenkasse besteht. Anhand der jüngeren Rechtsprechung des BSG ergibt sich vielmehr gerade das Gegenteil. Das BSG hat darin (vgl. insoweit insbesondere das Urteil vom 17. Februar 2010 – B 1 KR 10/09 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 18 zum Anspruch einer Versicherten auf stationär durchgeführt Reimplantation nach Kryokonservierung von Eierstockgewebe) ausdrücklich zum Maßstab gemacht, dass auch die stationäre Behandlung stets einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu unterziehen ist. Eine andere Auffassung führte im Übrigen zu dem auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) nicht tragbaren Ergebnis, dass Patienten allein deshalb, weil sie bestimmte Risikofaktoren erfüllen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, eine Behandlung in stationärem Rahmen erhielten, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben".
e) Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris, Rn. 28; BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – juris, Rn. 18; Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris, Rn. 17). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (ebenso etwa LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, Rn. 22). Denn der GBA hat mit Beschluss vom 22. Mai 2014 ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V eingeleitet. Ein Systemversagen lässt sie nicht daraus ableiten, dass dieses Beratungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und voraussichtlich erst im Jahre 2017 abgeschlossen sein wird. Denn die gesetzlichen Frist von drei Jahren (§ 137c Abs. 1 Satz 7 SGB V in der seit 23. Juli 2015 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 64 Buchst. a GKV-VSG) ist nicht abgelaufen.
f) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 GKV-VStG vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung vom 1. Januar 2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – juris) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R – und Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – alle juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R –, vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – und vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 26/12 R – alle juris). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 BvR 2056/12 – juris). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreicht das Lipödem-Syndrom der Klägerin nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris, Rn. 15). Ihre lediglich pauschale Behauptung, bei weiterem Verlauf werde sich ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich verschlechtern, ist weder substantiiert noch erkennbar an den o.g. Kriterien orientiert. Eine Verbindung zwischen dem Lipödem und dem im August 2015 aufgetretenen – möglichen – Schlaganfall wird ebenfalls nicht substantiiert dargelegt, so dass offenbleiben kann, ob insoweit die genannten Kriterien erfüllt wären. Somit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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