Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 3014/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3463/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Januar 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Im Verfahren S 5 AS 3014/11 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) waren Kosten für Unterkunft und Heizung streitig.
Im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 betrug die von den Klägern zu zahlende Miete monatlich 668,61 EUR (532 EUR Nutzungsgebühr Wohnung, 22 EUR Vorauszahlung Betriebskosten, 65 EUR Vorauszahlung Heizkosten, 40 EUR Vorauszahlung Wasser/Abwasser, 9,61 EUR Gebühr Kabelfernsehen). Außerdem fielen Müllgebühren in Höhe von 10 EUR an. Der Beklagte legte seiner Leistungsbewilligung (Bescheid vom 03.06.2011, Änderungsbescheid vom 08.07.2011) im Hinblick auf das von ihm herangezogene "schlüssige Konzept" und nach entsprechender Kostensenkungsaufforderung lediglich eine Nettokaltmiete in Höhe von 366 EUR zzgl. Nebenkosten in Höhe von 146,61 EUR zugrunde (zusammen 512,61 EUR).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2016 beantragten die Kläger die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nettokaltmiete (532 EUR monatlich), während der Beklagte Klageabweisung begehrte.
Das SG verurteilte den Beklagten im Urteil vom 29.01.2016 (diesem zugestellt am 26.02.2016) unter Abänderung der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide zur Gewährung höherer Leistungen unter Zugrundelegung der tatsächlichen Nettokaltmiete (532 EUR monatlich) und belehrte über eine Anfechtbarkeit dieses Urteils mittels Berufung.
Am 21.03.2016 erhob der Beklagte Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 9 AS 1098/16) und beantragte, das Urteil des SG aufzuheben, soweit Kosten der Unterkunft und Heizung für den genannten Zeitraum über die damals gültigen Werte der Wohngeldtabelle plus Zuschlag sowie über die tatsächlichen Aufwendungen für Heizkosten hinaus zu bezahlen sind, und die Klage insoweit abzuweisen. Es errechne sich eine angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 496,10 EUR, so dass zuzüglich der Nebenkosten monatlich 534,64 EUR zu zahlen seien. Angesichts der bisher gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 512,61 EUR errechne sich ein monatlicher Nachzahlungsbetrag in Höhe von 22,03 EUR.
Nachdem die Berichterstatterin den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendige Beschwerdewert durch die Beschränkung der Berufung nicht mehr erreicht werde, ist diese am 12.09.2016 zurückgenommen worden. Gleichzeitig hat der Beklagte am 09.09.2016 beim LSG Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) erhoben mit der Begründung, es habe sich bei dem streitigen Verfahren vor dem SG um ein Musterverfahren zur Klärung der Rechtmäßigkeit des "schlüssigen Konzepts" gehandelt. Allerdings habe das SG keine Entscheidung hierüber getroffen, sondern die Klage wegen Mängeln im Kostensenkungsverfahren abgewiesen. Dieses Ergebnis sei in der mündlichen Verhandlung überraschend gekommen. In Bezug auf die Rechtsfolgenbelehrung habe das SG irrtümlich angenommen, dass die Berufung ohne Zulassung statthaft wäre. Es habe hierbei nicht beachtet, dass der Beklagte mehrfach zum Ausdruck gebracht habe, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft jedenfalls nach der Wohngeldtabelle nebst 10 % zuzuerkennen, wenn das schlüssige Konzept nicht den Anforderungen genüge. Auch sei die Berufung zuzulassen, weil den Klägern die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft bekannt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die NZB war wegen Fristablaufs als unzulässig zu verwerfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG richtet sich nach dem Betrag, zu dem der Beklagte verurteilt wurde, und danach, was der Beklagte anschließend mit den Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (st. Rspr, vgl. nur BSG, Beschluss vom 13.06.2013, B 13 R 437/12 B m.w.N., juris).
Vorliegend hat der Beklagte nur noch Berufung in Höhe von 719,85 EUR eingelegt (vom Beklagten ursprünglich bewilligte Unterkunftskosten 512,61 EUR [hierbei 366 EUR Nettokaltmiete, Nebenkosten 146,61 EUR], vom SG gewährte Nettokaltmiete 532 EUR, d.h. bei Beibehaltung der Nebenkosten insgesamt 678,61 EUR, vom Beklagten nun anerkannte Unterkunftskosten 534,64 EUR; Beschwerdewert: 678,61 EUR abzgl. 534,64 EUR = 143,97; bei fünf Monaten: 5 x 143,97 = 719,85 EUR). Da der Wert des Beschwerdegegenstands unter 750 EUR lag, hätte die Berufung der Zulassung bedurft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), so dass, nachdem das SG die Berufung bezüglich dieses Beschwerdewerts nicht ausdrücklich zugelassen hat, die NZB statthaft war im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Jedoch ist die NZB nicht fristgerecht eingelegt worden. Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Beschwerde bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen. Da vorliegend das Urteil des SG dem Beklagten am 26.02.2016 zugestellt wurde, war diese Monatsfrist zur Einlegung der NZB am 09.09.2016 bereits verstrichen.
Es ist auch nicht die Jahresfrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG heranzuziehen, da die Rechtsmittelbelehrung weder unterblieben noch unrichtig erteilt worden ist im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Im genannten Urteil verurteilte das SG den Beklagten zur Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Nettokaltmiete in Höhe von 532 EUR statt der zuvor zugrunde gelegten Nettokaltmiete in Höhe von 366 EUR unter Beibehaltung der bisher gewährten Nebenkosten. Bei fünf Monaten ergibt dies eine Beschwer von 830 EUR, so dass die Berufung gemäß §§143, 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGG statthaft gewesen wäre. Das SG fügte seinem Urteil dementsprechend auch die korrekte Rechtsmittelbelehrung bei.
Das SG war hierbei nicht verpflichtet, in seiner Rechtsmittelbelehrung darauf hinzuweisen, dass die - zulassungsfreie - Berufung des Beklagten gemäß § 144 SGG nur statthaft ist, wenn er seinen Klageantrag im Berufungsverfahren mit einem Wert von über 750 EUR weiterverfolgt und ansonsten nur die NZB statthaft ist (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.09.2016, L 10 AS 84/14 NZB; Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.03.2008, L3 AL 140/06 NZB, beide in juris; Bienert, Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung nach § 145 des Sozialgerichtsgesetzes, info also 2014, Seite 198 ff. Fußnote 30; offengelassen in LSG Baden-Württemberg, Beschluss 24.11.2011, L 13 AS 393/11 NZB, juris). Gemäß § 66 SGG ist über das bzw. die statthaften Rechtsmittel zu belehren. Die Belehrung muss so gefasst sein, dass die Beteiligten ohne Zuhilfenahme des Gesetzestextes in der Lage sind, die ersten Schritte zur Durchführung des Rechtsmittels zu unternehmen; sie muss daher über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsmittels zu beachtenden Vorschriften unterrichten (siehe hierzu BSG, Urteil vom 14.03.3013, B 13 R 19/12 R m.w.N., juris). Andererseits darf sie nicht so abgefasst sein, dass sie durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und wegen ihres Inhalts und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet (Überfrachtungsverbot, siehe hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 66 Rn. 5 mw.N.). Sie muss überdies nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken (Wegweiserfunktion, siehe Keller a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG). Nach diesen Grundsätzen hält der Senat die Rechtsmittelbelehrung für zutreffend und vor allem vollständig: Zum einen lässt sich nicht argumentieren, das SG hätte erkennen können, dass der Beklagte das Urteil nur insoweit anfechten würde, als die ausgeurteilte Nettokaltmiete die Werte der Wohngeldtabelle zzgl. Zuschlag übersteigt. Tatsache ist, dass der Beklagte bis zuletzt vollständige Klageabweisung beantragt hatte und der Beschwerdewert damit über 750 EUR lag. Selbst wenn der Beklagte, wie er jetzt vorträgt, zuvor mehrfach zum Ausdruck gebracht haben sollte, dass, sofern das "schlüssige Konzept" nicht den Anforderungen des BSG entsprechen sollte, die Kosten der Unterkunft nach der Wohngeldtabelle nebst 10 % Sicherheitszuschlag zuerkannt würden, wurde der Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht entsprechend beschränkt und bezüglich der Differenz auch kein Anerkenntnis abgegeben. Dies war auch nicht zu erwarten, da der Rechtsstreit aus Sicht des Beklagten vor allem dazu diente, sein "schlüssiges Konzept" prüfen zu lassen und diesem Konzept gerade nicht die Werte der Wohngeldtabelle zugrundeliegen. Das SG hat der Klage zwar aus anderen Gründen stattgegeben (unzureichende Kostensenkungsaufforderung), doch wäre zu erwarten gewesen, dass der Beklagte vollumfänglich hiergegen Berufung einlegt, um nicht nur die Kostensenkungsaufforderung, sondern vor allem auch das "schlüssige Konzept" überprüfen zu lassen. Zum anderen ist es nicht Aufgabe des Gerichts, eine Rechtsmittelbelehrung anzufügen, die allen Eventualitäten Rechnung trägt, sondern ist nur über den "Regelweg" zu belehren; ein Hinweis auf "Auch-Möglichkeiten" ist nicht erforderlich (s. hierzu Sächsisches LSG, a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.01.1984, 9 a RV 2/83, beides in juris). Nach der Rechtsprechung des BSG (siehe hierzu Urteil vom 23.03.1995, 13 RJ 19/94, juris) ist zwar bei einer durch Gesetz eingeräumten Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Rechtsmitteln jedes Rechtsmittel korrekt zu bezeichnen, da ansonsten die Rechtsmittelbelehrung im Ganzen fehlerhaft ist (einheitliche Betrachtung), doch lässt sich dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, da das Rechtsmittel der NZB vorliegend gerade nicht gesetzlich von vornherein vorgesehen ist, sondern erst durch eine Berufungsbeschränkung, also eine nicht vorhersehbare Eventualität, zulässig wird (offengelassen in LSG Baden-Württemberg a.a.O.).
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen (§ 67 SGG). Es kann von einer Behörde - anders als von einem nicht vertretenen Kläger (s. hierzu LSG Baden-Württemberg a.a.O.) - erwartet werden, dass sie bei einer Berufungsbeschränkung eigenständig prüft, ob der Beschwerdewert noch erreicht wird. Sofern die Fristversäumung auch auf einem Fehler des Gerichts beruht, sind zwar die Anforderungen an die Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG,11. Auflage 2014, § 67 Rdnr. 4 a ff.), jedoch besteht keine Pflicht des Gerichtes, dass es Schreiben unmittelbar nach deren Eingang auf mögliche Fehler (hier Unterschreitung des Beschwerdewertes) überprüft (s. Keller a.a.O. Rdnr. 4 d), zumal vorliegend die Höhe des Beschwerdewertes, wie oben dargelegt, erst in mehreren Schritten errechnet werden muss und sich nicht auf den ersten Blick aus der Berufungsschrift ergibt. Im Übrigen hat der Beklagte, nachdem er durch die Berichterstatterin mit Schreiben vom 20.07.2016 (abgesandt 21.07.2016) auf die Unstatthaftigkeit der Berufung und die Möglichkeit des Einlegens einer NZB hingewiesen worden war, nicht innerhalb eines Monates gemäß § 67 Abs. 2 SGG NZB erhoben, sondern nach nochmaliger Mahnung erst am 09.09.2016. Insofern ist eine Wiedereinsetzung wegen Fristablaufs ohnehin unzulässig.
Die NZB war somit wegen Fristversäumung als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Im Verfahren S 5 AS 3014/11 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) waren Kosten für Unterkunft und Heizung streitig.
Im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 betrug die von den Klägern zu zahlende Miete monatlich 668,61 EUR (532 EUR Nutzungsgebühr Wohnung, 22 EUR Vorauszahlung Betriebskosten, 65 EUR Vorauszahlung Heizkosten, 40 EUR Vorauszahlung Wasser/Abwasser, 9,61 EUR Gebühr Kabelfernsehen). Außerdem fielen Müllgebühren in Höhe von 10 EUR an. Der Beklagte legte seiner Leistungsbewilligung (Bescheid vom 03.06.2011, Änderungsbescheid vom 08.07.2011) im Hinblick auf das von ihm herangezogene "schlüssige Konzept" und nach entsprechender Kostensenkungsaufforderung lediglich eine Nettokaltmiete in Höhe von 366 EUR zzgl. Nebenkosten in Höhe von 146,61 EUR zugrunde (zusammen 512,61 EUR).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2016 beantragten die Kläger die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nettokaltmiete (532 EUR monatlich), während der Beklagte Klageabweisung begehrte.
Das SG verurteilte den Beklagten im Urteil vom 29.01.2016 (diesem zugestellt am 26.02.2016) unter Abänderung der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide zur Gewährung höherer Leistungen unter Zugrundelegung der tatsächlichen Nettokaltmiete (532 EUR monatlich) und belehrte über eine Anfechtbarkeit dieses Urteils mittels Berufung.
Am 21.03.2016 erhob der Beklagte Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 9 AS 1098/16) und beantragte, das Urteil des SG aufzuheben, soweit Kosten der Unterkunft und Heizung für den genannten Zeitraum über die damals gültigen Werte der Wohngeldtabelle plus Zuschlag sowie über die tatsächlichen Aufwendungen für Heizkosten hinaus zu bezahlen sind, und die Klage insoweit abzuweisen. Es errechne sich eine angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 496,10 EUR, so dass zuzüglich der Nebenkosten monatlich 534,64 EUR zu zahlen seien. Angesichts der bisher gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 512,61 EUR errechne sich ein monatlicher Nachzahlungsbetrag in Höhe von 22,03 EUR.
Nachdem die Berichterstatterin den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendige Beschwerdewert durch die Beschränkung der Berufung nicht mehr erreicht werde, ist diese am 12.09.2016 zurückgenommen worden. Gleichzeitig hat der Beklagte am 09.09.2016 beim LSG Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) erhoben mit der Begründung, es habe sich bei dem streitigen Verfahren vor dem SG um ein Musterverfahren zur Klärung der Rechtmäßigkeit des "schlüssigen Konzepts" gehandelt. Allerdings habe das SG keine Entscheidung hierüber getroffen, sondern die Klage wegen Mängeln im Kostensenkungsverfahren abgewiesen. Dieses Ergebnis sei in der mündlichen Verhandlung überraschend gekommen. In Bezug auf die Rechtsfolgenbelehrung habe das SG irrtümlich angenommen, dass die Berufung ohne Zulassung statthaft wäre. Es habe hierbei nicht beachtet, dass der Beklagte mehrfach zum Ausdruck gebracht habe, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft jedenfalls nach der Wohngeldtabelle nebst 10 % zuzuerkennen, wenn das schlüssige Konzept nicht den Anforderungen genüge. Auch sei die Berufung zuzulassen, weil den Klägern die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft bekannt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die NZB war wegen Fristablaufs als unzulässig zu verwerfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG richtet sich nach dem Betrag, zu dem der Beklagte verurteilt wurde, und danach, was der Beklagte anschließend mit den Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (st. Rspr, vgl. nur BSG, Beschluss vom 13.06.2013, B 13 R 437/12 B m.w.N., juris).
Vorliegend hat der Beklagte nur noch Berufung in Höhe von 719,85 EUR eingelegt (vom Beklagten ursprünglich bewilligte Unterkunftskosten 512,61 EUR [hierbei 366 EUR Nettokaltmiete, Nebenkosten 146,61 EUR], vom SG gewährte Nettokaltmiete 532 EUR, d.h. bei Beibehaltung der Nebenkosten insgesamt 678,61 EUR, vom Beklagten nun anerkannte Unterkunftskosten 534,64 EUR; Beschwerdewert: 678,61 EUR abzgl. 534,64 EUR = 143,97; bei fünf Monaten: 5 x 143,97 = 719,85 EUR). Da der Wert des Beschwerdegegenstands unter 750 EUR lag, hätte die Berufung der Zulassung bedurft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), so dass, nachdem das SG die Berufung bezüglich dieses Beschwerdewerts nicht ausdrücklich zugelassen hat, die NZB statthaft war im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Jedoch ist die NZB nicht fristgerecht eingelegt worden. Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Beschwerde bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen. Da vorliegend das Urteil des SG dem Beklagten am 26.02.2016 zugestellt wurde, war diese Monatsfrist zur Einlegung der NZB am 09.09.2016 bereits verstrichen.
Es ist auch nicht die Jahresfrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG heranzuziehen, da die Rechtsmittelbelehrung weder unterblieben noch unrichtig erteilt worden ist im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Im genannten Urteil verurteilte das SG den Beklagten zur Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Nettokaltmiete in Höhe von 532 EUR statt der zuvor zugrunde gelegten Nettokaltmiete in Höhe von 366 EUR unter Beibehaltung der bisher gewährten Nebenkosten. Bei fünf Monaten ergibt dies eine Beschwer von 830 EUR, so dass die Berufung gemäß §§143, 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGG statthaft gewesen wäre. Das SG fügte seinem Urteil dementsprechend auch die korrekte Rechtsmittelbelehrung bei.
Das SG war hierbei nicht verpflichtet, in seiner Rechtsmittelbelehrung darauf hinzuweisen, dass die - zulassungsfreie - Berufung des Beklagten gemäß § 144 SGG nur statthaft ist, wenn er seinen Klageantrag im Berufungsverfahren mit einem Wert von über 750 EUR weiterverfolgt und ansonsten nur die NZB statthaft ist (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.09.2016, L 10 AS 84/14 NZB; Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.03.2008, L3 AL 140/06 NZB, beide in juris; Bienert, Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung nach § 145 des Sozialgerichtsgesetzes, info also 2014, Seite 198 ff. Fußnote 30; offengelassen in LSG Baden-Württemberg, Beschluss 24.11.2011, L 13 AS 393/11 NZB, juris). Gemäß § 66 SGG ist über das bzw. die statthaften Rechtsmittel zu belehren. Die Belehrung muss so gefasst sein, dass die Beteiligten ohne Zuhilfenahme des Gesetzestextes in der Lage sind, die ersten Schritte zur Durchführung des Rechtsmittels zu unternehmen; sie muss daher über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsmittels zu beachtenden Vorschriften unterrichten (siehe hierzu BSG, Urteil vom 14.03.3013, B 13 R 19/12 R m.w.N., juris). Andererseits darf sie nicht so abgefasst sein, dass sie durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und wegen ihres Inhalts und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet (Überfrachtungsverbot, siehe hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 66 Rn. 5 mw.N.). Sie muss überdies nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken (Wegweiserfunktion, siehe Keller a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG). Nach diesen Grundsätzen hält der Senat die Rechtsmittelbelehrung für zutreffend und vor allem vollständig: Zum einen lässt sich nicht argumentieren, das SG hätte erkennen können, dass der Beklagte das Urteil nur insoweit anfechten würde, als die ausgeurteilte Nettokaltmiete die Werte der Wohngeldtabelle zzgl. Zuschlag übersteigt. Tatsache ist, dass der Beklagte bis zuletzt vollständige Klageabweisung beantragt hatte und der Beschwerdewert damit über 750 EUR lag. Selbst wenn der Beklagte, wie er jetzt vorträgt, zuvor mehrfach zum Ausdruck gebracht haben sollte, dass, sofern das "schlüssige Konzept" nicht den Anforderungen des BSG entsprechen sollte, die Kosten der Unterkunft nach der Wohngeldtabelle nebst 10 % Sicherheitszuschlag zuerkannt würden, wurde der Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht entsprechend beschränkt und bezüglich der Differenz auch kein Anerkenntnis abgegeben. Dies war auch nicht zu erwarten, da der Rechtsstreit aus Sicht des Beklagten vor allem dazu diente, sein "schlüssiges Konzept" prüfen zu lassen und diesem Konzept gerade nicht die Werte der Wohngeldtabelle zugrundeliegen. Das SG hat der Klage zwar aus anderen Gründen stattgegeben (unzureichende Kostensenkungsaufforderung), doch wäre zu erwarten gewesen, dass der Beklagte vollumfänglich hiergegen Berufung einlegt, um nicht nur die Kostensenkungsaufforderung, sondern vor allem auch das "schlüssige Konzept" überprüfen zu lassen. Zum anderen ist es nicht Aufgabe des Gerichts, eine Rechtsmittelbelehrung anzufügen, die allen Eventualitäten Rechnung trägt, sondern ist nur über den "Regelweg" zu belehren; ein Hinweis auf "Auch-Möglichkeiten" ist nicht erforderlich (s. hierzu Sächsisches LSG, a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.01.1984, 9 a RV 2/83, beides in juris). Nach der Rechtsprechung des BSG (siehe hierzu Urteil vom 23.03.1995, 13 RJ 19/94, juris) ist zwar bei einer durch Gesetz eingeräumten Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Rechtsmitteln jedes Rechtsmittel korrekt zu bezeichnen, da ansonsten die Rechtsmittelbelehrung im Ganzen fehlerhaft ist (einheitliche Betrachtung), doch lässt sich dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, da das Rechtsmittel der NZB vorliegend gerade nicht gesetzlich von vornherein vorgesehen ist, sondern erst durch eine Berufungsbeschränkung, also eine nicht vorhersehbare Eventualität, zulässig wird (offengelassen in LSG Baden-Württemberg a.a.O.).
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen (§ 67 SGG). Es kann von einer Behörde - anders als von einem nicht vertretenen Kläger (s. hierzu LSG Baden-Württemberg a.a.O.) - erwartet werden, dass sie bei einer Berufungsbeschränkung eigenständig prüft, ob der Beschwerdewert noch erreicht wird. Sofern die Fristversäumung auch auf einem Fehler des Gerichts beruht, sind zwar die Anforderungen an die Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG,11. Auflage 2014, § 67 Rdnr. 4 a ff.), jedoch besteht keine Pflicht des Gerichtes, dass es Schreiben unmittelbar nach deren Eingang auf mögliche Fehler (hier Unterschreitung des Beschwerdewertes) überprüft (s. Keller a.a.O. Rdnr. 4 d), zumal vorliegend die Höhe des Beschwerdewertes, wie oben dargelegt, erst in mehreren Schritten errechnet werden muss und sich nicht auf den ersten Blick aus der Berufungsschrift ergibt. Im Übrigen hat der Beklagte, nachdem er durch die Berichterstatterin mit Schreiben vom 20.07.2016 (abgesandt 21.07.2016) auf die Unstatthaftigkeit der Berufung und die Möglichkeit des Einlegens einer NZB hingewiesen worden war, nicht innerhalb eines Monates gemäß § 67 Abs. 2 SGG NZB erhoben, sondern nach nochmaliger Mahnung erst am 09.09.2016. Insofern ist eine Wiedereinsetzung wegen Fristablaufs ohnehin unzulässig.
Die NZB war somit wegen Fristversäumung als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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