Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
38
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 38 SF 56/16 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 4.800,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Zahlung einer Entschädigung wegen der Dauer des Entschädigungsklageverfahrens – L 37 SF 116/14 EK AS – (Ausgangsverfahren).
Die Kläger erhoben im Ausgangsverfahren am 13. Mai 2014 Klage wegen überlanger Dauer des beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg – von den Klägern zu 2. und 3. – geführten Berufungsverfahrens – L 5 AS 1957/11 -, mit der sie eine Entschädigung iHv 3.000,- EUR pro Kläger begehren. Das Ausgangsgericht bewilligte den Klägern zu 2. und 3. nach Maßgabe des Beschlusses vom 30. Januar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) mWv 14. Mai 2014 hinsichtlich einer Entschädigung iHv jeweils 800,- EUR. Den nach §§ 12, 12a Gerichtskostengesetz (GKG) angeforderten Gerichtskostenvorschuss entrichteten die Kläger im Ausgangsverfahren bislang nicht.
Nach mit Schreiben vom 27. September 2015 erhobener Verzögerungsrüge haben die Kläger am 30. März 2016 beim LSG eine Entschädigungsklage eingereicht, mit der sie "Kompensationszahlungen" iHv jeweils 100,- EUR,- monatlich "ab September 2015" wegen einer überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens geltend machen.
Die Kläger, die im Verhandlungstermin keinen Prozessantrag gestellt haben, beantragen nach ihrem Vorbringen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils 1.600,- EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er sieht eine entschädigungspflichtige Verzögerung im Ausgangsverfahren schon deshalb nicht, weil die Kläger dort den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss nicht entrichtet hätten.
Die Gerichtsakte und die Akten des Ausgangsverfahrens haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bereits unzulässig und war daher abzuweisen.
Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl I S 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl I S 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch iSv Art. 34 Grundgesetz (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht (BSG) und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das LSG Berlin-Brandenburg zuständig.
Richtiger Beklagter ist das Land Brandenburg. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Da das LSG Berlin-Brandenburg gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Staatsvertrags über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (GVBl für Berlin 2004, 380 bzw GVBl Brandenburg I S 283 ff.) - Staatsvertrag - ein gemeinsames Fachobergericht der Bundesländer Berlin und Brandenburg ist, seinen Sitz aber im Land Brandenburg hat, lässt sich dem Wortlaut des § 200 Satz 1 GVG unmittelbar keine Bestimmung des richtigen Beklagten entnehmen. Der Senat folgt insoweit jedoch dem Bundesfinanzhof (BFH), der für das Finanzgericht Berlin-Brandenburg unter Berufung auf die im Wesentlichen auf die Gesetzesmaterialien zum Staatsvertrag sowie die einfachere staatsrechtliche Handhabbarkeit abstellenden Ausführungen des VerfGH des Landes Berlin im Beschluss vom 19. Dezember 2006 (- 45/06 - juris, Rn 23 ff) sowie auf die Beschlüsse des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 10. Mai 2007 (- 8/07 - juris - Rn 14 ff) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Juli 2006 (- 2 BvR 1058/05 - juris - Rn 22 ff) davon ausgegangen ist, dass maßgeblich nicht das Sitzprinzip sei, sondern die gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg jeweils Rechtsprechungsgewalt desjenigen Bundeslandes ausübten, aus dem das Ausgangsverfahren stamme (vgl BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - juris). Vorliegend handelt es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Entschädigungsklageverfahren beim LSG Berlin-Brandenburg. Dieses übt im gerügten Entschädigungsverfahren Rechtsprechungsgewalt des Landes Brandenburg aus, das damit Anspruchsgegner im Entschädigungsklageverfahren ist.
Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes auf die Präsidentin des LSG Berlin-Brandenburg ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (vgl BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R - juris).
Die Klage ist auch als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG iVm § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Kläger machen angesichts der Regelung des § 198 GVG geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung iSv § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben (vgl BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL = SozR 4-1720 § 198 Nr 1). Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
Indes ist die Klage unzulässig, weil sie nicht form- und fristgerecht nach Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge (vgl § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG) eingereicht worden ist. Der Betroffene ist gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (vgl BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13 = NJW 2014, 939 Rn. 27 ff. Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann (vgl § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG). Die Verzögerungsrüge vom 27. September 2015 entspricht nicht diesen Anforde-rungen. Denn eine Besorgnis, dass das Ausgangsverfahren unangemessen verzögert sein bzw werden könnte, bestand seinerzeit und auch derzeit schon deshalb nicht, weil das Nichtbetreiben des Ausgangsverfahrens allein von den Klägern zu vertreten ist. Diese haben die bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage nach § 197a Abs. 1 SGG iVm § 6 Abs. 1 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) fälligen Gerichtskostenvorschüsse nach den §§ 12,12a GKG (vgl die Kostenrechnungen vom 28. Mai 2014) bislang nicht eingezahlt; PKH wurde den Klägern zu 2. und 3. für das Ausgangsverfahren erst mWv 14. Mai 2014 bewilligt.
Selbst wenn von einer Zulässigkeit der Klage auszugehen wäre, für die der Abschluss des Ausgangsverfahrens keine Voraussetzung ist, wäre die Klage indes nicht begründet. Soweit der Kläger zu 1. betroffen ist, folgt dies bereits daraus, dass dieser ohnehin nicht Beteiligter des im Ausgangsverfahren gerügten Verfahrens – L 5 AS 1957/11 – war und daher in Verfahrensrechten insoweit von vornherein nicht betroffen sein kann. Im Übrigen ist aus den dargelegten Erwägungen eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens nicht ansatzweise erkennbar. Das Ausgangsgericht hat über den PKH-Antrag mit Beschluss vom 30. Januar 2015 entschieden. Unter demselben Datum wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass die festgesetzten Gerichtskostenvorschüsse weiterhin einzuzahlen seien und dem Verfahren erst bei Eingang der entsprechenden Zahlungen Fortgang gewährt werde. Die seither eingetretenen Zeiten der Inaktivität des Ausgangsgerichts sind somit allein den Klägern anzulasten.
Damit bestehen weder ein Entschädigungs- noch ein Zinsanspruch. Es bestand mithin auch kein Raum für eine gesonderte Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer, und zwar auch nicht insoweit, als die Klage mangels Einhaltung der Wartefrist nicht zulässig ist (vgl § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs 3 GVG). Denn auch diesbezüglich ist eine unangemessene Verfahrensdauer im Hinblick auf die oben gemachten Ausführungen nicht feststellbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Zahlung einer Entschädigung wegen der Dauer des Entschädigungsklageverfahrens – L 37 SF 116/14 EK AS – (Ausgangsverfahren).
Die Kläger erhoben im Ausgangsverfahren am 13. Mai 2014 Klage wegen überlanger Dauer des beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg – von den Klägern zu 2. und 3. – geführten Berufungsverfahrens – L 5 AS 1957/11 -, mit der sie eine Entschädigung iHv 3.000,- EUR pro Kläger begehren. Das Ausgangsgericht bewilligte den Klägern zu 2. und 3. nach Maßgabe des Beschlusses vom 30. Januar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) mWv 14. Mai 2014 hinsichtlich einer Entschädigung iHv jeweils 800,- EUR. Den nach §§ 12, 12a Gerichtskostengesetz (GKG) angeforderten Gerichtskostenvorschuss entrichteten die Kläger im Ausgangsverfahren bislang nicht.
Nach mit Schreiben vom 27. September 2015 erhobener Verzögerungsrüge haben die Kläger am 30. März 2016 beim LSG eine Entschädigungsklage eingereicht, mit der sie "Kompensationszahlungen" iHv jeweils 100,- EUR,- monatlich "ab September 2015" wegen einer überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens geltend machen.
Die Kläger, die im Verhandlungstermin keinen Prozessantrag gestellt haben, beantragen nach ihrem Vorbringen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils 1.600,- EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er sieht eine entschädigungspflichtige Verzögerung im Ausgangsverfahren schon deshalb nicht, weil die Kläger dort den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss nicht entrichtet hätten.
Die Gerichtsakte und die Akten des Ausgangsverfahrens haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bereits unzulässig und war daher abzuweisen.
Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl I S 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl I S 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch iSv Art. 34 Grundgesetz (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht (BSG) und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das LSG Berlin-Brandenburg zuständig.
Richtiger Beklagter ist das Land Brandenburg. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Da das LSG Berlin-Brandenburg gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Staatsvertrags über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (GVBl für Berlin 2004, 380 bzw GVBl Brandenburg I S 283 ff.) - Staatsvertrag - ein gemeinsames Fachobergericht der Bundesländer Berlin und Brandenburg ist, seinen Sitz aber im Land Brandenburg hat, lässt sich dem Wortlaut des § 200 Satz 1 GVG unmittelbar keine Bestimmung des richtigen Beklagten entnehmen. Der Senat folgt insoweit jedoch dem Bundesfinanzhof (BFH), der für das Finanzgericht Berlin-Brandenburg unter Berufung auf die im Wesentlichen auf die Gesetzesmaterialien zum Staatsvertrag sowie die einfachere staatsrechtliche Handhabbarkeit abstellenden Ausführungen des VerfGH des Landes Berlin im Beschluss vom 19. Dezember 2006 (- 45/06 - juris, Rn 23 ff) sowie auf die Beschlüsse des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 10. Mai 2007 (- 8/07 - juris - Rn 14 ff) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Juli 2006 (- 2 BvR 1058/05 - juris - Rn 22 ff) davon ausgegangen ist, dass maßgeblich nicht das Sitzprinzip sei, sondern die gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg jeweils Rechtsprechungsgewalt desjenigen Bundeslandes ausübten, aus dem das Ausgangsverfahren stamme (vgl BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - juris). Vorliegend handelt es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Entschädigungsklageverfahren beim LSG Berlin-Brandenburg. Dieses übt im gerügten Entschädigungsverfahren Rechtsprechungsgewalt des Landes Brandenburg aus, das damit Anspruchsgegner im Entschädigungsklageverfahren ist.
Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes auf die Präsidentin des LSG Berlin-Brandenburg ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (vgl BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R - juris).
Die Klage ist auch als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG iVm § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Kläger machen angesichts der Regelung des § 198 GVG geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung iSv § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben (vgl BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL = SozR 4-1720 § 198 Nr 1). Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
Indes ist die Klage unzulässig, weil sie nicht form- und fristgerecht nach Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge (vgl § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG) eingereicht worden ist. Der Betroffene ist gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (vgl BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13 = NJW 2014, 939 Rn. 27 ff. Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann (vgl § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG). Die Verzögerungsrüge vom 27. September 2015 entspricht nicht diesen Anforde-rungen. Denn eine Besorgnis, dass das Ausgangsverfahren unangemessen verzögert sein bzw werden könnte, bestand seinerzeit und auch derzeit schon deshalb nicht, weil das Nichtbetreiben des Ausgangsverfahrens allein von den Klägern zu vertreten ist. Diese haben die bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage nach § 197a Abs. 1 SGG iVm § 6 Abs. 1 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) fälligen Gerichtskostenvorschüsse nach den §§ 12,12a GKG (vgl die Kostenrechnungen vom 28. Mai 2014) bislang nicht eingezahlt; PKH wurde den Klägern zu 2. und 3. für das Ausgangsverfahren erst mWv 14. Mai 2014 bewilligt.
Selbst wenn von einer Zulässigkeit der Klage auszugehen wäre, für die der Abschluss des Ausgangsverfahrens keine Voraussetzung ist, wäre die Klage indes nicht begründet. Soweit der Kläger zu 1. betroffen ist, folgt dies bereits daraus, dass dieser ohnehin nicht Beteiligter des im Ausgangsverfahren gerügten Verfahrens – L 5 AS 1957/11 – war und daher in Verfahrensrechten insoweit von vornherein nicht betroffen sein kann. Im Übrigen ist aus den dargelegten Erwägungen eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens nicht ansatzweise erkennbar. Das Ausgangsgericht hat über den PKH-Antrag mit Beschluss vom 30. Januar 2015 entschieden. Unter demselben Datum wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass die festgesetzten Gerichtskostenvorschüsse weiterhin einzuzahlen seien und dem Verfahren erst bei Eingang der entsprechenden Zahlungen Fortgang gewährt werde. Die seither eingetretenen Zeiten der Inaktivität des Ausgangsgerichts sind somit allein den Klägern anzulasten.
Damit bestehen weder ein Entschädigungs- noch ein Zinsanspruch. Es bestand mithin auch kein Raum für eine gesonderte Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer, und zwar auch nicht insoweit, als die Klage mangels Einhaltung der Wartefrist nicht zulässig ist (vgl § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs 3 GVG). Denn auch diesbezüglich ist eine unangemessene Verfahrensdauer im Hinblick auf die oben gemachten Ausführungen nicht feststellbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
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