L 2 SF 3844/14 EK

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 3844/14 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.800 EUR festgesetzt

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nach dem Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) geltend.

Der Kläger hatte in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Verfahren sowohl beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe als auch beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben, so allein in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt 1185 Verfahren beim LSG und 605 Verfahren beim SG.

Im Ausgangsverfahren vor dem SG Karlsruhe (S 11 AS 1458/11) hatte der Kläger am 5. April 2011 "Untätigkeitsklage" erhoben und die Verpflichtung des Jobcenters begehrt, über einen "beigefügten Antrag" vom September 2010 auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu entscheiden. Nachdem der Kläger trotz Aufforderung des Jobcenters keine weiteren Unterlagen vorgelegt hatte, hatte dieses den Antrag wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt und das SG mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2011 die Klage abgewiesen. Hiergegen hatte der Kläger am 30. August 2011 Berufung erhoben (L 7 AS 3974/11). Mit Schreiben vom 24. Januar 2012 bzw. 3. März 2012 hatte der Kläger unter Benennung von 6 bzw. 26 Aktenzeichen des 7. Senates (darunter auch das Aktenzeichen des hier maßgeblichen Berufungsverfahrens beim LSG) bezogen auf die genannten Verfahren die Verzögerungsrüge erhoben und hierbei ausgeführt, er rüge in den oben genannten Verfahren die Verfahrensdauer. Verfahren um Sozialleistungen seien besonders zu fördern. Das LSG wies sodann die Berufung mit Urteil vom 16. Oktober 2014 zurück.

Am 7. September 2014 hat der Kläger Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem LSG eingelegt. Er macht geltend, ihm stünde für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 jeweils eine Entschädigungszahlung i.H.v. 1.200 EUR zu. Er habe 2011 Klage erhoben auf Gewährung von Leistungen, er habe auch form- und fristgerecht die Verzögerungsrüge erhoben. Das Verfahren sei bis heute nicht abgeschlossen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 GVG i.H.v. 4.800 EUR zu zahlen, hilfsweise eine Entschädigung aus Amtshaftung nach § 839 BGB und Verwei-sung an die Amtshaftungskammer.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Vorverfahren betreffenden Akten und die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit den §§ 198 ff. Gerichtskostengesetz - GVG -), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 29. Januar 2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

II.

Der Kläger ist wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 30. April 2014 (L 2 SF 3694/12 EK) festgestellt hat prozessfähig, weshalb ihm auch kein besonderer Vertreter gemäß § 72 SGG bestellt werden musste.

III.

Die Klage ist unzulässig, da sie vom Kläger offensichtlich rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist. So setzt jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Ein Rechtsbehelf kann in extremen Ausnahmefällen - wie hier - wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein. Hierfür ist es prägend, dass der Rechtsbehelfsführer mit seinem Rechtsbehelf verfahrensfremde Gründe verfolgt (vgl BSG 10. Dezember 2010, B 4 AS 97/10 B, juris). Rechtsmissbräuchlich ist das Ausnutzen einer von der Rechtsordnung an sich gegebenen Rechtsschutzmöglichkeit oder einer prozessualen Befugnis zu einem der einschlägigen Norm widersprechenden Zweck (BVerfG Beschluss vom 21. August 2001, 2 BvR 282/00, juris Rn. 15). Eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens ist für die Frage, ob missbräuchliches Verhalten vorliegt, nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BGH Beschluss vom 7. November 1991, 4 StR 252/91, BGHSt 38; 111). Wesentliche inhaltliche Voraussetzung ist jedoch das Vorliegen eines zweckwidrigen Einsatzes von Rechten. Daher muss auch negativ eine Abgrenzung dahingehend erfolgen, dass der Verfahrensbeteiligte die ihm eingeräumten prozessualen Möglichkeiten nicht zur Wahrung seiner Belange, sondern gezielt zu verfahrensfremden und verfahrenswidrigen Zwecken verfolgt, etwa um den Antragsgegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen (BVerfG Beschluss vom 21. August 2001, aaO).

So liegt der Fall hier. Bei dem Kläger liegt, wie oben ausgeführt, eine ausgeprägte querulatorische Entwicklung vor. Er führt eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Prozessen, die er - wie im Verfahren L 2 SF 3694/12 EK und auch dem wiederum dort zugrundeliegenden Ausgangsverfahren deutlich erkennbar - häufig noch mit wiederholten unzulässigen oder jedenfalls unbegründeten prozessualen Anträgen aufbläht. Am 20. und 27. Januar 2014 hat der Kläger des weiteren insgesamt 139 Klagen auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben, ohne Konkretisierung, unabhängig von der jeweiligen Verfahrensdauer. Daneben hat er am 27. Januar 2014 weitere 127 Wiederaufnahmeklagen bei verschiedenen Senaten des LSG erhoben. Ein sachliches Anliegen verfolgt der Kläger insoweit auch mit der hier erhobenen Entschädigungsklage nicht ernsthaft. Es geht ihm allein darum, wie auch in den erhobenen 139 Entschädigungsklagen und weiteren 127 Wiederaufnahmeklagen, das Gericht unlauter für seine Zwecke der Selbstdarstellung in Anspruch zu nehmen. Die Verfahren dienen allein dazu, den Minderwertigkeitskomplex des Klägers (basal unsichere Persönlichkeit, so Prof. Dr. Splitthof/Siebrand) dadurch zu kompensieren und sein Selbstwertgefühl zu steigern, indem er auf vermeintlicher "Augenhöhe" mit einer Vielzahl von Gerichten kommuniziert (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss des erkennenden Senates vom 3. März 2014, L 2 SF 265/14 EK, L 2 SF 266/14 EK, L 2 SF 608/14 bis 743/14 EK). Damit nimmt er die ihm eingeräumten prozessualen Möglichkeiten gezielt zu verfahrensfremden und -widrigen Zwecken in Anspruch. Im Vorfeld dieser Entschädigungsklage hat der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2012 bzw. 3. März 2012 pauschal und stereotyp unter Benennung von 6 bzw. 26 Aktenzeichen (bezogen alleine auf den 7. Senat darunter auch das Aktenzeichen des hier maßgeblichen Berufungsverfahrens beim LSG - in gleicher Weise verfuhr er auch bei anderen Senaten) in den dortigen Verfahren die Verzögerungsrüge erhoben, ohne allerdings auch nur ansatzweise konkret-individuell auf Umstände in den jeweiligen Verfahren hinzuweisen, die für das Maß der gebotenen Zügigkeit wichtig sind (so BT-Drs. 17/3802 Seite 21; Steinbeiß-Winkelmann/Ott Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren § 198 GVG Rn. 210; Marx/Roderfeld Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren § 198 GVG Rn. 146). Er hat lediglich ausgeführt, er rüge in den oben genannten Verfahren die Verfahrensdauer, Verfahren um Sozialleistungen seien besonders zu fördern. Auch dieses Verhalten zeigt, dass es dem Kläger überhaupt nicht um das konkrete Verfahren, um möglicherweise dort drohende Verzögerungsschäden, geht, sondern es ihm allein darum geht, die Gerichte mit einer Vielzahl von Verfahren einzudecken (hier konkret durch die Erhebung einer Vielzahl von Verzögerungsrügen um entsprechende Entschädigungsklagen in großem Umfang vorzubereiten).

Aus diesen Gründen war die Klage als unzulässig abzuweisen.

IV.

Die hilfsweise erhobene Amtshaftungsklage, verbunden mit einem Antrag auf Verweisung an das zuständige Landgericht, ist aus den oben unter III. genannten Gründen (offensichtlich rechtsmissbräuchlich) ebenfalls unzulässig, weshalb insoweit auch dem Verweisungsantrag nicht nachzugehen war.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a i.V.m. § 183 Satz 6 SGG.

Der Streitwert war in Höhe des geltend gemachten Zahlbetrages von 4.800 EUR festzusetzen (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG-).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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