L 3 U 66/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 386/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 66/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2015 abgeändert und die Klage auch im Übrigen abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte gerichtliche Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines bei ihr anerkannten Arbeitsunfalls.

Die 1957 geborene Klägerin erlitt, nachdem ihr Verlobter 2007 bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war, am 30. Januar 2008 einen von der Beklagten später anerkannten Arbeitsunfall, als sie als Verkäuferin eines Drogeriemarktes in der D Straße Opfer eines von zwei maskierten Männern mit Waffen begangenen Raubüberfalls wurde. Hierbei wurde sie u.a. mit Waffen zur Herausgabe von Geld genötigt sowie dann eingesperrt (vgl. Hergangsschilderung der Klägerin gegenüber ihrer Krankenkasse vom 04. Juni 2008 und Unfallanzeige vom 08. Juli 2008) und erlitt hierdurch laut Befundberichten ihrer behandelnden Hausärztin L vom 25. März und 21. Mai 2008 nach den von ihr anlässlich einer Untersuchung am 20. Februar 2008 getroffenen Feststellungen eine akute psychische Dekompensation bzw. posttraumatische Reaktion. Seit dem 20. Februar 2008 wurde die Klägerin krankgeschrieben.

Laut einem von der Beklagten eingeholten psychischen Befundbericht der Dipl.-Psych. E betreffend die Durchführung probatorischer Sitzungen vom 08. September 2008 bestand bei der Klägerin eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die Klägerin leide seit dem Überfall massiv unter Herzrasen, Zittern, erhöhter Schreckhaftigkeit. Sie traue sich nicht zur Arbeitsstelle, selbst die Wohnung allein zu verlassen, sei teilweise schwer. Manchmal schließe sie sich zu Hause ein. Der Klägerin zufolge sei jeder verdächtig. Sie habe noch die ersten beiden Wochen nach dem Unfall unter starker Anstrengung weitergearbeitet. Dann sei es nicht mehr gegangen. Nach dem vorangegangenen Tod ihres Partners sei sie sehr geschockt gewesen. Ein Hochzeitstermin habe für August 2008 bereits festgestanden. Sie habe nach dem Tod viel emotionale Unterstützung von Verwandten und Freunden erfahren. Ein starker Halt sei für sie die Arbeitsstelle gewesen. Sie sei Verkäuferin mit Leib und Seele. Besonders der Kontakt zu Kollegen und Kunden gebe ihr Bestätigung und Selbstbewusstsein. So habe sie sich stabilisiert. Seit dem Überfall träten massive Ängste, Schlafstörungen, erhöhte Schreckhaftigkeit und depressive Verstimmung auf. Sie habe 12 kg Gewicht verloren. Zum psychischen Befund wurde u.a. ausgeführt, dass die Klägerin starr in ihrer Mimik wirke, emotionslos und distanziert ihre Erlebnisse schildere. Der Antrieb sei zweitweise vermindert, die Stimmung gedrückt. Sie sei eingeschränkt schwingungs- und resonanzfähig sowie psychomotorisch gespannt. Die Sprache sei monoton. Dipl.-Psych. E erstattete u.a. unter dem 19. Dezember 2008, 09. Juni 2009 und abschließend am 17. Februar 2010 erneut Bericht.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme nach Aktenlage der Dipl.-Psych. K vom 12. September 2008 ein, welche ausführte, dass das angeschuldigte Ereignis nicht alltäglich und geeignet sei, eine seelische Störung herbeizuführen. Allerdings habe bereits der Verlust des Lebenspartners bei der Klägerin unfallfremd eine seelische Dekompensation im Sinne einer reaktiven depressiven Episode herbeigeführt.

Die Beklagte holte das auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende Gutachten zur Zusammenhangsfrage der Dipl.-Psych. W vom 15. März 2009 ein. Folgen des Überfalls seien eine PTBS und sekundär eine depressive Episode. Eine psychisch relevante Vorerkrankung habe vor dem Unfall nicht vorgelegen. Die bis zum Unfall funktional bewältigte Trauer habe erst durch diesen klinische Relevanz bekommen. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege noch nicht vor. Die bestehenden Beschwerden seien noch nicht abschließend psychotraumatologisch behandelt worden; von einer solchen Behandlung sei eine Besserung zu erwarten. In ihrem bisherigen Beruf als Marktmanagerin eines Drogeriemarktes sei die Klägerin auf absehbare Zeit nicht mehr einsetzbar.

Die Beklagte lehnte, nachdem sie mit Bescheid vom 16. Juli 2009 die seit 20. Februar 2008 erbrachte Verletztengeldzahlung im Hinblick auf die nicht zu behebende Arbeitsunfähigkeit und nicht zu erbringender Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) zum 18. August 2009 eingestellt hatte, mit Bescheid vom 28. Juli 2009 die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. Januar 2008 ab, weil keine MdE von mindesten 20 vom Hundert (v.H.) vorliege. Die Klägerin erhob hiergegen am 03. August 2009 Widerspruch.

Die Beklagte zog vom Rentenversicherungsträger das auf den dort gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hin eingeholte, auf ambulanter Untersuchung der Klägerin beruhende Gutachten der Nervenärztin Dr. Lindemann vom 17. September 2009 bei, wonach bei der Klägerin eine PTBS nach Überfall, eine mittelgradige depressive Störung und eine sonstige somatoforme Störung bestünden. Sie holte ein auf einer erneuten ambulanten Untersuchung der Klägerin am 11. Januar 2010 beruhendes weiteres Gutachten der Dipl.-Psych. W vom 20. Februar 2010 ein. Die Gutachterin führte nunmehr aus, als Unfallfolgen bestünden Hyperarousel, Intrusion und Vermeidung einschließlich Ängsten und Panikattacken außerhalb der Wohnung, Vermeidung öffentlicher Verkehrsmittel als Leitsymptome der mittlerweile schweren chronifizierten PTBS. Die Symptomatik sei so stark, dass die Klägerin sich im Grunde nur in Begleitung außerhalb der Wohnung über eine längere Strecke angstärmer bewegen könne. Daraus resultiere eine erhebliche depressive Symptomatik, bestehend zum Einen als Reaktion auf die traumabedingten Folgebelastungen, zum Anderen aber auch jetzt imponierend als erstarrte Trauer in Reaktion auf den Tod des Partners. Die vorbestehende Schadenslage sei in ihrer Entwicklung durch das Unfallereignis dauernd verschlimmert worden, so dass sich eine depressive Störung manifestiert habe. Da die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf nun trotz Therapie endgültig nicht mehr einsetzbar sei bzw. eine Besserung der Beschwerden nicht habe erreicht werden können, sei die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen jetzt herabgesetzt. Die Funktionsfähigkeit der Klägerin, die sich in Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit ausdrücke, sei aufgrund der psychischen Schädigung nach dem Überfall (Traumasymptome, Ängste, aufgrund dieser Autonomieverlust, Einschränkung des Handlungs- bzw. Bewegungsspielraums, verminderte Belastbarkeit, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen) zumindest im beruflichen Bereich erheblich gemindert. Im privaten Bereich sei sie um Aufrechterhaltung ihres Alltags und der alltäglichen Verpflichtungen bemüht, um sich Struktur zu geben; aber auch hier gebe es erhebliche Rückzugs- und Vermeidungstendenzen. Die unfallbedingte MdE betrage für die nächsten zwei Jahre 40 v.H. Danach solle eine Nachuntersuchung durchgeführt werden.

Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 19. April 2010 ab und gewährte der Klägerin ab dem 19. August 2009 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 40 v.H. Als Unfallfolgen bestünden bei der Klägerin eine schwere chronifizierte PTBS nach Überfall im Sinne von Übererregbarkeit (Hyperarousel), ungewolltem Wiedererleben der Gewalttat (Intrusion) und Vermeidung. Unfallunabhängig bestehe bei der Klägerin eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik. Die Verletztenrente wurde unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdiensts mit Bescheid vom 09. Juni 2011 neu festgesetzt.

Die Beklagte ließ von der Psychiaterin Dr. F das auf ambulanter Untersuchung der Klägerin am 28. März 2012 beruhende Gutachten zur Klärung der Zusammenhangsfrage vom 28. März 2012 erstellen. Darin führte Dr. F aus, es bestünden bei der Klägerin nunmehr ein Zustand nach PTBS und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht, welche im Zeitpunkt der aktuellen Untersuchung nicht mehr dem Überfallereignis zugeordnet werden könne. Psychopharmaka hätten zu keinen Zeitpunkt eingenommen werden müssen. Hier müsse von einer Verschiebung der Wesensgrundlage in Richtung ereignisunabhängiger Faktoren der Krankheitsunterhaltung und -chronifizierung ausgegangen werden; gegenwärtig müsse die schwere Krebserkrankung des Vaters der Klägerin mit drohender erneuter Verlustsituation Beachtung finden. Eine Unfallrente könne nicht mehr in Vorschlag gebracht werden.

Die Beklagte hörte die Klägerin hiernach zur beabsichtigten Entziehung der Rente an, vgl. Schreiben vom 11. April 2012. Hiergegen bezog die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2012 Stellung. Die Beklagte entzog die Rente mit Bescheid vom 04. Mai 2012 zum 31. Mai 2012 und führte zur Begründung aus, dass die im Vorgutachten noch bestätigte PTBS zum Zeitpunkt der aktuellen gutachterlichen Untersuchung nicht mehr nachgewiesen werden könne. Damit hätten sich die dem Bescheid vom 19. April 2010 zugrunde liegenden Verhältnisse wesentlich geändert. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 07. Mai 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2012 unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. F zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 22. Juni 2012 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und ausgeführt, der Entziehung der Rente stehe bereits entgegen, dass der Bescheid vom 19. April 2010 keinen Änderungsvorbehalt enthalte und keine vorläufige Entscheidung sei. Ferner habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auch inhaltlich sei die Entziehung der Rente fehlerhaft; das unfallbedingte Krankheitsbild sei unverändert. Die Erwägungen der Gutachterin Dr. Frommhold zur Zusammenhangsfrage träfen nicht zu und gingen teilweise von falschen Voraussetzungen aus. Das SG hat einen Befundbericht von Dipl.-Psych. E vom 20. November 2012 (letzter Therapietermin am 17. Februar 2010) und das auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Nervenarztes Dr. B vom 26. April 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat u.a. ausgeführt, die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, alle nötigen Erledigungen mit dem Fahrrad zu erledigen (Einkäufe, Arztbesuche etc.). Öffentliche Verkehrsmittel nutze sie nicht mehr. Sie nehme keine Psychopharmaka. Dr. B hat bei der Klägerin einen Zustand nach PTBS, einen Zustand nach rezidivierenden depressiven Episoden, zur Zeit allenfalls sehr leicht ausgeprägt, leichte bis mittelschwere Zwangsstörung, vorwiegend Zwangsgedanken und Zwangsbefürchtungen, schwere Agoraphobie diagnostiziert. Jedenfalls ab dem 28. März 2012 (Untersuchung durch Dr. F) liege eine unfallbedingte MdE nicht mehr vor. Das Unfallgeschehen habe jetzt eine völlig untergeordnete Bedeutung. Für die Verschiebung und Fixierung bzw. Aufrechterhaltung der Ängste und Befürchtungen seien jetzt Faktoren verantwortlich, die in der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin begründet seien.

Die Klägerin hat sich unter dem 06. Juni 2013 kritisch mit dem Gutachten von Dr. B auseinandergesetzt. Insgesamt habe sie kein offenes und vertrauensvolles Verhältnis zum Gutachter aufbauen können. Dr. B hat hierzu unter dem 06. September 2013 ergänzend Stellung genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2015 hat das SG die Klägerin persönlich angehört. Diese hat u.a. vorgetragen, dass es zwei Wochen nach ihrem Überfall zu einem weiteren Überfallsversuch gekommen sei und sie seit März 2014 wieder in der Psychotherapie bei Dipl.-Psych. E sei. Sie hat ferner den zum Termin geladenen Sachverständigen Dr. B befragt. Dieser hat u.a. ausgeführt, dass es ohne den Überfall die Beschwerden in der jetzigen Form nicht gegeben hätte. Auslösergeschehen für die Störung sei sicherlich auch der Überfall gewesen. Nicht erklärbar sei jedoch, dass die Angst sich mit der Zeit so verbreitert habe. Entscheidend für die Dauer und Tiefe der weiteren Beschwerden sei nicht allein der Unfall, sondern auch die sogenannte Basis, d.h. die von ihm geschilderten Zwangsstrukturen, die unabhängig vom Unfall bestanden hätten. Es sei so zu verstehen, dass mit der Zeit unfallunabhängige Gesichtspunkte an Gewicht gewinnen könnten. Die PTBS sei wesentlicher Auslöser der Agoraphobie. Was in seinem Gutachten im Nachhinein etwas zu kurz gekommen sei, sei die ausreichende Berücksichtigung des stützenden Faktors Arbeit. Hier sei der Klägerin eine erhebliche psychische Kompensationsmöglichkeit weggebrochen. Eine PTBS bestehe nicht mehr.

Das SG hat mit Urteil vom 31. März 2015 den Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2012 teilweise aufgehoben, soweit der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. entzogen wurde. Zwar sei in der Tat nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen eine unfallbedingte PTBS nicht mehr gegeben. Allerdings liege bei der Klägerin eine Agoraphobie vor, für welche der Unfall eine wesentliche Teilursache bilde und für die nach der unfallmedizinischen Standardliteratur ab Juni 2012 durchgehend eine MdE von 30 v.H. zu veranschlagen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. April 2015 zugestellte Urteil am 07. Mai 2015 Berufung eingelegt. Es überzeuge nicht, wenn Dr. B bei seiner Vernehmung unvermittelt von seinen im schriftlichen Sachverständigengutachten enthaltenen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage abrücke. Davon abgesehen sei nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung unklar, ob die von ihm diagnostizierte Agoraphobie rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Der Umstand, dass die Klägerin selbst entschieden habe, sich ab Februar 2010 zunächst keiner Psychotherapie mehr zu unterziehen, sei nicht beachtet worden. Das SG berücksichtige zudem nicht, dass es zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen sei. Dr. F habe die Diagnose einer Agoraphobie nicht gestellt, aber die von Dr. B dieser Krankheit zugeordneten Beschwerden berücksichtigt. Es falle eine Diskrepanz zwischen den gegenüber Dr. F und Dr. B geschilderten Beschwerden auf. Nach den von Dr. F wiedergegebenen Beschwerden meide die Klägerin zwar Situationen im Dunkeln oder in öffentlichen Räumen, wo es erneut zu Überfällen kommen könne, wobei sie sich aber ansonsten uneingeschränkt bewegen könne. Mithin bestünden auch erhebliche Zweifel bzgl. der vom SG vorgenommenen MdE-Beurteilung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2015 abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und legt zur Untermauerung ihres Vorbringens u.a. ein Attest von Dipl.-Psych. E vom 25. März 2015 vor, wonach die Klägerin sich ab April 2008 zur Behandlung einer PTBS nach einem Überfall in ihrer damaligen Arbeitsstelle erstmals zur Behandlung in ihrer Praxis befunden habe. Derzeit befinde sie sich erneut wegen der vorgenannten Diagnose in ihrer Behandlung.

Der Senat hat aufgrund Beweisanordnung vom 14. September 2015 das schriftliche Sachverständigengutachten des Psychiaters Dr. B vom 18. Dezember 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat darin nach Untersuchung er Klägerin am gleichen Tage ausgeführt, dass – wie sich aus der Befunderhebung von Dr. Lim Rentenverfahren ergebe – der Raubüberfall einen großen Teil seiner Wirkung durch die Aktualisierung des labil kompensierten Verlustes des Partners erhalten habe. Dies habe sich mittlerweile in einer ebenfalls erfüllend erlebten Partnerschaft deutlich relativiert, diese Wunde erscheine verheilt. Dementsprechend stelle sich die Frage, ob das Überfallereignis allein überhaupt das Traumakriterium einer PTBS erfülle. Jedenfalls lägen aktuell eine bedeutsame Alarmstimmung (Hyperarousel), spezifische Vermeidung und intrusive Erlebnisweisen nicht mehr vor. Die Klägerin biete im Querschnitt eine selbstsichere Erscheinung und ein festes Auftreten. Eine Zwangssymptomatik, wie von Dr. B festgestellt, liege ebenfalls nicht vor. Es sei verständlich und nicht Ausdruck einer Angsterkrankung, wenn die Klägerin ihre alte Wohngegend, in welcher es wiederholt zu Gewaltstraftaten gekommen sei, verlassen und in das Viertel ihrer Kindheit zurückgezogen sei. Es finde sich bei der Klägerin, die sich ihren Angaben zufolge viel in der Wohnung aufhalte und viel mit dem Fahrrad unterwegs sei, nur noch eine Agoraphobie leichter Ausprägung als Residuum der vormaligen PTBS, und zwar im Sinne einer leicht ausgeprägten psychovegetativen Störung, welche eine MdE von nur noch 10 v.H. begründe. Dies sei spätestens ab der Untersuchung bei Dr. F am 28. März 2012 der Fall.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 06. April 2016 kritisch mit dem Gutachten auseinandergesetzt und Fragen gestellt. Hierzu hat Dr. Bunter dem 23. April 2016 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass die Klägerin öffentlichen Raum nicht unter Zwangsimpulsen meide, sondern eben nur ein eine leichte Agoraphobie vorliege. Bei der Exploration habe er bewusst von unnötigen Nachfragen bei der Klägerin abgesehen, um keine Antworttendenz vorzugeben. Übersehen werde klägerseits, dass Dipl.-Psych. E zwar den vom SG angeforderten Befundbericht im November 2012 erstellt, die letzte Sitzung mit der Klägerin aber bereits am 17. Februar 2010 stattgefunden habe. Soweit die Klägerin im Laufe der Zeit die psychischen Unfallfolgen verarbeitet habe, liege eben darin kein Krankheitswert. Er könne sich sehr wohl erinnern, dass die Klägerin in der Untersuchung geäußert habe, Kritik schon anzunehmen, sich nur keiner traue, sie zu kritisieren. Detailfragen zur Sexualität seien gerade nicht gestellt worden. Dass die Klägerin bei der Alltagsbewältigung nur ungern Fahrrad fahre, habe sie in der Untersuchung nicht zu erkennen gegeben. Entaktualisierung der PTBS bedeute, dass die erinnerungsbegleitende Emotion nicht mehr ungefiltert durchschlage und nicht mehr unkontrolliert handlungsbestimmend wirke. Die Klägerin erfülle schlichtweg nicht mehr die Kriterien der Internationalen Konvention. Der psychische Befund sei im Übrigen im Gutachten enthalten und entsprechend überschrieben.

Dr. B ist in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vom 08. Dezember 2016 von der Klägerin ergänzend befragt worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2012 ist in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2012 rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht.

Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung, d.h. Aufhebung der Rentenbewilligung ist § 48 Abs.1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Hiernach ist für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes für die Zukunft Voraussetzung, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Gemäß § 73 Abs. 2 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) wird die Rente bis zum Ende des Monats geleistet, in dem der Wegfall wirksam geworden ist, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen ist, was u.a. auch für den Fall der Entziehung von Renten an Versicherte bei Absinken der MdE auf ein nicht mehr rentenberechtigendes Maß gilt (vgl. etwa Kranig, in: Hauck/ Noftz, SGB, 06/07, § 73 SGB VII, Rn. 18).

Zunächst handelt es sich beim Bescheid vom 19. April 2010, mit welchem die Beklagte der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. gewährte, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im vorstehenden Sinne. Dies ergibt sich bereits aus der unfallgesetzlichen Spezialregelung in § 73 Abs. 1 SGB VII, wonach, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung ändern, die Rente in neuer Höhe nach Ablauf des Monats geleistet wird, in dem die Änderung wirksam geworden ist, bzw. aus § 73 Abs. 2 SGB VII, wonach, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen, die Rente bis zum Ende des Monats geleistet wird, in dem der Wegfall wirksam geworden ist. Dementsprechend nimmt § 73 Abs. 3 SGB VII – dem Gedanken folgend, dass es sich bei der Rentengewährung nach § 56 Abs. 1 SGB VII um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen Voraussetzungen andauernd fortbestehen müssen – § 48 Abs. 1 SGB X ausdrücklich in Bezug. Vorliegend erkennt der Senat im vollständigen Wegfall einer rentenberechtigenden MdE als Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 und 2 SGB VII die wesentliche Änderung im vorstehenden Sinn. Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen (BSG a.a.O., Rn. 18). Vergleichsgrundlage der Änderung i.S.v. § 73 Abs. 1 SGB VII ist der Zustand, auf dem die letzte verbindliche Leistungsfeststellung beruhte (Bescheid, Urteil, Vergleich, Anerkenntnis; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 13. Dezember 2013 – B 2 U 25/11 R -, zitiert nach juris Rn. 16). Bei gesundheitlichen Änderungen muss eine Änderung also gegenüber den die letzte Rentenfeststellung bestimmenden medizinischen Befunden vorliegen, die i.d.R. dem jeweils zugrundeliegenden Gutachten zu entnehmen sind (Ricke, in: Kassler Kommentar, SGB VII § 73 Rn. 15, beck-online).

Dies zugrunde gelegt ist der Senat i.S.v. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG davon überzeugt, dass die rentenberechtigenden körperlichen Funktionsbehinderungen, welche der Bewilligung der Rente mit Bescheid vom 19. April 2010 noch zugrunde lagen, jedenfalls ab März 2012 nicht mehr vorliegen. Eben darin liegt die von § 48 Abs. 1 SGB X vorausgesetzte wesentliche Änderung gegenüber der bei Gewährung der Verletztenrente bestandenen Sachlage. Im Bescheid vom 19. April 2010 stellte die Beklagte auf der Grundlage der von Dipl.-Psych. Werhobenen Befunde und durchgeführten Diagnostik (vgl. Gutachten vom 20. Februar 2010) eine schwere chronifizierte PTBS nach Überfall im Sinne von Übererregbarkeit (Hyperarousel), ungewolltem Wiedererleben der Gewalttat (Intrusion) und Vermeidung als Unfallfolge fest und bewertete diese mit einer MdE von 40 v.H. Derartige oder sonstige rentenberechtigende Unfallfolgen lagen indes spätestens im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Fvom 28. März 2012 nicht mehr vor. Der Senat stützt sich hierfür vor allem auf die im schriftlichen Sachverständigengutachten des Psychiaters Dr. B vom 18. Dezember 2015 niedergelegten Erwägungen zur Zusammenhangsfrage. Es findet sich nach seinen auf einer umfassenden, schlüssigen Befunderhebung gründenden Feststellungen ein allenfalls milder psychopathologischer Befund mit der Diagnose einer leichten Agoraphobie als Residuum einer früheren PTBS. Dr. B leitet schlüssig aus Angaben der Klägerin und ihrer Exploration ein nur noch dezentes Vermeidungsverhalten ohne gravierende Funktionseinbußen im Alltagsgeschehen ab. Sie lebt ein weitgehend normales Leben mit allen erforderlichen alltäglichen Erledigungen. Sie verzichtet hierbei lediglich weitgehend auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und benutzt das Fahrrad. Sie tritt selbstsicher und fest auf, führt ein selbstbestimmtes Leben. Psychopharmaka nahm die Klägerin zu keinem Zeitpunkt ein. Ein messbar schlechterer, auf eine Zwangssymptomatik oder eine Agoraphobie schwererer Ausprägung hindeutender psychischer Befund lässt sich auch anhand des von Dr. F festgehaltenen psychischen Befundes bzw. anhand ihrer Exploration am 28. März 2012 mit Ausnahme einer unfallfremden, rückläufigen und mit der schweren Krebserkrankung ihres Vaters im Zusammenhang stehenden depressiven Symptomatik nicht festmachen. Auch damals gab die Klägerin an, zwar Situationen im Dunkeln oder in öffentlichen Räumen zu meiden, sich aber ansonsten uneingeschränkt bewegen zu können. Soweit die von der Beklagten eingeschaltete Gutachterin Dipl.-Psych. W noch im Januar 2010 einen deutlich schweren psychopathologischen Befund erhoben hat, stellt dies allein schon angesichts des Zeitablaufs einer nachhaltigen Befundbesserung nicht entgegen, zumal die Gutachterin selbst in der Annahme einer möglichen Befundveränderung eine Nachuntersuchung nach zwei Jahren vorschlug. Davon abgesehen stützte sich Dipl.-Psych. W bei der Beurteilung der Ausprägung, worauf Dr. B in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten zutreffend hinweist, auf Selbstbeurteilungsskalen, die leicht durchschaubar und für den gutachterlichen Kontext nicht validiert sind (vgl. etwa Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 5.1.11, S. 148).

Soweit nun Dr. B in seinem vom SG eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten zu einer schwer ausgeprägten Agoraphobie gelangt ist, überzeugt dies nicht. Zunächst einmal ist dem schriftlichen Sachverständigengutachten hierfür kein tragfähiger psychopathologischer Befund zu entnehmen. Auch aus den von Dr. Bfestgehaltenen Angaben der Klägerin lässt sich eine schwer ausgeprägte Agoraphobie nicht schlüssig ableiten. Bei der dortigen Begutachtung hat die Klägerin lediglich angegeben, die alltäglichen Erledigungen zwar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, so doch mit dem Fahrrad zu bewältigen.

Einig sind sich Dr. F, Dr. Bund Dr. B darin, dass die zuvor bestandene PTBS jedenfalls bis März 2012 abgeklungen war. Es fehlt nach den gängigen Klassifikationssystemen ICD-10 bzw. DSM IV/ V zwar nicht bereits an dem für die Diagnose einer PTBS erforderlichen so genannten A-Kriterium, wonach gemäß DSM IV die Person mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert sein muss, welches dazu führte, dass die Person eines oder mehrere Ereignisse erlebte, beobachtete oder mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert war, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen enthielten, wobei die Person mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagierte. Dieses Kriterium wird im einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum dahingehend verstanden, dass Auslöser ein traumatisches Ereignis von besonderer Qualität mit einem extremen Belastungsfaktor (nach DSM IV lebensbedrohlich) sein muss (Schönberger et al., a.a.O., 5.1.3 Seite 144; eine andere Deutung nimmt Foerster, in: MED SACH 106 1/2010, S. 16 (18) vor). Nach ICD-10 müssen die Betroffenen einem kurz oder lang dauernden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt seien, dass nahezu bei jedem tief greifende Verzweiflung auslösen würde. Nach alldem kommen als Stressoren in Betracht: Ernsthafte Bedrohung oder Schädigung der eigenen körperlichen Integrität, des Ehepartners, der Kinder, naher Verwandter oder Freunde, plötzliche Zerstörung des Zuhauses, erleben eines Unfalls bzw. Todes anderer (Schönberger et al., ebd). Hieran gemessen war die Klägerin bei dem durch körperliche Bedrohung und Ausgeliefertsein geprägten Überfall wohl in der Tat insbesondere wegen ihrer besonderen Vulnerabilität aufgrund des kurz zuvor erlebten Unfalltodes ihres Verlobten einem geeigneten Geschehen ausgesetzt, vgl. hierzu Dr. B in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten. Allerdings bestehen bereits durchgreifende Zweifel bzgl. der anhaltenden tatsächlichen Voraussetzungen des so genannten B-Kriteriums, welches sich sowohl nach ICD-10 als auch nach DSM IV als intrusives (aufdringliches) Wiedererleben beschreiben lässt. Das B-Kriterium setzt voraus, dass Alpträume, sich aufdrängende Erinnerungen oder Flashbacks vorliegen, wobei Intrusionen und Flashbacks als entscheidende Leitsymptome anzusehen sind. Dieses Phänomen muss diagnostisch eng gefasst werden. Unspezifische psychische Reaktionen, etwa Gedanken an das Ereignis, Erinnerungen, dem Ereignis nachzuhängen oder darüber nachzugrübeln, reichen nicht aus (Foerster, a.a.O., S. 16 (18)). Davon abgrenzbare, typische PTBS-Symptome wurden bereits bei der Begutachtung durch Dr. Frommhold und späterhin nicht mehr an der Klägerin festgestellt. Dr. B hat anlässlich der von ihm durchgeführten Untersuchung nur allgemeine Einschlafprobleme mit Wachliegen und Grübeln festgehalten. Auch ließen sich in der Folgezeit bei der Klägerin schlichtweg keine anhaltenden Symptome wie Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Schreckreaktionen als Ausdruck eines erhöhten Erregungsniveaus (Hyperarousel) mehr feststellen, worauf der Sachverständige Dr. B schlüssig verweist.

Ob eine Verschiebung der Wesensgrundlage stattfand, muss nicht mehr entschieden werden. Jedenfalls begründen die bei der Klägerin ab März 2012 überhaupt noch feststellbaren bzw. (potenziell) auf den Unfall zurückzuführenden, insbesondere in einer nur als solcher bewiesenen leichtgradigen Agoraphobie bestehenden psychischen Funktionseinschränkungen nach dem zuvor Gesagten gemäß dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum allenfalls eine – nicht mehr rentenberechtigende – MdE von 10 v.H. (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 5.1.16, S. 157).

Schließlich hat auch die Befragung des Sachverständigen Dr. B durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 08. Dezember 2016 die Überzeugungskraft seines schriftlichen Sachverständigengutachtens und seiner ergänzenden Stellungnahme nicht erschüttern können. Der Sachverständige hat noch einmal die Richtigkeit seiner Fragetechnik erläutert, welche offen gestaltet ist und so verständlicherweise darauf abzielt, Antworttendenzen zu vermeiden. Auch hat der Senat aus der Befragung des Sachverständigen keine Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass die Beurteilungsgrundlage (etwa aufgrund einer etwas zurückgenommenen Fragetechnik) für die Beurteilung der Zusammenhangsfrage nicht ausreichend gewesen wäre. Der Sachverständige hat hierzu schlüssig ausgeführt, durch Beobachtung einen aussagekräftigen psychopathologischen Befund und auch in der Interaktion mit der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine schwere Psychopathologie gewonnen zu haben. Er hat noch einmal betont, während der Exploration keiner angstvoll eingeengten Person begegnet zu sein, wie es bei einer schweren Angstsymptomatik etwa in Form einer Agoraphobie kennzeichnend gewesen wäre, sondern einer die Begutachtungssituation eher dominierenden Persönlichkeit, die es u.a. rundweg abgelehnt hat, sich körperlich untersuchen zu lassen. Auch hat sich, so der Sachverständige überzeugend, eine für die Psychopathologie aussagekräftige bzw. sich in ein psychopathologisches Gesamtbild einfügende schwerwiegende vegetative Dysfunktion gerade nicht finden lassen (z.B. häufige nächtliche Toilettengänge, Nachtschweiß, sog. Früherwachen). Schließlich hat der Sachverständige nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sich aus dem der Klägerin vorgelegten Attest von Dipl.-Psych. E vom 25. März 2015 ein für die Beurteilung der Zusammenhangsfrage maßgeblicher psychopathologischer Befund nicht entnehmen und eine nachhaltiges Wiederaufleben der unfallbedingten psychischen Symptomatik nicht ableiten lässt. Da nach alldem davon auszugehen ist, dass eine rentenberechtigende MdE spätestens seit der Untersuchung bei Dr. F am 28. März 2012 nicht mehr vorlag, durfte die Beklagte die Rente jedenfalls mit Wirkung ab Juni 2012 entziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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